Kaspar Hohler, Chefredaktor der Schweizer Personalvorsorge, hat im Newsletter vps.epas aktuell eine übersichtliche und knappgefasste Zusammenfassung des Modells der SGK-S publiziert, die wir mit freundlicher Zustimmung des Autors hier gerne anbieten.
BVG-Reform
SGB: “Kategorische Ablehnung”
Der Gewerkschaftsbund lehnt die von der ständerätlichen SGK vorgeschlagene Vorlage für die BVG-Reform “kategorisch” ab. Er hält eisern am Sozialpartnerkompromiss (SoPaKo) fest. In einer Mitteilung schreibt der SGB:
Seit über einem Jahrzehnt senken Pensionskassen und Versicherungen in der 2. Säule die Renten. Obwohl sie von sprudelnden Gewinnen an den Aktienmärkten profitierten, von den Versicherten stetig steigende Beiträge erhalten haben und sie auch immer mehr für Verwaltung und Vermögensverwaltung kassieren.
Und nun präsentiert die ständerätliche Kommission in der BVG-Reform Beschlüsse, die nichts anderes bedeuten als teuer bezahlen für weniger Rente. Dabei stehen mit der Zinswende in der 2. Säule bereits neue Probleme an: Anstatt die Renten weiter zu senken, muss die Frage beantwortet werden, wie der Wertverlust der Renten und Guthaben aufgrund der Teuerung ausgeglichen werden kann.
BVG 21: SGK mit neuem Kompensationsmodell
Die Sozialkommission des Ständerats hat ihre Vorlage für die BVG Reform 21 verabschiedet. Dazu heisst es in ihrer Mitteilung: “Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-S) legt ein austariertes Konzept für die Entschädigung der Übergangsgeneration bei der Reform der beruflichen Vorsorge vor. Dieses orientiert sich am Modell des Nationalrates, erweitert aber den Bezügerkreis und privilegiert verstärkt tiefe Vorsorgeguthaben und somit Personen mit tiefen Einkommen und Teilzeitpensen.” Im Einzelnen wird ausgeführt:
Im Rahmen der Reform der beruflichen Vorsorge (20.089) legt die Kommission nach vertieften Analysen mit 8 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung ein Konzept für Ausgleichsmassnahmen zugunsten der Übergangsgeneration vor. Dieses entspricht dem in der Sommersession im Ständerat eingereichten Antrag, wurde jedoch zur Beseitigung von unerwünschten Schwelleneffekten noch optimiert.
Der gewählte Ansatz stellt sicher, dass die von der Senkung des Umwandlungssatzes betroffenen Versicherten angemessen entschädigt werden, ohne dabei die erwerbstätigen Generationen übermässig zu belasten. Kern des Konzepts ist ein lebenslanger Rentenzuschlag für die ersten 15 Jahrgänge, die nach Inkrafttreten der Reform pensioniert werden.
Wer zum Zeitpunkt der Pensionierung über ein Altersguthaben von 215’100 Franken oder weniger verfügt, hat Anrecht auf den vollen Zuschlag. Dieser beträgt für die ersten fünf Jahrgänge 2400 Franken, für die folgenden Jahrgänge 1800 Franken, und für die letzten fünf Jahrgänge 1200 Franken jährlich.
Schätzungen zufolge würden damit 25 % der Versicherten in der Übergangsgeneration den vollen Zuschlag erhalten. Versicherte mit einem Altersguthaben von 215’100 bis 430’200 Franken haben Anspruch auf einen abhängig vom Altersguthaben degressiv abgestuften Zuschlag. Davon profitieren schätzungsweise weitere 25 % der Versicherten in der Übergangsgeneration.
Mitteilung SGK / TA / NZZ / Blick
“Der Kompromiss mit Links ist tot”
Dominik Feusi beschreibt im Online Nebelspalter den Niedergang des sog. Sozialpartnerkompromiss zur BVG-Reform. Dass es zu diesem “Kompromiss” überhaupt gekommen ist, schreibt er der falschen Einschätzung der Situation durch Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt und der Cleverness des SGB zu. Feusi schreibt (Auszüge):
Valentin Vogt wollte mit dem «sozialpartnerschaftlichen Kompromiss» bei der Reform der zweiten Säule der Altersvorsorge (BVG) in die Geschichte der Schweizer Sozialpartnerschaft eingehen. Der Arbeitgeberpräsident habe darin eine ähnliche Errungenschaft wie das Friedensabkommen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften in der Maschinenindustrie von 1937 gesehen, sagt eine gut informierte Quelle.
