Peter Morf, Chefredaktor der Finanz und Wirtschaft, gibt ein vernichtendes Verdikt zum Verhalten der bürgerlichen Parteien in der Frage des AHV-Deals ab.
Unter dem Druck von SP/CVP hat sich auch die FDP hinter das Paket gestellt. Mit ihr unterstützen die wichtigsten Wirtschaftsverbände, allen voran der Dachverband Economiesuisse, den Kuhhandel, aus Angst, die Schweiz werde auf eine schwarze Liste gesetzt. Sie liessen sich von der Linken simpel über den Tisch ziehen.
Das Entgegenkommen an die Linke geht ausserordentlich weit. Selbst ein Teil der vom Volk angenommenen Vorlage zur Unternehmenssteuerreform II wird rückgängig gemacht. Das Kapitaleinlageprinzip wird relativiert, der Volksentscheid missachtet. Dies obwohl die SP schon offen deklariert hat, den Steuerteil des vorliegenden Pakets zu torpedieren – sie will nämlich die Senkung der Unternehmenssteuern in den Kantonen bekämpfen.
Diese Massnahmen sind jedoch implizit Bestandteil des vermeintlichen Kompromisses. Damit belegt die Linke, dass sie am Steuerteil gar kein Interesse hat. Im Gegenteil, höhere Steuern für Unternehmen sind ihr noch so recht – und die Bürgerlichen protestieren nicht einmal.
Thomas Hengartner schreibt in der FuW über die Situation der 2.Säule-Vermögen auf Freizügigkeitskonten. Er beklagt, dass viele Gelder praktisch ertragslos bleiben, obwohl sie teilweise über Jahre parkiert sind.
Das Freizügigkeitsgesetz gilt seit 1995 und besagt, dass austretende Mitarbeitende vollen Anspruch auf das in der betriebseigenen Pensionskasse Gesparte haben. Diese Freizügigkeit muss jedoch als separiertes Vorsorgegeld bestehen bleiben. Es ist bei Aufnahme einer nächsten Erwerbstätigkeit als Starteinlage auf das eigene Konto in der Vorsorgeeinrichtung des neuen Arbeitgebers einzuzahlen.
Die Berechtigten von Freizügigkeitsgeldern halten über 80% der Beträge in Kontoform, sagt Beat Bühlmann vom Vorsorgedienstleister Finpension: «Dabei beträgt die Haltedauer solcher Gelder oft mehrere Jahre und eine Anlage in Wertschriften über kollektive Investments ist erlaubt.» Es gelten dafür dieselben Regeln wie für das Vorsorgesparen 3a: der Aktienanteil darf bis 50% des Vermögens betragen, toleriert sind bis 80%, wenn entsprechende Risikofähigkeit ausgewiesen ist, bspw. bei Alter unter fünfzig Jahren oder wenn substanzielle weitere private Vermögensteile bestehen.
Die geringe Nutzung von Wertschriftenlösungen für die gesperrten Gelder führt Bühlmann auf mangelhafte Information und auf überteuerte Angebote zurück: «Viele Vorsorgefonds belasten jährlich rund 1,2% Gesamtkosten, obschon bei den Institutionen der beruflichen Vorsorge die Vermögensverwaltungskosten über die vergangenen Jahre deutlich verringert wurden.»
Finpension arbeite daran, Wertschrifteninvestments zu einer Gebühr von jährlich weniger als 0,5% des Vermögens anzubieten. Auf den Geldern der Pensionskassen fielen 2017 im Medianwert 0,44% Gebühren an.
«Bevor man 50 ist, macht ein PK-Einkauf wenig Sinn», sagt Florian Schubiger von Vermögenspartner in der FuW. Auf langfristige Sicht lasse sich nicht abschätzen, was mit dem Umwandlungssatz passiere. «Wird dieser gesenkt, wirkt sich das negativ auf die getätigte Einzahlung aus», so Schubiger. Bei einem zu frühen Einkauf droht auch eher die Gefahr, dass man bei einem Arbeitgeberwechsel einer schlechter gestellten Pensionskasse angegliedert wird. «Mit dem Abwarten vergibt man sich keine Chancen», so der Vorsorgeexperte.
