BSV. Der Bundesrat empfiehlt die Ablehnung der Volksinitiative «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)». An seiner Sitzung vom 22. Juni 2022 hat er dem Parlament die Botschaft dazu unterbreitet. Eine Koppelung des Rentenalters an die Lebenserwartung berücksichtigt weder die sozialpolitische noch die arbeitsmarktliche Situation. Der Bundesrat setzt auf die laufenden Reformen zur Altersvorsorge, um das Leistungsniveau der AHV und der obligatorischen beruflichen Vorsorge zu erhalten und das finanzielle Gleichgewicht der ersten und zweiten Säule zu sichern.
Hansueli Schöchli kommentiert in der NZZ:
Der Bundesrat hat sich mit der Initiative spürbar schwergetan. Es war das erste Mal, dass er sich vertieft mit dem unpopulären Thema befassen musste. Im bürgerlichen Lager bestand die Hoffnung, dass er auf die Forderung eingehen und einen Gegenvorschlag präsentieren würde. Dass der für das Dossier zuständige Bundesrat, der Sozialdemokrat Alain Berset, daran kein Interesse hatte, liegt auf der Hand: einerseits aus parteipolitischen Gründen, andererseits, weil er die Vorlage «AHV 21» nicht gefährden will.
Seine bürgerlichen Kollegen hätten Berset jedoch zwingen können, einen Gegenvorschlag aufzusetzen. Es bestätigte sich indes die Regel, dass man sich in der Kollegialregierung nur ungern gegenseitig in die Parade fährt – in der heutigen Zusammensetzung ganz besonders. Das bürgerliche Quintett liess Berset gewähren. Am Freitag hat das Gremium definitiv beschlossen, die Initiative ohne Gegenvorschlag an das Parlament zu überweisen und zur Ablehnung zu empfehlen.
Die von den Jungfreisinnigen lancierte Renteninitiative mit der Forderung nach Erhöhung des Rentenalters auf 66/66 Jahre mit weiterer Anpassung an die Entwicklung der Lebenserwartung stösst auf ebenso grosse Unterstützung wie Gegnerschaft. Eine vom BSV in Auftrag gegebene Studie der Ecoplan untersucht die Folgen auf den Arbeitsmarkt. In der Einleitung heisst es dazu:
Wird länger gearbeitet, wenn das ordentliche Rentenalter erhöht wird? Von der vergangenen schrittweise Anhebung des Frauenrentenalters von 62 auf 64 in den Jahren 2001 und 2005 wissen wir, dass in erster Linie die Arbeitsmarktpartizipation und in geringerem Masse auch der Beschäftigungsgrad der 62- bzw. 63-jährigen Frauen zugenommen haben.
Die ökonometrische Studie von Lalive, Staubli (2015) schätzte, dass die Anhebung des ordentlichen Rentenalters der Frauen um ein Jahr dazu geführt hat, dass sich der Ausstieg aus dem Arbeitsmarkt um 7.9 Monate (bzw. 0.66 Jahre) und den Rentenbezug um etwa 6.6 Monate (bzw. 0.55 Jahre) verzögert hat. Im Vergleich mit anderen, ausländischen Studien zeigte sich damit für die Schweiz eine hohe Beschäftigungswirkung als Reaktion auf die Rentenaltererhöhung.
Inwieweit die Wirkungen der vergangenen Rentenaltererhöhung der Frauen auf deren Arbeitsmarktpartizipation auf die künftige Rentenaltererhöhung für Männer und Frauen aufgrund der Renteninitiative übertragbar ist, liegt nicht klar auf der Hand: Die individuellen Präferenzen in Bezug auf Arbeit und Freizeit und der Arbeitsmarkt ändern sich – die künftige Situation ist also nicht mehr direkt vergleichbar mit der vergangenen Situation bei den Frauenrentenaltererhöhungen.
