Wenn jede Schätzkorrektur ein paar Milliarden Franken bringt, muss man sich für die Zukunft der AHV keine Sorgen machen. Noch im Mai 2024 war laut dem mittleren Bundesszenario zu erwarten, dass die AHV 2035 ohne Sanierungsmassnahmen ein Defizit von 8,9 Milliarden Franken produzieren würde.
Nach dem Entdecken unrealistischer Annahmen und Formeln sah das Bild aufgrund des verbesserten Schätzmodells deutlich weniger düster aus – mit einem geschätzten Defizit von 6,1 Milliarden für 2035.
Nach der jüngsten Korrektur von dieser Woche beträgt das erwartete Minus im mittleren Szenario noch 4,2 Milliarden Franken. Die genannten Zahlen beziehen sich auf das Umlageergebnis – Einnahmen minus Ausgaben ohne Berücksichtigung der stark schwankenden Kapitalerträge.
Die jüngste Korrektur enthielt keine erneute Revision des Schätzmodells; es war vielmehr eine «normale» Korrektur, vor allem als Folge der günstigeren Demografieszenarien.
Wie immer lässt sich nicht voraussagen, ob die neusten Zahlen eher zu pessimistisch oder zu optimistisch sind. Klar ist nur die grosse Unsicherheit: Die Schätzbandbreite für das Umlagedefizit 2035 reicht nun je nach Annahmen von 900 Millionen bis zu 7,2 Milliarden Franken. Jeder darf sich hier nach seinem Gusto etwas aussuchen.
Doch die Schätzungen im mittleren Szenario (Referenzszenario) können die politische Dynamik verändern. Die in Aussicht gestellte AHV-Reform für das Jahrzehnt nach 2030 braucht es in diesem Szenario nicht mehr unbedingt. Es braucht «nur» noch eine Finanzierung der 13. Monatsrente.
Auf den ersten Blick heisst dies: Wer hoffte, dass mit der nächsten Reform auch eine allgemeine Erhöhung des Rentenalters kommen wird, muss diese Hoffnung wohl begraben. Denn eine Rentenaltererhöhung nach 2030 erscheint nun in einer gewissen Lesart nicht nur unpopulär, sondern auch noch «unnötig».
Das haben die Gewerkschaften auch bereits betont. Die Chancen für eine Rentenaltererhöhung in der nächsten Reform erschienen schon zuvor nicht gross. So hatte der Bundesrat im Mai dieses Jahres bereits entschieden, für die nächste Reform keine Rentenaltererhöhung vorzuschlagen.
Der Arbeitgeberverband zeigt sich dennoch tapfer. Seine Botschaft: Auch mit den neusten Zahlen seien wegen der 13. Monatsrente ab 2026 Milliardendefizite zu erwarten – die Arbeitgeber akzeptierten zwar für die kurzfristige Finanzierung der Zusatzrente eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, doch diese müsse befristet sein, bis die nächste Reform ab etwa 2030 greife.
Und diese nächste Reform müsse auch beim Rentenalter ansetzen. Der Haken in diesem Szenario: Selbst wenn das Parlament eine Erhöhung der Mehrwertsteuer mit dem Adjektiv «befristet» beschliessen würde, ist es erfahrungsgemäss sehr unwahrscheinlich, dass es bei dieser Befristung bleibt. (…)
Die 13. AHV-Monatsrente liesse sich im Prinzip durch eine allgemeine Erhöhung des Rentenalters um ungefähr ein Jahr finanzieren. Aber das wagt kaum ein Politiker mit Selbsterhaltungstrieb zu fordern. Der Bundesrat will zur Finanzierung die Mehrwertsteuer um 0,7 Prozentpunkte erhöhen. Von Befristung ist keine Rede.
Der Ständerat beschloss diesen Juni kraft einer Mitte-links-Allianz, die Mehrwertsteuer noch stärker anzuheben und auch die Lohnabzüge zu erhöhen, damit der von der Mitte-Volksinitiative geforderte weitere AHV-Ausbau bei den Ehepaarrenten auch bereits finanziert wäre. Nur damit sicher niemand auf die Idee kommt, zur Finanzierung der Mitte-Initiative das Rentenalter anzutasten.
NZZ / Aktualisierte Finanzperspektiven / Syna