Bei Einkäufen muss allerdings eine dreijährige Karenzfrist zwischen Einzahlung und Bezug beachtet werden. Gerade bei unerwarteten Frühpensionierungen kann dies problematisch werden.
Raphael Ebneter vom VZ Vermögenszentrum empfiehlt deshalb, auch die von verschiedenen Kassen angebotenen Wahlpläne anzuschauen. Mit diesen können Versicherte meist höhere Sparbeiträge einzahlen. Je früher man mit den Einzahlungen beginnt, umso höher fällt der Vorteil aus. Zudem entfällt die dreijährige Wartefrist zwischen Einzahlung und Bezug, die beim Einkauf gilt.
Überall sind die Rentenprogramme der Regierungen in Schwierigkeiten, da die Lebenserwartung zunimmt und die Anzahl der Rentner im Verhältnis zu den Steuerzahlern steigt. Und in den nächsten Jahren wird sich das Problem noch verschärfen: Durch die ungünstige demografische Entwicklung wird die Belastung der Haushalte mit der Finanzierung der Renten- und der Krankenversicherung noch vergrössert.
Besonders problematisch ist dies in den Vereinigten Staaten, da die Sozialversicherung dort über einen «Treuhandfonds» finanziert ist, der nach seiner Erschöpfung eine Krise auslösen wird. Obwohl sich die Möglichkeiten, die die Regierung dann hat, von denjenigen anderer Länder unterscheiden, sind die Massnahmen zur Verhinderung der US-Krise auch für andere alternde Volkswirtschaften relevant, schreibt Harvard-Professor Martin Feldstein in der FuW.
Peter Morf kommentiert in der Finanz und Wirtschaft die Vorschläge des Bundesrats zur Neuauflage der AHV-Reform.
Bundesrat und Parlament setzen erneut auf Symptom- statt auf Ursachentherapie. Die Hauptursache der finanziellen Probleme der AHV ist klar festzumachen: die Alterung der Bevölkerung. Dazu nur zwei Hinweise, die dies drastisch verdeutlichen:
Die Lebenserwartung ist in der Schweiz seit 1948, als die AHV ins Leben gerufen wurde, massiv gestiegen. Ausgehend von einer Lebenserwartung im Alter 65 der Männer von 12,4 Jahren ist sie bis zur Gegenwart auf 18,9 Jahre gestiegen und für die Frauen von 14 auf 22 Jahre. Das ergibt ein Wachstum von je deutlich über 50%. Der Trend der steigenden Lebenserwartung setzt sich vorerst fort.
Die Alterung zeigt sich auch im sogenannten Altersquotienten. Er setzt die Bevölkerungsgruppe 64/65 (Frauen/Männer) und ältere ins Verhältnis zu derjenigen im Alter von 20 bis 64/65. Der Quotient stieg von 15,4 bei der Gründung der AHV auf derzeit rund 30 – und er wird weiter steigen bis auf Werte von 50 und mehr. Mit anderen Worten: irgendwann in den Jahren 2040 bis 2050 werden noch zwei Erwerbstätige für einen Rentner aufkommen müssen.
Angesichts dieser Zahlen ist unverständlich, warum sich der Bundesrat der Diskussion des Rentenalters nicht stellen will. An der Präsentation der Vorlage vor den Medien wies Bundesrat Berset darauf hin, dass schon Mitte der 2020er-Jahre eine nächste Reform in Angriff genommen werden müsse. Da stünden strukturelle Massnahmen zur Debatte. Auf die konkrete Frage hingegen, ob dannzumal das Rentenalter ein Thema sein werde, drückte er sich wortreich um eine klare Antwort. Er will seine Genossen zur Linken offenbar nicht noch mehr vergraulen.
