Nach der AHV tritt nun auch die Invalidenversicherung (IV) in eine entscheidende Phase. Die Warnsignale häufen sich: Explosion der Neurenten, immer mehr psychische Fälle bei Jugendlichen – und aus dem Ruder laufende Kosten. Die vom Bundesrat angekündigte IV-Revision ist notwendig.
Aber sie wird sich nicht auf einige technische Anpassungen beschränken können. Und eines ist klar: Eine weitere Erhöhung der Arbeitskosten in Form von höheren Lohnbeiträgen zur Rettung der IV ist inakzeptabel. Denn bereits für die Finanzierung der 13. AHV-Rente drohen den Arbeitnehmern und Unternehmen Milliarden von Franken an Zusatzkosten.
Die Wirtschaft ist zudem weder die Auslöserin noch die Verantwortliche für den massiven Anstieg der IV-Renten, insbesondere bei jungen Erwachsenen. Dieses Phänomen ist in erster Linie gesellschaftlich und nicht konjunkturell bedingt.
Arbeit ist vielmehr ein anerkannter Faktor für Inklusion, Stabilität und psychische Gesundheit. Inaktivität, Isolation oder das Fehlen einer beruflichen Perspektive wiegen bei der Entstehung psychischer Störungen weit schwerer als berufliche Belastungen.
Die Zahlen weisen eine erschreckende Tendenz auf. Seit 2012 sind die neuen IV-Renten um 42 Prozent in die Höhe geschnellt. Und es sind vor allem junge Menschen, die davon betroffen sind. Bei den unter 30-Jährigen sind psychische Störungen mittlerweile die Hauptursache für den Eintritt in die IV. Im Jahr 2023 hatten fast zwei Drittel der jungen IV-Rentner eine psychische Diagnose.
Daher müssen die Kriterien für den Zugang zu einer Rente insbesondere in dieser Alterskategorie überdacht werden. 18- oder 20-Jährigen eine Rente zu gewähren, bedeutet oft, diesen die Tür für eine dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt zu verschliessen.
Eine Anhebung des Mindestalters für die Gewährung einer Rente, zum Beispiel auf 30 Jahre, wäre keine Massnahme der Ausgrenzung. Vielmehr wäre es ein klares Signal, dass die Wiedereingliederung und nicht die Verrentung das oberste Ziel sein muss.
Die neuen im November 2024 veröffentlichten Perspektiven des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) bestätigen die besorgniserregende finanzielle Trendwende.
Während frühere Projektionen einen kumulierten Überschuss von über 7 Milliarden Franken bis 2033 vorhersagten, sieht die Realität ganz anders aus. Die Schulden der IV gegenüber der AHV bleiben bis 2035 bei über 10 Milliarden Franken bestehen, ohne dass eine nennenswerte Rückzahlung in Sicht ist.
Der IV-Fonds erodiert allmählich: Seine Reserven werden bis 2033 auf lediglich noch 31 Prozent der jährlichen Ausgaben sinken – und nach dem pessimistischen Szenario ist er bereits 2032 leer!
Gewerbezeitung / BSV IV-Perspektiven