HZ Insurance wollte vom Pensionskassenverband Asip und dem Gewerkschaftsbund SGB wissen, was an der BVG-Revision gut und was weniger gut ist. Red und Antwort standen Gabriela Medici und Lukas Müller-Brunner. Auszüge:
Frau Medici, Herr Müller-Brunner, die Reform sieht eine Reduktion des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6,0 Prozent vor. Braucht es diese Massnahme wirklich?
Gabriela Medici: Ausnahmslos alle Beobachter der Pensionskassen bestätigen die hervorragende finanzielle Lage der Pensionskassen. Ihre Reserven sind geäufnet und viele befinden sich an der Grenze zu freien Mitteln.
Das Problem ist also nicht die finanzielle Stabilität der Kassen – sondern die Tatsache, dass die Versicherten immer weniger Rentengarantien und Zins gutgeschrieben erhalten. Die Pensionskassen lagern immer mehr Risiko an sie aus. Besonders störend ist, dass die Renten real sanken, während die Gewinne der Banken, Versicherungen und Makler ungebremst gestiegen sind.
Lukas Müller-Brunner: Die Anpassung des Umwandlungssatzes im Obligatorium ist angesichts der seit Jahrzehnten steigenden Lebenserwartung schlicht unausweichlich, denn die einbezahlten Sparbeiträge müssen gegenüber früher über eine längere Lebensdauer verteilt werden.
Das gilt übrigens unabhängig von der finanziellen Lage der Pensionskassen.Wird die Chance für die Nachführung des Gesetzes verpasst, müssen alle Kassen für ihren obligatorischen Bereich weiterhin systemfremde Quersubventionierungen für die Pensionierten tolerieren. Dafür herhalten müssen die Erwerbstätigen, indem unter anderem ihre BVG-Konten weniger verzinst werden.
Die Reform soll durch das Senken der Eintrittsschwelle und des Koordinationsabzugs mehr Geringverdiener in die Pensionskasse einbeziehen. Wird diese Massnahme ausreichen, um die Altersvorsorge dieser Gruppe nachhaltig zu verbessern?
Lukas Müller-Brunner: Wegen der Senkung dieser Eintrittsschwelle werden gemäss Berechnungen des Bundesrats 70’000 Personen neu in der zweiten Säule versichert. Der Aufbau einer anständigen beruflichen Vorsorge ist nachweislich einer der besten Hebel, um der Altersarmut vorzubeugen.
Dazu muss sich die zweite Säule auch im Obligatorium endlich fit machen für die neue Arbeitswelt, wo inzwischen mehr als ein Drittel in Teilzeit arbeitet, bei den Frauen sind es sogar fast 60 Prozent. Heutzutage ist die obligatorische Versicherung gerade bei tiefen Löhnen schlecht, was deutliche Spuren in der Altersvorsorge hinterlässt.
Gabriela Medici: Dass die Reform hier wirklich hilft, ist zu bezweifeln. Einerseits, weil die allermeisten Pensionskassen bereits Teilzeitmodelle eingeführt haben. Entsprechend führt die Reform nicht zu höheren Renten. Anderseits, weil bei sehr tiefen Monatseinkommen auch mit der Vorlage Monatsrenten von weit unter 1000 Franken resultieren.
Dafür erhöhen sich die Lohnabzüge an die Pensionskassen massiv – es drohen bis zu 200 Franken pro Monat höhere Beiträge als heute. Hier werden die Grenzen des Kapitaldeckungsverfahrens für Geringverdienende deutlich sichtbar. Die Senkung der Eintrittsschwelle kostet rund 100 Millionen Franken, wobei die Verwaltungskosten für die Umsetzung dieses Schritts allein schon bis zu 25 Millionen Franken betragen – noch ohne Vermögensverwaltungskosten.
Für die ersten 15 Jahrgänge nach der Reform sind Rentenzuschläge geplant, um die Kürzungen durch den gesenkten Umwandlungssatz abzufedern. Reicht diese Kompensation aus, oder wäre eine andere Lösung vorzuziehen?
Lukas Müller-Brunner: Die Frage, wie wir mit der Übergangsgeneration umgehen, ist ein Knackpunkt. Unser Verband macht kein Geheimnis daraus, dass wir eine weniger grosszügige Variante bevorzugt hätten. Auf dem Abstimmungszettel steht jetzt aber nicht die Frage, ob man eine bessere Idee einbringen will. Das Volk kann jetzt über ein Paket entscheiden, das gutschweizerisch durchberaten und fertig geschnürt ist.
Gabriela Medici: Die Kompensationen fallen nicht nur ungenügend, sondern auch komplett willkürlich aus. Vor Rentenverlusten geschützt sind nur Versicherte mit einem Altersguthaben von weniger als 220’500 Franken. Diese Kapitalgrenze entspricht knapp 60 Prozent des heute gesetzlich möglichen BVG-Guthabens.
Besonders betroffen sind der Mittelstand und das Gewerbe, hier drohen Handwerkerinnen, Schreinern und Malerinnen deutliche Rentenverluste. Dabei sind ihre Renten mit rund 1700 Franken bereits heute tief. Doch damit nicht genug, müssen Arbeitnehmende eine ganze Reihe von Voraussetzungen erfüllen, um die Kompensation geltend machen zu können.
Für viele wird es letztlich zur Lotterie, ob ihre Renteneinbussen kompensiert werden oder nicht. Gerade Frauen werden häufig keinen Anspruch auf die Rentenzuschläge haben, weil sie nicht 15 Jahre in einer Pensionskasse versichert waren. Die Regeln für die Übergangsgeneration weisen nicht nur gravierende handwerkliche Mängel auf. Sie werden die Bürokratie und die Verwaltungskosten der Pensionskassen weiter erhöhen.
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