Aufgrund der Unsicherheiten in Bezug auf die künftige Entwicklung wurden fünf verschiedene Szenarien gebildet. Mit Hilfe dieser Szenarien wurde abgeschätzt, wie stark die Erwerbsbevölkerung aufgrund der Renteninitiative im Vergleich mit dem Referenzszenario (A-00-2020) des Bundesamts für Statistik (BFS) zunehmen würde. Die Abbildung 3 fasst die aus heutiger Sicht wahrscheinlichste Schätzung (Szenario «Zentral», dunkelrot) und die aus den vier anderen Szenarien resultierten Bandbreiten der Auswirkungen der Renteninitiative auf die Erwerbsbevölkerung zusammen.
Das St.Galler Tagblatt befasst sich mit der misslichen Situation der AHV und der absehbar grossen Belastung der kommenden Generationen für deren Finanzierung. Kritisiert wird von den Jungparteien Yves Maillard, Präsident des Gewerkschaftsbunds.
In einem offenen Brief unterstellen die Jungparteien von GLP, EVP, Mitte und SVP dem SP-Nationalrat und Gewerkschaftschef Pierre-Yves Maillard, er setze die «soziale Sicherheit aller zukünftigen Generationen» aufs Spiel, indem er das Referendum gegen die AHV 21 anführe. «Sie nehmen mit Ihrer ideologischen Blockadehaltung die zusätzliche Belastung von Generationen in Kauf, die in Zukunft viele weitere Herausforderungen stemmen müssen», schreiben die Jungparteien im Brief weiter und fordern Maillard auf, davon abzukommen.
Zitiert wird u.a. Matthias Müller, Präsident der Jungfreisinnigen. Der Jungpartei geht die AHV21-Reform klar zu wenig weit.
Auch Matthias Müller, Präsident der Jungfreisinnigen, will bei der AHV vorwärtsmachen. Weil seine Partei die Parole für die AHV-Abstimmung allerdings erst im Juni fassen werde, habe er den offenen Brief nicht unterschrieben. Vermutlich laufe es an der Delegiertenversammlung auf ein «zähneknirschendes Ja» hinaus, so Müller. Pensionsalter an Lebenserwartung koppeln Zähneknirschend, weil «die Ausgleichsmassnahmen für die vorgesehenen Frauen-Jahrgänge die Jungen teuer zu stehen kommen».
Und weil die «Mini- Reform» den Jungfreisinnigen zu wenig weit geht: «Die Massnahmen reichen nicht aus, wir werden uns auch nach der Abstimmung vehement für unsere Renten-Initiative einsetzen.» Diese von den Jungfreisinnigen eingereichte Initiative sieht vor, dass das Pensionsalter auf 66 Jahre erhöht und anschliessend an die Lebenserwartung gekoppelt wird. Sie wird noch in diesem Jahr im Parlament beraten. Klar ist schon jetzt: Sollte die AHV 21 an der Urne scheitern, dürfte auch die Renten-Initiative kaum eine Chance haben vor dem Volk.
Matthias Müller und Patrick Eugster trommeln in der NZZ für die Renten-Initiative der Jungfreisinnigen.
Den bürgerlichen Kräften im Nationalrat sei Dank, hat die von Rot-Grün favorisierte Kompensationslösung mit einem Rentenzuschlag für alle Schiffbruch erlitten. Dieser wäre mit einem zusätzlichen halben Lohnprozent finanziert worden. Damit wäre mit unserem Drei-Säulen-System, das sich als ausgewogene Vorsorgelösung bewährt hat, gebrochen worden.
Denn mit einem Beitrag von 0,5 Prozent aus dem AHV-pflichtigen Jahreseinkommen würde ein Wesensmerkmal der AHV ins BVG eingeführt. Eine solche Umverteilung, die bei der AHV ausdrücklich gewollt ist, hat in der zweiten Säule nichts zu suchen. Der Ständerat wird dies bei seinen Beratungen hoffentlich beherzigen.