Der angebliche Kompromiss hat eine ganz eigene Geschichte. Sie steht für die Bredouille, in die Bürgerliche geraten, wenn sie ihre Grundprinzipien aufgeben, um mit Links etwas zu erreichen. Die «NZZ» schrieb diesen Sommer sogar von «Geiselhaft», in die sich Valentin Vogt begeben habe.
“Über Solidarität sprechen”
Jérôme Cosandey von Avenir Suisse im Gespräch mit der Tessiner Zeitung «la Regione» über die weiteren Reformen der AHV und des BVG, die in naher Zukunft unausweichlich sein werden. Auszüge:
Warum war es Ihrer Meinung nach wichtig, für AHV 21 zu stimmen?
Es geht nicht nur um den finanziellen Aspekt oder die Anhebung des Rentenalters für Frauen. Die AHV 21 ermöglicht es, unsere Altersvorsorge besser an die Entwicklung der Gesellschaft anzupassen – was im Übrigen auch bei der Reform der zweiten Säule nötig ist.
Unsere Sozialversicherungen spiegeln immer noch die Welt der 1980er Jahre wider: Junge Mütter gaben ihren Arbeitsplatz auf, um sich um das Kind zu kümmern. Nach ein paar Jahren nahmen sie die berufliche Tätigkeit wieder auf, aber vielleicht nur in Teilzeit. Anders als heute war es auch nicht üblich, gleichzeitig in verschiedenen Jobs tätig zu sein. All dies wird im Rahmen der zweiten Säule nicht berücksichtigt.
Für eine weitere Reform der AHV mangelt es nicht an Vorschlägen: Anhebung des Rentenalters für alle auf 66 Jahre, 13. AHV-Rente, Umverteilung von BVG-Geldern in die erste Säule usw. Was erscheint Ihnen am sinnvollsten?
Bislang konzentrierte sich die Debatte über die AHV auf die Differenz zwischen Männern und Frauen. Die Angleichung des Renteneintrittsalters könnte es nun leichter machen, über die Solidarität zwischen Aktiven und Rentnern und damit auch über andere Rentenmodelle zu sprechen. Ich hoffe es jedenfalls.
Warum sollte man beispielsweise nicht zu einem Modell übergehen, bei dem die Anzahl der Jahre zählt, in denen ein Arbeitnehmer Beiträge gezahlt hat? Auf diese Weise könnten u. a. Unterschiede in der Studiendauer berücksichtigt werden.
Oder noch einmal: In der Schweiz, einem der Länder mit der höchsten Lebenserwartung, geht man mit 65 Jahren in den Ruhestand; in den meisten OECD-Ländern hingegen hat man das Renteneintrittsalter bereits über diese Schwelle hinaus angehoben oder beschlossen, dies zu tun. Ich halte es für normal, dass man, wenn man länger lebt, auch länger arbeitet. Über die konkreten Modalitäten sollten wir natürlich diskutieren.
BVG 21: UWS getrennt behandeln
Die BVG-Reform ist ins Schleudern geraten. Die bürgerliche Allianz ist zerbrochen, und die Linke will auch diese Reform für ihre Umverteilungspläne missbrauchen. In der NZZ stellt Hansueli Schöchli fest: Die Verlogenheit dominiert weiter. Er schlägt vor, die Senkung des Umwandlungssatzes getrennt zu behandeln, sie allenfalls ganz zu vergessen. In seinem Beitrag schreibt er:
Jeder Vorschlag, der bei den Rentenzuschlägen über die Nationalratsvariante hinausgeht, dürfte den ursprünglichen Reformzweck verfehlen. Es wäre wohl gescheiter, die Reissleine zu ziehen und die Diskussion über den Umwandlungssatz vom Rest des Reformpakets abzuspalten oder gleich ganz zu vergessen.
