Matthias Kuert von Travail Suisse dreht in einer Replik zum Interview mit Markus Leibundgut (Swiss Life) an der alten Leier der “überhöhten Gewinne der Versicherer “ in der 2. Säule. Mehr scheint ihm zum Thema BVG nicht einzufallen.
Tages-Anzeiger
TA: Interview mit Markus Leibundgut, Swiss Life
Der Tages-Anzeiger hat mit Markus Leibundgut, CEO der Swiss Life ein Interview über das Geschäft mit der 2. Säule geführt. Auszüge.
Die Linke stört grundsätzlich, dass die Lebensversicherer mit einer Sozialversicherung Geschäfte machen und bei ihnen Geld aus der zweiten Säule abfliesst.
Das ist reine Ideologie, die letztlich dem Gewerbe schadet. Wer so denkt, muss die Abschaffung der Vollversicherung fordern, die bei KMU so beliebt ist. Diese funktioniert nur, wenn wir genug Kapital als Garantie haben. Und das bekommen wir nur, wenn wir eine minimale Rendite zahlen. Firmen mit Vollversicherung haben viele Gewinnmöglichkeiten, aber null Verlustrisiko. Das ist nicht kostenlos. Wer diese Lösung nicht will, hat andere Möglichkeiten, in der zweiten Säule herrscht Wahlfreiheit. Aber die Vorteile sind so gross, dass KMU die Vollversicherung nach wie vor stark nachfragen.
Sie weisen Unternehmen ab, die die Vollversicherung wählen möchten?
Paradoxerweise müssen wir das, ja. Die Zahl der Versicherten wächst kaum mehr, nicht nur bei uns. Aber wir stellen fest, dass viele Unternehmer die Vollversicherung trotz der höheren Prämien vorziehen – ganz einfach, weil sie die Risiken der Vorsorge nicht tragen wollen oder können. Da sprechen wir vor allem von Firmen in Branchen mit geringen Margen, wenig Reserven, tiefen Löhnen. Die meisten sind KMU, vom Coiffeur bis zum Handwerker. Deshalb verstehe ich die Gewerkschaften nicht. Mit ihrem Kampf gegen die Vollversicherung schaden sie ihren eigenen Leuten: den Angestellten, die finanziell knapp dran sind.
Diese Firmen könnten sich anderswo versichern, wenn es die Vollversicherung nicht mehr gäbe.
So einfach ist das nicht. Heute ist mehr als jeder vierte Angestellte in einer Vollversicherung bei einem Lebensversicherer. Wenn diese wegfiele, gäbe es eine chaotische, riskante Übergangszeit. Ich bezweifle zudem, dass in margenschwachen Branchen die Vorsorge ohne Garantien langfristig stabil organisiert werden kann. Die Risiken für die Allgemeinheit wären beträchtlich. Letztlich bestünde die Gefahr, dass die Altersarmut zunimmt, wenn die Vorsorge bei Personen mit tiefen Löhnen weniger solid ist.
Und das alles, sagen Sie, nehmen die Gewerkschaften in Kauf?
Es ist bekannt, dass Teile der Linken am liebsten die AHV in Richtung Volkspension ausbauen möchten.
“Rentenalter 65 für Frauen gestorben”
“Das Frauenrentenalter 65 ist für den Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) nach dem Nein zur Rentenreform im September kein Thema mehr. Bei einer neuen AHV-Revision will er sich dafür einsetzen, dass Frauen auch künftig mit 64 Jahren in Pension gehen können”, schreibt der Tages-Anzeiger und glaubt offenbar daran.
Ein bisschen uneinig
Fabian Renz resümiert im Tages-Anzeiger die Ereignisse und Folgerungen des Runden Tisches vom 27.10.17 von Bundesrat Berset im Bundeshaus. Renz schreibt:
Angekündigt war ein «runder Tisch», doch Ständerätin Karin Keller-Sutter (FDP, SG) empfand ihn eher als «Landsgemeinde », wie sie sagt. Sie spielt damit auf die hohe Teilnehmerzahl an: Nicht weniger als 27 verschiedene Gruppierungen waren gestern von Innenminister Alain Berset (SP) zur Diskussion über eine mögliche neue Reform der Altersvorsorge geladen. Es war das erste Mal seit der Volksabstimmung vom 24. September, dass sich alle involvierten Parteien und Verbände zum Gedankenaustausch trafen. Etwas über zwei Stunden dauerte der straff durchgetaktete Anlass; jeder teilnehmenden Gruppe, vertreten durch jeweils zwei Personen, standen fünf Minuten Redezeit zur Verfügung.