Im Ergebnis bleibt es bedauerlich, dass sich Bundesrat und Parlament einmal mehr in «Pflästerlipolitik» üben, statt das eigentliche Problem zu lösen. Der Elefant im Raum der Altersvorsorge – das zu tiefe Rentenalter – bleibt unberührt.
Zum Glück wird die Stimmbevölkerung schon bald über die Renteninitiative der Jungfreisinnigen befinden können, die den Elefanten aus dem Raum schafft: Mit der Anbindung des Rentenalters an die Lebenserwartung werden die erste und die zweite Säule endlich generationengerechter gestaltet und nachhaltiger finanziert.
Die Aargauer Zeitung schreibt zur Renteninitiative der Jungfreisinnigen, welche Rentenalter 66 und dann die Dynamisierung gemäss Lebenserwartung fordert:
Rentenalter 66 für alle bis im Jahr 2032, dann eine Koppelung des Rentenalters an die Lebenserwartung – das fordert die Volksinitiative der Jungfreisinnigen. Für die Unterschriftensammlung bleibt Zeit bis am 16. Juli. In den kommenden drei Wochen muss die Jungpartei einen Effort leisten, damit ihre Initiative zustande kommt.
Matthias Müller, der Präsident der Jungfreisinnigen, erklärt auf Anfrage: «Wir sind aktuell bei 87’000 beglaubigten Unterschriften.» Müller betont aber, dass bis Ende Juni Tausende Unterschriften dazu kämen, welche die Gemeinden meldeten.
Müller weist auf unerwartete Probleme im vergangenen Jahr hin. «Dass kurz nach dem Start der Unterschriftensammlung die Coronakrise ausbrach, hat unsere Bemühungen deutlich erschwert.» Trotzdem sei die Partei zuversichtlich, dass sie die nötige Anzahl Unterschriften sammeln werde.
Umlageergebnis der AHV in Mio. Franken bis 2045;
Quelle: Darstellung Gutachten; Daten: BSV
Was spricht für, was spricht gegen eine Erhöhung des Rentenalters? Der Verein “Volksinitiative für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)” – also die Jungfreisinnigen – haben zur Abklärung ihres Initiativbegehrens ein Gutachten bei Prof. C.A. Schaltegger und P. Leisbach von der Universutät Luzern in Auftrag gegeben. Die Autoren kommen – wenig überraschend – zu einem sehr positiven Schluss. Angesichts sinkender Geburtenraten, steigender Lebenserwartung und eines zunehmenden Ungleichgewichts zwischen Rentnern und Erwerbstätigen ist eine Rentenaltererhöhung unumgänglich.
Folgende Kontra- und Pro-Argumente werden untersucht: Kontra: (1) «Der Arbeitsmarkt ist für ein höheres Rentenalter gar nicht bereit – Ältere finden kaum mehr einen Job.» (2) «Längeres Arbeiten schafft Arbeitslosigkeit bei den Jungen.» (3) «Die Menschen sind gesundheitlich nicht in der Lage, über 65 zu arbeiten.» (4) «Die Produktivität sinkt mit zunehmendem Alter. Länger arbeiten macht deshalb keinen Sinn.» (5) «Es braucht keine Automatismen in der AHV. Das ‹Primat der Politik› muss gewahrt bleiben.» (6) «Lohngleichheit vor gleichem Rentenalter: Die Angleichung des Frauenrentenalters an jenes der Männer ist ungerecht, da die Frauen bei den Löhnen diskriminiert werden.» (7) «Rentenalter erhöhen heisst Leistungen kürzen – obwohl die Renten seit Jahrzehnten nicht erhöht wurden.» (8) «Die Finanzierungslücke lässt sich einfach mit höheren Steuern für Unternehmen und Reiche schliessen.» (9) «Die Produktivitätssteigerungen in der Wirtschaft müssen ein früheres Rentenalter zur Folge haben.»