Dann müssten einfach jene 10 bis 15 Prozent der Pensionskassen, für die das gesetzliche Rentenminimum mangels überobligatorischen Kapitals der Versicherten nicht dauerhaft finanzierbar ist, Sanierungsbeiträge von den Versicherten und Arbeitgebern verlangen. Auf diese Weise verliert das gesetzliche Minimum weiter an Bedeutung – bis es irgendwann völlig irrelevant ist. Das wäre das kleinere Übel als die Einführung neuer versteckter Quersubventionierungen – die man kaum mehr wegbringt, wenn sie einmal da sind.
Mehr BVG wegen AHV 21?
Katharina Fontana kommentiert in der NZZ den Ausgang der Abstimmung zu AHV 21 stellt Ueberlegungen zu den Forderungen nach einem Ausbau der beruflichen Vorsorge an.
Nach dem Ja zur AHV-Vorlage richtet sich der Fokus nun auf die zweite Säule der Altersvorsorge, das BVG. Am Abstimmungssonntag waren sich Gewinner wie Verlierer mehrheitlich einig, dass die im Parlament hängige BVG-Revision eine Frauenvorlage sein müsse. Das Parlament müsse die zweite Säule so ausgestalten, dass die Rentensituation der Frauen verbessert werde. Es ist indes fraglich, ob die Vorlage dies wird leisten können – trotz all den grossen Ankündigungen und Versprechungen, die in den letzten Wochen dazu gemacht wurden.
Kritik an der Verzögerung der BVG-Reform
Der Pensionskassenverband hält in einer Mitteilung zum Vorgehen der SGK-S bei der BVG-Reform fest:
Die SGK-S hat bedauerlicherweise erneut keinen Entscheid bezüglich der BVG-Reform getroffen. Damit muss die Beratung im Ständerat verschoben werden. Der ASIP appelliert an die SGK-S, auf unrealistische und teure Sonderlösungen zu verzichten und sich dem Kompromiss des Nationalrats anzuschliessen. Dieser ist ausgewogen, erreicht die Ziele der Reform und reduziert die Umverteilung. (…)
Letztlich geht es darum, mit einer fairen Lösung die langfristige Sicherung der BVG-Renten im Kapitaldeckungsverfahren zu gewährleisten, ohne die Generationensolidarität überzustrapazieren und dafür vor allem die Umverteilung deutlich zu reduzieren. Zudem sollte die Reform für die Versicherten und Arbeitgebenden finanziell tragbar und durch die Pensionskassen auch operativ umsetzbar sein.
Ökonomen zur AHV-Reform und zum BVG
Ein Ja am 25. September wäre ein Schritt zur Stabilisierung der AHV, sagt die grosse Mehrheit von 133 Ökonomen in einer KOF-NZZ-Umfrage. Will man die AHV längerfristig auf eine solide Basis stellen, brauche es aber eine Erhöhung des Rentenalters. 60 Prozent finden deshalb, dass die Initiative der Jungfreisinnigen in die richtige Richtung zielt.
Der Altersquotient – also die Anzahl Personen im Alter von 65 Jahren und darüber pro 100 Personen im erwerbsfähigen Alter – nimmt laut dem Bundesamt für Statistik bis 2050 von 32 auf 46 zu. Damit stellt sich die Frage, wie man die AHV trotzdem finanziell im Gleichgewicht halten kann.
SGK-S: Striktere Regeln für Broker, BVG 21 nochmals verschoben
SGK. Die SGK-S beantragt mit 10 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung, den Entwurf für ein Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit (21.043) anzunehmen. Mit diesem Gesetz soll der Bundesrat die Kompetenz erhalten, gewisse Regeln, die sich die Versicherer in diesem Bereich selbst gesetzt haben, für verbindlich zu erklären.