Die Legende zur Grafik aus der Finanz und Wirtschaft lautet:
Die AHV hat ein Problem: Ihre Finanzen werden sich bald dramatisch verschlechtern. Diese Erkenntnis hat sich mittler- weile herumgesprochen. Dahinter steht ein strukturelles Problem, dessen Folgen auf wenig Begeisterung stossen: die Alterung der Bevölkerung. Sie lässt sich an der Entwicklung der Anzahl Rentner ablesen.
Im Gründungsjahr der AHV, 1948, bezogen gut 282000 Personen (inklusive im Ausland wohnhafter sowie Hinterlassener) eine Rente. Das entsprach 6,1% der Wohnbevölkerung. Diese ist seither 85,1% auf 8,4 Mio. Personen 2017 gewachsen. Die Zahl der Rentenbezüger ist dagegen gut 800% gestiegen, auf rund 2,5 Mio. Im vergangenen Jahr bezogen 30% der Bevölkerung eine Rente aus der AHV. Die Lebenserwartung hat sich seit 1948 massiv verlängert.
In der Fünfjahresperiode 1948 bis 1953 betrug sie für Männer im Alter von 65 Jahren 12,4 Jahre. 2008 bis 2013 erreichte sie 18,9 Jahre. Die der Frauen wuchs von 14 auf 22 Jahre. Die Lebenserwartung hat für beide Geschlechter über 50% zugenommen.
Dieser Trend wird sich gemäss Bundesamt für Statistik fortsetzen. Auch wenn die Zahlen mit Vorsicht zu geniessen sind, dürfte die Lebenserwartung im Alter 65 für Männer bis 2060 auf 24,3 Jahre steigen, für Frauen auf 26,8. Ohne strukturelle Reformen, also höheres Rentenalter, lässt sich die Altersvorsorge nicht sichern. Zeit, dass sich die Politik diesem Thema stellt.
George Sheldon, emeritierter Arbeitsmarktökonom der Uni Basel, kritisiert in der Finanz und Wirtschaft das auch in der Schweiz angewandte Standardmodell mit 5 Kontrollvariablen zur statistischen Erfassung von Lohnunterschieden zwischen Frauen und Männern. Sheldon hält u.a. fest:
Die Einschränkung der Zahl der zulässigen Kontrollvariablen wird zuweilen dadurch gerechtfertigt, dass die Berücksichtigung von Faktoren mit Diskriminierungspotenzial Frauen benachteiligt. Diskriminierungspotenzial besitzt ein lohnbestimmendes Merkmal dann, wenn Frauen aufgrund anderweitiger Nachteile das betrachtete Merkmal häufiger oder seltener aufweisen als Männer. Ein Beispiel dafür sind Erwerbsunterbrüche, die Frauen infolge von Mutterschaft in der Regel häufiger erfahren als Männer.
Wenn sie die Arbeitsproduktivität des Einzelnen beeinträchtigen und niedrigere Löhne zur Folge haben, bewirkt ihre Berücksichtigung im Rahmen einer Lohngleichheitsanalyse, dass der Lohnnachteil infolge mutterschaftsbedingter Erwerbsunterbrüche nicht als Lohndiskriminierung erscheint. Das will aber die Politik nicht.
Der Arbeitgeberverband schreibt dazu:
Angesichts solch ausgeklügelter Forschung sind die methodischen Grundlagen unzulänglich, auf die sich die Schweizer Politik in der Lohngleichheitsdiskussion stützt. Was Sheldon deshalb fordert, betont der Schweizerische Arbeitgeberverband schon seit Jahren: Statt mit ungeeigneten Lohnkontrollen die Symptome – sprich Lohnunterschiede – zu bekämpfen, braucht es wirksame Korrekturen bei den Ursachen.
So haben Frauen auch deshalb Lohnrückstände, weil sie häufiger als Männer Erwerbsunterbrüche aufweisen. Die Politik ist gut beraten, diesen Missstand mit Tagesstrukturen an den Schulen und einem besseren Angebot bezahlbarer Kinderbetreuung zu beheben. Die Arbeitgeber tragen etwa mit flexiblen Arbeitsformen das ihre dazu bei, dass Frauen verstärkt erwerbstätig sein können.
