Tages-AnzeigerDie Sonntagszeitung berichtet über den zunehmenden Widerstand aus Wirtschaftskreisen gegen die BVG-Reform aufgrund der Kosten. Wenig überraschend verliert sie die Unterstützung der Gastro-Suisse.

Voraussichtlich im September wird das Volk bereits wieder über eine Rentenreform entscheiden. Die BVG-Revision dürfte nach der AHV-Initiative erneut in einem emotionalen Abstimmungskampf gipfeln. Diesmal bildet die Linke das Nein-Lager. Gemäss ersten Umfragen des Instituts Sotomo startet sie auch diesmal mit einem Vorsprung.

Bei der Reform der beruflichen Vorsorge geht es ebenfalls um höhere Lohnkosten. Jetzt zeigt eine Auswertung: Für Berufstätige mit einem Lohn unter 80’000 Franken und einer gesetzlich minimalen Pensionskasse würde die BVG-Reform ein deutlich grösseres Loch ins Portemonnaie der Betroffenen reissen als die Finanzierung der 13. AHV-Rente.

Eine 45-jährige Person mit einem Lohn von 50’000 Franken hätte nach der BVG-Reform wegen der höheren Abzüge Ende Jahr 980 Franken weniger auf ihrem Lohnkonto. Denn ihre Pensionskassenabzüge würden mit einem Schlag von 1820 auf 2800 Franken steigen.

Zum Vergleich: Zur Finanzierung der 13. AHV-Rente würden langfristig jährlich bloss 200 Franken mehr vom Lohn abgezogen. In beiden Fällen wurden nur die Arbeitnehmeranteile berücksichtigt. Insgesamt würden die Lohnkosten in dem Beispiel bei der BVG-Reform gar um 2000 Franken steigen, wenn man die Arbeitgeberanteile mitrechnet. (…)

Bis jetzt sind die Rollen bei der BVG-Revision recht klar verteilt: Die Gewerkschaften und linke Politiker sind dagegen, weil sie die Reform unsozial finden, die bürgerlichen Politiker und die Wirtschaft heissen sie gut.

Doch der Zuspruch in der Wirtschaft bröckelt. Wenn die 13. AHV-Initiative angenommen wird, dürften Verbände aus Branchen mit traditionell tiefen Löhnen ins bislang linke Nein-Lager überlaufen. Hinter vorgehaltener Hand sind aus gewissen Branchen bereits Andeutungen in diese Richtung zu hören. Denn wenn die 13. AHV-Rente über die Lohnbeiträge finanziert würde und kurz darauf auch die BVG-Reform durchkäme, müssten die Lohnbeiträge innert kurzer Zeit gleich zweimal erhöht werden. Das würde Wirtschaftsbereiche wie die Reinigungs- oder die Gastrobranche mit traditionell tiefen Löhnen und knapp bemessenen Margen besonders hart treffen.

Konkret sieht die anstehende BVG-Reform vor, den Umwandlungssatz bei Kassen mit minimalen Leistungen von 6,8 auf 6 Prozent zu senken. Künftig bekäme ein Rentner, der mit 65 ein Sparkapital von 100’000 Franken hat, also bloss noch 6000 Franken Rente im Jahr statt wie bis jetzt 6800. Notwendig ist die Senkung des Umwandlungssatzes, weil die Lebenserwartung in den letzten Jahren stieg.

Die BVG-Reform sieht aber eine Abfederung vor, um nach der vorgesehenen Rentensenkung Härtefälle zu vermeiden: So sollen Pensionierte, die mit 65 weniger als 440’000 Franken Alterskapital angespart haben, während einer Übergangszeit von 15 Jahren eine monatliche Entschädigung von maximal 200 Franken bekommen. Das Parlament setzte die Entschädigungen aber tiefer an, als der Bundesrat vorgeschlagen hatte. Die Gewerkschaften kritisieren dies.

Mit Gastro Suisse wechselt jetzt bereits ein erster bedeutender Wirtschaftsverband ins Nein-Lager. Der Verband hatte sich schon letztes Jahr nach der Schlussabstimmung im Parlament kritisch geäussert zur Reform. Auf Anfrage heisst es nun, der Vorstand von Gastro Suisse habe mittlerweile die Nein-Parolen zur Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) gefasst.

Man habe sich lange für einen tragbaren Kompromiss eingesetzt. «Doch das Parlament hat den Bogen leider deutlich überspannt», sagt Gastro-Suisse-Präsident Casimir Platzer. Ein Grund, weshalb Gastro Suisse die Reform ablehnt: «Die erhöhten Lohnabzüge für Personen, die in einem geringen Pensum arbeiten, generieren einen hohen Mehraufwand für die Arbeitgeber.»

Eins zu eins von der BVG-Reform betroffen sind nur rund 10 bis 15 Prozent der Erwerbstätigen. Das sind jene, deren Pensionskassen bloss das gesetzlich obligatorische Minimum versichern. Etwas weniger stark betroffen ist ein weiterer Teil der Erwerbstätigen, deren Pensionskasse leicht über dem Minimum liegt. Genaue Zahlen, wie viele Personen wie stark betroffen sein werden, gibt es nicht.

Klar ist aber, dass ein Grossteil der Erwerbstätigen und Firmen insbesondere in Hochlohnbranchen von der Reform kaum etwas spüren werden. Denn ihre Leistungen sind so weit über dem gesetzlichen Obligatorium, dass sie die Umverteilung von Jung zu Alt mit der Senkung der Umwandlungssätze bereits korrigieren konnten.