An seiner Sitzung vom 14. Mai 2025 hat der Bundesrat die ersten Stossrichtungen der Vorlage AHV2030 festgelegt. Mit der Alterung der Bevölkerung und der Pensionierung der Babyboom-Generation werden die Ausgaben der AHV in den nächsten zehn Jahren stark ansteigen. Der Bundesrat will diesen Anstieg über höhere AHV-Einnahmen aus den bestehenden Finanzierungsquellen auffangen. Zudem will er die AHV an die soziale und wirtschaftliche Entwicklung anpassen und dazu die Weiterbeschäftigung nach Erreichen des AHV-Referenzalters fördern. In der Mitteilung dazu heisst es:
In den nächsten Jahren werden die jüngsten Babyboomer das Referenzalter erreichen. Aktuell beziehen rund 2,5 Millionen Personen eine AHV-Rente. 2030 werden es schätzungsweise 2,8 Millionen sein, im Jahr 2035 rund 3 Millionen.
Gleichzeitig wächst die Erwerbsbevölkerung kaum. Das Verhältnis zwischen der Anzahl Personen im erwerbsfähigen Alter und jener der Rentnerinnen sowie Rentner wird sich weiter verschlechtern.
Ohne Massnahmen dürfte die AHV nach aktuellen Schätzungen, gemäss Betriebsrechnung 2023, im Jahr 2030 ein Umlagedefizit von rund 2,5 Milliarden Franken und im Jahr 2040 von 5,7 Milliarden Franken ausweisen.
Falls Parlament und Volk die Finanzierung der 13. AHV-Altersrente annehmen, wie sie der Bundesrat vorgeschlagen hat, dann sinkt der jährliche Finanzierungsbedarf auf schätzungsweise 500 Millionen Franken im Jahr 2030 und 4 Milliarden im Jahr 2040.
Um die Finanzierung der AHV für die Zeit von 2030 bis 2040 zu sichern, will der Bundesrat die AHV-Einnahmen über die aktuellen Finanzierungsquellen erhöhen. Dazu beauftragt er das EDI, verschiedene Massnahmen zu prüfen, mit der Möglichkeit, diese zeitlich zu begrenzen, um den kritischen Zeitraum abzudecken, in dem der Druck der Babyboomer auf die AHV-Finanzen am stärksten ist.
Der Bundesrat will überdies einen Interventionsmechanismus prüfen für den Fall, dass sich die finanzielle Situation der AHV verschlechtert oder die politischen Entscheide nicht rechtzeitig vorliegen. Ausserdem will er die Weiterbeschäftigung nach Erreichen des AHV-Referenzalters fördern.
Zu diesem Zweck beabsichtigt er, das Höchstalter von 70 Jahren in der AHV aufzuheben, den Freibetrag zu erhöhen und die Frühpensionierung weniger attraktiv zu machen. Diese Massnahmen würden dem Arbeitskräftebedarf der Wirtschaft entgegenkommen und Arbeitsanreize schaffen.
Ein höheres Referenzalter ist für den Bundesrat im Rahmen der Reform AHV2030 hingegen keine Option. Das Stimmvolk hat sich 2024 klar gegen eine Erhöhung ausgesprochen.
Zudem wären für eine generelle Erhöhung des Referenzalters eine lange Übergangsphase sowie Kompensationsmassnahmen nötig. Deshalb würde sich die Erhöhung nicht früh genug auf die AHV-Finanzen auswirken, um die Finanzierung der AHV während der kritischen Phase sicherzustellen.
Der Bundesrat wird sich jedoch noch eingehender damit befassen, unter welchen Bedingungen ein höheres Referenzalters in Betracht gezogen werden könnte und ob eine zivilstandsunabhängige Vorsorge möglich wäre. Er will diese Fragen im Rahmen der nächsten Reform gestützt auf dokumentierte Daten diskutieren.
Hansueli Schöchli ärgert sich – zu Recht – über die Träumereien in der Schweizer Sozialpolitik.
Man wähnt sich im falschen Film. In Europa wütet Krieg, die EU ist in der Krise, der Konflikt mit den Diktaturen bremst die Wirtschaft, Europas Verteidigung wird massiv teurer, die Trump-Zollmauer kann eine Rezession auslösen – und die Schweizer verpulvern Milliarden für Luxusprojekte.