Thomas Buess, Finanzchef des Versicherers Swiss
Life, kritisiert in der Finanz und Wirtschaft die Kapitalvorgabe der Aufsicht. Thomas Hengartner berichtet.
Die Länder der EU berechnen die Kapitalvorgabe an die Versicherer nach den Regeln von Solvenz II, aber hierzulande gilt der Schweizer Solvenztest SST. Wegen der unterschiedlichen Regeln müssen hiesige Lebensversicherer gemäss dem Branchenverband SVV 1,5- bis 2-mal so viel Risikokapital vorhalten wie Wettbewerber in der EU. Das hat auch Konsequenzen auf das System der beruflichen Altersvorsorge.
Vertreter der Finanzmarktaufsicht wiegeln ab, das Kapitalerfordernis sei vergleichbar, wenn temporäre Erleichterungen einzelner EU-Länder ausgeklammert werden. «Das stimmt jedoch überhaupt nicht», sagt Swiss-Life-CFO Thomas Buess im Gespräch: «Wir halten nicht freiwillig 1,6-mal so viel Kapital, sondern weil sich die Kapitalanforderungen der Aufsichtsbehörde sprunghaft verändern und damit unberechenbar sind.» (…)
FuW-Redaktor Peter Morf kommentiert die Vorschläge Bersets zur Rentenreform:
Das Grundproblem der AHV, die Alterung der Bevölkerung, wird auch in dieser Vorlage nicht angepackt. Das strukturelle Problem der sich markant verschärfenden Alterung der Bevölkerung kann letztlich nur über eine Anpassung des Rentenalters nach oben nachhaltig entschärft werden. Das hat die Mehrheit der Industrieländer übrigens schon lange realisiert und entsprechende Massnahmen eingeleitet bzw. ergriffen. Fast nur die Schweiz will davon nach wie vor nichts wissen.
Bersets Versuch, die Sicherung der AHV erneut fast ausschliesslich einnahmenseitig zu bewerkstelligen, löst das Grundproblem der Altersvorsorge nicht. Im Gegenteil: Sie wird so zu einem finanziellen Fass ohne Boden.
Die Wahrscheinlichkeit, dass das Vorhaben noch einmal scheitert, ist angesichts dieser Eckwerte hoch. Die Erhöhung des Rentenalters für die Frauen stösst auch mit Kompensation auf Widerstand der Linken. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums dürfte die massive Erhöhung der Mehrwertsteuer kaum geschluckt werden. Wo Berset die Mehrheit für sein Projekt herholen will, bleibt sein Geheimnis.
Das Klimaübereinkommen erstreckt sich auch auf Finanzflüsse. Manche Pensionskassen wollen dem nachleben – zulasten der künftigen Rentner. Ein Kommentar von Markus Saurer in der Finanz und Wirtschaft. Saurer schreibt:
Ab April dieses Jahres konnten Schweizer Pensionskassen und Versicherungen «freiwillig, anonym und gratis» ihre Portfolios aus Aktien und Unternehmensobligationen auf deren Kompatibilität mit dem Pariser Zwei-Grad-Ziel testen lassen (die globale Erwärmung soll auf weniger als zwei Grad Celsius gegenüber dem Niveau von vor Beginn der Industrialisierung begrenzt werden).
Dieser Einladung sind 79 Pensionskassen und Versicherungen gefolgt, die rund zwei Drittel des schweizerischen Pensions- und Versicherungskapitals verwalten.
Der Test war entwickelt worden von der 2° Investing Initiative, einem internationalen Think Tank an der Schnittstelle zwischen Finanzsektor und Zwei-Grad-Klimaziel, der dazu ein globales Netzwerk von Finanzinstitutionen, Forschungsorganisationen, Vermögensverwaltern, Banken, Investoren, Analysten, Nichtregierungsorganisationen sowie Finanzaufsichts- und Umweltbehörden aufgebaut hat.
