Andreas Valda schreibt in der Handelszeitung zum Entscheid des Bundesgerichts zum Frauen-Rentenalter:
Die Wirtschaft kann aufatmen. Es ist kaum vollstellbar, was für ein Chaos ein Urteil zur Aufhebung der Abstimmung verursacht hätte. Warum? Weil es in der Abstimmung nicht nur um die Erhöhung des Frauenrentenalters ging, sondern auch um die Zusatzfinanzierung der AHV über die Mehrwertsteuer.
Seit Anfang Jahr erheben Firmen zusätzliche 0,4 Prozent Mehrwertsteuer der Kaufsumme zur Sanierung der ersten Säule. Das Geld fliesst der AHV zu. Diesen Zuschlag hätten Firmen der Käuferschaft theoretisch zurückerstatten müssen. Unvollstellbar, so sah es auch das Bundesgericht.
Auch haben sich Arbeitnehmerinnen, die bald in Pension gehen, und Firmen, die sie anstellen, auf das neue Rentenalter bereits eingestellt. Unternehmen haben keinen Ersatz rekrutiert, weil sie mit den Frauen, die bis 65 arbeiten, rechnen. Vor der Abstimmung lag das Rentenalter bei 64 Jahren, jetzt ist es 65.
Auch hier befand das Gericht zu Recht: Einen solchen Vorgang per Urteil rückgängig zu machen, dafür müssten sehr wichtige Gründe vorliegen. Das ist natürlich nicht der Fall. Auch da waren sich die Richterinnen und Richter in der mündlichen Beratung einig. (…)
Rückblickend zeigt sich, dass die Stimmrechtsbeschwerde der Gewerkschaften und Linken reines Politmarketing war. Ärgerlich nur, dass etliche Medien die Erwartungen für eine Annullierung geschürt hatten. Gut ist aus der Sicht der Wirtschaft, dass das Bundesgericht die Rechtssicherheit weit höher gewertet hat als alle anderen Argumente.
Die von BR Baume-Schneider angeordnete Administrativuntersuchung aufgrund der korrigierten Prognosen zur finanziellen Entwicklung der AHV hat – was zu erwarten war – gezeigt, dass kein Rechenfehler vorlag. Auch könne dem BSV nicht vorgeworfen werden, zu langsam informiert zu haben. Allerdings werden «Mängel bei den personellen Ressourcen» festgestellt. Beauftragt war die Kanzlei Bratschi in Zürich, deren Bericht jetzt vorliegt. Das EDI lässt dazu verlaufen:
Die Administrativuntersuchung ergab, dass nicht von einem Rechenfehler gesprochen werden könne, da keine falschen Rechenoperationen vorlägen.
Zwei Funktionen hätten die AHV-Ausgaben im extern validierten Berechnungsprogramm für die AHV-Finanzperspektive nach oben getrieben und so in der langfristigen Perspektive von über zehn Jahren zu unplausiblen Prognosen geführt.
Ein im Rahmen der Untersuchung beauftragter mathematischer Sachverständiger kam zum Schluss, dass die Funktionen an sich nicht fehlerhaft waren, dass aber der Prozess ihrer Implementierung im Modell nicht die erforderliche methodische Tiefe aufgewiesen habe.
Der Bericht hält weiter fest, dass dem BSV nicht der Vorwurf gemacht werden könne, im Sommer 2024 zu langsam agiert und informiert zu haben, da der Aufarbeitungsprozess äusserst zeitintensiv gewesen sei.
Umgekehrt könne auch nicht von einer voreiligen Kommunikation die Rede sein. Die Korrektur der AHV-Prognosen sei unter Zeitdruck erfolgt, da der Bundesrat am 14. August 2024 die Eckwerte zur Umsetzung und Finanzierung der 13. AHV-Rente beschliessen musste.
Das Berechnungsprogramm, das die zwei betroffenen Funktionen enthielt, konnte von den Mitarbeitenden des BSV nach Bemerken der unplausiblen Prognosen methodisch nicht mehr nachvollzogen werden.