Mit 6 zu 5 Stimmen hat sich die Kommission wie der Nationalrat dafür ausgesprochen, die Ausbildungsverpflichtung und die Vergütungsbegrenzung auf Vermittlerinnen und Vermittler zu beschränken, die nicht mit einem Arbeitsvertrag an den Versicherer gebunden sind. (…) Die Kommission weicht lediglich in einem Punkt von den Beschlüssen des Nationalrates ab, indem sie vorsieht, dass die Versicherer vor der Allgemeinverbindlichkeitserklärung angehört werden (7 zu 4 Stimmen). Die Vorlage ist damit bereit für die Herbstsession.
Nachdem der Ständerat in der Sommersession die BVG-Reform (20.089) für weitere Abklärungen an die Kommission zurückgewiesen hatte, will sich die SGK-S die nötige Zeit nehmen, um die Kompensationsmassnahmen für die Übergangsgeneration sorgfältig auszutarieren. Die Vorlage wird deshalb noch nicht behandlungsreif sein für die Herbstsession. Die Kommission bekannte sich jedoch nochmals zu den geplanten substanziellen Verbesserungen für Angestellte mit tiefen Löhnen und solchen mit mehreren Arbeitgeberinnen oder Arbeitgebern.
458 – Dumm gelaufen
Die Behandlung der BVG 21-Reform im Ständerat hat die schlimmsten Befürchtungen übertroffen. Eine Anhäufung von Fehleinschätzungen und Peinlichkeiten.
Was hat er sich bloss gedacht, Ständerat Dittli? Ein Mann, der bisher nicht durch besonderes Interesse oder Einsatz für die 2. Säule aufgefallen wäre, lanciert in der Kommission ein Modell, ohne dessen Kosten zu kennen. Es findet eine knappe Mehrheit von 7:6 dank den Stimmen von FDP, SP und Grün. Dagegen sind die je drei Vertreter von SVP und Mitte. Die Lösung ist nicht finanzierbar und sozialpolitisch ein Rohrkrepierer.
Das wird auch den FDP-Ständeräten klar, die kurz vor der Debatte versuchen, mit einer rasch zusammengeschusterten, neuen Lösung dem Rat eine Billigvariante unterzujubeln. Sie ist das Produkt einer kurzfristig einberufenen ad-hoc Gruppe mit Vertretern diverser Provenienz. Dittli muss den neuen Vorschlag selbst vorstellen, weil sich sonst niemand dafür hergeben will.
Das ist nun aber auch verfahrenstechnisch so missraten, dass der Rückweisungsantrag Chassot schlank durchgeht. Die Eintretensdebatte reduziert sich zum formellen Geplänkel mit dem Ablesen der vorbereiteten Statements. Die Vorlage wird an die Kommission zurückgewiesen und die Detailberatung des Geschäfts aufgeschoben.
Damit geht eine Sessionsperiode verloren. Der Ständerat wird sich in der Herbstsession wieder damit befassen, die SGK-S bereits in dieser Woche. Rein technisch wäre es möglich, das Geschäft noch im laufenden Jahr zu verabschieden, was aber einen Sondereffort erfordern würde. Andernfalls geschieht genau das, was man verhindern wollte: die Beratung der Reform in einem Wahljahr.
Vorderhand steht man vor einem Scherbenhaufen, mit einem veritablen Reputationsschaden auf Seite der FDP. Es ist schwer nachvollziehbar, was sich Dittli und Co. erhofft haben. SVP und Mitte sind düpiert, SP und Grüne amüsieren sich über das bürgerliche Schlamassel und klagen wortreich über das angerichtete «Chaos», für das aber auch sie Verantwortung tragen, schliesslich haben sie dem FDP-Modell in der Kommission ihren Segen gegeben.
Zur Ablenkung aktivieren sie ihre Standard-Argumentation aus der untersten Schublade und beklagen wortreich den Einfluss der Finanzindustrie und ihrer Lobby, welche wieder einmal die Finger im Spiel habe – was an dieser Stelle intellektuell noch dürftiger ist als sonst. Ansonsten propagieren sie weiterhin den «Kompromiss», der aber gescheitert ist und an der Urne sowieso keine Chance hätte. Im Falle der SP, einer Partei, für die Sozialpolitik im Zentrum steht, ein Armutszeugnis.
