Mehr AHV, mehr Kosten. Das geht auch zu Lasten der Wirtschaft und des Gewerbes. Urs Furrer, Direktor des Gewerbeverbands, äussert sich in einem Interview mit der NZZ und verlangt ein höheres Rentenalter. Auszüge:
Der Nationalrat will die Mehrwertsteuer bis 2030 erhöhen, um die 13. AHV-Rente zu finanzieren. Herr Furrer, was bedeutet dies aus Sicht des Gewerbes?
Das ist die zweitschlechteste Lösung. Noch schlechter wäre eine Erhöhung der Lohnbeiträge, die Angestellte und Arbeitgeber bezahlen müssen. Aber auch wenn die Mehrwertsteuer steigt, werden die kleinen und mittleren Unternehmen dies unmittelbar spüren. Die Kaufkraft wird sinken. Wir haben immer gesagt, dass die Finanzierung der 13. AHV-Rente sichergestellt werden muss – aber in Verbindung mit einer Strukturreform der AHV. Die demografische Entwicklung ist bekannt, die Zahl der Pensionierten nimmt schnell zu. Wir haben ein ernsthaftes Problem, das wir aber seit Jahren vor uns herschieben.
Was schlagen Sie konkret vor?
Wir verlangen eine Anpassung des Rentenalters . . .
. . . also eine Erhöhung?
Eine Anpassung nach oben, natürlich. Über die konkrete Umsetzung kann man reden. Eine Option ist das Modell der Lebensarbeitszeit: Damit könnten Personen, die jung ins Berufsleben einsteigen, früher in Rente gehen als beispielsweise Akademiker. Im Gegenzug zum höheren Rentenalter würden wir eine Erhöhung der Mehrwertsteuer akzeptieren. Eine reine Finanzierungsvorlage hingegen lehnen wir ab. Die Schweiz hat jetzt lange genug immer weitere Zusatzfinanzierungen für die AHV beschlossen. Das geht auf Dauer nicht auf, wir können die Strukturreform nicht ewig aufschieben. Je länger wir warten, desto grösser werden die Probleme. Wir unterstützen den Vorschlag der FDP, die eine Schuldenbremse für die AHV will: Sinkt ihr Fonds unter eine bestimmte Schwelle, steigen automatisch die Mehrwertsteuer und das Referenzalter. Das wäre pragmatisch: Die Massnahmen greifen erst, wenn es wirklich nötig ist.
Sie verlangen ein höheres Rentenalter, aber sogar aus bürgerlichen Kreisen ertönt der Vorwurf, zuerst müsse die Wirtschaft den Tatbeweis erbringen: Schon heute würden viele Angestellte ihre Stelle vor der Pensionierung verlieren. Was entgegnen Sie?
Dass die Zahlen das Gegenteil zeigen: Die Erwerbsbeteiligung der 55- bis 64-Jährigen steigt seit Jahren, gleichzeitig hat diese Gruppe ein relativ kleines Risiko, arbeitslos zu werden. Jeder sieht, dass wir einen Fachkräftemangel haben, der in den nächsten Jahren noch zunehmen wird.
Sie sagen, das Schlimmste für das Gewerbe wäre eine Erhöhung der Lohnbeiträge. Genau dies hat der Ständerat aber beschlossen, um höhere AHV-Renten für Ehepaare zu finanzieren. Was würde das für das Gewerbe bedeuten?
Das wäre ein ernsthaftes Problem. KMU sind besonders verletzlich, wenn die Lohnnebenkosten steigen. Das ist reine Mathematik: Bei ihnen ist der Anteil der Löhne an den Gesamtkosten deutlich grösser als etwa in hochautomatisierten Industriebetrieben. Das Parlament muss darauf unbedingt verzichten. Arbeit in der Schweiz darf nicht noch teurer werden. Man darf nicht vergessen, dass das Gewerbe standortgebunden ist: Konzerne können einfachere Arbeiten in Länder mit tieferen Löhnen auslagern, KMU haben keine solche Möglichkeit. Sie produzieren in der Schweiz, aber ihre Produkte werden zunehmend durch günstige Importware verdrängt.
Das Parlament diskutiert über einen Gegenvorschlag zur Mitte-Initiative, die höhere Renten für Ehepaare verlangt. Bieten Sie Hand dazu?
Ja, aber der Gegenvorschlag muss kostenneutral sein. Der aktuelle Vorschlag ist es leider nicht, er führt bis 2040 zu Mehrausgaben von über einer Milliarde Franken pro Jahr, die grösstenteils nicht finanziert sind. Das geht nicht. Sollen Ehepaare höhere Renten erhalten, müssen gleichzeitig ihre Vorteile bei der AHV in demselben Umfang reduziert werden.
NZZ
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