«Der Bund will das Vorsorgekapital stärker besteuern. Damit wird es noch attraktiver, für den Ruhestand ins Ausland zu ziehen. Selbst ein Umzug nach Deutschland kann sich lohnen», schreibt Albert Steck in der NZZ.
Doch warum fahren angehende Pensionierte besser, wenn sie die Schweiz verlassen, bevor sie ihr Vorsorgekapital beziehen? Der Grund liegt darin, dass die Kapitalbezugssteuer nur dann Gültigkeit hat, wenn sich der Wohnsitz im Inland befindet. Für alle andern kommt die Quellensteuer zum Einsatz. Und deren Tarife sind in der Regel deutlich tiefer.
Ein weiterer wichtiger Punkt sind die grossen Unterschiede zwischen den kantonalen Steuertarifen. Bei der Kapitalbezugssteuer allerdings kann man nur davon profitieren, wenn man effektiv in einen Tiefsteuerkanton umzieht. Ganz anders bei der Quellensteuer: Dort genügt es, das Vorsorgegeld einem Anbieter im Kanton Schwyz zu überweisen, welcher klar die tiefsten Tarife anbietet.
Ein Beispiel: Wer als Alleinstehender in der Stadt Zürich wohnhaft ist und von der Pensionskasse 1 Million Franken bezieht, zahlt dafür eine Kapitalbezugssteuer von 112 000 Franken – die geplante Erhöhung des Bundes ist darin nicht berücksichtigt.
Hat sich dieselbe Person aber ins Ausland abgemeldet und das Geld nach Schwyz transferiert, so wird darauf lediglich eine Quellensteuer von 48’000 Franken fällig. Das bedeutet eine Einsparung von 64’000 Franken. Kommt der Bundesrat mit seinen Plänen durch, so wächst der Spareffekt weiter an.
Womöglich kommt man als Auswanderer aber noch günstiger weg. Das Zauberwort lautet hier: Doppelbesteuerungsabkommen. Philipp Zünd, Steuerexperte und Partner der Beratungsfirma KPMG, erklärt: «Die Schweiz hat mit vielen Ländern eine Vereinbarung getroffen, die es ermöglicht, die bereits bezahlte Quellensteuer zurückzufordern, sofern man sich im neuen Land ordnungsgemäss registriert hat.» In diesem Fall ist ein Transfer in den Kanton Schwyz gar nicht nötig.
Hier lohnt sich also eine genaue Prüfung: Wer beispielsweise in die Steueroase Dubai zieht, erhält die Quellensteuer nicht zurück. Dafür könne die Ersparnis in anderen Ländern, welche sonst eher hohe Steuern verlangten, umso grösser ausfallen, sagt Zünd.
Was viele überraschen dürfte: Deutschland sei für Auswanderer, welche die Pensionskassengelder beziehen, oftmals eine sehr attraktive Wahl – nicht nur dank der Rückvergütung der Quellensteuer. Denn Auszahlungen aus PK-Leistungen, die über das gesetzliche Obligatorium hinausgingen, seien beim deutschen Fiskus je nach Situation steuerfrei – was gerade bei Gutverdienern einschenke.
«Steuerabzüge sind eine teure Droge», meint Hansueli Schöchli in der NZZ. Ganz besonders gefährdet als Drogenabhängige scheinen die Sparer zu sein, welche die Möglichkeiten zu freiwilligen Beiträgen in der 2. und 3. Säule nutzen. Das koste den Staat gewaltige Steuererträge, bringe aber für die Vorsorge nur geringen Zusatznutzen. Eine kühne Behauptung, welche angeblich durch ausländische Untersuchungen gestützt wird. Ob sich das auf die Schweiz übertragen lässt, muss man bezweifeln. Seine Argumentation ist übrigens bestens bekannt. Sie wird uns regelmässig vom SGB serviert.
Der Kanton Zürich hat jüngst im Auftrag des Parlaments mit einem Bericht an die Kosten von Steuerabzügen erinnert. Zusammengerechnet brachten die Abzüge im Jahr 2020 den Pflichtigen Einsparungen bei den Staats- und Gemeindesteuern von total über 5 Milliarden Franken. Dies bei Gesamtzahlungen für Einkommenssteuern im Kanton Zürich von etwa 9 Milliarden Franken.
Die Addition aller Abzüge verzerrt hier das Bild, aber vereinfacht lässt sich sagen: Bei Abschaffung aller Steuerabzüge könnten Kanton und Gemeinden die Einkommenssteuersätze um etwa einen Drittel senken, ohne per saldo Einbussen zu haben. Ältere Darstellungen auf Bundesebene kamen auf noch grössere Effekte von Abzügen.
