Im Interview mit der NZZaS äussert sich Martin Tschirren, Direktordes Bundesamts für Wohnungswesen, zur erwarteten Entwicklung der Wohnngsmieten. Seine Prognose ist beunruhigend. Auszüge:
Wir haben vor diesem Gespräch auf einem grossen Immobilienportal eine Viereinhalbzimmerwohnung in der Stadt Zürich gesucht. Die zehn ersten Treffer kosteten alle über 4000 Franken monatlich. Was sagen Sie dazu?
Das sind stolze Mieten.
Wie soll das eine Mittelstandsfamilie bezahlen?
Für Familien mit bescheidenen und sogar mittleren Einkommen sind solche Mietzinse unerschwinglich. Es handelt sich hier um Mietzinse für Wohnungen, die neu vermietet werden. Diese Angebotsmieten reagieren auf die Marktanspannung und sind in den letzten Jahren stark angestiegen. Anders sieht es bei bestehenden Mietverhältnissen aus. Da ist das Mietzinswachstum moderater.
Fokussieren wir uns auf Wohnungen, die neu vermietet werden. Wie sieht da Ihre Prognose aus?
Wenn es zu keinem wirtschaftlichen Einbruch kommt, werden wir in den nächsten Jahren weiterhin steigende Angebotsmieten haben – wohl mit einem Wachstum von 3 bis 5 Prozent pro Jahr.
Es wird also noch schwieriger für die Mieter im Land.
Die Nachfrage nach Wohnraum ist nach wie vor grösser als das Angebot. Davon betroffen sind die Haushalte, die neu auf den Wohnungsmarkt kommen, oder diejenigen, die umziehen müssen oder wollen. Familien betrifft es, wenn sie wachsen und eine neue Wohnung suchen. Sie bezahlen in gewissem Sinn den Preis für diese Verknappung.
In der Stadt Zürich beträgt die Leerwohnungsziffer zurzeit 0,1 Prozent. Eigentlich heisst das, dass praktisch nichts frei ist.
Zürich hat schon lange einen sehr angespannten Wohnungsmarkt. Dabei wurde in den letzten zwei Jahren so viel gebaut wie schon lange nicht mehr. Die Leerwohnungsziffer hat sich nun ein wenig entspannt. Hingegen ist sie im Kanton Zürich weiter gesunken. Die Knappheit erfasst vermehrt auch Agglomerationsgemeinden und kleinere Städte. Die Leute suchen heute im grösseren Umkreis eine Wohnung. Aber man muss auch sagen, dass die Situation auf dem Wohnungsmarkt in Zürich nicht die gleiche ist wie andernorts in der Schweiz.
Die Zahl der Singles, die in grossen Wohnungen leben, oder älterer Ehepaare, die im Einfamilienhaus wohnen, nimmt zu?
Die Haushaltsgrössen sinken schon länger. Wir werden als Gesellschaft immer älter, und es gibt längere Phasen, in denen wir in einem Kleinhaushalt leben. Knapp 70 Prozent sind heute Ein- oder Zweipersonenhaushalte. Das treibt die Wohnungsnachfrage und den Flächenbedarf an.
Basel hat einen Mietpreisdeckel eingeführt. Was sagen Sie zu dieser sehr umstrittenen Massnahme?
Die Wirkung scheint ambivalent. Aus Sicht des Mieterverbandes ist das Modell ein Erfolg, weil beispielsweise die Leerkündigungen zurückgegangen sind. Gleichzeitig sind aber die Bau- und die Sanierungstätigkeiten in Basel zurückgegangen. Inzwischen hat der Kanton Basel-Stadt die Regulierung angepasst, um vor allem Gebäudesanierungen attraktiver zu machen.
Die Bautätigkeit ist der Schlüssel zu mehr Wohnungen. Aber bauen wir genug?
Nein, seit 2016 sind die Baubewilligungen um fast einen Drittel zurückgegangen. Die Bautätigkeit ging noch nicht im gleichen Ausmass zurück, wird aber weiter abnehmen.
Können Sie beziffern, wie gross der Anteil der Zuwanderung an der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt wirklich ist?
Untersuchungen zu den Treibern der Haushaltsgründungen zeigen, dass in den letzten zehn Jahren rund 60 Prozent der Haushaltsgründungen mit der Zuwanderung zusammenhingen. Sie ist vor allem dann ein wichtiger Treiber, wenn es wirtschaftlich gut läuft.
NZZ
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