pw. Im Alleingang ist es dem ehemaligen PwC-Pensionskassenchef Josef Bachmann gelungen, das Thema “flexible Renten” auf die Tagesordnung zu setzen. Das Schweizer Fernsehen hat ihm und seinem Anliegen gleich drei Kurzbeiträge gewidmet. Dabei hat er nicht nur die vereinigte Linke, denen schon der blosse Gedanke an “Wackelrenten” den Angstschweiss ins Gesicht treibt, sondern auch die massgeblichen Fachverbände gegen sich. Diese beklagen zwar die enorme Umverteilung, mit denen die Rentengarantie finanziert wird, sind aber aus politischen Gründen nicht zu echten Korrekturmassnahmen bereit.
Rentenreform
Unerklärte und andere Gründe für Lohnunterschiede
Die Linke nutzt die bestehenden Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern als Druckmittel gegen die Angleichung der Rentenalter. Das Thema ist deshalb für die laufende Rentenreform von Bedeutung. Das BSF hat neue Zahlen für 2016 publiziert. In seinem Bericht heisst es:
Nahezu zwei von drei Vollzeitstellen mit einem Bruttolohn von weniger als 4000 Franken pro Monat waren 2016 von Frauen besetzt. Die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern sind zwischen 2012 und 2014 von 21,3% auf 19,5% stetig zurückgegangen. 2016 betrugen sie 19,6%. Gemäss den Ergebnissen des Bundesamtes für Statistik (BFS) sind 42,9% dieser Lohnunterschiede unerklärt.
Im privaten Sektor verdienten Frauen im Jahr 2016 durchschnittlich 19,6% weniger (arithmetisches Mittel) als ihre männlichen Kollegen (2014: 19,5%). Die Lohnunterschiede sind teilweise auf strukturelle Faktoren wie das Bildungsniveau, die Anzahl Dienstjahre oder die Ausübung einer Führungsfunktion zurückzuführen. Dennoch lässt sich feststellen, dass die Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern grösser ausfällt, je höher die Kaderfunktion ist.
Die Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern variieren auch nach Wirtschaftszweigen stark. Im Gastgewerbe betrugen sie beispielsweise 8,3%, im Detailhandel 17,8%, in der Maschinenindustrie 23,0% und im Kredit- und Versicherungsgewerbe 33,3%.
Im gesamten öffentlichen Sektor (Bund, Kantone, Gemeinden) lag der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern 2016 durchschnittlich bei 16,7% (2014: 16,6%).
Die rund 43% des “unerklärten Lohnunterschieds” sind beträchtlich, sind aber wesentlich auf die international standardisierten und sog. objektiven Faktoren zurückzuführen, welche als Gründe akzeptiert werden. Verheiratung und Mutterschaft gehören, weshalb auch immer, nicht dazu. Werden sie berücksichtigt, ändert sich das Bild grundlegend, die Differenzen nehmen stark ab. Das lässt sich anhand der Lohnstudie 2016 des Statistischen Amts des Kt. Zürich zeigen. Dort wird ausgeführt:
Die Ähnlichkeit von «kinderlosen Frauen» und Männern widerspiegelt sich auch in ihrer Branchenzugehörigkeit. Die Branchenabschnitte sind anhand ihrer Medianlöhne in Hoch- und Tieflohnbranchen eingeteilt.
«Mütter» arbeiten mehrheitlich in Branchen mit mittlerem (z.B. Gesundheitswesen) oder tiefem Lohnniveau (z.B. Handel). Sie sind weniger häufig in Höchst- oder Hochlohnbranchen wie den Finanzdienstleistungen oder in der Informations- und Kommunikationsbranche tätig. Demgegenüber arbeiten 20% der «kinderlosen Frauen» in diesen Branchen mit höchstem Lohnniveau – mehr sogar als Männer. Die Qualifikations- und Stellenmerkmale der anderen Frauen liegen zwischen denjenigen der «Mütter» und den «kinderlosen Frauen».