Thomas Hengartner kommentiert in der FuW die Ergebnisse des WTW Berichts über die Vorsorgepläne der SMI-Gesellschaften. Hengartner schreibt:
Auffallend ist, wie weit die Rentenzusagen divergieren. Aktuell berechnet die grosszügigste Vorsorgeeinrichtung die Rente zum Satz von 6,4%, die knausrigste hingegen zu 4,7%, wie die neueste Auswertung der Vorsorgepläne von 23 der 30 grössten Unternehmen durch den Berater Willis Towers Watson ergibt.
Noch frappierender sind die Unterschiede bei weiteren Faktoren, die zusammen den nominellen Vorsorgefranken bestimmen. Dazu hat Willis Towers Watson projiziert, wie viel Rente eine zum Betrachtungszeitpunkt 25-jährige Person mit Jahresgehalt von 60 000 Fr. am Pensionierungstag erwarten darf.
Gemäss dieser Berechnung verminderte sich die versprochene Pensionskassenrente im Schnitt der untersuchten SLI-Unternehmen zwischen 2011 und 2017 von rund 45 auf etwa 35% des Gehalts. Die Situation der einzelnen Unternehmen wird nicht detailliert, doch der Konzern mit dem umfassendsten Vorsorgeplan bietet das Zweieinhalbfache des schlechtesten der Vergleichsgruppe.
Peter Morf umreisst in der FuW das absehbare Programm für die Neuauflage der Rentenreform. Er schreibt:
Die FDP hat innerhalb des bürgerlichen Lagers den Lead übernommen. Es zeichnet sich grob folgendes Vorgehen ab: Die erste und die zweite Säule sollen nicht mehr in einem grossen Paket gemeinsam saniert werden. In der AHV, wo der Handlungsbedarf dringender ist als in der beruflichen Vorsorge, soll das Rentenalter der Frauen auf 65 Jahre angehoben werden. Zudem soll zur Finanzierung der trotzdem entstehenden, alterungsbedingten Mehrkosten die Mehrwertsteuer erhöht werden. Die Rede ist etwa von 0,6 Prozentpunkten. Zur Debatte steht zudem eine Flexibilisierung des Rentenalters.
In der zweiten Säule soll in einem gesonderten Paket der Umwandlungssatz auf 6% gesenkt werden. Allfällige Renteneinbussen wären innerhalb des Systems zu kompensieren. (…)
Die Schweiz darf sich der Notwendigkeit eines höheren Rentenalters nicht länger verschliessen. Das gilt umso mehr, als in den kommenden Jahren Zehntausende von Arbeitskräften das Pensionsalter erreichen und die Wirtschaft schon bald mit einer entsprechenden Knappheit konfrontiert sein wird.
Die skizzierten Sanierungsvorlagen sind nur ein erster, allerdings sehr wichtiger Schritt. Der zweite, mit einer Anpassung des Rentenalters nach oben, muss folgen. Der Bundesrat und das zuständige Bundesamt für Sozialversicherungen sind gefordert, diese Fakten auf den Tisch zu legen. Geschieht dies nicht, bleibt die längerfristige Existenz der Altersvorsorge in ihrer heutigen Form gefährdet.