Keine glückliche Figur macht auch der Arbeitgeberverband, der sich mit dem Gewerkschaftsbund auf den Kompromiss eingelassen hat und jetzt aus der Mesalliance nicht mehr loskommt. Das heisst, er hätte es mit etwas rhetorischem Geschick – an dem es ihm sonst nicht fehlt – schon vor geraumer Zeit tun können, hat aber jede sich bietende Gelegenheit präzis verpasst. So bleibt ihm die Rolle des Zaungasts, der das Geschehen auf dem Spielfeld mit Buhrufen verfolgt, ohne an den Ball zu kommen.
Die Verpolitisierung der 2. Säule hat damit einen Höhepunkt erreicht. Würden trotz aller Widrigkeiten die Pensionskassen nicht einen so guten Job machen, hätte man sie schon längst abschreiben müssen. Man fragt sich, wie lange das noch gut geht.
Peter Wirth, E-Mail
455 – Links überholt
Der Nationalrat hat ein Modell für die BVG-Revision beschlossen, das einigermassen überzeugt. Folge eines eher ungewohnten, bürgerlichen Schulterschlusses. Es ist also möglich, man muss nur wollen. Teile der bürgerlichen Mehrheit in der SGK des Ständerats wollten nicht. Was dabei herauskam, hat links und rechts und vor allem in Fachkreisen Kopfschütteln ausgelöst.
Die Podiumsdiskussion anlässlich der ASIP-Mitgliederversammlung von letzter Woche erlaubte ein paar Einblicke in die laufen Diskussion. Eingeladen waren die Ständeräte Alex Kuprecht (SVP) und Hans Stöckli (SP), beide Mitglieder der SGK-S; moderiert wurde die Diskussion von ASIP-Direktor Hanspeter Konrad.
Auf die Eingangsfrage nach ihrer Gemütslage bezüglich BVG 21 signalisierten sie vorsichtigen bis sehr vorsichtigen Optimismus. Beide betonten tapfer, ein Kompromiss sei möglich. Für Stöckli kam die Wende im Ständerat mit neuerlich massiver Umverteilung wohl unverhofft, für Kuprecht eher als Enttäuschung.
Aktiv befördert wurde die Vorlage bekanntlich von den drei FDP-Ständeräten in der Kommission (Dittli, Gapany, Damian Müller), welche geschlossen den linken Ideen zum Durchbruch verhalfen, inklusive seinen massiven Kostenfolgen. Ob die – knappe – Kommissionsmehrheit den Rat damit überzeugen kann, ist ungewiss. Der FDP-Wackelkurs dürfte parteiintern nicht bloss Freude ausgelöst haben. Kuprecht vermutet – oder hofft – jedenfalls, dass ihre Entscheide keine Mehrheit in der Fraktion finden werden.
Dass gemäss Ständerats-SGK Versicherte bis zu einem AHV-Lohn von 143’000 Franken in den Genuss eines Rentenzuschlags kommen sollen, dürfte jedenfalls schwer zu vermitteln sein, nicht zuletzt, weil die Finanzierung ausschliesslich auf Umverteilung von Aktiven zu Pensionierten beruht, ohne den Einbezug der Reserven für Mutationsverluste.
Schwer nachvollziehbar auch, dass der Zuschlag an eine Übergangsgeneration von 20 Jahren ausbezahlt werden soll, und zwar lebenslang. Er rechnete vor, dass die Neupensionierten bis 2044 (Inkraftsetzung 2024) profitieren sollen, und die Mittel bis 2070 und länger aufgebracht und verteilt werden müssten. Man hätte dann mit späteren BVG-Revisionen mehrfach überlappende Systeme. Stöckli wollte darauf nicht konkret eingehen Er sieht in diesen Vorschlägen anscheinend vor allem Manövriermasse für den von ihm erhofften parlamentarischen Kompromiss. Offenbar soll man das nicht allzu ernst nehmen.
Dass Leistungsverbesserungen für geringe Einkommen nötig seien, ist hingegen für beide unbestritten. Die Frage ist nur, in welchem Ausmass. Die Senkung von Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle scheint dafür unumgänglich. Das wird in jedem Fall zu erheblichen Zusatzkosten führen. Nicht in der Finanzindustrie und florierenden Dienstleistungsbranchen, sondern beispielsweise im Gastrobereich und im Detailhandel.
