– Fortsetzung –
Lieber Herr Silberschmidt
Sie haben recht: die Reform erfüllt diverse Forderungen, die an sie gestellt wurden. Der Koordinationsabzug wird gesenkt, die berufliche Vorsorge für Teilzeit- und Mehrfachbeschäftigte geöffnet. Die Beitragsstaffelung wird vereinfacht und für Ältere weniger nachteilig. Aber: Wer gegen die Reform ist, muss nicht grundsätzlich gegen diese Ziele sein. Die Frage ist bloss, mit welchen Mitteln werden sie erreicht und mit welchen Konsequenzen.
Abgesehen von der missglücken Kompensationslösung, stellen sich zahlreiche Fragen. Auch wenn die Linke rein aus politischem Opportunismus das Referendum ergreift, hat sie einen Punkt: Die Ausweitung der Versicherung für kleine Einkommen geht zu weit. Da werden falsche Erwartungen geschürt und mit viel Aufwand Kleinstrenten erzeugt, die mehr kosten als nützen. Die vielbeklagte Umverteilung geht ungebremst weiter. Wie von c-alm berechnet, dauert es 28 Jahre, bis die Verringerung durch die UWS-Senkung netto Wirkung zeigt. Da haben wir also Null Fortschritt.
Nun kann man, wie Sie schreiben, Verständnis dafür haben, dass weit mehr als die 15 Prozent der von der UWS-Senkung Betroffenen, nun lebenslang einen Zuschlag erhalten, nachdem sie vorher durch die zu hohen Umwandlungssätze Einbussen erleiden mussten. Aber das Spiel geht einfach weiter, eine Benachteiligung wird durch eine neue ersetzt.
Sie gehen nicht auf mein Argument ein, dass der Kompensationsmechanismus für die 2. Säule aus grundsätzlichen Überlegungen abzulehnen ist, weil damit ihre Grundlage unterminiert wird. Aus politischer Sicht scheint mir das von besonderer Wichtigkeit.
Man hat die Ziele erreicht, aber mit zu hohen Kosten und unerwünschten Nebenwirkungen. «Schlechtes Handwerk», wird von Expertenseite dem Parlament vorgeworfen. Ob der Status Quo oder die Reform besser ist, die linken Gegner von der Ablehnung mit ihren Plänen für den AHV-Ausbau von der Ablehnung profitieren, das sind Fragen der politischen Einschätzung. Schade jedenfalls, dass die bürgerlichen Parteien nichts Besseres zustande gebracht haben.
Mit freundlichen Grüssen
Peter Wirth, E-Mail
Lieber Herr Wirth
Vielen Dank für Ihre Replik. Sie schreiben, dass wer gegen diese Reform ist, nicht grundsätzlich gegen diese Ziele sein muss. Da haben Sie einen Punkt. Nur muss man sich die Frage stellen, ob dann diese Ziele mit einem Nein zur Reform eher erreicht würden. Was spricht dafür, dass eine neue Reform komplett anders aussehen würde als die vorliegende? Wie hoch ist aber auch das Risiko, dass eine nächste Reform schlechter aussieht und eine Mehrheit findet?
Die minimale Ausweitung des Versichertenkreises erachte ich als richtig und wichtig. Es ist nicht so, dass diese Personen ihr Leben lang wenig verdienen. Die Erwerbsbiografien sind immer vielfältiger und so sollte auch das gesetzliche Minimum flexibler (und somit tiefer) werden.
Natürlich kann man errechnen, dass die Reform netto erst nach gut 20 Jahren eine tiefere Umverteilung mit sich bringt. Aber wenn man keine Reform respektive Senkung des Umwandlungssatzes vornimmt, dann hat man noch länger als 28 Jahre diese Umverteilung. Im Endeffekt ist doch wichtig, ob die Reform netto das System verbessert oder nicht. Ich hätte auch gerne ab Tag 1 eine Verbesserung. Aber dafür gab es bisher keine Mehrheiten im Rat oder im Volk. So habe ich lieber eine mittel- bis langfristige Verbesserung als gar keine.
Aus versicherungsmathematischen Grundsätzen ritzt der Kompensationsmechanismus am puristischen Prinzip der zweiten Säule. Da gebe ich Ihnen Recht. Nur stellt sich die Frage, ob es aus politischer Sicht nicht das Kompromisselement ist, welches die zweite Säule insgesamt stärkt. Das ist das einzige Zugeständnis, das man in der Reform machen musste. Ansonsten haben wir uns in allen Punkten erfolgreich zu Gunsten einer Modernisierung des BVGs durchsetzen können. Wenn nun aber das BVG nicht mehr reformiert werden kann, sehe ich die Gefahr, dass insbesondere das Vollversicherungsgeschäft weiter leiden wird. Das wird den Druck und die Forderungen nach einer staatlichen Vollversicherung erhöhen.
Ich teile Ihre Einschätzung, dass es schade ist, dass das Resultat der Reform nicht noch besser ausgefallen ist. Die FDP konnte noch lange nicht alle Forderungen erfolgreich umsetzen. Aber man muss auch zugestehen, dass eine Vorlage, die 100% den Vorstellungen von Ihnen oder mir entspricht, in einer Volksabstimmung nicht einfacher zu gewinnen wäre. So machen wir vielleicht doch lieber die kleinen Schritte und haben den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.
Beste Grüsse
Andri Silberschmidt, E-Mail
Damit beenden wir vorläufig den Dialog mit Nationalrat Andri Silberschmidt und danken für seine Bereitschaft, in unserem Newsletter Stellung zu beziehen.
Wir sind interessiert an Ihrer Meinung zu unseren Argumenten. Falls Sie sich an der Diskussion beteiligen wollen, senden Sie uns eine E-Mail.
1. Folge des Dialogs.