Das Ergebnis scheint ernüchternd: Es herrsche «Uneinigkeit über fast alles», bilanzierte Berset nach dem Treffen gegenüber den Medien. Einen weitgehenden Konsens macht Berset nur in zwei grundlegenden Punkten aus: Erstens sei es praktisch unbestritten, dass insbesondere für die AHV eine baldige Reform nottue – dem Sozialwerk droht aufgrund der Demografie mittelfristig die Pleite. Und zweitens seien sich die verschiedenen Akteure einig darin, dass das Niveau der Altersrenten erhalten bleiben soll.
Nicht alle, aber viele PKs leiden unter dem zu hohen Umwandlungssatz
Während grosse, umhüllende Kassen mit dem überhöhten UWS dank Anrechnungsprinzip zurecht kommen, bildet er für Kassen nahe dem Obligatorium ein Problem. Der Tages-Anzeiger schreibt dazu:
Probleme haben Kassen, die vor allem Versicherte mit nur gesetzlichen Minimalleistungen haben. 13 Prozent der Versicherten, meist aus Tieflohnbranchen, sind in solchen BVG-nahen Kassen. «Es wäre fatal, wenn die bürgerlichen Parlamentarier nach dem Nein zur Altersvorsorge die BVG-Revision zurückstellten», warnt Sergio Bortolin, Geschäftsführer der Pensionskasse Asga. Die Asga hat viele Versicherte mit Leistungen, die sich am gesetzlichen Obligatorium orientieren. Bei der Asga sind rund 12’000 Arbeitgeber mit insgesamt über 100’000 Mitarbeitern versichert.
Der zu hohe Umwandlungssatz erfordert bei der Asga eine grosse Umverteilung zur Finanzierung der Renten. Bei einer Pensionierung müsse die Asga für einen Rentner zurzeit 20 Prozent des Alterskapitals zusätzlich reservieren, um die Rentenleistung zu garantieren. (…)
Noch grösser ist die Umverteilung von den Aktiven zu den Rentnern bei der Auffangeinrichtung BVG. Bei dieser Vorsorgestiftung sind rund 36’000 Angestellte im Rahmen des gesetzlichen Obligatoriums versichert. Sie fungiert im Auftrag des Bundes als Auffangbecken und Sicherheitsnetz der zweiten Säule. «Wenn der gesetzliche Umwandlungssatz nicht gesenkt wird, geht die massive Umverteilung zwischen erwerbstätigen Versicherten und Rentnern weiter», warnt Marco Bagutti, Direktor der Auffangeinrichtung. Die Erwerbstätigen subventionierten derzeit bei der Auffangeinrichtung jedem Pensionierten die Rente zu rund einem Drittel.
Institutionelle bauen für Studenten
Der Tages-Anzeiger berichtet über den Trend von Investoren, sich vermehrt in Studentenwohnungen zu engagieren. U.a. hat dies bereits die Abendrot getan. Der TA schreibt:
Es scheint keinen valablen Grund zu geben, warum institutionelle Investoren ihr Geld in Studentenwohnungen stecken sollten. Und doch tun Anlagestiftungen, Investmentfonds und Pensionskassen genau dies immer häufiger. Wegen der tiefen Zinsen suchen sie verzweifelt nach Anlagemöglichkeiten. Spezialsegmente wie das «Student Housing» stünden deshalb weit oben auf der Prioritätenliste, berichtete die Unternehmensberatung EY im Sommer. Die Bedeutung von Studentenwohnheimen als Anlageobjekte steige, schreibt auch der Immobilienberater Jones Lang LaSalle ( JLL) diese Woche in einer Studie. (…)
Die zu erwartenden Renditen lägen bei solchen Projekten zwar oft tiefer als in anderen Marktsegmenten, sagt Claudio Rudolf, Partner und Immobilienexperte bei EY. «Aber die Einnahmen sind praktisch gesichert, weil die Nachfrage so gross ist. Und das Risiko deshalb kleiner. » Oft kämen institutionelle Investoren auch für einen Teil oder die gesamten Baukosten auf, und die Hochschulen übernähmen die Wohnobjekte dann zur Generalmiete. Sie zahlen also einen fixen Preis für sämtliche Wohnungen an den Investor und vermieten sie selber weiter. Das Interesse an solchen Lösungen hat laut Rudolf in den letzten Jahren in der Schweiz zugenommen. «Wir sprechen natürlich nicht von einem Milliardenmarkt. Aber von einer interessanten Nische mit Wachstumspotenzial.»
Der gute Kompromiss
Michael Hermann, Politgeograf und Kolumnist beim Tages-Anzeiger, beschäftigt sich nach dem Scheitern der AV2020 mit Inhalt und Bedeutung des Begriffs “Kompromiss”.