So brachte die vergangene Woche nicht nur den Trump-Zollschock, sondern in der Schweiz auch den AHV-Schock. Die Sozialkommission des Ständerats schlägt vor, zur AHV-Finanzierung die Mehrwertsteuer um bis zu einem Prozentpunkt und die Lohnabzüge um bis zu 0,8 Prozentpunkte zu erhöhen.
Zudem soll auch aus der allgemeinen Bundeskasse noch mehr Geld in die AHV fliessen. Alles zusammen macht ab 2030 etwa 8 bis 9 Milliarden Franken pro Jahr aus. Erhöhung des Rentenalters zur Kosteneindämmung? – Fehlanzeige.
Die Kommission sprach von einem «ausgewogenen» Vorschlag. Unter Ausgewogenheit scheinen die Ständeräte Folgendes zu verstehen: 100 Prozent des AHV-Bedarfs werden durch Zusatzeinnahmen gedeckt, null Prozent durch Einsparungen. (…)
Die Begründungen für die Initiative sind ähnlich abstrus wie die Begründungen der Regierung Trump für die Zollmauer. Das Kernargument ist die angebliche AHV-Benachteiligung der Ehepaare im Vergleich zu Konkubinatspaaren wegen des Rentendeckels von 150 Prozent einer maximalen Einzelrente.
Richtig ist laut Bundesdaten das Gegenteil: Die Ehevorteile sind vor allem wegen der Witwenrenten und des Einkommens-Splittings grösser als die Nachteile – 2023 überstieg der Nettovorteil eine Milliarde Franken. Der Argumente-Test ist simpel: Wäre die Mitte mit einem Gegenschlag einverstanden, der mit dem Rentendeckel für Ehepaare gleichzeitig auch alle AHV-Ehevorteile abschafft? Auf ein Ja wartet man bis heute. (…)
Ältere sind die wichtigste Kundengruppe der grossen politischen Parteien und der traditionellen Medien. Anbiederung und Verlogenheit statt Ehrlichkeit sind deshalb das gängige Motto in der Politik der Altersvorsorge. Für die Mitte ist zudem ihre Renteninitiative ein attraktives Mittel zur Imagepflege als «Familienpartei».
Dafür ist die Partei bereit, die Zukunft des Landes zu verpfänden. Eine solche Verantwortungslosigkeit orten derzeit viele zu Recht in Washington. Doch wer mit dem Finger auf Trump zeigt, sollte auch ab und zu in den Spiegel schauen.
Der Bundesrat stärkt die Altersvorsorge für Personen mit tiefen Löhnen und verbessert die Situation von Selbstständigerwerbenden, die ihre Tätigkeit einstellen. Im Kultur- und Medienbereich, in dem kurze Arbeitseinsätze und geringfügige Löhne verbreitet sind, wird die Befreiung von der AHV-Beitragspflicht aufgehoben. Das führt für diese Erwerbstätigen zu einer besseren Vorsorge.
Mit einer zweiten Änderung werden ungerechtfertigte Verzugszinsen vermieden, wenn Selbständigerwerbende ihr Unternehmen liquidieren und dabei einen Gewinn erzielen.
SDA. Als Zweitrat stimmte am Montag (2.3.25) der Nationalrat den gesetzlichen Grundlagen für das Auszahlen des «Dreizehnten» zu, mit 193 Stimmen und ohne Gegenstimme und Enthaltungen. Ausbezahlt wird die 13. Rente am Ende des Jahres an alle, die im fraglichen Jahr Anspruch auf eine AHV-Rente haben. Erben haben keinen Anspruch auf den Zuschlag.
2026 betragen die Ausgaben für die 13. Altersrente voraussichtlich rund 4,2 Milliarden Franken. Ausbezahlt wird eine zusätzliche Monatsrente. Die 13. Rente darf nicht dazu führen, dass Bezügern von Ergänzungsleistungen (EL) diese Leistungen gekürzt werden.
Wie die 13. AHV-Rente finanziert wird, ist noch offen. Zurzeit befasst sich die zuständige Kommission des Ständerates mit dieser Frage.
Alterspyramiden der in der Schweiz und im Ausland geborenen Personen (2020, 2050 und 2070) Vergrösserung durch Klick auf Grafik
Die Zahl der über 65-Jährigen wird künftig stärker wachsen als die Bevölkerung im Erwerbsalter. Einer der Hauptgründe dafür ist die Babyboom-Generation. In CHSS schreibt dazu Ilka Steiner:
Die Babyboom-Generation erreicht das Referenzalter zwischen 2010 und 2029. Im Jahr 2010 wurde die erste Kohorte der Babyboomerinnen (1946 geboren) 64 Jahre alt, gefolgt von der ersten Kohorte der Babyboomer (1946 geboren und somit 65 Jahre alt) im Jahr 2011.
