imageDie Linke will die AHV über Lohnabzüge finanzieren. Damit schnürt sie der Pensionskassenreform die Luft ab, denn auch diese setzt auf Lohnbeiträge, schreibt die Handelszeitung.

Es geht um die Finanzierung der 13. Rente. Sollen die Löhne angezapft werden oder soll es über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer gehen? Oder ganz anders? Die Linke und die Gewerkschaften wollen die Löhne zur Finanzierung heranziehen: «Das ist am sozialsten», argumentieren die SP-Spitzen unisono. Das wären 4 bis 5 Milliarden Franken jährlich bis 2032, die von den Löhnen abgezogen werden und der AHV zufliessen müssten. Zum Vergleich: Die Lohnsumme beträgt heute rund 410 Milliarden Franken.

Die Arbeitgebervertreter opponieren: Eine Finanzierung über die Lohnabzüge sei «ein No-Go», sagte Regazzi bereits am Sonntag gegenüber der «Handelszeitung». Eine Finanzierung solle, wenn überhaupt, über die Mehrwertsteuer erfolgen. Ähnlich argumentiert Moser vom Arbeitgeberverband. Damit könnten auch Profiteure der AHV-Reform zur Kasse gebeten werden, denn Mehrwertsteuer bezahlen auch Pensionierte. Gleich sieht es der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse: Um die Mehrkosten zu stemmen, müsste die Konsumsteuer von heute 8 auf 9,1 Prozent angehoben werden.

Hinter den unterschiedlichen Meinungen steckt weit mehr als nur die Frage, was sozial oder generationengerecht wäre. Es geht um die grundlegende Neuausrichtung der schweizerischen Altersvorsorge. Und um taktische Fragen. Denn die Art, wie der AHV-Ausbau finanziert wird, wird eine direkte Auswirkung auf die noch anstehende Pensionskassenreform (abgekürzt BVG-Reform) haben.

 

Es geht um den Sieg oder die Niederlage in einer Abstimmung, die diesen Herbst erfolgen wird. Das heutige Ja zum AHV-Ausbau ist ein grosser Nachteil für die BVG-Reform.(…)

Und Sozialministerin Elisabeth Baume-Schneider steckt mittendrin. Als Vertreterin des Bundesrates muss sie eine mehrheitsfähige Lösung finden. Das sieht nach einer Mission impossible aus. Die einzige Gewissheit, die sie hat, ist, dass die Leute hierzulande immer älter und damit kostspieliger werden. Dies führt zu Reformdruck in der AHV und im BVG.

Dass die BVG-Reform dennoch scheitern könnte, zeigte etwa die Reaktion von Economiesuisse noch am Abend der verlorenen Wahl am Sonntag. Der Wirtschaftsdachverband betonte, die Reform sei «dringend», um die Rentensituation für Menschen mit tiefen Einkommen, für Teilzeit- und Mehrfachbeschäftigte sowie für Frauen zu verbessern.

Während in Angelicas Lohnabrechnung der grosse Abzug von der BVG-Reform herrührt und der kleine von der 13. AHV-Rente, zeigt sich die Verteilung der Abzüge im Gesamtbild umgekehrt proportional: Die 13. AHV-Rente wird die erwähnten 4 bis 5 Milliarden Franken verschlingen und die BVG-Reform bloss rund 2 Milliarden Franken.(…)

Was die Linke während der AHV-Abstimmungskampagne unter den Tisch gekehrt hat: Die AHV ab 2029 gerät sowieso in Schieflage. Jetzt, mit der 13. AHV-Rente, wird das Umlagedefizit voraussichtlich schon 2026 eintreten. Dessen Finanzierung ist bis heute unklar. Das Parlament und der frühere Sozialminister Alain Berset haben sich vor einer Lösung gedrückt. Seine Nachfolgerin Baume-Schneider muss also gleich zwei AHV-Finanzierungen stemmen: erstens die der 13. AHV-Rente und zweitens die des Babyboomer-Defizits.

Hier dürften gut und gern nochmals 0,2 bis 0,3 Lohnprozentpunkte zur Finanzierung hinzukommen. Die grosse Frage in Bern ist deshalb: Wird Baume-Schneider die Finanzierung in zwei separate Vorlagen oder in eine gemeinsame Vorlage packen? Sie weiss es selbst nicht, wie ihr Auftritt am Sonntagabend zeigte. Was sie abwägen muss: Kann den Angestellten und Unternehmen eine dreifache Zusatzfinanzierung über Lohnbeiträge zugemutet werden? Oder muss ein Teil davon über die Mehrwertsteuer oder andere Quellen erfolgen? Über die Jungen? Nur die Berufstätigen? Oder auch über die Pensionierten?

  Handelszeitung