Eine goldene Regel der Steuerpolitik sagt: möglichst wenig Abzüge und dafür möglichst tiefe Steuersätze. Dies minimiert die volkswirtschaftlichen Verzerrungen. Es bedeutet weniger negative Arbeitsanreize, weniger Ausweichmanöver und weniger Aufwand der Bürger für Steuerberater. (…)
Zu den Klassikern ohne überzeugende Rechtfertigung zählt der Steuerabzug für Einzahlungen in das gebundene Vorsorgesparen der Säule 3a. Dieser Abzug subventioniert vor allem Betuchte (die genügend Mittel für solche Einzahlungen haben und zusätzliches Sparen gar nicht nötig hätten) sowie den Finanzsektor (der von den Kunden Gelder für tiefere Zinsen erhält, als er ohne Steuerabzug erhalten würde).
Die internationale Forschungsliteratur lässt zudem mutmassen, dass zwei Drittel bis drei Viertel der Einzahlungen in steuerbegünstigte Sparvehikel das Sparvolumen nicht erhöhen, sondern nur verlagern. Im Kanton Zürich machte dieser Abzug 2020 für Kanton und Gemeinden total fast 500 Millionen Franken aus.
Auch die Abzüge für hohe freiwillige Einzahlungen in die Pensionskasse in Kombination mit Steuerprivilegien für Kapitalbezüge bringen kaum gesellschaftlichen Nutzen bei bedeutenden Kosten. Insgesamt brachten diese Abzüge 2020 im Kanton Zürich Steuervergünstigungen von 375 Millionen Franken; mehr als die Hälfte der freiwilligen Einzahlungen überstieg 20 000 Franken.
Der Bundesrat hat im Rahmen des Sparprogramms für die Bundeskasse vorgeschlagen, das Steuerprivileg für Kapitalbezüge aus Pensionskasse und Säule 3a zu reduzieren. Doch solche Privilegien sind wie andere Subventionen Drogen: Droht der Entzug, kommt ein Aufschrei.
Besonders stark lobbyiert der Finanzsektor gegen Kürzungen bei diesen Privilegien: Denn die Kundengelder würden teurer werden, und das Beratungspotenzial würde schrumpfen. Dies taugt aber nicht als Rechtfertigung für den Erhalt von Subventionen zulasten aller Nicht-Subventionierten.
Gian Signorelli kommentiert im Beobachter eine Auswertung des Kantons Zürich zu den Steuerabzügen und ihren Auswirkungen auf den Steuerertrag. Das berge «sozialpolitischen Sprengstoff». Besonders hervorgehoben werden dabei die Einkäufe in Pensionskassen, die sich nur rund 4 Prozent der Bevölkerung leisten könnten, was scheinbar ungerecht und politisch verwerflich ist und natürlich «brisant». Abzüge erscheinen als «Steuertricks». Dazu heisst es:
Der Kanton Zürich hat nun in einer Auslegeordnung erstmalig ausgewertet, wie stark Abzüge seine Steuereinkünfte mindern. Untersucht wurde das Jahr 2020, Anlass dazu war ein Postulat des SP-Kantonsrats Tobias Langenegger.
Wenn es keine Abzüge gäbe, würde der Kanton 4,8 Milliarden Franken mehr einnehmen – bei Gesamteinnahmen von 16,9 Milliarden. Also eine durchaus erkleckliche Summe. (…)
Bemerkenswert und sozialpolitisch brisant sind die Abzüge bei der persönlichen Berufsvorsorge. Bloss 3,8 Prozent der Steuerpflichtigen konnten diese im Jahr 2020 machen. Kanton und Gemeinden entgingen dadurch 365 Millionen Steuerfranken.
Wer die eigene Pensionskasse aufstocken konnte, tat das mit durchschnittlich 22’000 Franken und konnte so 9500 Franken Steuern sparen. Die Zahlen zeigen: Diese Abzugsmöglichkeit können vor allem gut verdienende Zürcherinnen und Zürchern nutzen, die es sich leisten können, auf 22’000 Franken ihres Jahreseinkommens zu verzichten.
Ein wenig anders sieht es bei der dritten Säule aus. Etwas mehr als jeder Dritte Zürcher Steuerpflichtige konnte es sich leisten, in die private Altersvorsorge einzuzahlen (36,1 Prozent). Wer es tat, sparte im Durchschnitt 1232 Franken Steuern. Kanton und Gemeinden mussten auf 480 Millionen Franken verzichten.
In der NZZ gibt Michael Ferber eine detaillierte und – wie er betont – leichte Anleitung zum Lesen des Vorsorgeausweises der Pensionskassen.