Im Jahr 2029, mit einem harmonisierten Referenzalter für Männer und Frauen, wird dann die letzte Kohorte 65 Jahre alt (Frauen und Männer, die 1964 geboren wurden). Bevölkerungsprognosen zufolge zählt die Schweiz im Jahr 2070 die letzten 1000 Babyboomerinnen und Babyboomer im Alter von 106 bis 111 Jahren.
Die gegenwärtige und die zukünftige Bevölkerung im Rentenalter (Grafik 1) setzen sich nicht nur aus in der Schweiz geborenen Babyboomerinnen und Babyboomern zusammen, sondern auch aus im Ausland geborenen Personen, die im Laufe ihres Lebens in die Schweiz eingewandert sind.
Der Anstieg der in der Schweiz geborenen Bevölkerung im Referenzalter ist zwischen 2020 und 2050 besonders auffallend und lässt sich durch den Rentenübergang der geburtenstarken Jahrgänge der Babyboom-Generation erklären. Aber auch die in den letzten Jahrzehnten im Erwerbsleben zugewanderte Bevölkerung wird altern und so zum Anstieg der 65-Jährigen und Älteren beitragen.
Dieser Anstieg der Anzahl Personen im Rentenalter geht mit einer steigenden Lebenserwartung einher. Tatsächlich leben die Menschen im Durchschnitt immer länger, was sich auf die Bezugsdauer der AHV-Altersrenten auswirkt. Gut sichtbar ist diese Entwicklung anhand der Zunahme der 85-Jährigen und Älteren von 2020 bis 2050 in der Grafik 1.
Während die Lebenserwartung bei der Geburt im Jahr 1948, dem Jahr der Einführung der AHV, für Männer 65 Jahre und für Frauen 69 Jahre betrug, stieg sie 2018 auf 82 beziehungsweise 85 Jahre. Nach dem Referenzszenario werden im Jahr 2070 Männer 88 Jahre und Frauen 92 Jahre alt werden.
Ausserdem nimmt die Zahl der Hundertjährigen zu: Von 1950 bis 2010 hat sie sich alle zehn Jahre fast verdoppelt. Im Jahr 2023 lebten in der Schweiz etwas mehr als 2000 Hundertjährige und Ältere; im Jahr 2070 werden es laut dem Referenzszenario fast 37’000 sein.
Der Bundesrat hat den Schlussbericht zu der Administrativuntersuchung zur Korrektur der AHV-Finanzperspektiven publiziert. Er enthält Vorschläge zur Verbesserung der Prozesse, Dokumentation und Qualitätskontrolle sowie der Ressourcen im Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV). Im Bericht heisst es u.a.:
Es wurden keine Sorgfaltspflichten verletzt. Insbesondere informierte das BSV nicht zu spät über die «Fehler» in den AHV-Finanzperspektiven. Im Gegenteil informierte es aus heutiger Sicht wohl zu schnell, was allerdings angesichts der Umstände nachvollziehbar ist. Im […] wurden sodann die Grundlagenarbeiten am Berechnungsprogramm vernachlässigt, was aber angesichts der Ressourcenmängel niemandem vorgeworfen werden kann.
Die dem GF I zur Verfügung gestellten Ressourcen waren jedenfalls bis anfangs 2024 nicht ausreichend und nicht angemessen. Der Ressourcenmangel resultierte in einer technischen und inhaltlichen Schuld, welche für die Geschehnisse im Sommer 2024 verantwortlich ist.
Die Ursache für die Probleme bei den AHV-Finanzperspektiven waren die inhaltliche und technische Schuld, die auf die Ressourcenmängel zurückzuführen war. Sowohl der Leiter GF I als auch MA 1 haben Fehler gemacht, die ihnen allerdings angesichts der Umstände nicht vorgeworfen werden können. Ein Versagen von Mitarbeitenden liegt nicht vor.
Gewisse E-Mails innerhalb des BSV deuten auf zwischenmenschlich belastete Verhältnisse und eine verbesserungsfähige Kommunikation hin. Es ist die Aufgabe der leitenden Personen, für eine offene, vertrauensvolle und positive Betriebskultur zu sorgen, welche alle Geschäftsfelder des GF I umfasst. Dazu gehört auch die Förderung einer Kultur, in der Fehler offen angesprochen werden können und Vorgesetzte bei unplausiblen Code-Teilen nicht von absichtlichen Manipulationen ausgehen (Just Culture).