Es sind drei Trends, welche die Fähigkeit zum intelligenten Kompromiss heute untergraben. Der erste liegt in einem gewandelten Politikertyp. Parlamentarier und Parlamentarierinnen, die sich vor allem für die Inhalte der Gesetzgebung interessieren, werden immer rarer. Politik wird vermehrt als Spiel verstanden. Alles dreht sich um clevere Deals, Aussenwirkung und Selbstvermarktung. Statt um gute Lösungen, die «Policies», geht es immer häufiger um «Politics» – um den Prozess der Lösungsfindung. Verhandlungstaktik und Kommunikation sind in der Politik zentral, doch sie ersetzen nicht das Produkt.
Der zweite Trend liegt im Nacheifern der vermeintlichen Wünsche des Volkes. Zermürbt von wiederkehrenden Abstimmungsniederlagen, haben viele Politikerinnen und Politiker den Glauben an die eigene Intuition verloren. Statt auf Überzeugungskraft zu setzen und der Bevölkerung die Wichtigkeit und die Schritte einer notwendigen Reform zu erklären, wird versucht, dem Volk die Wünsche von den Lippen zu lesen – ein Ding der Unmöglichkeit. Es ist die Rolle der Politik, voranzugehen und die Bevölkerung auf den Weg mitzunehmen.
Die Doppelmoral bei Regulierungen Beim dritten Trend geht es schliesslich um den Umgang mit dem Begriff der Regulierung. (…) Den guten Kompromiss kann es nur geben, wenn das Bedürfnis, klug zu regulieren, wieder einen zentralen Platz im Gesetzgebungsprozess erhält. Es braucht wieder geistige Beweglichkeit für kreative Lösungen, sonst verkümmert die einst zentrale Stärke der Schweiz.
TA: Wie die Bürgerlichen die nächste AHV-Reform gewinnen
Philipp Loser und Alan Cassidy geben in ihrem Artikel im Tages-Anzeiger ein Stimmungsbild nach der verlorenen Abstimmung.
Der Rechtsrutsch ist eine Tatsache. Uns bleibt nichts anderes übrig, als uns in diesem Rahmen zu bewegen .» Im Fall der Rentenform bedeutet «konstruktive Opposition» das Beharren auf den neuen roten Linien, die Levrat seit Sonntag mantramässig wiederholt. Keine Rentensenkungen, keine allgemeine Erhöhung des Rentenalters, keine Angleichung des Frauenrentenalters ohne Kompensation. Alles, was darüber hinausgeht, einen «reinen Abbau» wird die SP «frontal bekämpfen». «Unsere Gestaltungskraft mag nicht so gross sein, wie wir uns das wünschen. Unsere Vetokraft ist aber ungebrochen», sagt Levrat.
Wie diese neue Reform aussehen wird, hängt massgeblich von Bundesrat Alain Berset ab. Er ist die tragische Figur des Abstimmungskampfes, und man stelle sich vor, wie viel einfacher es für ihn und die SP heute wäre, hätte er vergangene Woche das Departement gewechselt. Nun bleibt er Innenminister und hat die Aufgabe, zu retten, was zu retten ist. Bersets grösste Herausforderung wird dabei sein, möglichst schnell wieder eine Vorlage zu präsentieren.
Die grösste Angst der Linken ist nämlich nicht eine «Abbaureform» von rechts, wie sie es in ihren Mitteilungen nennen. Eine solche Vorlage kann man bekämpfen, eine solche Abstimmung gewinnen. Die viel grössere Angst von links ist es, dass nun gar nichts passiert. Dass die Bürgerlichen einfach warten, bis die Demografie ihnen die Arbeit abnimmt und der AHV-Fonds leer ist. Bis nichts mehr übrig bleibt als die Frage: Rentenalter 67 für alle? Oder lieber Renten kürzen? Um das zu erreichen, müssen die Bürgerlichen in den nächsten Jahren genau etwas machen: nichts. Und dagegen ist kaum zu kämpfen. Weder im Parlament noch auf der Strasse
TA: “Bersets «Übereifer» und die Folgen”
War das noch Information oder schon Propaganda? Welche Rolle der SP-Bundesrat im Abstimmungskampf zur Rentenreform hatte beschreibt Stefan Häme im Tages-Anzeiger.
Nachdem er in den letzten Wochen Dutzende von Auftritten absolviert und Interviews gegeben hatte, setzte Berset am Freitag zum Schlussspurt an. Per Twitter rief er dazu auf, ein Ja für die Rentenreform in die Urne zu legen.