Das liegt gemäss dem Untersuchungsbericht insbesondere an der mangelhaften Dokumentation des Berechnungsprogramms sowie den institutionell zu wenig verankerten Prozessabläufen, welche die Qualitätskontrolle und den Wissenstransfer erschwert und teils verunmöglicht hätten.
Dieser Umstand sei dem BSV schon länger bekannt gewesen und auf Mängel bei den personellen Ressourcen zurückzuführen. Den involvierten Personen, auch dem Direktor des BSV, könne keine Verletzung der Sorgfaltspflicht vorgeworfen werden.
Im Rahmen ihrer aktuellen Studie zur Finanzierung der AHV gehen die UBS-Autoren auch auf die impliziten Staatsschulden der Schweiz ein. Das ergibt kein schönes Bild:
Mit einer expliziten Staatsverschuldung von 27,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) im Jahr 20211 steht die Schweiz im internationalen Vergleich vorbildlich da.
Rechnet man zu diesen expliziten Schulden die impliziten Staatsschulden (345,9 Prozent) hinzu, so beläuft sich die tatsächliche Schuld der Schweiz auf 373,3 Prozent des BIP.
Abzüglich der bestehenden expliziten Vermögen in Höhe von 50 Prozent beträgt die Nachhaltigkeitslücke 323,3 Prozent des BIP (Abbildung 1) oder umgerechnet fast 2500 Milliarden Franken.
Detailanalysen zeigen, dass vor allem die Ausgaben für Gesundheit, Pflege und Altersvorsorge in den kommenden Jahrzehnten stark zunehmen dürften und somit für hohe die implizite Staatsverschuldung verantwortlich sind.
Staatliche Rentenversprechen, die die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV, 1. Säule) nicht durch das direkte Umlageverfahren finanzieren kann, müssen vom Bund gedeckt werden. Die Kosten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) gehen zudem zulasten der Kantone und Gemeinden (Abbildung 2).
Das Defizit der AHV beläuft sich aufgrund der alternden Bevölkerung und nun mit zusätzlichen Auszahlungen für eine 13. Monatsrente auf 177 Prozent des BIP. Auch ein entscheidender Faktor ist die OKP mit 148,2 Prozent des BIP.
Im Gegensatz dazu weisen die Invalidenversicherung (IV) und die sonstigen Sozialversicherungen (SSV) einen leichten Überschuss aus. Vor allem die Arbeitslosenversicherung, die um die ausserordentlichen Ausgaben der Coronazeit bereinigt wurde, ist ein positiver Treiber.
Zusammengefasst verzeichnen die Sozialversicherungen insgesamt Schulden von 255,4 Prozent des BIP oder etwa 1900 Milliarden Franken. Die implizite Verschuldung der Gebietskörperschaften (Bund, Kantone und Gemeinden) weist eine Finanzierungslücke von 90,5 Prozent des BIP oder rund 686 Milliarden Franken auf.
Im Laufe der Zeit werden diese impliziten Schulden entweder zu expliziten Staatsschulden oder sie müssen durch erhöhte Staatseinnahmen finanziert werden. Um die fiskalische Manövrierfähigkeit möglichst zu erhalten und negative Auswirkungen zu verhindern, sollten proaktiv Strukturreformen durchgeführt werden.
Die UBS schreibt zu ihrer neuesten Analyse der Finanzierungssituation der AHV: «Das Leistungsversprechen der AHV wurde 2024 deutlich ausgebaut. In den kommenden Jahren muss der Fokus auf der generationengerechten Finanzierung der ungedeckten Rentenversprechen liegen. Optionen gibt es einige – ein höheres Referenzalter, mehr Einnahmen durch höhere Steuern und Beiträge oder strukturelle Anpassungen.
Klar ist, dass eine Komponente allein nicht reichen wird. Es braucht mehrere Kompromisse, die die Last fair zwischen den Generationen und sozioökonomischen Gruppen verteilen.» Weiter heisst es in der Mitteilung:
Zur vollständigen Schliessung der Finanzierungslücke könnten Beiträge und Steuern noch stärker erhöht werden. Beides führt aber zu möglicherweise weitreichenden Zweitrundeneffekten.