Compenswiss hat bei der Wahl ihrer Depotbank von der UBS zu State Street gewechselt. Unser AHV-Geld in den USA? Das gefällt nicht allen. Jetzt ist ein Streit darüber entbrannt, ob es bei der UBS sicherer vor US-Sanktionen wäre. Der Tages-Anzeiger schreibt dazu:
[SVP-Nationalrat Thomas Matter sagt] dass es zwar ein geringes Risiko für US-Sanktionen gegen die Schweiz gebe. «Aber auch das kleinste Risiko müssen wir möglichst vermeiden, denn es geht bei den Rentengeldern schliesslich um die Substanz unseres Altersvermögens.»
Der Nationalrat soll übernächste Woche darüber entscheiden, ob die AHV-Gelder wieder von einer Schweizer Bank verwahrt werden müssen. Die Wirtschaftskommission hatte im Januar eine entsprechende Motion von Matter angenommen. Der Bundesrat soll dazu aufgefordert werden, die Ausschreibung neu zu starten und zur Bedingung zu machen, dass nur Schweizer Banken infrage kommen.
Die Argumentation von Matter: «Der Bundesrat hat bei einer Schweizer Bank ganz andere Möglichkeiten, um die Interessen der Schweiz durchzusetzen, als wenn er im Fall der Fälle bei einer US-Bank anrufen muss.»
Dem widerspricht Compenswiss. «Sanktionen kann es immer geben, auch wenn dies unwahrscheinlich ist, aber auch eine Schweizer Bank würde sie durchsetzen», sagt Direktor Breval. Der neue US-Präsident Donald Trump habe die Wahrscheinlichkeit dafür nicht unbedingt erhöht, ein Restrisiko für Sanktionen bestehe immer.
Für Compenswiss ist klar, dass sich keine Bank gegen die USA stellen kann, egal, welcher Nationalität sie ist. «Dies würde ihre Existenz gefährden», sagt der Präsident des Ausgleichsfonds, Manuel Leuthold. Keine Bank könne ohne Dollarhandel überleben.
Leuthold betont: «Wir haben den Wechsel zur US-Bank State Street nicht leichtfertig vollzogen.» Eine US-Bank könnte sogar im Fall von US-Sanktionen Vorteile haben, weil sie in Washington eher Gehör fände als eine Schweizer Bank, um die Freigabe für die Schweizer Sozialversicherungen zu diskutieren.
Compenswiss befürchtet sogar, dass durch einen Abzug von der US-Bank und die Rückkehr zu einer Schweizer Bank das Verhältnis zu den USA leiden könnte. «Das Risiko besteht, dass die USA der Schweiz dies vergelten könnten», sagt Direktor Breval.
Die Swissmem-Ausgleichskasse schreibt auf ihrer Website zum Cyber-Angriff:
Trotz umfassender Sicherheitsstandards wurde die Ausgleichskasse Swissmem am Wochenende des 4. und 5. Januar 2025 Opfer eines Cyberangriffs. Dabei wurden Zugänge zu Servern und Daten verschlüsselt. Systeme von Kunden waren zu keinem Zeitpunkt betroffen. Es wurde kein Geld entwendet und es fand kein illegaler Geldabfluss statt. Seit dem 9. Januar 2025, läuft der Betrieb auf einer vollständig neu aufgesetzten Plattform wieder normal.
Leider hat ein Datenabfluss stattgefunden. Wie die eingesetzten IT-Spezialisten – ein hochqualifiziertes Computer Security Incident Response Team (CSIRT) – bis heute gesichert verifizieren konnten, handelt es sich um rund zehn Prozent der Gesamtdatenmenge der Daten der AK Swissmem. Bislang liegen keine Hinweise auf eine missbräuchliche Verwendung der Daten durch die Angreifer vor. Es wurden gemäss heutigem Wissensstand keine Daten veröffentlicht.
Die gesetzlich zuständigen Instanzen wie der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB), das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) und das Bundesamt für Cybersicherheit (BACS) sind informiert und hinzugezogen worden. Die AK Swissmem hat den Angriff ausserdem der Kantonspolizei Zürich gemeldet und Strafanzeige erstattet.