Diese unterschiedlichen Qualifikations- und Stelleneigenschaften widerspiegeln sich erwartungsgemäss auch in den Löhnen: der Medianlohn «kinderloser Frauen» beträgt 7’100 Franken, derjenige von «Müttern» 5’800 Franken. Für «kinderlose Frauen» beträgt der Lohnunterschied zu den Männern (7’800) damit weniger als 10%, wohingegen er für «Mütter» über 25% beträgt.
Mitteilung BFS / Lohnstudie Kt. ZH
Gegen flexible Renten
Der Pensionskassenverband schreibt in einer Medienmitteilung:
Der ASIP begrüsst es, dass die Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates sich für die Sicherheit und Zuverlässigkeit der laufenden Renten entschieden hat. Einem Vorschlag, laufende Renten in der beruflichen Vorsorge kürzen zu können, erteilte sie eine Absage. „Aus Sicht des Schweizerischen Pensionskassenverbands ASIP muss ein Mindestschutz garantiert sein, sonst würden die Verlässlichkeit des Systems ‚Berufliche Vorsorge‘ und das Vertrauen der Versicherten überstrapaziert“, so ASIP-Direktor Hanspeter Konrad. Eine Kürzung laufender Renten verstösst gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Die Versicherten wollen zu Recht Sicherheit. Dafür setzt sich auch der ASIP ein.
Anstelle von Rentenkürzungen, die am Fundament des Systems rütteln, sollten garantierte Leistungen heute vielmehr vorsichtig definiert werden, damit später über eine Verteilung der Überschüsse Leistungsverbesserungen beschlossen werden können.
Referendum gegen “Kuhhandel” geschafft?
“Der «Kuhhandel» kommt vors Volk: Die jungen Grünen und ihre Verbündeten haben die nötigen Unterschriften für das Referendum gegen das umstrittene Paket wohl beisammen. Sie dürften nicht auf die Unterschriften der bürgerlichen Gegner der Vorlage angewiesen sein. Das wollen sie im Abstimmungskampf ausnützen”, heisst es auf watson. «Unser Komitee hat deutlich über 50’000 Unterschriften gesammelt», sagt Luzian Franzini, Co-Präsident der jungen Grünen, auf Anfrage von watson. Die Frist für das Sammeln der Unterschriften endet am 3. Januar.
Referendum gegen AHV/Steuer-Deal knapp vor dem Ziel
In der NZZ wird der aktuelle Stand des Referendums gegen den AHV/Steuer-Beschluss des Parlaments so geschildert:
Gemäss Rückfragen vom Freitag sieht die Bilanz derzeit etwa so aus: Das links-grüne Komitee hat rund 45’000 Unterschriften gesammelt. das von Vertretern der Jungen SVP und der Jungen FDP gegründete bürgerliche Komitee schätzungsweise 5000 und das zweite bürgerliche Komitee, das von den Jungen Grünliberalen lanciert wurde, etwa 3000.
Dies ergäbe zusammen um die 53000 Unterschriften, was im Prinzip über dem notwendigen Minimum von 50 000 liegt. Trotzdem dürfte dies noch nicht ganz reichen: Wie die Rcferendumskomitees betonen, scheitern erfahrungsgemäss etwa 10 Prozent der gesammelten Unterschriften an der Hürde der Beglaubigung in den Gemeinden, zum Beispiel weil Unterzeichner gar nicht stimmberechtigt sind oder weil gewisse Stimmbürger zweimal unterschrieben haben.
Die Referendumsfrist läuft noch bis Ende Jahr.
Initiative für faire Vorsorge: Medienreaktionen
Die von Josef Bachmann geplante Initiative hat zu diversen Reaktionen in den Medien geführt. In der NZZ schreibt Hansueli Schöchli:
Aus Sicht der Generationengerechtigkeit sind die Forderungen der Initiative überfällig. Die Oberaufsicht der beruflichen Vorsorge hatte dieses Jahr zum Beispiel deutlich gemacht, dass die Altersrenten in den letzten vier Jahren etwa einen Viertel zu hoch waren und im Mittel pro Jahr etwa 6 bis 7 Milliarden Franken zulasten der Jüngeren umverteilt wurden. Bei der AHV sind derweil zur Deckung der drohenden Finanzlöcher fast nur Zusatzeinnahmen anstelle des Stopps des ständigen Leistungsausbaus im Gespräch. Zusatzeinnahmen gehen grossenteils zulasten der Jüngeren. Steigen zum Beispiel die Lohnbeiträge für die AHV, zahlt ein 20-Jähriger diese Zusatzabgabe noch 45 Jahre lang, ein 60-Jähriger zahlt nur noch 5 Jahre lang, und ein Rentner zahlt überhaupt nichts mehr. Die allgemeine Erhöhung des Rentenalters würde dagegen alle Generationen etwa gleich treffen.