Eine höhere Mehrwertsteuer könnte den Konsum schwächen und würde sozioökonomisch schwächere Gruppen stärker belasten, da sie relativ zu ihrem Gesamteinkommen höhere Ausgaben haben und diese weniger flexibel anpassen können als wohlhabendere Gruppen.
Höhere Lohnabgaben könnten zudem zu stagnierendem Lohn- und Beschäftigungswachstum führen und negative wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Als weitere Komponenten führen die Studienautoren auf: Erhöhung des Rentenalters auf 66, Ersatz des Mischindex durch Reduktion auf den Teuerungsausgleich, Gleichstellung der Hinterlassenen, Mehrwertsteuer plus 0,7%. Die Begründung für die Kombination verschiedener Elemente lautet:
Durch die Zusammenführung verschiedener Massnahmen kann das Vorsorgesystem nachhaltig gestaltet werden. Wie stark jede Massnahme zum Tragen kommen soll, ist eine politische Entscheidung.
Klar ist, dass die AHV für jüngere Generationen immer weniger attraktiv wird und die Notwendigkeit eines Kompromisses steigt. «Wichtig bei jeder Diskussion ist zu beachten, dass die Vorzüge des aktuellen Systems auch für zukünftige Generationen erhalten bleiben und die zusätzlichen Lasten möglichst breit verteilt werden», sagt Jackie Bauer, Ökonomin und Vorsorgeexpertin bei UBS.
Die Forderung der Mitte nach Abschaffung des Plafonds für AHV-Ehapaarenten findet auch bei der FDP Anklang. Allerdings mit einer gewichtigen Vorbedingung: mit dem Wegfall des Plafonds sollen auch die Privilegien beseitigt werden. Doris Kleck schreibt auf CH-Media:
Trotz der schlechten [finanziellen] Aussichten setzt sich die FDP für zivilstandsunabhängige Renten ein. Im Klartext heisst das: Der AHV-Rentenplafond für Ehepaare soll fallen. Heute erhalten Ehepaare nämlich maximal nur 150 Prozent einer Altersrente – also höchstens 3675 Franken monatlich. Konkubinatspaare hingegen bekommen zwei separate Einzelrenten, zusammen bis zu 4900 Franken.
Diese Deckelung der Ehepaarrenten ist ein Dauerbrenner in der Politik. Die Mitte hat eine Volksinitiative eingereicht, welche die Abschaffung des Plafonds fordert. Zumindest die Stossrichtung des Volksbegehrens geniesst breiten politischen Support. In der SP gibt es grosse Sympathien dafür.
Die SVP will die Ehepaarrenten erhöhen, wenn die Witwenrente reformiert wird. Und die FDP will eben die zivilstandsunabhängigen Renten. Wobei FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt kürzlich im «Blick» sagte: «Der Systemumbau darf aber keine Mehrkosten für die AHV verursachen.»
Reto Spring, Präsident des Verbands der Finanzplaner und Dozent für Finanplanung am IfFP, erklärt in HZ Insurance, was für Herausforderungen bei der Altersvorsorge wir meistern müssen.
«Umlagenfinanzierte Vorsorgesysteme wie die AHV seien nicht zukunftstauglich, sagen Kritikerinnen und Kritiker und vergleichen sie mit Schneeballsystemen: Fehlen die Einzahlenden, bricht das System zusammen.
Die Geburtenrate der Schweizerinnen liegt bei historisch tiefen 1,4 Prozent. Jede vierte Frau bleibt kinderlos, doch ohne Nachkommen wird der zweite Generationenvertrag nicht erfüllt. Korrekterweise sollten Kinderlose also weniger AHV erhalten.
Die steigende Lebenserwartung kommt einer laufenden Rentenerhöhung gleich, denn bleibt das Referenzalter bei 65 und werden wir künftig 100 Jahre alt, müssen 35 Rentenjahre finanziert werden.
Ohne eine nachhaltige Refinanzierungsreform wird die AHV das so nicht stemmen können. Stand heute sollte jeder und jede, der oder die nach 2050 in Rente geht, die AHV nur noch als «Taschengeld» einrechnen, aber nicht mehr als existenzielle Absicherung.