Fabian Schäfer zeigt in der NZZ auf, wie viel die Allgemeinheit mehr bezahlen muss, wenn nach der 13. Rente auch noch die Renten für Ehepaare erhöht werden. Linke Wunschvorstellungen seien «geplatzt».
Zu der unangenehmen Frage, wie der milliardenschwere Ausbau finanziert wird, haben sich bisher weder Volk noch Parlament geäussert. Hinter verschlossenen Türen hat diese Woche die Sozialkommission des Ständerats darüber diskutiert, aber keine Entscheide gefällt. Somit verzögert sich die Finanzierung weiter, mit ersten Beschlüssen des Parlaments ist frühestens im Juni zu rechnen.
Aufschlussreich ist ein interner Bericht mit neuen Zahlen, den das Bundesamt für Sozialversicherungen im Auftrag der Kommission verfasst hat. Er zeigt, was die Folgen sind, wenn das Volk nach der 13. Rente auch noch den nächsten Ausbau beschliesst, der bereits in der Pipeline ist: die Erhöhung der AHV-Renten für Ehepaare, wie sie die Mitte-Partei mit einer Initiative verlangt. Sie will die Plafonierung der Renten von Verheirateten abschaffen. Auch hier geht es um mehrere Milliarden im Jahr, auch hier ist die Finanzierung unklar.
Der neue Bericht zeigt, dass selbst Abgabenerhöhungen im Doppelpack nicht genügen würden. Konkret musste das Bundesamt einen Vorschlag von SP-Ständerat Pierre-Yves Maillard durchrechnen, seines Zeichens Präsident des Gewerkschaftsbunds und einer der Väter der 13. Rente.Maillards Entwurf hat zwei Teile:
Höhere Steuern: Nachdem die Mehrwertsteuer bereits 2024 für die AHV erhöht worden ist, soll sie noch einmal um maximal 1 Prozentpunkt steigen. Der Normalsatz betrüge 9,1 statt 8,1 Prozent.
Höhere Lohnabzüge: Die monatlichen AHV-Beiträge, die zuletzt 202o erhöht wurden, sollen um höchstens 0,8 Prozentpunkte steigen, also von 8,7 auf 9,5 Prozent.
Es geht um viel Geld. Die höheren Lohnbeiträge brächten der AHV laut dem Bericht 4,2 Milliarden Franken im Jahr (alle Zahlen: Stand 2035). Aus der Mehrwertsteuer kämen 4 Milliarden. Das Amt geht dabei von der maximalen Erhöhung aus, wie Maillard sie festgelegt hat.
Somit müsste die Allgemeinheit jährlich 8,2 Milliarden Franken zusätzlich in die AHV einzahlen. Eine solche Erhöhung der Abgabenlast hat die Schweiz lange nicht mehr gesehen. Die Pensionierten müssten sich nur über die Mehrwertsteuer beteiligen. Für sie ist die Bilanz verlockend, weil die höheren Renten stärker ins Gewicht fallen. (…)
Die ernüchternde Botschaft: Laut dem Papier würden die vielen Milliarden nicht reichen, um die AHV im Lot zu halten, wenn auch noch die Renten von Ehepaaren erhöht würden. Das Ergebnis ist auf den ersten Blick paradox: Die Mehrkosten würden sich kumuliert auf 9,3 Milliarden Franken im Jahr belaufen, die höheren Einnahmen inklusive Bundesbeitrag auf 10 Milliarden.
Und trotzdem würde die AHV Geld verlieren. Ihr Fonds fiele laut dem Papier unter die gesetzliche Limite von 100 Prozent der jährlichen Ausgaben. Er läge im Jahr 2040, je nach zeitlicher Staffelung der höheren Abgaben, noch bei 77 bis 89 Prozent. Der Grund ist banal: Die AHV hätte auch ohne 13. Rente ein Finanzierungsproblem. Die Veränderungen der Demografie, vor allem die Pensionierung der Babyboom-Jahrgänge, erzwingen Reformen, die jetzt einfach noch umfangreicher ausfallen müssen.
Andreas Valda schreibt in der Handelszeitung zum Entscheid des Bundesgerichts zum Frauen-Rentenalter:
Die Wirtschaft kann aufatmen. Es ist kaum vollstellbar, was für ein Chaos ein Urteil zur Aufhebung der Abstimmung verursacht hätte. Warum? Weil es in der Abstimmung nicht nur um die Erhöhung des Frauenrentenalters ging, sondern auch um die Zusatzfinanzierung der AHV über die Mehrwertsteuer.
