Hinter den Kulissen der BVG-Welt reagierten manche Fachleute erstaunt bis irritiert. Öffentlicher Widerspruch aber blieb aus. Eine Anfrage der NZZ bei Proparis blieb ergebnislos: Die Zahlen seien nur für den internen Gebrauch gedacht gewesen, hiess es, man wolle zurzeit nichts dazu sagen. Davon, dass etwas daran falsch sein könnte, war keine Rede.
Das ist im Nachhinein umso erstaunlicher, als die Zahlen in der Fachwelt schon länger bekannt waren und verschiedentlich zu reden gegeben haben. Proparis gehört zu den relativ wenigen Pensionskassen, auf welche die BVG-Reform direkte Auswirkungen hat.
In den meisten Fällen entsprechen ihre Vorsorgepläne dem gesetzlichen Minimum oder gehen nur leicht darüber hinaus. Somit war klar, dass die Vorlage bei Proparis und ihren Versicherten Spuren hinterlässt, im Guten wie im Schlechten. (…)
Erst nach wochenlangem Schweigen haben die Zuständigen von Proparis eingeräumt, dass da etwas nicht stimmt: Die Zahlen sollen zwar richtig berechnet sein, aber die Schlussfolgerungen daraus sind nicht nur fragwürdig oder irreführend, sondern schlicht und einfach falsch.
Die Auswertung sagt nicht, wie viele Personen mehr oder weniger Rente erhalten. Stattdessen liefert sie eine Art Vollkostenrechnung für Proparis als Ganzes.
Sie zeigt, wie sich die einzelnen Renten verändern, und vergleicht dies mit den Kosten, die im Gegenzug bei den Versicherten, den Arbeitgebern und der Pensionskasse anfallen (primär höhere Lohnbeiträge sowie Finanzierung der Zuschläge).
Somit zeigen die Zahlen vor allem eines: Kassen wie Proparis müssen einen beträchtlichen Teil der Rentenzuschläge aus eigener Kraft finanzieren. So hat es das Parlament beschlossen. Das bedeutet aber nicht, dass die einzelnen Versicherten – schon gar nicht die Älteren – deswegen eine tiefere Rente erhalten als ohne Reform.
Dass der «Tages-Anzeiger» die Zahlen falsch interpretierte, erscheint nachvollziehbar. Die Grafiken in der Dokumentation sind tatsächlich irreführend bis falsch beschriftet. Von «kleineren Renten» ist da die Rede; von einem Anteil Versicherten, die eine «tiefere Rente» erhalten werden, obwohl die Zahlen gerade dies nicht abbilden. Lassen sich die unpräzisen Formulierungen damit erklären, dass die Zahlen nur für den internen Gebrauch gedacht waren?
Damit verbunden ist die Frage, wer die Zahlen an den «Tages-Anzeiger» weitergereicht hat. Im Stiftungsrat sitzen mehrere erklärte Gegner der Reform, allen voran der Präsident und dessen Vize, der ehemalige Gewerbedirektor Hans-Ulrich Bigler und der Unia-Gewerkschafter Aldo Ferrari.
Sie mussten gewusst haben, was die Zahlen aussagen und was nicht. Hätte es auch der Gewerkschaftsbund wissen müssen, der die Zahlen nach der Publikation sofort freudig aufnahm und seither damit Stimmung machte? Und vor allem: Wieso hat Proparis so lange geschwiegen? (…)
Umfassende Zahlen zu den Auswirkungen der Vorlage gibt es nicht, zu gross sind die Unterschiede zwischen den Pensionskassen. Und was gilt denn nun für Proparis? Gegenüber SRF hat die Stiftung neue Zahlen angekündigt, am Montag liess sie aber weiterhin offen, wann diese vorliegen sollen, und wollte auch sonst keine Fragen beantworten.