Was vielen Schweizerinnen und Schweizern nicht bewusst ist: Die berufliche Vorsorge stellt ihren grössten Vermögensposten dar. Das BVG gleicht einem Bahnhof, der ständig umgebaut wird: mit wechselnden Architekten, Vorschriften, Ansprüchen und Auslastungen. Die Komplexität nimmt zu, Vereinfachungen und Verbesserungen sind schwierig umzusetzen.
Soll die BVG-Rente den hohen Stellenwert in der Altersvorsorge behalten, so müsste sie einen Inflationsausgleich (analog zur AHV) anstreben. Bei einer Inflation von 2 Prozent hat die BVG-Rente nach 20 Jahren schon einen Drittel an Kaufkraft eingebüsst, nach 35 Jahren sogar schon die Hälfte!
Umverteilung und Kaufkraftverlust der Rente bleiben also ein Thema. Immerhin gibt es hier einige finanzplanerische Optionen, um diese Herausforderungen zu meistern.
Künftig wird die private Vorsorge das wichtigste Standbein darstellen – Gutverdienerinnen und Gutverdiener müssen bereits heute mehr als die Hälfte der Altersvorsorge eigenverantwortlich ansparen, weil die «Ersatzquote» von AHV und BVG unter 50 Prozent liegt. Das traditionelle Lebensmodell von Bildung, Arbeit und Ruhestand verschwindet, und Menschen ziehen flexiblere Karrieren vor.
Am 12. Dezember entscheidet das Bundesgericht, ob die Volksabstimmung über die Reform «AHV 21» vom Herbst 2022 aufgehoben werden muss, wie dies SP und Grüne verlangen. Sie verweisen auf den im August bekanntgewordenen Rechenfehler bei der AHV und argumentieren, die Behörden hätten bereits vor der damaligen Abstimmung die Finanzlage zu düster dargestellt. Fabian Schäfer schreibt in der NZZ:
Die Reform «AHV 21» ist zum Teil bereits in Kraft getreten. Sie umfasst vor allem eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Angleichung des Rentenalters der Frauen an jenes der Männer (65 Jahre). Der zweite Teil wurde nur knapp angenommen (50,5 Prozent Ja). Wird die Reform rückgängig gemacht, vergrössern sich die ab 2027 drohenden Defizite der AHV um weitere 2 Milliarden Franken.
Das Bundesgericht hat für den Entscheid eine öffentliche Beratung angesetzt, wie am Freitag die Tamedia-Zeitungen unter Berufung auf die Beschwerdeführer meldeten. Dass das Gericht nicht auf dem Zirkularweg entscheidet, lässt mutmassen, dass mindestens ein Mitglied der fünfköpfigen Richterbank für eine Annullierung ist.
Bemerkenswert ist die Zusammensetzung des höchstinstanzlichen Quintetts. Zuständig ist die erste öffentlichrechtliche Abteilung, doch sie besteht aus fünf Männern. Ein rein männliches Gremium, das in der aufgeladenen Debatte um das Rentenalter der Frauen einen Entscheid fällt? Das hielt man in Lausanne nicht für ideal. Und so wurden kurzerhand zwei ordentliche Richter aus- und zwei nebenamtliche Richterinnen eingewechselt. (…)
Bis dato wurde erst ein einziges Mal eine Volksabstimmung kassiert. Damals hatte der Bund falsche Zahlen zum Ausmass der steuerlichen «Heiratsstrafe» präsentiert. Bei der AHV geht es jedoch um Schätzungen, die naturgemäss unsicher sind. Der Rechenfehler war zudem kleiner als die Aufregung: Die Abweichung beträgt für das Jahr 2033 rund 2,5 Milliarden Franken oder 3,6 Prozent.
Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) setzt die Behandlung der Vorlage zur Anpassung der Hinterlassenenrenten bis zur Verabschiedung der Botschaft zur Volksinitiative «Ja zu fairen AHV-Renten auch für Ehepaare» aus.
Sie wird die Hinterlassenenrenten anschliessend in einer Gesamtschau aller zivilstands- und geschlechtsabhängigen Leistungen der AHV beraten und hat dazu umfassende Abklärungen in Auftrag gegeben.
