Ein höchst lesenswerter Kommentar von Christina Neuhaus, Inlandchefin der NZZ, im Zusammenhang mit dem Rücktritt von Thierry Burkart als FDP-Präsident. Sie sieht die Partei als letzte Bastion des Liberalismus in der Schweiz, welche dem von der SP forcierten Nanny-Staat noch die Stirn bietet. Das kann man auch anders sehen, ihre Beschreibung des Zeitgeistes mit überhandnehmender staatlicher Gängelung überzeugt – mindestens den Schreibenden. Dazu ein paar Zitate.
Der Zeitgeist meint es nicht gut mit den Liberalen. Die Mehrheit der Schweiz will einen Sugar-Daddy, der ihre 13. AHV-Rente bezahlt, die ausserfamiliäre Kinderbetreuung finanziert, den Mutterschaftsurlaub, die Papi-Zeit, die Familienzeit, den Menstruationsurlaub, die teuren Studien, den öffentlichen Verkehr.
Gleichzeitig erwartet sie staatlichen Protektionismus: Schutz vor Zuwanderung, günstige Wohnungen, ein Recht auf Arbeiten zu Hause, ein Recht auf Teilzeitarbeit, die drei- bis viermal Auslandferien pro Jahr finanziert.
Und weil so viel Zuwendung die Bedürftigkeit erhöht, gestattet man dem Staat, dass er sich immer mehr ins Private einmischt. Kompostkontrolleure, Gummibärli-Prohibition, Verbot von Steingärten. Wie schnell es gehen kann, bis aus dem fürsorglichen Staat die höchste Moralinstanz wird, hat man während der Pandemie gesehen.
Nie seit dem Zweiten Weltkrieg ist der Staat weiter gegangen. Und dennoch hat keine richtige Aufarbeitung stattgefunden. Lieber diskutiert man über ein Verbot von Rollkoffern oder die Frage, ob nicht auch Ehetherapie ein staatlich finanziertes Grundangebot werden soll.
Eigentlich müsste die Schweiz alles daransetzen, wettbewerbs- und verteidigungsfähig zu bleiben. Doch lieber lässt man den Sozialstaat seine Kinder fressen und setzt die schmerzhaften Diskussionen aus. Die unheimlichen Ereignisse rund um den Erdball haben das Vaterland wieder einmal ins Reduit getrieben.
NZZ