Überraschend und vielsagend die Reaktionen auf die Frage nach der viel kritisierten Revision von Art. 79 BVG. Offenbar will die Ständeratskommission den Einkauf in das BVG-Obligatorium zulassen. Aber weder der rechte noch der linke Politiker hatten eine Ahnung, worum es geht und wie die Änderung zustande kam. Diskutiert hat man sie offenbar nicht. Man fragt sich, durch wen und warum die Änderungen in die Vorlage kam. Bekannt ist lediglich, dass der Bundesrat resp. das BSV schon bei früherer Gelegenheit versucht hat, Art. 79 entsprechend anzupassen. Aber rätselhaft ist an diesen SGK-Entscheiden noch manches.
Peter Wirth
454 – Nachgebessert, leider
Es ist schon länger her, dass die berufliche Vorsorge gesetzlich verankert und das BVG für obligatorisch erklärt wurde. Genau sind es 37 Jahre und 121 Tage. Mag sein, dass ihre Grundgedanken deshalb etwas in Vergessenheit geraten sind. Weshalb wir sie pro memoria hier kurz zusammenfassen – natürlich ganz überflüssigerweise. Zu erwähnen ist, dass es sich um einen individuellen Sparprozess im Rahmen einer Pensionskasse handelt, gespiesen aus Beiträgen von Arbeitnehmer und -geber und den Erträgen aus der Anlage der Gelder.Gemeinsam und in eigener Verantwortung durch die Sozialpartner verwaltet; ergänzt mit einigen dosierten Elementen von Solidarität innerhalb des Kollektivs. Ohne staatliche Subventionen und Raubzüge auf externe Quellen.
Dazu das Kontrastprogramm der AHV, wo alles kollektiv ist, die Solidarität querbeet alles dominiert und der Einzelne so gut wie keine Freiheiten geniesst.
Es mag Geschmackssache sein, vielleicht beeinflusst durch soziale Herkunft und genetische Disposition, was man eher mag. Aber als Kombination und ergänzt mit dem individuellen Sparen haben sich diese drei Säulen als helvetisches Modell der Altersvorsorge nicht schlecht bewährt. Kein Grund, davon abzuweichen.
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Politiker haben allerdings generell eine Vorliebe für die 1. Säule, die AHV. Hier kann man heute etwas beschliessen, und schon morgen fliessen höhere Leistungen. Man vergleiche das mit der 2. Säule. Man beschliesst heute höhere Beiträge, und 40 Jahre später hat man den vollen Effekt auf die Leistungen. Das macht keine Freude.
Nun haben die Sozialpartner mit ihrem historischen «Kompromiss» etwas erfunden, was dem Subitoeffekt der AHV schon sehr nahekommt. Es kursiert unter dem Begriff «Rentenzuschlag» und kann ebenfalls über Nacht und ohne den langen Sparprozess seine volle Wirkung entfalten. Das Zauberwort lautet Umverteilung durch systemfremdes Einspeisen der Gelder aus Lohnprozenten in die 2. Säule. Von Erwerbstätigen zu Rentnern, von Jung zu alt. Et voilà, schon rauschen die Milliarden. Statt in 40 Jahren, schon morgen.
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Vielleicht haben die Erfinder mit ihrem generellen 200 Franken-Zuschlag etwas übertrieben, der Nationalrat hat das System deshalb stark redimensioniert. Und zwar so, dass selbst der ASIP es akzeptierte, dessen Mittelweg-Modell ohne kassenfremde Gelder auskommt und deshalb viel billiger und effizienter ist.
Unsere eher nach links tendierenden Medien haben allerdings gefunden, zu stark, da müsse noch «nachgebessert» werden. Und siehe da, der Ständerat hat verstanden und nachgebessert. Jetzt soll wieder mit der grossen Kelle umverteilt werden, vor allem von Jung zu Alt, nach Vorbild Sozialpartnerkompromiss. 20 Milliarden könnten es schon sein.