Christina Böck, Chief Investment Officer, Profond Vorsorgeeinrichtung, kommentiert in der FuW die Vorlage zur AV2020 sowie die Anlagestrategie der Pensionskassen. Böck schreibt:
Unabhängig vom Abstimmungsausgang steht fest: Die steigende Lebenserwartung und das Tiefzinsumfeld wirken sich nicht nur negativ auf die nachhaltige Finanzierung der AHV aus, auch die zweite Säule leidet. Beide Faktoren kann die Politik nicht direkt beeinflussen, obwohl dies dem Wähler im Abstimmungskampf suggeriert wird. Geradezu realitätsfremd schlägt das revidierte Gesetz dank fixiertem Umwandlungssatz garantierte Renten im obligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge vor. Diese sind mit risikoarmen Anlagen jedoch nicht zu finanzieren, werfen doch erstklassige Frankenobligationen gegenwärtig keine oder gar Minusrenditen ab. Plakativ gesagt: Auch garantierte Renten bringen keine steigende Anlagerenditen und noch weniger eine sinkende Lebenserwartung! (…)
Erstaunlich ist, dass die Entscheidungsorgane der meisten Pensionskassen die Anlagestrategie nicht auf nachhaltige Renditeerzielung im Interesse der Versicherten ausrichten, sondern auf die vermeintliche Beschränkung des Risikos: Im Durchschnitt werden lediglich rund 30 Prozent der Vorsorgegelder in Aktien, dafür über 50 Prozent in Obligationen angelegt. Diese Veranlagung war über die letzten zwei Dekaden nachvollziehbar und teilweise auch sinnvoll, boten doch Obligationen eine stete Verzinsung mit geringem Risiko, sinkende Zinsen resultierten in stattlichen Kursgewinnen. Diese Zeiten sind vorbei, Negativrenditen und die Aussicht auf steigende Zinsen prägen das Anlageumfeld. Zu Recht wird daher in der jüngsten Studie der Bankiervereinigung Schweizer Pensionskassen geraten, ihre veralteten Anlagestrategien den künftigen Renditeerwartungen verschiedener Anlageklassen anzupassen und entsprechend ihre Obligationenbestände zu reduzieren.
Thomas Hengartner hat in der Finanz und Wirtschaft einen mit Grafiken und Tabellen reich ausstaffierten Überblick über die Geldflüsse in der AHV und der beruflichen Vorsorge publiziert. Trotz aller Probleme in der 2. Säule steht sie gemäss seiner – und wohl nicht bloss seiner – Analyse auf solideren Fundamenten als die 1.
Zur BV stellt Hengartner fest: Ihr Vermögensmix erbringt je nach Verlauf der Anlagemärkte völlig unterschiedliche Investmentergebnisse. 2008 erlitten die Kassen wegen der Finanzmarktkrise im Schnitt eine Vermögenseinbusse von 12,8%. Im Folgejahr resultierte dank der Erholung der Börsen ein Plus von 10,4%.
Der jährlich schwankenden Anlageleistung stehen fixe jährliche Zinsverbindlichkeiten gegenüber. Für 2017 lässt sich dieser Zinsbedarf je nach Pensionskasse auf 1,5 bis 2,5% schätzen. Das Renditepotenzial der Vermögen steht gemäss der Schätzung von ZKB für die nächsten fünf Jahre auf etwa 2%. Damit würde die Rechnung gerade etwa aufgehen.
FuW-Redaktor Peter Morf äussert sich mehr als skeptisch zur Altersvorsorge 2020. Er schreibt:
Vorrangiges Ziel der CVP war es nach eigenem Bekunden, die finanzielle Stabilität der AHV zu sichern. Das ist gründlich misslungen. Die Vorlage 2020 kostet mit ihrem Rentenausbau rund 5,8 Mrd. Fr. Trotz zusätzlichen Lohn- und Mehrwertsteuerprozenten wird die AHV bereits ab ungefähr 2027 wieder milliardenschwere Defizite schreiben.
Der mit der Altersvorsorge 2020 stattfindende Ausbau der AHV wirkt in Zeiten der steigenden Lebenserwartung, und damit der Alterung der Bevölkerung, wie ein absurder Anachronismus. Andere Länder Westeuropas haben die Zeichen der Zeit erkannt und heben das Pensionsalter an. Das scheint in der Schweiz politisch nicht realisierbar, dafür wird die AHV ausgebaut. Das ist umso fataler, als ein Ausbau erfahrungsgemäss nie mehr rückgängig gemacht werden kann. (…)
Die Altersvorsorge 2020 bringt einen Ausbau der AHV auf Kosten der heute jungen sowie der künftigen Generationen – sie werden die Zeche zu berappen haben. Mit ihnen wird die Wirtschaft kräftig mitzahlen. Es ist weder ökonomisch sinnvoll noch fair, die Kosten für heutigen Luxus künftigen Generationen aufzubürden. Das ist ein sehr hoher Preis dafür, dass sich einige Politfunktionäre heute im «Erfolg» sonnen können.