Die SGK des Ständerats schreibt zu ihren Beschlüssen betr. 13. AHV-Rente und deren Finanzierung:
Die Auszahlung der 13. AHV-Rente wird gemäss der Vorlage des Bundesrates umgesetzt. Die Finanzierung dieser Rente muss jedoch vertieft und unter Berücksichtigung aller mittel- bis langfristigen Bedürfnisse der AHV analysiert werden.
Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-S) ist auf die zwei Vorlagen des Bundesrates zur Finanzierung der 13. AHV-Rente eingetreten. Sie hat der Verwaltung mehrere Prüfaufträge erteilt und will ihre Arbeiten im ersten Quartal 2025 fortsetzen. (…)
Die Kommission hält fest, dass die 13. AHV-Rente bei ihrer Einführung 2026 zwar nahezu 4,2 Milliarden Franken kosten wird, sich die Lage des AHV-Ausgleichsfonds aber ohne sofortige neue Finanzierungsquelle erst ab 2029 deutlich verschlechtern dürfte.
Sie ist daher der Ansicht, dass sich das Parlament die Zeit für eine ernsthafte und dokumentierte Analyse der verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten nehmen sollte. Zudem sollte auch die nächste umfassende AHV-Reform berücksichtigt werden, die für spätestens 2026 erwartet wird.
Der Bundesrat will die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen bei den AHV-Hinterlassenenrenten beseitigen und das System an die gesellschaftliche Entwicklung anpassen.
An seiner Sitzung vom 23. Oktober 2024 hat er die Ergebnisse der Vernehmlassung zur Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) zur Kenntnis genommen und die Botschaft zuhanden des Parlaments verabschiedet.
Die Vorlage sieht unter anderem vor, dass der hinterlassene Elternteil bis zum vollendeten 25. Altersjahr des jüngsten Kindes eine Hinterlassenenrente erhält, unabhängig vom Zivilstand der Eltern.
Die laufenden Renten von über 55-jährigen Witwen und Witwern sowie jene für über 50-jährige Bezügerinnen und Bezüger von Ergänzungsleistungen werden weiter ausgerichtet. Bei jüngeren Personen bleibt der Anspruch noch zwei Jahre bestehen. Die Vorlage geht auch auf den Finanzierungsbedarf der AHV und den Auftrag zur Sanierung der Bundesfinanzen ein.
Die Compenswiss-Verwaltung (AHV-Ausgleichsfonds) hat gegenüber der NZZ betont, die USA hätten trotz der Wahl von State Street als Depotbank keinen Zugriff auf dessen Mittel. Im Tages-Anzeiger bezweifelt dies Bankrechtsprofessor Rolf Sethe von der Universität Zürich.
Ja, die USA könnten über State Street Zugriff im Extremfall auf die Ausgleichsfonds für AHV, IV und EO haben. Denn State Street verwahrt die Finanzinstrumente der Ausgleichsfonds.
«Will man diese aus dem Depot abziehen, muss man State Street mit dem Transfer auf ein Depot bei einer anderen Depotbank beauftragen», sagt Bankrechtsprofessor Rolf Sethe von der Universität Zürich.
Das heisst: Ohne Mitwirkung von State Street als Depotbank kann die AHV die Vermögenswerte also nicht abziehen. «Dies gilt unabhängig von der Frage, wo die Finanzinstrumente physisch gelagert werden.»
State Street als US-Bank untersteht dem US-Recht. «Die Bank wäre im Fall der Verhängung von Sanktionen seitens der US-Regierung gegen die Schweiz gezwungen, diese zu befolgen», so Sethe weiter.
Da die USA ihr Recht regelmässig auch exterritorial durchsetzen, würden sie voraussichtlich die Bank anweisen, die Sanktionen auch über ihre europäischen Tochtergesellschaften durchzusetzen. Compenswiss hat das Mandat bei State Street in München.
«Dass die USA Sanktionen exterritorial durchsetzen, zeigt das Beispiel der jüngsten Sanktionen gegen Russland, als man russische Vermögenswerte eingefroren hat», sagt Sethe. Er weist jedoch darauf hin, dass dies wegen des Angriffskriegs auf die Ukraine und damit aus gravierendem Grund geschah.