Einen guten Überblick darüber, mit welchen Alters- und Risikoleistungen man beim derzeitigen Arbeitgeber rechnen kann, gibt der jährlich verschickte Pensionskassenausweis. «Damit können Versicherte ein Gespür dafür entwickeln, wofür sie ihre Beiträge bezahlen», sagt Pascal Affentranger von der Versicherung Axa Schweiz.
Dabei ist Pensionskasse nicht gleich Pensionskasse – zwischen den Vorsorgeeinrichtungen gibt es grosse Unterschiede, die starken Einfluss auf die Altersvorsorge haben. «Die Pensionskassenleistungen sind völlig unterschätzte Zusatzleistungen eines Arbeitgebers», sagt Nico Fiore, Geschäftsführer von Inter-Pension, dem Verband der unabhängigen Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen.
So habe die Wahl eines Arbeitgebers mit einer besseren Pensionskassenlösung einen erheblichen Einfluss auf die langfristige Altersvorsorge. «Je nach Alter und Ausbildungsstand sprechen wir hier unter Umständen von mehreren hunderttausend Franken Unterschied zum Ende der Karriere hin», sagt er.
In der NZZ am Sonntag hat Albert Steck die Steuerbelastung der Rentner in den Gemeinden untersucht und die viel genannten fiskalischen Vorteile des Kapitalbezugs unter die Lupe genommen.
Der Bundesrat plant eine höhere Besteuerung von Kapitalbezügen aus der Pensionskasse, was zu heftigen Reaktionen in der Bevölkerung führt. Bereits jetzt zahlen viele Rentner in der Schweiz hohe Steuern, insbesondere in Bern und der Westschweiz.
Ein Rentnerpaar mit einem Einkommen von 100’000 Franken entrichtet jährlich bis zu 17’000 Franken an den Fiskus. Die Steuerlast ist unter anderem deshalb so hoch, weil mit dem Ruhestand viele Steuerabzüge entfallen, während Krankenkassenprämien und Lebenshaltungskosten steigen.
Zudem gibt es enorme kantonale Unterschiede: Während einige Gemeinden moderate Steuersätze haben, werden Rentner in anderen Regionen erheblich belastet. Die geplante Steuererhöhung auf Kapitalbezüge soll ein vermeintliches «Steuerschlupfloch» schliessen, doch Experten widersprechen. Kapitalbezüge lohnen sich oft erst im hohen Alter, und viele Rentner wählen diese Option nicht primär aus steuerlichen Gründen, sondern um finanziell flexibler zu sein oder ihre Hypothek zu tilgen. Steck schreibt u.a.:
Um die Empörungswelle zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Steuerlast der Rentnerinnen und Rentner. Diese ist in weiten Teilen der Schweiz sehr hoch – und zwar bereits für den unteren Mittelstand. Nehmen wir ein Rentnerpaar mit einem Einkommen von 70’000 Franken. In Bern bezahlt dieses eine Einkommenssteuer von 8300 Franken. Weder die Vermögens- noch die Kirchensteuer sind in dieser Summe berücksichtigt.
Die Belastung steigt dann weiter steil an. Bei einem Einkommen von 100’000 Franken muss das Berner Rentnerpaar schon 15 100 Franken an den Fiskus abliefern, und bei 125’000 Franken sind es gar 21’900 Franken. Das summiert sich bei einem Ruhestand von 20 Jahren rasch auf über 400’000 Franken, die für den Staat weggehen. (…)
Doch weshalb kommen Rentner nicht günstiger weg beim Fiskus, obwohl sie doch viel weniger verdienen als zuvor im Berufsleben? Der Grund liegt im Schweizer Steuersystem, welches stark auf Abzüge ausgerichtet ist. Und diese wiederum hängen direkt von der Erwerbstätigkeit ab. Dazu gehören etwa der Zweitverdienerabzug, die Berufsauslagen oder die Einzahlungen in die Säule 3a.
Die meisten Kantone haben diese Abzüge in den letzten Jahren ausgebaut und erweitert, beispielsweise für die Fremdbetreuung der Kinder. Dies hat zur Folge, dass namentlich Familien steuerlich entlastet wurden, während die Pensionierten vielerorts mehr an den Fiskus abliefern müssen.
Ein kostspieliges Ärgernis für zahlreiche Rentner ist zudem der Eigenmietwert von Wohneigentum: Die Banken verlangen von älteren Personen, dass sie ihre Hypothek abzahlen. Damit allerdings schrumpfen auch die Steuerabzüge.
Albert Steck bricht in der NZZ eine Lanze für den Kapitalbezug und stellt fest, dass es «sinnvolle und ehrenwerte Gründe gibt, sein Kapital aus der Pensionskasse zu beziehen». Des Weiteren geht er auf ein Angebot der Profond ein, das es erlaubt, die Rente mit einem Kapitalschutz zu versehen.