Die Jungfreisinnigen haben ihre seit geraumer Zeit angekündigte Initiative für ein Rentenalter mit Anbindung an die Lebenserwartung gestartet. Im Text der Initiative wird eine Änderung der Bundesverfassung in Art. 112 gefordert. Der neue Artikel soll neu lauten:
Art. 112 Abs. 2 Bst. ater
2 Er [der Bund] beachtet dabei [beim Erlass der Vorschriften über die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge] folgende Grundsätze:
ater. Das Rentenalter ist an die durchschnittliche Lebenserwartung der schweizerischen Wohnbevölkerung im Alter von 65 Jahren gebunden; diese Lebenserwartung am 1. Januar des vierten Jahres nach Inkrafttreten dieser Bestimmung wird als Referenzwert festgesetzt; das Rentenalter entspricht der Differenz zwischen der Lebenserwartung und dem Referenzwert, multipliziert mit dem Faktor 0,8 zuzüglich 66; die Anpassung des Rentenalters erfolgt jährlich in Schritten von höchstens zwei Monaten; das Rentenalter wird den betroffenen Personen fünf Jahre vor Erreichen des Rentenalters bekannt gegeben;
Erläuternd heisst es dazu: Es wird festgehalten, dass das Rentenalter an die Lebenserwartung gebunden wird. Zudem wird die Regel definiert: Das Rentenalter wird um 80 Prozent der Zunahme der Lebenserwartung erhöht. Sprich: Wenn die Lebenserwartung um einen Monat ansteigt, erhöht sich das Rentenalter um 0,8 Monate. Weiter wird sichergestellt, dass die Erhöhung maximal 2 Monate pro Jahr beträgt. Anzumerken ist, dass gemäss den Bevölkerungsprognosen des Bundes die Erhöhung in der Realität etwa ein Monat pro Jahr betragen dürfte. Schliesslich wird festgehalten, dass das Rentenalter fünf Jahre vor der Pensionierung bekannt gegeben werden muss.
Die neue Regelung wird begleitet von mehreren Uebergangsvorschriften.
In der NZZ macht sich Aymo Brunetti, Professor an der Uni Bern, stark für die geplante Initiative der Jungfreisinnigen, gemäss welcher das Rentenalter in der AHV für beide Geschlechter zunächst in jährlichen Zwei-Monats-Schritten auf 66 angehoben und danach schrittweise – und nach einer vorgegebenen Formel – an die Entwicklung der Lebenserwartung angepasst werden soll. Brunetti schreibt:
Es ist sehr zu hoffen, dass diese Volksinitiative zustande kommt und damit die offizielle Schweiz gezwungen wird, sich in naher Zukunft mit einer wirklich nachhaltigen Reform der Altersvorsorge ernsthaft auseinanderzusetzen. Der Bundesrat und das Parlament müssten so der Bevölkerung die ehrliche Frage über die Reformstrategie stellen: Wollt ihr permanente Steuererhöhungen vor allem auf dem Buckel der Jungen, oder wollt ihr etwas länger arbeiten?
Natürlich wird die letztlich unvermeidliche Erhöhung des Rentenalters – egal wann das sein wird – kaum bei der ersten Abstimmung angenommen werden; es wird wohl mindestens zwei Anläufe brauchen. Das ist für mich aber gerade das schlagende Argument dafür, die politische Auseinandersetzung damit nicht mehr weiter aufzuschieben.
Die Jungfreisinnigen haben an ihrem ausserordentlichen Kongress eine Initiative für Rentenalter 66/66 mit anschliessender Anbindung an die Entwicklung der Lebenserwartung beschlossen. Auf ihrer Website heisst es:
Die Delegierten haben sich für die Lancierung einer Volksinitiative für ein Rentenalter 66/66 und die Anbindung an die Lebenserwartung entschieden. Das Rentenalter wird zunächst in 2-Monatsschritten auf 66 erhöht und anschliessend an die Entwicklung der Lebenserwartung gebunden (mit dem Faktor 0.80).