Doch nach bisherigen Erfahrungen dürften die Forderungen der Volksinitiative eher unpopulär sein – weil die eingangs erwähnte Neigung zur Verschiebung von Hypotheken auf die Jüngeren nach wie vor mehrheitsfähig zu sein scheint. Bei den Urnengängern sind die Älteren klar in der Mehrheit. Die Folgegenerationen können zum einen Teil noch nicht mitreden, weil sie noch zu jung bzw. noch gar nicht geboren sind. Zum anderen Teil mag die Altersvorsorge für junge Stimmberechtigte noch zu weit weg sein, um aus ihrer Sicht eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Thema zu rechtfertigen.
Janine Hosp schreibt im Tages-Anzeiger:
«Nüchtern betrachtet, habe ich keine Chance», sagt Josef Bachmann selber. Die Renten seien in der Schweiz ein Tabu. Bachmann sitzt vor seinem auf- geklappten Laptop in einem Restaurant im Zürcher Hauptbahnhof und setzt dazu an, seine Forderung anhand von Kuchengrafiken, Säulen, Tabellen und Zeitdiagrammen verständlich zu machen. Er ist sicher: Würde heute über seine Initiative abgestimmt, dann sagten 99 von 100 Stimmenden Nein. Auch Rentner sollen Ja sagen Eine ideale Ausgangslage, findet er. Während viele Volksinitiativen fulminant starten, dann aber stetig an Zuspruch verlieren, soll es bei seiner umgekehrt sein. «Nein sagen nur jene, die die Zusammenhänge nicht kennen», sagt Bachmann. Das ist seine Chance. (…)
Josef Bachmann weiss, wovon er spricht: Er war Geschäftsführer der Pensionskasse des Beratungsunternehmens PWC und wurde, wie er sagt, mit 67 «vor- zeitig» pensioniert. Seiner Meinung nach läge heute das «natürliche Rücktrittsalter» bei etwa 70, dann hätten Schweizerinnen und Schweizer nach ihrer Pensionierung noch gleich lange zu leben wie 1985, als die berufliche Vorsorge obligatorisch wurde.
NZZ / Initiative / Website Vorsorge aber fair
Volksinitiative „Für eine generationengerechte Altersvorsorge“
Josef Bachmann, ehemaliger Geschäftsführer der PwC-Pensionskasse, startet mit Gleichgesinnten eine Volksinitiative “für eine generationengerechte Altersvorsorge”. Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass in der laufenden Diskussion um die Sozialwerke kein Lösungsansatz sichtbar ist, der über das Einschiessen von weiteren Milliarden zur kurzfristigen Stabilisierung des Status Quo sichtbar ist. Das in Form einer allgemeinen Anregung formulierte Begehren und seine Begründung lauten wie folgt:
Die unterzeichneten stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürger stellen hiermit im Sinne von Artikel 139 der Bundesverfassung in Form der allgemeinen Anregung das nachstehende Begehren.
Die finanzielle Stabilität der Alters- und Hinterlassenenversicherung sowie der beruflichen Vorsorge ist langfristig unter Wahrung der Generationengerechtigkeit sicherzustellen.