Die Reaktionen liessen nicht lange auf sich warten: «Meines Wissens ein Novum: Bundesrat ruft im Schlussspurt per Twitter zum Stimmen für Behördenpositionen auf», schrieb Claude Longchamp vom Forschungsinstitut GFS Bern. Der Aufruf hat einen grossen Empfängerkreis erreicht: Berset zählt mehr als 78’000 Follower.
Mittlerweile ist klar: Die Rentenreform ist gescheitert, und es stellt sich die Frage, inwieweit Berset diese Niederlage mitzuverantworten hat. Felix Schneuwly, Kommunikationschef des Vergleichsdienstes Comparis, bezeichnete Bersets «Ehrgeiz und Übereifer» bereits am Samstag als womöglich kontraproduktiv. Hat der Innenminister unschlüssige Stimmende namentlich aus der politischen Mitte «vertäubt», weil die Vorlage so eng mit seinem Namen und damit auch seiner Partei, der SP, verknüpft war? (…)
Junge und Frauen liessen Rentenreform abstürzen
Die Tamedia-Nachbefragung zeigt im Detail, wie das Nein zustande gekommen ist. Zwei Befunde stechen ins Auge: Sowohl die Jungen als auch die Frauen verweigerten dem Bundesrat ihre Gefolgschaft.
So stimmten nur 42 Prozent der Frauen der Reformvorlage zu, der am Sonntag gut 47 Prozent der Stimmbürger zustimmten. Würden nur Männer abstimmen, hätten dagegen beide Vorlagen das Volksmehr geschafft. Die markante Differenz bei den Geschlechtern deuten die Politologen Lucas Leemann und Fabio Wasserfallen als Opposition der Frauen gegen die Erhöhung des Rentenalters.
Auch bei den jüngeren Stimmbürgern fielen die AHV-Vorlagen durch: Nur 43 Prozent der 18- bis 34-Jährigen stimmten der Reform und der Mehrwertsteuer-vorlage zu. Deutlich stärker war die Unterstützung bei den über 50-Jährigen und bei den Rentnern. Letztere nahmen die Rentenreform mit 53 Prozent Ja an.
Offensichtlich gewirkt hat die Kampagne der bürgerlichen Gegner: 84 Prozent der SVP-Wähler und 61 Prozent der FDP-Wähler legten ein Nein in die Urne. Bei der CVP-Basis folgten 2 von 5 Wählern ihrer Partei nicht und stimmten Nein. Bei SP und Grünen lehnten gut 25 Prozent der Wähler die Rentenreform ab.
Die Umfrage zeigt zudem einen klaren Stadt-Land-Graben. Städter haben die Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Reform der Altersvorsorge angenommen (55% bzw. 53% Ja). Auf dem Land lag der Ja-Stimmen-Anteil markant tiefer (47% bzw. 43% Ja).
Gut kam die Reform der Altersvorsorge bei Personen mit einem Uni-Abschluss an: 63 Prozent der Akademiker sagten Ja. Stimmbürger, die eine Lehre oder ein Handelsdiplom als höchsten Abschluss haben, waren skeptischer: 60 Prozent stimmten Nein.
TA: PDA will obligatorisches PK-Vermögen in die AHV übertragen
Markus Häfliger, Bundeshaus-Korrespondent des Tages-Anzeigers, weiss von einem von der PDA angeblich bereits vorbereiteten Initiativtext, falls die AV2020 vom Volk abgelehnt wird. Er sieht die Übertragung des BV-Vermögens im Obligatorium auf die AHV vor.
Was passiert nach einem allfälligen Nein zur Altersreform 2020? Während der Bundesrat und die Parteien gespannt auf das Verdikt ihrer Stimmbürger warten, haben linke Reformgegner bereits einen praktisch fertigen Plan B in der Schublade: eine eidgenössische Volksinitiative, welche die Altersvorsorge in der Schweiz revolutionieren will. Der Initiativtext verlangt, dass der obligatorische Teil der beruflichen Vorsorge (2. Säule) abgeschafft und in die AHV (1. Säule) integriert wird. Im Gegenzug sollen die AHV-Mindestrenten von 1175 auf 4000 Franken und die Maximalrenten von 2350 auf 6000 Franken steigen. Das geht aus dem Entwurf des Initiativtexts hervor, der Tagesanzeiger.ch/Newsnet vorliegt.