Die Initiative sieht Übergangsbestimmungen vor, wonach das Renteneintrittsalter fünf Jahre vor der Pensionierung bekannt sein muss. Dies garantiert den Bürgerinnen und Bürgern Planungssicherheit. Ebenso wird die schrittweise Erhöhung auf Rentenalter 66 und die Gleichstellung des Rentenalters explizit in den Übergangsbestimmungen geregelt. Schliesslich wird festgelegt, was passiert, wenn das Parlament für die Umsetzung der besagten Varianten zu viel Zeit verstreichen lässt.
Die Jungfreisinnigen Schweiz werden den Initiativentwurf nun der Bundeskanzlei übergeben und gleichzeitig ein überparteiliches Komitee mit allen Generationen bilden. Das Ziel ist, dass im August 2019 mit der Sammlung der Unterschriften gestartet werden kann.
Der Tages-Anzeiger schreibt über die Reformpläne zur AHV der Jungfreisinnigen mit einer Erhöhung des Rentenalters.
Gemäss einer neuen Umfrage von Tamedia unterstützt eine Mehrheit der Bevölkerung von 63 Prozent die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre. Allerdings ist die Zustimmung bei den Männern mit 72 Prozent viel höher als bei den Frauen mit 55 Prozent. Zu berücksichtigen ist zudem, dass das Volk nicht nur über das Rentenalter, sondern auch über die Steuererhöhung zu entscheiden hat.
Eine echte Reform sieht für die Jungfreisinnigen aber anders aus. Sie arbeiten an einer Volksinitiative, mit der das Rentenalter für Männer und Frauen auf mindestens 66 Jahre erhöht wird, um den Geldbedarf der AHV zu verringern. Die Jungfreisinnigen diskutieren vier Varianten und entscheiden in einem Monat, für welche sie Unterschriften sammeln. Möglich ist auch ein zweistufiges Vorgehen: Zuerst wird eine Initiative für Frauenrentenalter 65 lanciert, danach eine zweite Initiative zur generellen Anhebung des Rentenalters.
Allerdings wird das Volk mit der AHV-Reform ohnehin über Frauenrentenalter 65 abstimmen können. Andri Silberschmidt, Präsident der Jungfreisinnigen, geht deshalb davon aus, dass sich seine Partei für eine der folgenden Varianten entscheidet:
Variante 1: Das Rentenalter soll pro Jahr um zwei Monate bis auf 66 Jahre erhöht werden. Danach würde das Rentenalter in Abhängigkeit zur Lebenserwartung weiter ansteigen.
Variante 2: Das Rentenalter wird auf 66 Jahre erhöht. Fällt das AHV-Vermögen unter den Stand einer Jahresausgabe, wird das Rentenalter weiter erhöht.
Variante 3: Das Rentenalter wird auf 66 Jahre erhöht.
Der Blick berichtet über die Standpunkte der Jungparteien zum Thema Rentenalter nach der STAF-Abstimmung:
Einen neuen Vorschlag, der viel politischen Zündstoff birgt, bringen die JungenGrünliberalen in die Debatte ein. Sie wollen die AHV-Rente für reiche Rentner streichen! «Heute beziehen Tausende Superreiche eine AHV-Rente, die sie nicht zur Existenzsicherung benötigen», sagt JGLP-Co-Präsident Tobias Vögeli (23) zu BLICK.
Auf eine fixe Grenze will sich Vögeli noch nicht festlegen. Seine Partei hat aber ein Modell durchgerechnet, wonach bei einem steuerbaren Vermögen über 5 Millionen Franken die AHV entfällt. Gemäss ihrer Schätzung würde das rund 18’000 Rentner betreffen. Bei der heutigen Maximal-Einzelrente von 28’440 Franken pro Jahr summiert sich die Einsparung auf rund 500 Millionen Franken. «Die Höhe der Grenze müsste man diskutieren», sagt Vögeli. «Aber auch konservativ gerechnet würde die AHV mehrere Hundert Millionen Franken einsparen.»