Dabei sind folgende Richtlinien zu beachten:
1. Die berufliche Vorsorge wird im Kapitaldeckungsverfahren finanziert. Eine systemfremde Umverteilung ist zu vermeiden.
2. Beiträge und Leistungen sind so festzulegen, dass langfristig die Generationengerechtigkeit gewährleistet ist. Die Altersrenten der beruflichen Vorsorge werden laufend regelbasiert, an die Rahmenbedingungen (namentlich Anlageerträge unter Berücksichtigung des Anlagerisikos, Demographie und Teuerung, nicht abschliessend) angepasst. Bei der Festlegung der Leistungen steht die Erhaltung der Kaufkraft und damit die Sicherung des Lebensstandards im Vordergrund, nicht der Nominalwert der Rente.
3. Bereits laufende Altersrenten der beruflichen Vorsorge können gesenkt werden, um die Umverteilung zwischen den Generationen zu begrenzen. Anpassungen erfolgen in moderaten Schritten. Verbessern sich die finanziellen Rahmenbedingungen, werden die Renten erhöht.
4. Das für die Administration der Renten notwendige Referenzrücktrittsalter (in der 1. und 2. Säule) wird unter Berücksichtigung der Lebenserwartung regelmässig angepasst. Es ist für Frauen und Männer gleich. Der Zeitpunkt der effektiven Pensionierung wird individuell, in persönlicher Absprache zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, festgelegt.
Begründung / Erläuterungen
Durch Annahme der Initiative wird der Gesetzgeber dabei unterstützt, unpopuläre aber notwendige und nachhaltige Gesetze für die Reform der Vorsorge zu erlassen.
1. Die berufliche Vorsorge soll gestärkt werden und auch in Zukunft ihren tragenden Beitrag zur stabilen Altersvorsorge im Rahmen des Drei-Säulen-Konzepts leisten.
“Altersvorsorge neu gedacht”
Axel P. Lehmann, Präsident der UBS Schweiz, hat in der NZZ seine Überlegungen zur Reform der Altersvorsorge publiziert.
Auch bei der zweiten Säule bedarf es neuer Ansätze. Dies wird durch das aktuelle und langanhaltende Tiefzinsumfeld unterstrichen. Als die Zinsen sanken, konnten die Vorsorgeeinrichtungen, die im Durchschnitt 30 Prozent in Obligationen halten, vom steigenden Anleihewert profitieren. Nun sind wir an einem schmerzhaften Tiefpunkt angekommen. Den Pensionskassen gehen jährlich Hunderte von Millionen Franken verloren durch Mindereinnahmen wegen tiefer Zinsen und Mehrausgaben aufgrund von Negativzinsen auf Kapitaleinlagen.
Am Ende zahlt der Versicherte, dessen Alterskapital heute weit weniger Wachstumspotenzial hat. Auch wenn die Zinsen wieder steigen, wird es nicht schlagartig besser. Wir erwarten einen langsamen, gemächlichen Zinsanstieg – die Renditen erhöhen sich nur sehr graduell, während die Anleihen an Wert verlieren. Mögliche Diskussionspunkte, um das Rentenkapital zu erhöhen, sind Einzahlen ab dem ersten Arbeitsjahr, Aufschub der Pensionskassenrente und mehr Mitbestimmung bei der Anlageentscheidung.
“Steuer-Deal bereit für das Referendum”
Nachdem der Ständerat die letzten Differenzen zwischen den beiden Kammern zur Steuervorlage 17 ausgeräumt hat – sie betrafen die steuerfreie Rückzahlung von Kapitaleinlagen und die sog. Gemeindeklausel – muss das Paket nun lediglich noch die Schlussabstimmung überstehen, was allerdings kein Problem sein sollte. Die Unsicherheit liegt nun wiederum bei der Volksabstimmung. Das Referendum von linker Seite (deren Wünsche allerdings weitestgehend erfüllt wurden) scheint ausgemacht. Die Abstimmung könnte im nächsten Frühjahr über die Bühne. Hansueli Schöchli schreibt in der NZZ:
Der Ausgang der Volksabstimmung erscheint völlig offen. Der Bundesrat, die Kantone, die Spitzen von drei der vier Bundesratsparteien und der Wirtschaftsverband Economiesuisse sind dafür, doch eine solche Allianz hatte beim Urnengang im Februar 2017 nicht gereicht. Der Widerstand der SVP im Parlament gegen die Verknüpfung Steuern/AHV könnte beim Urnengang wesentlich grössere Folgen haben als im Parlament selbst.