Seit Anfang Jahr erheben Firmen zusätzliche 0,4 Prozent Mehrwertsteuer der Kaufsumme zur Sanierung der ersten Säule. Das Geld fliesst der AHV zu. Diesen Zuschlag hätten Firmen der Käuferschaft theoretisch zurückerstatten müssen. Unvollstellbar, so sah es auch das Bundesgericht.
Auch haben sich Arbeitnehmerinnen, die bald in Pension gehen, und Firmen, die sie anstellen, auf das neue Rentenalter bereits eingestellt. Unternehmen haben keinen Ersatz rekrutiert, weil sie mit den Frauen, die bis 65 arbeiten, rechnen. Vor der Abstimmung lag das Rentenalter bei 64 Jahren, jetzt ist es 65.
Auch hier befand das Gericht zu Recht: Einen solchen Vorgang per Urteil rückgängig zu machen, dafür müssten sehr wichtige Gründe vorliegen. Das ist natürlich nicht der Fall. Auch da waren sich die Richterinnen und Richter in der mündlichen Beratung einig. (…)
Rückblickend zeigt sich, dass die Stimmrechtsbeschwerde der Gewerkschaften und Linken reines Politmarketing war. Ärgerlich nur, dass etliche Medien die Erwartungen für eine Annullierung geschürt hatten. Gut ist aus der Sicht der Wirtschaft, dass das Bundesgericht die Rechtssicherheit weit höher gewertet hat als alle anderen Argumente.
Die von BR Baume-Schneider angeordnete Administrativuntersuchung aufgrund der korrigierten Prognosen zur finanziellen Entwicklung der AHV hat – was zu erwarten war – gezeigt, dass kein Rechenfehler vorlag. Auch könne dem BSV nicht vorgeworfen werden, zu langsam informiert zu haben. Allerdings werden «Mängel bei den personellen Ressourcen» festgestellt. Beauftragt war die Kanzlei Bratschi in Zürich, deren Bericht jetzt vorliegt. Das EDI lässt dazu verlaufen:
Die Administrativuntersuchung ergab, dass nicht von einem Rechenfehler gesprochen werden könne, da keine falschen Rechenoperationen vorlägen.
Zwei Funktionen hätten die AHV-Ausgaben im extern validierten Berechnungsprogramm für die AHV-Finanzperspektive nach oben getrieben und so in der langfristigen Perspektive von über zehn Jahren zu unplausiblen Prognosen geführt.
Ein im Rahmen der Untersuchung beauftragter mathematischer Sachverständiger kam zum Schluss, dass die Funktionen an sich nicht fehlerhaft waren, dass aber der Prozess ihrer Implementierung im Modell nicht die erforderliche methodische Tiefe aufgewiesen habe.
Der Bericht hält weiter fest, dass dem BSV nicht der Vorwurf gemacht werden könne, im Sommer 2024 zu langsam agiert und informiert zu haben, da der Aufarbeitungsprozess äusserst zeitintensiv gewesen sei.
Umgekehrt könne auch nicht von einer voreiligen Kommunikation die Rede sein. Die Korrektur der AHV-Prognosen sei unter Zeitdruck erfolgt, da der Bundesrat am 14. August 2024 die Eckwerte zur Umsetzung und Finanzierung der 13. AHV-Rente beschliessen musste.
Das Berechnungsprogramm, das die zwei betroffenen Funktionen enthielt, konnte von den Mitarbeitenden des BSV nach Bemerken der unplausiblen Prognosen methodisch nicht mehr nachvollzogen werden.
Das liegt gemäss dem Untersuchungsbericht insbesondere an der mangelhaften Dokumentation des Berechnungsprogramms sowie den institutionell zu wenig verankerten Prozessabläufen, welche die Qualitätskontrolle und den Wissenstransfer erschwert und teils verunmöglicht hätten.
Dieser Umstand sei dem BSV schon länger bekannt gewesen und auf Mängel bei den personellen Ressourcen zurückzuführen. Den involvierten Personen, auch dem Direktor des BSV, könne keine Verletzung der Sorgfaltspflicht vorgeworfen werden.
Im Rahmen ihrer aktuellen Studie zur Finanzierung der AHV gehen die UBS-Autoren auch auf die impliziten Staatsschulden der Schweiz ein. Das ergibt kein schönes Bild:
Mit einer expliziten Staatsverschuldung von 27,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) im Jahr 20211 steht die Schweiz im internationalen Vergleich vorbildlich da.