Allerdings knüpft Vögeli den radikalen Vorschlag an eine Bedingung: «Im Gegenzug muss die Umverteilung in der zweiten Säule gestoppt und das Rentenalter 67 eingeführt werden.» In der zweiten Säule finde eine Umverteilung von Jung zu Alt sowie von hohen zu niedrigen Einkommen statt. «Das war nie so gedacht. In der zweiten Säule soll jeder für sich selber sparen.»
Auch die anderen bürgerlichen Jungparteien pochen auf ein höheres Rentenalter. So planen die Jungfreisinnigen bereits eine Volksinitiative, die in diese Richtung zielt. «Das Problem der steigenden Lebenserwartung müssen wir zwingend angehen», sagt Parteichef Andri Silberschmidt (25). «Um eine Erhöhung des Rentenalters kommen wir nicht herum.»
Am Montag [20.5.19] wollen die Jungfreisinnigen vier Initiativvarianten vorstellen. Genaueres will Silberschmidt noch nicht verraten. Dem Vernehmen nach ist auch das Rentenalter 66 für Männer und Frauen eine Option. Mitte Juni werden die Jungfreisinnigen über ihr definitives Initiativprojekt entscheiden. «Dann können wir nach den Sommerferien mit der Unterschriftensammlung starten und so auch Druck auf die AHV-Reform ausüben», so Silberschmidt.
«Eine Erhöhung des Frauenrentenalters ist nur ein erster Schritt, weitere müssen folgen», sagt auch Camille Lothe (25) von der Jungen SVP. Zudem dürfe der Geldhahn nicht noch weiter geöffnet werden. «Eine reine Finanzierungslösung ist Gift für die AHV und wird deren strukturelle Probleme nicht lösen», warnt sie.
Ganz anders tönt es auf der linken Seite. «Wir werden jede noch so kleine Erhöhung des Rentenalters mit einem Referendum bekämpfen», sagt Juso-Chefin Tamara Funiciello (29). «Es kann nicht sein, dass die reichsten 300 Menschen in diesem Land 60 Milliarden Franken reicher werden und man uns auf der anderen Seite erzählt, dass wir kein Geld für die AHV haben.»
Sie verweist auf die von den Juso im April eingereichte 99-Prozent-Initiative, die Kapitaleinkommen stärker besteuern will. Für sie ist klar: «Die Bürgerlichen reden die AHV schlecht, um den Sozialabbau voranzutreiben.»
Andri Silberschmidt, Präsident der Jungfreisinnigen, im Abstimmungskampf
Stimmungsbild vom Abstimmungskampf um die AV2020 im Tages-Anzeiger. Die Gegner kommen nicht gut weg. Andri Silberschmidt von den Jungfreisinnigen wird zum Inbegriff der smarten coolen Gutverdienenden – wo doch der TA sonst immer von der jungen, urbanen Elite schwärmt. Dabei wird aber wohl nicht an die Freisinnigen gedacht. Gegenstück ist Bundesrat Berset, der als lonely Rider in Nidwalden für seine Reform kämpft. Einsam, tapfer, standhaft. Verlassen selbst von den Jungsozialisten.
Maja Briner schreibt in der Luzerner Zeitung über die Aktivitäten der Jungparteien zur Altersvorsorge 2020. Dabei geht es auch das Gewinnen von Sponsoren.
Die Junge CVP stellt eine eigene Pro-Kampagne auf die Beine, die Junge FDP eine eigene dagegen. «Es wird eine der grössten Kampagnen der Jungfreisinnigen», sagt Präsident Andri Silberschmidt. Geplant seien ab August Aktionstage, Plakate und Videos. Die Jungfreisinnigen streben ein Budget von um die 30000 Franken an. «Wir sind noch am Sammeln», sagt Silberschmidt. Das Geld stamme von Verbänden und Mitgliedern.