Rechnet man zu den potenziellen Gegnern der Vorlage erhebliche Teile der SVP-Basis, einen nicht unbedeutenden Teil der Linken, gewisse Gewerbevertreter ausserhalb der SVP, Skeptiker aus Sicht der Städte, grundsätzliche Gegner der Verknüpfung sowie Bürger, die aus Prinzip bei jeder Reform Nein stimmen, dann haben die Befürworter der Vorlage eine Menge Arbeit vor sich. Diese Arbeit beginnt jetzt.
Die Stunde des Populisten
pw. Christian Levrat feiert in einem Interview mit der NZZ am Sonntag den Erfolg des AHV-Deals im Nationalrat. Wem es am Argumenten gegen den Kuhhandel fehlen sollte, um in der fälligen Volksabstimmung ein Nein in den Briefkasten zu werfen, hier findet er/sie sie hier zuhauf. Auszüge:
Die linke Kritik ist aber grundsätzlicher: Die Reform sei immer noch dazu da, über allerlei Vehikel Firmensteuern in die Schweiz umzuleiten. Macht sich die SP zur Komplizin der Steuer-Optimierer?
Diese Kritiker sollen nicht vergessen: Wir erhalten eine AHV-Sanierung ohne Leistungsabbau. Dieses Ziel verfolgen wir seit über vierzig Jahren. Es ist ein einmaliger Erfolg.
Im Klartext: Sie erkaufen sich AHV-Milliarden mit einer Steuervorlage, von der Sie schon wissen, dass sie international nicht lange halten wird und die Sie kantonal bekämpfen werden. So ziehen Sie die Bürgerlichen über den Tisch.
Nein, ich sage nur, dass diese Reform nicht die letzte sein wird. Jetzt wollen wir aber über diese Vorlage sprechen. Sie bringt Verbesserungen bei den Steuern, und sie leistet einen wichtigen Beitrag zur Sanierung der AHV.
Trotz den zwei Milliarden steht die AHV nicht auf solidem Fundament. Der Bundesrat hat schon eine nächste Reform vorgestellt und will darin das Rentenalter der Frauen auf 65 erhöhen. Sind Sie einverstanden?
Nein, wir lehnen diese Reform ab. Eine Erhöhung des Frauenrentenalters kommt nicht infrage, zuerst müssen wir Fortschritte bei der Gleichstellung erzielen. Solange die Frauen tiefere Löhne haben, darf man ihnen nicht noch mit Rentenalter 65 faktisch die Rente kürzen. Das Steuer-AHV-Paket gibt uns jetzt zehn Jahre Zeit, bessere Lösungen zu finden.
Nun kommen die Babyboomer ins Rentenalter – und Sie wollen zehn Jahre bei der AHV nichts tun?
Im Gegenteil. Wir gewinnen dringend benötigte Zeit, um den vorgespurten Weg fortzusetzen: eine Sanierung allein über neue Einnahmen. Die Bürgerlichen wollen die AHV aushungern, um dann brutal Kürzungen durchzusetzen. Darum braucht die AHV mehr Geld. In der AHV haben wir ein Finanzierungsproblem, nicht ein Problem auf der Seite der Leistungen.
Und wer soll diese Finanzierung übernehmen?
Es gibt es mehrere mögliche Quellen, etwa die Mehrwertsteuer, allenfalls Lohnbeiträge. Man könnte sich überlegen, ob die Nationalbank einen Staatsfonds schaffen soll, dessen Rendite der AHV zukommen könnte. Man sollte prüfen, was möglich ist, ohne die Unabhängigkeit der Nationalbank zu gefährden.
Nationalrat sagt ja zum “Deal”
Der Nationalrat ist bei der Behandlung zur Steuervorlage SV17 weitgehend dem Ständerat gefolgt.