An die 90 Prozent der Neupensionierten sollen etwas erhalten, das weder aus Beiträgen noch aus Kapitalerträgen stammt, sondern vom Lohn der Aktiven abgezwackt wird. Und sie bekommen es ab Tag 1 der Pensionierung. Und auch dann, wenn sie von der Senkung des Umwandlungssatzes gar nicht betroffen sind, also in den Genuss einer fremdfinanzierten Zusatzleistung kommen. Das soll helfen, die Reform durch die Volksabstimmung zu schleusen. Es ist ein Verkaufsargument mit massivem Preisschild. Unehrlich und auf Kosten der Jungen. Mit dem Grundgedanken der beruflichen Vorsorge hat es nicht zu tun.
Gewerkschafter meinen, das sei den Versicherten egal. Für sie zähle allein die Höhe der Renten. Mag sein, hoffentlich stimmt es nicht. Und erst recht darf es nicht stimmen für jene, welche Verantwortung für die Altersvorsorge tragen.
Die meisten Medien – Ausnahmen NZZ und FuW – haben wohlwollend reagiert. Die Lösung soll den Frauen helfen, da verbietet sich jede Kritik. Keinerlei Wohlwollen hingegen ausgerechnet bei den Gewerkschaften mit ihrem Alleinvertretungsanspruch für Fraueninteressen. Sie bleiben stur beim Kompromiss und werden die Entscheide bekämpfen. Und für einmal teilen wir ihr Argument: was da geplant wird, ist für die junge Generation nicht akzeptabel.
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Der Nationalrat hat eine Lösung verabschiedet, die Verbesserungspotenzial aufweist. Aber diese Nachbesserung hat es ruiniert. Zu viel politischer Ehrgeiz und zu wenig Sachpolitik. Die Reform schien vor kurzem noch auf gutem Weg. Jetzt sind wir an dem Punkt angelangt, wo prominente, politisch unverdächtige Kenner der Materie die schon früher gehörte Feststellung wiederholen: Lieber keine Reform als diese.
Peter Wirth, E-Mail
SGK-S: BVG 21 in der Herbstsession
In der Medienmitteilung der Sozialkommission des Ständerats heisst es zum Thema BVG-Reform:
Die Kommission nahm die Diskussion über die Kompensationsmassnahmen für die Übergangsgeneration in der BVG-Reform (20.089) wieder auf, nachdem der Ständerat diese Frage in der Sommersession 2022 zur genaueren Prüfung zurückgewiesen hatte. Sie beauftragte die Verwaltung mit ergänzenden Berechnungen und vertiefenden Analysen. Die Kommission will an ihrer nächsten Sitzung von Anfang September entscheiden, damit der Ständerat die BVG-Reform in der Herbstsession 2022 beraten kann.
BVG 21: Der PK-Verband appelliert
In einer Mitteilung nimmt der ASIP Stellung zur Situation der BVG-Reform in der Kommission des Ständerats:
Die SGK-S hat bedauerlicherweise keinen Entscheid im Hinblick auf die Beratungen der Vorlage BVG 21 gefällt. Statt auf weitere Entscheidungsgrundlagen zu hoffen, sollte die Kommission dem Nationalrat folgen. Der ASIP appelliert an die Kommission, die unter den gegebenen Umständen bestmögliche Lösung nicht einem unrealistischen und teuren Perfektionismus zu opfern.
In diesem Sinn empfehlen Mittelweg/ ASIP, sich an der Nationalratslösung zu orientieren, welche die Ziele der Reform erfüllt und gleichzeitig finanzierbar ist. Am meisten davon profitieren Tieflohnempfängerinnen und -empfänger sowie Teilzeitarbeitende, was insbesondere Frauen betrifft.
Mit allen anderen Vorschlägen würde unnötig viel Geld der jüngeren Generationen nach dem Giesskannenprinzip an zukünftige Rentnerinnen und Rentnern verteilt, welche von der Reform gar nicht betroffen sind und dementsprechend gar keine Einbussen zu befürchten hätten. Auch die neu vorgeschlagene Ausdehnung des Bezügerkreises eines Rentenzuschlages ist nicht zielführend.