Diese neue Lösung besteht aus einer Rente mit Kapitalschutz – und kombiniert damit die beiden Varianten. Der Versicherte verzichtet zwar auf einen kleinen Teil seiner Rente. Dafür aber erhält er die Garantie, dass bei seinem frühen Tod das bisher ungebrauchte Vorsorgevermögen an die Hinterbliebenen ausbezahlt wird. Das Modell eignet sich namentlich auch für Patchwork-Familien, die nicht durch einen Ehevertrag abgesichert sind.
Die Pensionskassen haben es also in der Hand, mit der Zeit zu gehen und ihr Angebot den sich wandelnden Bedürfnissen anzupassen. Dazu gehört ein faires Angebot, welches verhindert, dass bei einem frühen Tod die gesamten Ersparnisse getilgt werden. Erst recht, wenn der Bundesrat an der Steuererhöhung festhält und den Kapitalbezug verteuert.
Letztlich geht es um die Glaubwürdigkeit der beruflichen Vorsorge. Das sollte auch der Bundesrat bei seinen Steuerplänen bedenken: Es ist ein gefährliches Spiel, für etwas höhere Staatseinnahmen das Vertrauen in das Zwangssparen der zweiten Säule zu untergraben. Frohlocken werden dann all jene, welche ohnehin die AHV zur Volkspension ausbauen wollen – und im Gegenzug die Pensionskassen am liebsten ganz abschaffen.
Auch die NZZ hat sich mit den neuen Vorschlägen des Bundesrats zur Besteuerung des Kapitalbezugs herumgeschlagen. Das Fazit: Mit der vorgeschlagenen Steuererhöhung für Kapitalbezüge wären Rentenbezüge bis zu Alterskapitalien von deutlich über 500 000 Franken im Vergleich oft günstiger.Vorgestellt wird auch der Vorschlag einer gleich hohen Besteuerung von Kapitalbezug und Rente bei Leistungsbeginn. Hansueli Schöchli schreibt:
2021 gab es laut Angaben des Bundes gut 1900 Kapitalbezüge von über einer Million Franken – wohl grösstenteils Bezüge aus Pensionskassen. In rund 500 Fällen lagen die Kapitalbezüge über 2 Millionen, und 74 Bezüge überstiegen 5 Millionen.
Laut Daten der Beratungsfirma VZ Vermögenszentrum von rund 2200 Kunden aus dem «Mittelstand» mit Jahrgang 1956 bis 1964 betrug das mittlere erwartete Pensionskassenkapital bei der Pensionierung rund 600’000 Franken (Median). Bei einem Viertel waren es über 830’000 Franken.
Das VZ Vermögenszentrum führte einen eigenen Steuervergleich zwischen Kapitalbezug und Rente durch. Dies im Unterschied zu den Bundesrechnungen einschliesslich der Kantons- und Gemeindesteuern für die Städte Basel, Bern, Genf, Lausanne und Zürich.
Beim untersuchten Falltyp mit 800’000 Franken Pensionskassenvermögen übersteigt die Steuerbelastung der Rentenbezüger jene der Kapitalbezüger nach etwa 16 bis 17 Jahren, wie der VZ-Berater Karl Flubacher sagt. Mit dem Vorschlag des Bundesrats würden sich die Linien laut Flubacher nach etwa 18 bis 19 Jahren kreuzen.
Auch dies lässt mutmassen, dass bei hohen Pensionskassenvermögen Kapitalbezüger steuerlich mit dem Reformvorschlag im Vergleich zu Rentenbezügern immer noch eher besser fahren würden. Denn die durchschnittliche Restlebenserwartung im Alter 65 ist höher als 18 bis 19 Jahre.
Laut einer Datenreihe der Bundesstatistiker dürften Personen, die heuer 65-jährig sind, im Mittel beider Geschlechter noch 23 bis 24 Jahre leben. Dies beruht auf Kohortentafeln, die berücksichtigen, dass es während der Restlebenszeit der Betroffenen weitere Fortschritte geben dürfte.
Schöchli ist auch den Vorschlag von Spring/Leibundgut für eine gleich hohe Pauschalbesteuerung von Renten und Kapital beim Leistungsbeginn eingegangen und hat dabei das Haar in der Suppe gefunden:
Der Pensionskassenexperte Reto Leibundgut von der Beratungsfirma C-alm hat jüngst zusammen mit einem Kollegen einen anderen Ansatz empfohlen: Man passe die Besteuerung der Renten an jene der Kapitalbezüge an.
Die Grundidee: Bei der Pensionierung werde das Pensionskassenvermögen der Versicherten zu einem Kapitalbezugssatz besteuert, und die Pensionskasse bezahle die Steuer vorab mit dem Vorsorgevermögen des Versicherten. Dessen Bruttorente verkleinert sich dadurch, dafür ist die Rente steuerfrei.
