imageDer Tages-Anzeiger hat ein Interview mit der Politologin Silja Häusermann zu den Reformen von AHV und BVG geführt. Der AHV-Reform gibt sie in der Volksabstimmung Chancen, weniger derjenigen beim BVG. Diese müsste klare Verbesserungen für Frauen enthalten. Wie diese zu finanzieren sind und vom wem, lässt sie uns nicht wissen. Auszüge aus dem Interview:

Parallel dazu versucht sich das Parlament an der zweiten Säule. Ein tieferer Umwandlungssatz lässt sich schwer verkaufen.
Die genauen Kommastellen im technisch komplizierten Umwandlungssatz sind nicht das, was die Leute in ihrem Abstimmungsentscheid beeinflusst. Den Leuten ist aber durchaus bewusst, dass eine Senkung des Umwandlungssatzes zu tieferen Renten führt. Diese Senkung startet bei einer Volksabstimmung mit einem enormen Gegenwind von über 70 Prozent Ablehnung – ähnlich unbeliebt ist nur Rentenalter 67. Das zeigen die vorliegenden Umfragezahlen von 2015 bis 2017. Deshalb ist die BVG-Reform ganz anders gelagert als die AHV-Reform.

Aber dann wäre der Kompromiss, den Gewerkschaften und Arbeitgeber ausgehandelt haben, eigentlich der einzig Richtige? Ein Rentenzuschlag für alle im Gegenzug zu Rentenkürzungen.
In der Tat braucht eine solche Vorlage ein klares, starkes Gegenstück zur Rentenkürzung. Also mindestens ein Element, das klar und verständlich als Verbesserung kommuniziert werden kann. Auch im rechten Lager ist anerkannt, dass im BVG die Teilzeiterwerbstätigen schlecht fahren. Und die Frauen arbeiten in der Schweiz zu etwa 80 Prozent Teilzeit. Mit einer Reform müsste man meines Erachtens klar benennen können, wie viele Frauen welche nachhaltigen und spürbaren Verbesserungen bekommen. Mit der Variante, die der Nationalrat nun beschlossen hat, ist das nicht ausreichend der Fall. Der Sozialpartnerkompromiss enthielt eine nachhaltige Verbesserung, wenn auch für alle Versicherten, also nicht so zielgerichtet. Das wäre sicher klarer kommunizierbar gewesen. Bei der Nationalrats-Reform gibt es für die Linke keinen Grund, darauf einzusteigen.

Aber die Reform enthält doch Massnahmen, die die Rentensituation der Frauen verbessern.
Ja, die Erhöhung der versicherten Lohnsumme, die Senkung des Koordinationsabzuges und der frühere Sparbeginn mit 20. Dies verbessert die Situation der Teilzeitbeschäftigten im Alter strukturell. Aber den Leuten zu sagen, sie dürften künftig mehr sparen, ist schwierig als Verbesserung zu verkaufen. Es braucht auch greifbare, unmittelbare Verbesserungen, deren Begünstigte klar benannt werden können. Wenn das Parlament tatsächlich einen Kompromiss mit der Linken hinkriegen würde, bei dem zum Beispiel die Hälfte oder 75 Prozent der Frauen profitieren würden, hätte das sowohl bei linken als auch bei bürgerlichen Stimmbürgern und Stimmbürgerinnen eine Chance.

Einem beträchtlichen Teil der Bürgerlichen ist die BVG-Reform gar nicht wichtig. Die meisten Pensionskassen haben ihre Umwandlungssätze ja bereits massiv gesenkt.
Das ist das Problem. Bei der AHV ist die Verhandlungsmacht der Linken höher, weil die Bürgerlichen das Frauenrentenalter erhöhen wollen. Beim BVG ist es so, dass ein Teil der Rechten die Reform nicht unbedingt braucht und die Linke sie nur will, wenn sie auch systemische Verbesserungen bringt.

  Tages-Anzeiger