In der Handelszeitung sehen Michael Heim und Andreas Valda die diesjährigen Abstimmungen zu AHV-Ausbau und BVG-Reform als Alternativen: entweder mehr AHV oder BVG, beides zusammen geht nicht. Nach Lage der Dinge scheint der Ausgang bereits klar.

Was gemeinhin als erste und zweite von drei gleichberechtigten Säulen der Altersvorsorge verkauft wird, steht faktisch in direkter Konkurrenz zueinander. Die Mittel, die in die Rentensysteme fliessen können, sind begrenzt. Und ein Lohnprozent mehr für die AHV ist tendenziell eines weniger für die berufliche Vorsorge. Das zeigt sich zugespitzt im laufenden Jahr.

Denn auch am Pensionskassensystem wird geschraubt. Die voraussichtlich im Herbst zur Abstimmung kommende BVG-Revision bringt nicht nur eine Senkung des Umwandlungssatzes aufgrund der höheren Lebenserwartung und tieferen Renditen, sondern auch höhere Sparbeiträge. Insbesondere sollen die Grundlagen so angepasst werden, dass Tieflöhner und Teilzeitangestellte stärker bei Pensionskassen versichert werden. Und so dereinst auf höhere Renten kommen.

Die AHV-Initiative und die BVG-Reform buhlen um die gleichen Segmente: Leute mit bislang wenig Altersvorsorge. Beide Vorlagen bedeuten tendenziell höhere Lohnprozente. Beide verträgt es finanzpolitisch kaum. Und so steht die realistische Erwartung im Raum: Wird die AHV-Initiative angenommen, hat es die BVG-Revision schwer. Schwerer noch, als sie es eh schon hat.

Für die Versicherungsbranche geht es um die Wurst. Doch diese bleibt erstaunlich ruhig. Zwar hat der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) festgehalten, dass er gegen die AHV-Initiative ist. Doch das scheint bereits alles zu sein. Es gibt kaum Statements von Versicherungsmanagern, kaum Aussagen der Verbandsfunktionäre. Der im Sommer 2023 zum Verbandspräsidenten gewählte Mobiliar-Präsident Stefan Mäder hat sich kaum je dazu geäussert.

Beim Verband besteht die Furcht, sich medial die Finger zu verbrennen. Denn der Ruf des SVV ist vorbelastet. Bei früheren Abstimmungen hat er sich deutlich politisch positioniert. Unter dem einstigen Präsidenten Rolf Dörig schwenkte der SVV offen auf eine SVP-Linie ein. Das gab dicke Luft in der Branche, sodass das grösste Mitglied, die Axa, den Verband verliess.

Verbandssprecher Thilo Kleine verneint eine direkte Betroffenheit der Versicherungsbranche durch die AHV-Abstimmung. «Wir sehen allerdings der Absicht, die erste Säule auszubauen, mit Sorge entgegen, da es der Ausgewogenheit des Drei-Säulen-Systems zuwiderläuft. Wir müssen das für die Schweiz bewährte Drei-Säulen-System stabilisieren und nicht einseitig ausbauen.»

Der SVV beteiligt sich nicht am Abstimmungskampf, wie Kleine bestätigt. Man überlasse das dem Dachverband Economiesuisse. Doch auch dort heisst es: Wir sind «nicht im Lead». Der Schweizerische Arbeitgeberverband sei dafür verantwortlich. Die Wirtschaft führt einen Sesseltanz auf. Wer führt nun eigentlich die Nein-Kampagne?

  HZ