Damit liesse sich im Prinzip eine Gleichbehandlung von Kapital- und Rentenbezug realisieren. Wie jedes Modell hat auch dieses Nachteile. Es wäre zum Beispiel eher schwierig zu erklären, weshalb ein Rentner, der nur ein Jahr nach der Pensionierung stirbt, trotzdem faktisch eine Steuer für zwanzig oder mehr Jahre Rente bezahlen müsste.
Ein Bundesvertreter sagt es wie folgt: Rentner mit unterdurchschnittlicher Lebenszeit wären überbesteuert, und solche mit überdurchschnittlicher Lebenszeit wären unterbesteuert.
Die von einer Expertengruppe entwickelte und vom Bundesrat übernommene Neuordnung der Besteuerung der Leistungen aus 2. und 3. Säule ist auf verbreitete Kritik gestossen. Jetzt liegt ein bestechender Vorschlag auf dem Tisch, der berechtigte Kritik an der jetzigen Form der Besteuerung von PK-Leistungen aufnimmt, gleichzeitig aber das System stark vereinfacht und für die Versicherten zahlreiche Vorteile aufweist. Entwickelt wurde es von Reto Spring, Präsident des Finanzplanerverbands, und Reto Leibundgut, PK-Experte C-alm. Die NZZ schreibt dazu:
In politisch linken Kreisen werde die Möglichkeit, mit der Auszahlung von grösseren Kapitalleistungen Steuern zu sparen, als «Steuerumgehung» interpretiert, sagt Spring. Dabei gehe allerdings vergessen, dass die Ersatzquote gerade bei Gutverdienenden mit Einkommen von 100 000 Franken brutto oder mehr pro Jahr in den vergangenen Jahren unter 50 Prozent gesunken sei, sagt Spring. Mit der Ersatzquote sind die Renten aus AHV und Pensionskasse nach der Pensionierung gemeint.
Ersatzquoten von unter 60 Prozent sind heikel. Aus der Schweizer Verfassung wird eine Ersatzquote in dieser Höhe abgeleitet. In ihr steht, die Renten aus der ersten und der zweiten Säule der Altersvorsorge sollten zusammengerechnet im Ruhestand ermöglichen, den gewohnten Lebensstandard fortzusetzen. «Wer die Ersatzquote wieder verbessern möchte, sollte also Anreize zum zusätzlichen Vorsorgesparen in der zweiten und dritten Säule fördern», sagt Spring. (…)
Aus seiner Sicht hat sich bei der Besteuerung von Vorsorgegeldern mit den zunehmenden Kapitalbezügen bei Pensionskassengeldern und dem Gaillard-Bericht ein «gordischer Knoten» gebildet. Zusammen mit Reto Leibundgut von dem Beratungsunternehmen C-alm hat Spring einen Vorschlag entwickelt, um diesen Knoten zu lösen. Der Vorschlag sieht folgende Punkte vor:
Die Besteuerung der Säule 3a solle beibehalten beziehungsweise ausgebaut werden.
Für den Bezug von Pensionskassengeldern fordern die beiden Experten einen Systemwechsel. Beim Eintritt in den Ruhestand solle das angesparte Kapital einmalig und einheitlich besteuert werden. Als Diskussionsgrundlage wäre hier ein Steuersatz von 10 Prozent denkbar, sagt Spring. Es könne aber auch etwas mehr oder weniger sein.
Heute gibt es grosse Unterschiede bei der steuerlichen Belastung je nach Kanton und der Höhe des ausbezahlten Betrags. Die Experten schätzen die Bandbreite der gesamten Steuerbelastung bei Kapitalbezügen aus der Pensionskasse auf zwischen 4 und 12 Prozent.
Die von Spring und Leibundgut vorgeschlagene Steuer unterläge keiner Progression, sie wäre unabhängig von Pensionskasse und steuerlicher Ansässigkeit ausgestaltet und könnte direkt von der Vorsorgeeinrichtung erhoben und abgeführt werden.
Der Restbetrag wäre dann steuerfrei – egal, ob er als Kapital, als Rente oder als Mix bezogen würde. Denkbar wäre laut den Experten auch, das System auf Auswanderer auszuweiten. Viele AHV-Rentner leben im Ausland.
Die Vorteile ihres Vorschlags sehen Spring und Leibundgut darin, dass alle Versicherten gleich lange Spiesse hätten. Aus ihrer Sicht gäbe es dann keine «Schlupflöcher» für Topverdiener. Sie schätzen, dass 95 Prozent der Rentner mit dieser Lösung eine Vereinfachung hätten.