«Es ist in der derzeitigen politischen Lage schwer vorstellbar, dass die USA gegen die Schweiz zum Beispiel wegen eines neuerlichen Steuerstreits mit Sanktionen vorgehen könnten.»
Für die Linke ist jetzt alles möglich. Jacqueline Badran fordert allen Ernstes eine AHV-Rente von 6000 Franken. Möglich würde das, wenn etwas weniger in die Pensionskasse und etwas mehr in die AHV einbezahlt wird. Über den Link geht es zum Video mit Badran, falls jemand der Meinung sein sollte, es handle sich hier um eine böswillige Unterstellung.
Das BSV schreibt zu den aktualisierten Finanzperspektiven der AHV:
Die neuen Projektionen des BSV schätzen die Ausgaben auf rund 69 Milliarden Franken im Jahr 2033. Sie liegen damit zwischen den externen Schätzungen: KOF-ETH schätzt die Ausgaben im Jahr 2033 je nach Annahmen zwischen rund 70 und 72 Milliarden Franken und Demografik zwischen 68 und 70 Milliarden Franken (zu Preisen von 2023).
Die Finanzperspektiven, die mit der Vernehmlassung zur Finanzierung der 13. Altersrente publiziert worden waren, gingen von Ausgaben von rund 71.5 Milliarden im Jahr 2033 aus (zu Preisen von 2023).
Weil das BSV seine Berechnungsmodelle in den letzten Wochen weiter verfeinert hat, fallen die Abweichungen der neuen von den alten Projektionen etwas geringer aus als Anfang August geschätzt. Die Abweichung des alten und des neuen Modells des BSV beträgt für das Jahr 2033 real 2.5 Milliarden Franken (3.6 Prozent). (…)
Die aktuelle Projektion des BSV für das Jahr 2040 liegt nun rund 6 Milliarden Franken tiefer als mit dem alten Modell (siehe Grafik). Mit dem validierten Berechnungsmodell sind nun nachvollziehbare und transparente Projektionen verfügbar.
Das Umlageergebnis – die Differenz von Einnahmen und Ausgaben, ohne erwartete Anlagerendite – wird, wie bisher angegeben, ab 2026 mit der Einführung der 13. Altersrente und ohne Zusatzfinanzierung negativ. Diese Berechnung wird sowohl durch die internen wie die externen Ausgabenmodelle bestätigt. Das Umlagedefizit im Jahr 2033 beträgt schätzungsweise 5 Milliarden Franken.
Die NZZ kommentiert:
Was bedeutet das nun politisch? Die AHV ist weiterhin ein Sanierungsfall, doch der Druck ist sowohl zeitlich als auch finanziell geringer als bis vor kurzem angenommen. Kurzfristig stellt sich die Frage, ob und wie das Parlament eine separate Zusatzfinanzierung für die 13. Rente beschliessen wird.
Diese muss ab 2026 ausbezahlt werden, was in der AHV laut den neuen Zahlen von Beginn weg zu Umlagedefiziten führen wird. Zählt man die erhofften Kapitalerträge des AHV-Fonds dazu, lässt sich ein effektiver Verlust voraussichtlich noch vermeiden – aber nur im ersten Jahr.
Ab 2027 ist jedoch auch bei dieser Betrachtung mit einem Rückgang der Reserven des Fonds zu rechnen. Tatsächlich lassen die neuen Zahlen erahnen, was passieren dürfte, wenn die Politik langfristig untätig bleiben oder das Volk sämtliche Reformen ablehnen würde: In diesem Fall würde der Stand des AHV-Fonds sukzessive sinken. Heute beträgt sein Kapital 53 Milliarden Franken, in zehn Jahren wären es voraussichtlich noch 34 Milliarden, 2040 wäre der Fonds leer.
Aber so weit wird es nicht kommen, das Sozialwerk würde schon früher in ernsthafte Liquiditätsengpässe geraten. Damit wäre nicht mehr sichergestellt, dass sämtliche Ausgleichskassen immer in der Lage sind, jeden Monat alle Renten pünktlich zu überweisen.
