Das Thema der sinkenden Umwandlungssätze bewegt: Die Generation unserer Väter hat noch 7,5 Prozent bekommen. Bald werden es wohl kaum über 4,5 Prozent sein. Diese Erosion hat bereits bei den Babyboomern eine Verhaltensveränderung hin zu mehr Kapitalbezug bewirkt. Können flexiblere Modelle der Pensionskassen diesen Trend in Schach halten oder sogar umkehren?
Die WTW-Berater Caroline Suter und Christian Heiniger äussern sich im Interview mit Andreas Minor von HZ Insurance u.a. zu den Folgen für die Kassen und der Haltung der OAK in Bezug auf die Übertragung von Rentnerbeständen, die als «Fessel beim Wechsel der Sammelstiftung wirkt». Auszüge:
Sie sagen, das Risiko [der Kapitalbezüge] sei leicht abschätzbar?
Heiniger: Wenn man die laufenden Rentenzahlungen vorsichtig bewertet hat und der Anlagebestand für Rentenverpflichtungen gross genug ist, ist ein Rentnerbestand kein grosses Risiko. Zwar tragen Rentnerinnen und Rentner im Sanierungsfall nicht zur Sanierung bei, aber man kann den Rentnerbestand sehr gut managen.
Damit kann die sogenannte Soll-Rendite tief gehalten werden. Als Folge kann eine Pensionskasse mit einer hohen Wahrscheinlichkeit Überschüsse erwirtschaften. Die Pensionskasse der ehemaligen Swissair etwa – die gibt es immer noch – hat einen reinen Rentnerbestand. Dort gibt es unterdessen sogar eine 14. oder 15. Rentenzahlung jährlich.
Ich kenne jemanden, der von dort eine Rente bezieht und sich vor lauter Auszahlungen nicht retten kann …
Heiniger (lacht): Die Anzahl Rentnerinnen und Rentner wird immer kleiner, der Kapitalbestand im Verhältnis grösser. Das führt zu erhöhten Auszahlungen.
Verrückt, dass es so etwas überhaupt geben kann.
Heiniger: Ja. Aber man darf nicht vergessen: Es gibt auch den umgekehrten Fall, wo zu wenig Kapital vorhanden ist. Dann wird das ein Fall für den Sicherheitsfonds.
Dies führt dazu, dass man – wenn man alle Rentenbestände in der Pensionskasse behalten muss, um sie bis zum Schluss abzuwickeln – irgendwann sehr viele kleine Rentenkassen in der Schweiz haben wird, die genau die eben geschilderten Probleme haben.
Bräuchte das eine gesetzliche Änderung für dieses Pooling von Sammelstiftungen?
Heiniger: Das Gesetz wäre schon da und würde es auch ermöglichen. Im Gesetz wird sogar ganz genau definiert, unter welchen Voraussetzungen ein Rentenbestand transferiert werden kann.
Was verhindert denn dann eine Verbesserung?
Heiniger: Das Problem sind derzeit aus meiner Sicht die Aufsichtsbehörden, die in Sachen Mobilität von Rentnern, insbesondere getrennt von Aktiven, sehr restriktiv sind.
Die Oberaufsichtsbehörde des Bundes (OAKBV) und die regionalen Aufsichtsbehörden sind da kategorisch dagegen. Das wird sich vielleicht irgendwann ändern. Die Haltung der Aufsicht ist Sand im Getriebe und muss meiner Meinung nach hinterfragt werden.
Was wäre möglich, wenn sich diese Haltung ändern würde?
Heiniger: Der gesamte Sammelstiftungsmarkt profitiert, und auch die Konkurrenz zwischen den Sammelstiftungen steigt, wenn die Anschlüsse beweglicher sind. Das würde insbesondere den Versicherten der angeschlossenen Firmen zugutekommen, die dann im Sammelstiftungsmarkt mehr Auswahl hätten.
Ein Rentnerbestand, der bei einem Anschlusswechsel mitgenommen werden muss, wirkt wie eine Fessel an die bisherige Sammelstiftung. Unser BVG-System benötigt mehr Beweglichkeit bei Versichertenbeständen.
Innovative Pensionskassen haben sehr viel mehr im Angebot als noch vor ein paar Jahren. Geht die Flexibilisierung weiter?
Suter: Ja, diese Entwicklung haben wir auch in unserer Studie aufgezeigt. Das fängt beispielsweise bei variableren Umwandlungssätzen an: Einige Kassen bieten bereits die Option, die Höhe der Partnerrente mitzubestimmen. Man kann also eine etwas tiefere Altersrente beziehen, dafür den Partner nach dem Tod stärker absichern – oder umgekehrt.
Wenn die Leute dies aber nicht wissen, nützen alle Innovationen wenig. Solche Informationen muss man ihnen weitergeben. Sie helfen ihnen beim langfristigen, weitsichtigen Planen.
Wie gestalten das innovative Pensionskassen aus?
Heiniger: Wer Kapital bezieht, weiss: Ich kann das vererben. Wenn ich hingegen eine Rente beziehe, bleibt nach dem Ableben nur noch die Ehegattenrente. Wer aber gar keinen Partner hat, hat auch keine Partnerrente.
Mit dem Todesfallkapital bleibt den Hinterbliebenen noch etwas Erbe. Die Vererbungsdiskussion wird so zumindest etwas aufgeweicht.
Suter: Gerade im Bereich der Kapitalauszahlungen beobachten wir schon jetzt vor der Pensionierung, für Aktive: Immer mehr Kassen bieten an, dass Einkäufe im Todesfall als Kapital ausbezahlt und nicht in Rente umgewandelt werden. Diese Kombination der Auszahlungsarten kann man gut auch auf die Zeit nach der Pensionierung ausweiten.
Mit anderen Worten sagen Sie: Pensionskasse sollen sich generell flexibler aufstellen?
Heiniger: Richtig. Es geht darum, dass ich als Versicherter bei der Pensionskasse Wahloptionen habe, die auf meine Lebenssituation abgestimmt sind.
Ich glaube nicht, dass die Leute zu unmündig sind, um mit mehr Flexibilität umzugehen. Wenn man sich damit beschäftigt, kann man sehr davon profitieren.
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