Zudem würde auch Fehlberatungen ein Riegel vorgeschoben. «Die Frage ‹Rente oder Kapital› könnte neutral und auf Kundenbedürfnisse abgestellt beantwortet werden», teilen sie mit. «Die BVG-Rente wäre steuerfrei, dadurch würde im Rentenalter die Steuerbelastung für alle sinken.»
Offen ist noch, wie mit bestehenden Rentnern verfahren werden soll: «Der Logik und Einfachheit halber könnte ihr verbliebenes BVG-Kapital per Stichtag X der gleichen Steuer unterliegen, und infolgedessen könnten künftige Renten steuerfrei bleiben.» (…)
Eine Umsetzung des Vorschlags von Spring und Leibundgut könnte dazu führen, dass es für Versicherte wieder attraktiver wird, bei der Pensionierung die lebenslange Rente anstatt des Kapitals zu wählen. Zweifellos ist es im Interesse von privaten Haushalten, den Lebensunterhalt über lebenslang ausgezahlte Renten zu sichern – gerade auch im höheren Alter wird es schliesslich immer schwieriger, Kapital selbst zu verwalten.
«Zudem ist es volkswirtschaftlich vorteilhaft, keine falschen Anreize zu schaffen, das Vermögen vorzeitig zu verbrauchen und später dem Sozialstaat zur Last zu fallen», sagt Spring.
Weil die Lebenserwartung der Schweizer Bevölkerung seit Jahrzehnten zunimmt, dürfe auch nicht verschwiegen werden, dass viele Pensionskassen und grosse Versicherungen nicht unglücklich über Kapitalbezüge von Versicherten seien, sagt Spring. Sie wollten das «Langlebigkeitsrisiko» nicht mehr in der Bilanz stehen haben. Fest steht aber, dass die Übernahme dieses Risikos zu den ureigenen Aufgaben einer Vorsorgeeinrichtung gehört.
2024 erzielten die Schweizer Pensionskassen eine durchschnittliche Rendite von 7,8 %, was einem Gewinn von über 90 Milliarden Franken entspricht. Viele Kassen verfügen nun über ausreichende Mittel, um Rentenerhöhungen zu prüfen. Dennoch wurde meist kein genereller Teuerungsausgleich gewährt.
Stattdessen erfolgten überdurchschnittliche Verzinsungen für Erwerbstätige oder Einmalzahlungen für Rentner. Während Gewerkschaften eine gesetzliche Verpflichtung zum Teuerungsausgleich fordern, bevorzugen Experten flexible Anpassungen. Die Pensionskassen reagieren zunehmend marktabhängig, was eine stärkere Risikoteilung für Versicherte bedeutet.
Markus Brotschi schreibt dazu im Tagesanzeiger:
Es gibt allerdings auch Kassen, die einen Teuerungsausgleich gewähren: Die Migros-Pensionskasse hat auf 2025 die laufenden Renten um 4,5 Prozent erhöht. Zudem erhielten die Rentenbezüger im Dezember eine Einmalzahlung von 2000 Franken. Gleichzeitig profitieren die erwerbstätigen Versicherten von 7,5 Prozent Zins auf ihren Guthaben.
Die Pensionskasse der Stadt Zürich gewährt eine Rentenerhöhung um 1,5 Prozent für alle, die vor 2023 pensioniert wurden. Zudem werden die Altersguthaben mit 5 Prozent verzinst.
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) hält einen Teuerungsausgleich in der 2. Säule für dringend. Die Rentnerinnen und Rentner hätten wegen der gestiegenen Lebenshaltungskosten in den letzten Jahren einen erheblichen Kaufkraftverlust erlitten, sagt SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard. Im Unterschied zu den Renten der 1. Säule (AHV/IV) würden die Renten der 2. Säule nicht obligatorisch der Teuerung angepasst.
Der SP-Ständerat fordert deshalb in einem Vorstoss eine Gesetzesänderung für einen regelmässigen Teuerungsausgleich in der beruflichen Vorsorge. «Der Jahresgewinn von 90 Milliarden und die Reserven zeigen, dass die Pensionskassen das finanzieren können.»
PK-Experte Roger Baumann (c-alm) hält einen generellen Teuerungsausgleich hingegen für unangemessen. Häufig hätten die älteren Rentenbezüger noch von deutlich höheren Leistungen profitiert als die jüngeren und die künftigen Rentner. So habe bei vielen Pensionskassen in den letzten Jahren eine Umverteilung von den Erwerbstätigen zu den Rentnern stattgefunden. Deshalb sei es richtig, dass zuerst die aktiven Versicherten von einer guten Verzinsung profitierten.