Rechnet man zu diesen expliziten Schulden die impliziten Staatsschulden (345,9 Prozent) hinzu, so beläuft sich die tatsächliche Schuld der Schweiz auf 373,3 Prozent des BIP.
Abzüglich der bestehenden expliziten Vermögen in Höhe von 50 Prozent beträgt die Nachhaltigkeitslücke 323,3 Prozent des BIP (Abbildung 1) oder umgerechnet fast 2500 Milliarden Franken.
Detailanalysen zeigen, dass vor allem die Ausgaben für Gesundheit, Pflege und Altersvorsorge in den kommenden Jahrzehnten stark zunehmen dürften und somit für hohe die implizite Staatsverschuldung verantwortlich sind.
Staatliche Rentenversprechen, die die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV, 1. Säule) nicht durch das direkte Umlageverfahren finanzieren kann, müssen vom Bund gedeckt werden. Die Kosten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) gehen zudem zulasten der Kantone und Gemeinden (Abbildung 2).
Das Defizit der AHV beläuft sich aufgrund der alternden Bevölkerung und nun mit zusätzlichen Auszahlungen für eine 13. Monatsrente auf 177 Prozent des BIP. Auch ein entscheidender Faktor ist die OKP mit 148,2 Prozent des BIP.
Im Gegensatz dazu weisen die Invalidenversicherung (IV) und die sonstigen Sozialversicherungen (SSV) einen leichten Überschuss aus. Vor allem die Arbeitslosenversicherung, die um die ausserordentlichen Ausgaben der Coronazeit bereinigt wurde, ist ein positiver Treiber.
Zusammengefasst verzeichnen die Sozialversicherungen insgesamt Schulden von 255,4 Prozent des BIP oder etwa 1900 Milliarden Franken. Die implizite Verschuldung der Gebietskörperschaften (Bund, Kantone und Gemeinden) weist eine Finanzierungslücke von 90,5 Prozent des BIP oder rund 686 Milliarden Franken auf.
Im Laufe der Zeit werden diese impliziten Schulden entweder zu expliziten Staatsschulden oder sie müssen durch erhöhte Staatseinnahmen finanziert werden. Um die fiskalische Manövrierfähigkeit möglichst zu erhalten und negative Auswirkungen zu verhindern, sollten proaktiv Strukturreformen durchgeführt werden.
Die UBS schreibt zu ihrer neuesten Analyse der Finanzierungssituation der AHV: «Das Leistungsversprechen der AHV wurde 2024 deutlich ausgebaut. In den kommenden Jahren muss der Fokus auf der generationengerechten Finanzierung der ungedeckten Rentenversprechen liegen. Optionen gibt es einige – ein höheres Referenzalter, mehr Einnahmen durch höhere Steuern und Beiträge oder strukturelle Anpassungen.
Klar ist, dass eine Komponente allein nicht reichen wird. Es braucht mehrere Kompromisse, die die Last fair zwischen den Generationen und sozioökonomischen Gruppen verteilen.» Weiter heisst es in der Mitteilung:
Zur vollständigen Schliessung der Finanzierungslücke könnten Beiträge und Steuern noch stärker erhöht werden. Beides führt aber zu möglicherweise weitreichenden Zweitrundeneffekten.
Eine höhere Mehrwertsteuer könnte den Konsum schwächen und würde sozioökonomisch schwächere Gruppen stärker belasten, da sie relativ zu ihrem Gesamteinkommen höhere Ausgaben haben und diese weniger flexibel anpassen können als wohlhabendere Gruppen.
Höhere Lohnabgaben könnten zudem zu stagnierendem Lohn- und Beschäftigungswachstum führen und negative wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Als weitere Komponenten führen die Studienautoren auf: Erhöhung des Rentenalters auf 66, Ersatz des Mischindex durch Reduktion auf den Teuerungsausgleich, Gleichstellung der Hinterlassenen, Mehrwertsteuer plus 0,7%. Die Begründung für die Kombination verschiedener Elemente lautet:
Durch die Zusammenführung verschiedener Massnahmen kann das Vorsorgesystem nachhaltig gestaltet werden. Wie stark jede Massnahme zum Tragen kommen soll, ist eine politische Entscheidung.