Halb so gross ist das Budget der Jungen CVP für ihre Pro-Kampagne. Die Versicherung AxaWinterthur unterstützt diese mit 10000 Franken, die JCVP will zudem eigene Mittel von maximal 5000 Franken einschiessen, wie Präsident Tino Schneider sagt. Die JCVP will auf das Internet setzen, zudem seien viele Standaktionen geplant. «Wir wollen mit unserer Kampagne vor allem die jüngere Generation ansprechen und sie darauf hinweisen, dass diese Abstimmung für die Jungen ausserordentlich wichtig ist», sagt Schneider. (…)
Speziell ist die Situation der Jungsozialisten: Sie stellen sich gegen die Mutterpartei und lehnen die Rentenreform wegen der Erhöhung des Frauenrentenalters und der Senkung des Umwandlungssatzes ab. «Es ist keine Frage von Generationengerechtigkeit, sondern von Arm gegen Reich», sagt Präsidentin Tamara Funiciello. «Es wird zu wenig Geld in die Altersvorsorge gesteckt, obwohl genügend vorhanden wäre.» Die Juso engagiert sich beim linken Nein-Komitee, eine eigene Kampagne macht sie nicht. «Wir werden im August eine eigene Initiative lancieren, deshalb sind unsere Ressourcen beschränkt», begründet Funiciello.
Die NZZ schreibt: FDP, SVP und die Wirtschaftsverbände stimmen sich ein auf die Bekämpfung der Rentenreform an der Urne. Westschweizer Gewerkschafter treiben wegen des höheren Frauenrentenalters ein Referendum voran. Weiter heisst es:
Die Reaktionen auf das haarscharfe Ja zur Rentenreform kamen schnell und scharf. Für die FDP ist sie eine Scheinlösung, die den Namen «Reform» nicht verdient, und ein «Brandbeschleuniger für trockene AHV-Finanzen». Über die Parole für die Volksabstimmung am 24. September entscheide die Delegiertenversammlung. «Aber ich gehe davon aus, dass das eine klare Sache wird», sagte FDP-Fraktionspräsident Ignazio Cassis auf Anfrage.
Nächsten Montag treffen sich die Kantonalpräsidenten, um zu entscheiden, ob die FDP im Abstimmungskampf eine aktive Rolle übernimmt. Bereits entschlossen zeigten sich die Jungfreisinnigen. «Wir werden die Rentenreform mit vollem Einsatz bekämpfen», kündigte Präsident AndriSilberschmidt an. Wie bei der Initiative «AHV plus» werde ein Bund von Jungparteien angestrebt, die gemeinsam gegen den «Rentenbschiss» mobilisierten.
Bei der SVP ist die Nein-Parole ebenfalls beschlossene Sache. Das Ziel, die AHV aus ihrer Schieflage zu retten, werde mehr als nur verfehlt. Die AHV werde zulasten der Jungen an die Wand gefahren. «Die SVP wird gegen diese Vorlage und damit für die Rettung der AHV antreten», kündigte sie an.
Wie aktiv sich die Wirtschaftsverbände engagieren, ist offen. Aber die Nein-Parole scheint eine Formalität. «Es ist nicht absehbar, dass wir die Reform unterstützen», sagte Martin Kaiser vom Arbeitgeberverband. Auch beim Gewerbeverband (SGV) ist ein Nein wahrscheinlich, wie Direktor Hans-UlrichBigler sagte. Der Verband entscheide Ende April, wie er sich positioniere und wer den Lead übernehme. Die Mitteilung des SGV richtet sich bereits direkt an die Stimmberechtigten. Die Zeche bezahlten KMU, Konsumenten und die Jungen mit höheren Abgaben. «Es ist absehbar, dass dies in der Abstimmung grossen Widerstand hervorrufen wird.» So sei mehr als fraglich, ob diese Vorlage vor dem Volk bestehen könne.