Der Bundesrat plant, Kapitalbezüge aus der zweiten und dritten Säule höher zu besteuern, um jährlich 220 Millionen Franken mehr einzunehmen. Dies könnte das Vertrauen in die Altersvorsorge untergraben und das Sparen fürs Alter unattraktiver machen, meint der Beobachter. Matthias Pflume schreibt:
Der geplante Kurswechsel passt nicht zur bisherigen Politik. Und er passt auch nicht zur jüngsten Änderung bei der Säule 3a, wo die Steuervorteile gerade erst leicht ausgebaut wurden. Falls die Kehrtwende überhaupt kommt, darf die höhere Besteuerung des Kapitalbezugs erst für künftig eingezahlte Beträge gelten. Und nicht schon für die Gelder, die sich bereits in der Altersvorsorge befinden – das wäre sonst ein krasser Verstoss gegen Treu und Glauben. Egal, wie die konkreten Regeln sein werden: Es ist anzunehmen, dass künftig weniger fürs Alter gespart würde.
AXA Schweiz hat die Arbeitsbedingungen verbessert und gewährt seit dem 01. Januar 2025 mehr Urlaub für frischgebackene Eltern. Mitarbeiterinnen erhalten 22 Wochen voll bezahlten Mutterschaftsurlaub und Co-Elternteile acht Wochen voll bezahlten Urlaub, unabhängig von der Dienstzeit.
Bei Fehlgeburten und Totgeburten gibt es ebenfalls bezahlte freie Tage. Mitarbeiterinnen mit unerfülltem Kinderwunsch erhalten fünf freie Arbeitstage pro Jahr für In-Vitro-Fertilisation, Partner zwei Tage. Mitarbeitende, die von häuslicher, innerfamiliärer oder sexueller Gewalt betroffen sind, erhalten fünf freie Tage pro Jahr.
Cash hat die schon reichhaltige Artikelvielfalt zum Thema Kapitalbezug um einen weiteren Beitrag erweitert. Gefragt wird: Was passiert, wenn ein langes Leben zum finanziellen Risiko wird oder ein Pflegefall eintritt. Schlimmstenfalls wird man von Ergänzungsleistungen abhängig.
Mischa Aebi schreibt in der SonntagsZeitung: «In mehreren Kantonen zahlt ein Drittel der Wohlhabenden je eine halbe Million steuerfrei in die Pensionskasse ein: Neue Daten zu Steuerprivilegien setzen Finanzministerin Karin Keller-Sutter unter Druck.»
Bis Ende Januar will der Bundesrat einen Vorschlag präsentieren, der schon im Vorfeld eine heftige Kontroverse entfacht hat: die Abschaffung von Steuerprivilegien der zweiten und dritten Säule. Bürgerliche Parteien wollen das mit allen Mitteln bekämpfen.
Das setzt Finanzministerin Karin Keller-Sutter unter Druck: Sie wird wohl einen Vorschlag präsentieren müssen, den ihre eigene Partei, die FDP, an vorderster Front bekämpft.
Jetzt erhöhen neue Steuerdaten aus Bern, Zug und Genf den Druck auf die Finanzministerin, trotz des Protests ihrer Partei, die Steuerbegünstigungen tatsächlich einzuschränken. Die Daten zeigen erstmals überhaupt, in welchem Mass Gutverdienende von den Steuerprivilegien der zweiten Säule profitieren.
So funktioniert das Privileg: Man zahlt freiwillig Beträge in die Pensionskasse ein und kann sie vom steuerbaren Einkommen abziehen. Beim Bezug mit 65 zahlt man dann bloss eine Ministeuer. Unter dem Strich sparen die Reichsten so bis zu einer Million oder mehr Franken Steuern.
Ein besonders auffälliges, belegbares Beispiel zeigt, wie ein alleinstehender Grossverdiener seine Pensionskasse als Steuervermeidungsvehikel benutzte: 2022 hat die Person in Zug 7,5 Millionen Franken Alterskapital bezogen. Davon musste sie zusammengerechnet bloss rund 6,7 Prozent Gemeinde-, Kantons- und Bundessteuer zahlen, also eine halbe Million Franken.
