imageDer Schweizer Think Tank äussert sich kritisch zur BVG-Revision, die im März kommenden Jahres zur Abstimmung kommt.

Die Reform BVG 21 geht auf ein Problem ein, das bereits vor einem Vierteljahrhundert erkannt wurde. Doch in der Zwischenzeit wenden 91% aller Kassen einen Umwandlungssatz an, der unter dem BVG-Mindestsatz liegt. 88% der Vorsorgeeinrichtungen haben den Koordinationsabzug entweder abgeschafft oder flexibilisiert. Die Politik versucht nun, so gut es geht auf den bereits abgefahrenen Zug aufzuspringen. Doch der Preis dafür ist hoch.

Es stimmt zwar, dass die jüngste Reform die Querfinanzierung der Rentner durch die aktiven Beitragszahler um 400 Millionen Franken pro Jahr verringert. Doch die im Gegenzug vereinbarten Kompensationsmassnahmen werden die Erwerbstätigen jährlich 800 Millionen Franken kosten. Es ist wie ein verkehrtes Sonderangebot: Statt «zwei für eins» bezahlt man zwei Artikel, bekommt aber nur einen. Die Reform rennt nicht nur offene Türen ein, sie verstärkt auch noch die Generationenungerechtigkeit.

Die laufende Reform vereinnahmt die Politik und lenkt sie von den neuen Herausforderungen ab. Seit der Rückkehr der Inflation lässt sich eine Umkehr der versicherungsmathematischen Trends beobachten. Laut Swisscanto steigen die langfristigen nominalen Renditeerwartungen (technischer Zinssatz) zum ersten Mal seit 1985 wieder an. Angesichts der Inflation wird der Erhalt der Kaufkraft der Rentner erneut zu einer Priorität. Dennoch ist es nach der stufenweisen Senkung der Umwandlungssätze wichtig, bei den Rentnern eine Differenzierung nach Renteneintrittsjahr vorzunehmen. Es gilt, eine Indexierung nach dem Giesskannenprinzip zu vermeiden und für ein Gleichgewicht zwischen den Kohorten zu sorgen.

Dieses Gleichgewicht muss auch gegenüber den aktiven Versicherten gewahrt werden, denn auch sie sind von der Inflation betroffen: bei ihren Reallöhnen und damit bei ihren Beiträgen, aber auch bei ihren Vorsorgeguthaben. Ist die Verzinsung der Altersguthaben tiefer als die Inflation, so verlieren diese Sparguthaben und damit auch die zukünftigen Renten an Wert.

Dies war 2022 der Fall, als die durchschnittliche Verzinsung mit 1,9% beinahe einen Prozentpunkt unterhalb der Teuerungsrate von 2,8% lag. Wenn sich die Politik der Inflationsproblematik in der Vorsorge annimmt, ist es besonders wichtig, dass nicht nur auf die Forderungen der Rentner eingegangen wird, sondern auch die Interessen der Erwerbstätigen berücksichtigt werden.

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