Dass der Bund einer solchen Entwicklung tatenlos zuschauen würde, ist praktisch ausgeschlossen. Der politische Druck wäre viel zu gross. Im Extremfall würde er vermutlich per Notrecht Milliarden einschiessen.
Die Vermutung scheint sich zu bestätigen: Die Fehler bei den Berechnungen der zu erwartenden Defizite bei der AHV sind deutlich grösser als bereits eingestanden. Der Blick schreibt:
Rund 10 Milliarden Franken – um so viel hat sich der Bund bei seinen bisherigen AHV-Finanzprognosen allein für das Jahr 2040 verrechnet. Die Abweichung fällt damit noch grösser aus, als bisher bekannt war.
Schon bald will das zuständige Bundesamt für Sozialversicherungen von Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (60) neue konsolidierte Berechnungen vorlegen.
Doch der Schaden ist bereits angerichtet, was im Bundeshaus für mächtig Ärger sorgt. «Der Vertrauensverlust der Bevölkerung in den Bund ist riesig, das kratzt auch an unserer Glaubwürdigkeit als Parlamentarier», sagt der Thurgauer Mitte-Nationalrat Christian Lohr (62). Das bekomme er derzeit im Abstimmungskampf um die Pensionskassen-Reform deutlich zu spüren. «Es droht ein Scherbenhaufen.»
Ähnlich tönt es bei SVP-Chef Marcel Dettling (43): «Wie wollen wir den Leuten erklären, wie wichtig die BVG-Reform ist, wenn der Bund mit seinen Zahlen derart daneben liegt?» Er fordert personelle Konsequenzen und verlangt den Abgang von BSV-Direktor Stéphane Rossini (61).
«Wir dürfen uns vom Zahlenwirrwarr nicht täuschen lassen», mahnt FDP-Ständerat Damian Müller (39, LU). Es öffne sich eine immer grössere Lücke auf dem Arbeitsmarkt. «Bis 2035 kommen mehr als 1 Million Menschen in der Schweiz ins Rentenalter, während nur rund halb so viele Jugendliche in erwerbsfähige Alter nachrücken», sagt Müller.
Langfristig fehlten deshalb der AHV Milliarden und dem Arbeitsmarkt viele Fachkräfte. «Um Anreize, um länger zu arbeiten, und letztlich auch Mehreinnahmen für die AHV, kommen wir nicht herum.» Es brauche eine breite Auslegeordnung, wie das sozialpolitisch wegweisende Drei-Säulen-System auch künftig funktionieren soll.
Der Blick schreibt: Der AHV-Verrechner des Bundes sorgte im Sommer für Aufregung. Eine neue Zahl lässt nun aufhorchen: Im Jahr 2040 sollen die Ausgaben sogar um gut 10 Milliarden tiefer sein als bisher angenommen.
Eine Zahl lässt dabei aufhorchen, die der stellvertretende Amtsdirektor Bruno Parnisari in der Kommission genannt hat: Im Jahr 2040 liegt die alte Berechnung um satte 10 Milliarden Franken daneben.
Aufgrund des langen Zeithorizonts lasse sich aber keine genaue Zahl nennen, die Abweichung könne auch bei 9 oder 11 Milliarden liegen, beschied Parnisari den Ständeräten.
Das Bundesamt für Sozialversicherungen will diese Zahl auf Blick-Nachfrage nicht kommentieren und verweist auf das Kommissionsgeheimnis.
Doch der Rechenfehler dürfte die AHV-Debatte nachhaltig beeinflussen, vor allem, weil er auch das Umlageergebnis beeinflusst. Dieses zeigt auf, ob sich die jährlichen Rentenausgaben über die jeweiligen Einnahmen aus Lohnbeiträgen, Mehrwertsteuer oder Spielbankenabgabe decken lassen oder nicht. Kurz: Kommt so viel rein, wie ausgegeben wird?
Ging der Bund bisher von einem Umlagedefizit von gut 7 Milliarden für das Jahr 2033 aus, hat es sich mit der Korrektur auf rund 4 Milliarden fast halbiert. Wie stark sich das Umlagedefizit in den Jahren danach reduziert, lässt das Amt vorerst offen.