Hätte sie das Geld regulär als Einkommen versteuern müssen, wären selbst im Steuerparadies Zug schätzungsweise 1,5 bis 2 Millionen Franken fällig geworden. In anderen Kantonen wären die Einkommenssteuern sogar noch deutlich höher gewesen. (…)
Wenig von Steuerrabatten haben hingegen Ehepaare mit mittleren und tiefen Einkommen. Von den 16’000 Berner Ehepaaren mit Einkommen zwischen 100’000 und 125’000 Franken zahlten bloss 8 Prozent einen steuerbefreiten Beitrag in die Pensionskasse – und dieser lag im Schnitt bei 24’000 Franken. Von den Berner Paaren mit noch tieferen Einkommen profitierten bloss noch 4 Prozent von Steuerprivilegien der zweiten Säule. (…)
Mindestens so beliebt wie in Bern sind die Steuerprivilegien für die Grossverdiener in Genf. Dort haben im Jahr 2022 35 Prozent der Ehepaare mit Millioneneinkommen ihre Pensionskasse im Schnitt um eine halbe Million Franken aufgestockt. Auch sie haben damit ihr steuerbares Einkommen um diesen Betrag reduziert. (…)
Das Pensionskassengesetz erlaubt über ein Berufsleben Einzahlungen in die Pensionskassen von bis zu 9 Millionen Franken. Das bestätigt das Bundesamt für Sozialversicherungen. Mit Zins und Zinseszinsen können Grossverdiener so ein Alterskapital von 10 bis 15 Millionen anhäufen, das sie erst beim Bezug zum Mini-Tarif versteuern müssen.
Pensionskassenguthaben in zweistelliger Millionenhöhe sind realistisch: «Ich hatte in meiner Karriere zwei Kunden mit einem Pensionskapital von über 10 Millionen Franken», sagt Markus Stoll, Steuerexperte bei der Finanzdienstleisterin VZ Vermögenszentrum. Eher treffe er aber auf Kunden, die in der Pensionskasse zwischen 5 und 7,5 Millionen Franken angespart haben.
Nie ist man reicher als bei der Pensionierung. Doch die Ersparnisse sind dringend nötig. Denn die Rente aus der ersten und zweiten Säule genügt bei weitem nicht, wie eine Analyse zeigt. Albert Steck schreibt in der NZZ:
Das Bundesamt für Statistik hat detailliert aufgelistet, mit welchen Ausgaben man rechnen muss. Vor der Pensionierung gibt ein Paarhaushalt im Schnitt 129’000 Franken pro Jahr aus. Treten die Ehegatten ins Rentenalter ein, sinken ihre Kosten aber nur wenig, nämlich auf 107’000 Franken.
Die Analyse zeigt, dass man insbesondere beim Konsum nur geringe Summen einsparen kann – konkret sind es knapp 4000 Franken. Auch die Steuerbelastung sinkt wenig, von 21’000 auf 19’000 Franken. Umgekehrt steigen im Alter die Ausgaben für die Krankenkasse und die Gesundheit.
Wer nach der Pensionierung alleinstehend ist, gibt im Schnitt 59’000 pro Jahr aus. Ebenfalls eine stolze Summe: Denn ein Mann lebt nach 65 noch gut 20 Jahre, eine Frau gar 23 Jahre. Somit kostet der Ruhestand bei einer normalen Lebenserwartung 1,2 bis 1,4 Millionen Franken. Für ein Paar summieren sich die Ausgaben auf etwa 2,4 Millionen.
Wo aber soll das viele Geld herkommen? Gemäss der Statistik beziehen Verheiratete im Schnitt 36’000 Franken aus der AHV sowie 33’000 Franken aus der beruflichen Vorsorge. Im Vergleich zu den Ausgaben von 107’000 Franken verbleibt damit eine erhebliche Lücke von knapp 40’000 Franken.
Die Aufstellung verdeutlicht, dass man die Pensionierung keinesfalls ohne ausreichendes finanzielles Polster antreten sollte. Im Schnitt startet ein Rentnerpaar mit einem frei verfügbaren Vermögen von rund 400 000 Franken in den Ruhestand. Das Guthaben in der Pensionskasse ist in diesem Betrag noch nicht mitgerechnet.
Somit verdienen viele Senioren nebst einer fixen Rente ein zusätzliches Einkommen mit Kapitalerträgen oder ebenso durch Mieteinnahmen. Denn am höchsten ist die Wohneigentumsquote bei den 65- bis 70-Jährigen. Drei Viertel der Paarhaushalte in dieser Altersgruppe besitzen eine Immobilie – die sie häufig vermieten, um ihre Einkünfte aufzubessern.
Hier kommt ein Phänomen ins Spiel, das viele Pensionäre mit Sorge erfüllt: Sie besitzen zwar ein stattliches Vermögen. Doch weil dieses Kapital gebunden ist, geraten sie bereits bei kleineren ungeplanten Zusatzausgaben in einen Liquiditätsengpass. Die Ökonomen bezeichnen das Dilemma als «Asset rich but cash poor». Ein theoretischer Ausweg bestünde darin, das geliebte Eigenheim zu verkaufen – doch davor schrecken viele zurück.
Was gilt bei der Pensionskasse, wenn ich auswandere? Wie sichere ich mich ab, wenn ich Teilzeit arbeite? Diese und acht weitere Fragen stellten Leserinnen und Leser unseren Experten.