Crazy Abstimmungskampf
Andri Silberschmidt, Präsident der Jungfreisinnigen, im Abstimmungskampf
Stimmungsbild vom Abstimmungskampf um die AV2020 im Tages-Anzeiger. Die Gegner kommen nicht gut weg. Andri Silberschmidt von den Jungfreisinnigen wird zum Inbegriff der smarten coolen Gutverdienenden – wo doch der TA sonst immer von der jungen, urbanen Elite schwärmt. Dabei wird aber wohl nicht an die Freisinnigen gedacht. Gegenstück ist Bundesrat Berset, der als lonely Rider in Nidwalden für seine Reform kämpft. Einsam, tapfer, standhaft. Verlassen selbst von den Jungsozialisten.
AV2020-Umfragen: “Kopf an Kopf”
Elf Tage vor der Abstimmung ist laut der dritten Tamedia-Umfrage der Ausgang völlig offen. 51 Prozent der Befragten sagen Ja zur Mehrwertsteuererhöhung zugunsten der AHV, 46 Prozent Nein. Das sind fast die gleichen Werte wie vor zweieinhalb Wochen. Bei der Rentenreform selbst herrscht weiterhin ein Patt. 48 Prozent wollen der Reform zustimmen, 49 Prozent lehnen sie ab. Schon bei der zweiten Tamedia-Umfrage der Politologen Fabio Wasserfallen und Lucas Leemann lagen die Gegner mit einem Prozentpunkt vorn. Aufgrund der statistischen Unschärfe ist das Rennen offen.
Umfragewerte der Abstimmung vom 24. September 2017
Zustimmung zur Vorlage in Prozent (detaillierte Infos auf der TA-Website, Klick auf die Grafik)
Auch die zweite SRG-Trendumfrage von Anfang September zeigt: Wäre zu diesem Zeitpunkt abgestimmt worden, hätte eine Mehrheit Ja gesagt zur Altersreform 2020 und zur Erhöhung der Mehrwertsteuer. Eine knappe Mehrheit. Deshalb ist der Ausgang der Abstimmung vom 24. September mehr als ungewiss.
Brechbühl kontert Schuhmacher
Im Tages-Anzeiger widerspricht BSV-Direktor Jürg Brechbühl der Darstellung von K-Tipp Chefredaktor René Schuhmacher in dessen Interview mit dem TA. Brechbühl hält u.a. fest:
René Schuhmacher behauptet im Interview vom letzten Freitag, die Lebenserwartung stagniere seit 2010. Tatsache ist: Die Lebenserwartung der 65-jährigen Frauen ist seit 2010 von 22,2 auf 22,6 Jahre gestiegen, jene der Männer von 18,9 auf 19,8 – um fast ein Jahr in nur sechs Jahren! Und die Pensionskassen müssen von noch höheren Werten ausgehen, denn die Personen, die berufstätig waren, haben eine höhere Lebenserwartung als der Durchschnitt der Bevölkerung.
Schuhmacher kritisiert die Rückstellungen und Wertschwankungsreserven der Pensionskassen. Tatsache ist: Die Pensionskassen brauchen diese Rückstellungen zwingend, weil die Lebenserwartung der Pensionierten steigt und der Umwandlungssatz zu hoch ist.
Die Wertschwankungsreserven erlauben es den Pensionskassen, das Geld der Versicherten in ertragreiche Anlagen zu investieren, die mit einem höheren Schwankungsrisiko verbunden sind. Für die Versicherten sind ausreichende Reserven weit besser als Anlagen praktisch ohne Risiko und Ertrag. Sie sind auch besser als überhöhte Prämien und Sanierungsbeiträge.
«Die Pensionskassen haben noch viele versteckte Reserven»
Der «K-Tipp»-Verleger René Schuhmacher verlangt in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger, dass Renten in der 2. Säule erst gesenkt werden, nachdem die Kapitalpolster reduziert worden sind. Auszug:
Wie viele Unterschriften haben Sie zum Referendum (gegen die AV2020) beigetragen?
Geschätzte zehn Prozent.
Was stört am meisten an der Reform? Sie sagen die Reserven der 2. Säule seien riesig, eine Kürzung der Renten, wie sie die Reform vorschlägt, unnötig. Woher nehmen Sie die Gewissheit?
Bereits 2010, im Vorfeld der Abstimmung, sagte das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), die Pensionskassenrenten seien viel zu hoch. Die Kassen würden deshalb pro Jahr 600 Millionen Franken verlieren, man müsse die Renten dringend um 6 Prozent senken. Wäre das wahr gewesen, hätten die Reserven inzwischen sinken müssen. Doch das Volk lehnte die Reform ab, und das Gegenteil ist eingetreten: Die Reserven der Pensionskassen sind insgesamt stark gestiegen – auf rund 116 Milliarden. Und dennoch sagt der Bundesrat wieder, man müsse die Altersrenten senken. Da ist doch etwas faul.Weiterlesen »