Klar ist, dass die AHV für jüngere Generationen immer weniger attraktiv wird und die Notwendigkeit eines Kompromisses steigt. «Wichtig bei jeder Diskussion ist zu beachten, dass die Vorzüge des aktuellen Systems auch für zukünftige Generationen erhalten bleiben und die zusätzlichen Lasten möglichst breit verteilt werden», sagt Jackie Bauer, Ökonomin und Vorsorgeexpertin bei UBS.
Die Forderung der Mitte nach Abschaffung des Plafonds für AHV-Ehapaarenten findet auch bei der FDP Anklang. Allerdings mit einer gewichtigen Vorbedingung: mit dem Wegfall des Plafonds sollen auch die Privilegien beseitigt werden. Doris Kleck schreibt auf CH-Media:
Trotz der schlechten [finanziellen] Aussichten setzt sich die FDP für zivilstandsunabhängige Renten ein. Im Klartext heisst das: Der AHV-Rentenplafond für Ehepaare soll fallen. Heute erhalten Ehepaare nämlich maximal nur 150 Prozent einer Altersrente – also höchstens 3675 Franken monatlich. Konkubinatspaare hingegen bekommen zwei separate Einzelrenten, zusammen bis zu 4900 Franken.
Diese Deckelung der Ehepaarrenten ist ein Dauerbrenner in der Politik. Die Mitte hat eine Volksinitiative eingereicht, welche die Abschaffung des Plafonds fordert. Zumindest die Stossrichtung des Volksbegehrens geniesst breiten politischen Support. In der SP gibt es grosse Sympathien dafür.
Die SVP will die Ehepaarrenten erhöhen, wenn die Witwenrente reformiert wird. Und die FDP will eben die zivilstandsunabhängigen Renten. Wobei FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt kürzlich im «Blick» sagte: «Der Systemumbau darf aber keine Mehrkosten für die AHV verursachen.»
Reto Spring, Präsident des Verbands der Finanzplaner und Dozent für Finanplanung am IfFP, erklärt in HZ Insurance, was für Herausforderungen bei der Altersvorsorge wir meistern müssen.
«Umlagenfinanzierte Vorsorgesysteme wie die AHV seien nicht zukunftstauglich, sagen Kritikerinnen und Kritiker und vergleichen sie mit Schneeballsystemen: Fehlen die Einzahlenden, bricht das System zusammen.
Die Geburtenrate der Schweizerinnen liegt bei historisch tiefen 1,4 Prozent. Jede vierte Frau bleibt kinderlos, doch ohne Nachkommen wird der zweite Generationenvertrag nicht erfüllt. Korrekterweise sollten Kinderlose also weniger AHV erhalten.
Die steigende Lebenserwartung kommt einer laufenden Rentenerhöhung gleich, denn bleibt das Referenzalter bei 65 und werden wir künftig 100 Jahre alt, müssen 35 Rentenjahre finanziert werden.
Ohne eine nachhaltige Refinanzierungsreform wird die AHV das so nicht stemmen können. Stand heute sollte jeder und jede, der oder die nach 2050 in Rente geht, die AHV nur noch als «Taschengeld» einrechnen, aber nicht mehr als existenzielle Absicherung.
Was vielen Schweizerinnen und Schweizern nicht bewusst ist: Die berufliche Vorsorge stellt ihren grössten Vermögensposten dar. Das BVG gleicht einem Bahnhof, der ständig umgebaut wird: mit wechselnden Architekten, Vorschriften, Ansprüchen und Auslastungen. Die Komplexität nimmt zu, Vereinfachungen und Verbesserungen sind schwierig umzusetzen.
Soll die BVG-Rente den hohen Stellenwert in der Altersvorsorge behalten, so müsste sie einen Inflationsausgleich (analog zur AHV) anstreben. Bei einer Inflation von 2 Prozent hat die BVG-Rente nach 20 Jahren schon einen Drittel an Kaufkraft eingebüsst, nach 35 Jahren sogar schon die Hälfte!
Umverteilung und Kaufkraftverlust der Rente bleiben also ein Thema. Immerhin gibt es hier einige finanzplanerische Optionen, um diese Herausforderungen zu meistern.
Künftig wird die private Vorsorge das wichtigste Standbein darstellen – Gutverdienerinnen und Gutverdiener müssen bereits heute mehr als die Hälfte der Altersvorsorge eigenverantwortlich ansparen, weil die «Ersatzquote» von AHV und BVG unter 50 Prozent liegt. Das traditionelle Lebensmodell von Bildung, Arbeit und Ruhestand verschwindet, und Menschen ziehen flexiblere Karrieren vor.