Relativ knapp war die Zustimmung zur Koppelung mit der AHV-Finanzierung mit 101 zu 93 Stimmen. Die NZZ kommentiert:
Die Linke kam mit zwei Änderungsanträgen durch. Diese betrafen die Abgeltung der Gemeinden durch die Kantone sowie eine Einschränkung der steuerfreien Rückzahlung von Kapitaleinlagen. Die SP hatte den Erfolg dieser Anträge als Bedingung für ihre Zustimmung zum Gesamtpaket gestellt. Bei starker SP-Ablehnung wäre das Paket nicht durch den Nationalrat gekommen. Nebst der CVP akzeptierten auch manche FDP-Vertreter die beiden SP-Anträge. Sie erachteten die Konzessionen aus Sicht des Wirtschaftsstandorts als wenig schmerzhaft und damit als lohnenswert zur Rettung der gesamten Steuerreform.
So ist das Gesamtpaket im Parlament nun auf der Zielgeraden. Die verbliebenen Differenzen zwischen Nationalrat und Ständerat (zu Einschränkungen der steuerfreien Rückzahlung von Kapitaleinlagen) dürften sich relativ rasch beseitigen lassen. Eine Verabschiedung des Gesamtpakets durch das Parlament ist diesen Monat zu erwarten. Doch ein schwieriger Urnengang könnte noch bevorstehen. Ein Referendum gilt als wahrscheinlich.
Ratsprotokoll / NZZ / Kommentar
Ohne Reformen rasant in die Zahlungsunfähigkeit
Kurt Speck interviewte für die Schweizer Bank Veronica Weisser, Vorsorgespezialistin bei der UBS zu Fragen der Altersvorsorge. Auszüge:
Wie gesund präsentiert sich heute das Schweizer Vorsorgemodell?
Auf einer Skala von eins bis zehn gebe ich dem Schweizer System eine sechs. Das Fundament des Vorsorgemodells ist ausgezeichnet. Jede einzelne Säule hat eine andere Stärke und zusammen könnten und müssten diese Säulen eigentlich ein stabiles System ergeben. Solange es in der 1. Säule genügend Nachkommen gibt, ist eine gewisse AHV-Rente im Umlageverfahren finanzierbar. Die 2. Säule ist robust, wenn beispielsweise die Geburtenrate fällt, aber die Kapitalmärkte gut laufen. Die 3. Säule ist weder von den Nachkommen, noch von der Verzinsung in der beruflichen Vorsorge abhängig, sondern vom Antrieb, individuell und steuerbegünstigt zu sparen und zu investieren.
Aber wir haben es verpasst, dynamische Elemente einzubauen, die es dem System ermöglichen, sich laufend an die sich ändernden gesellschaftlichen Realitäten anzupassen. Das aktuelle System war ausgezeichnet für die Nachkriegszeit geeignet. Für die Zukunft ist es durch die eigene Rigidität – etwa fixes Rentenalter, fixer Umwandlungssatz – gefesselt und rast ohne Reformen in die Zahlungsunfähigkeit.
Nach der Ablehnung des Reformprojekts «Altersvorsorge 2020» durch das Stimmvolk soll nun in einem ersten Schritt die AHV saniert werden. Was braucht es, um das staatliche Vorsorgewerk aus der massiven Unterfinanzierung herauszuführen?
Das Loch in der AHV ist gigantisch: Langfristig fehlen rund 1000 Milliarden Franken. Nur dank dem AHV-Ausgleichsfonds können die heutigen Renten bezahlt werden, denn die laufenden Einnahmen sind niedriger als die Ausgaben.
Gegen Päckli-Politik
Die NZZ berichtet über die Ergebnisse einer GFS-Umfrage zur Koppelung von SV17 und AHV-Finanzierung. Sie wurde im Auftrag der vom Zürcher FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann lancierten «Interessengemeinschaft Sichere Renten» durchgeführt. Basis ist eine repräsentative Telefonbefragung von gut 1600 Personen (davon knapp 1500 Stimmberechtigten) von Juni bis Juli.
Nur zwei Tage nachdem die Wirtschaftskommission des Nationalrats eine Aufspaltung der Vorlage zur Reform der Firmensteuern und den Zusatzmilliarden für die AHV abgelehnt hat, erfährt man aufgrund der Umfrage bereits, dass die grosse Mehrheit der Stimmbürger separate Abstimmungen über die beiden Themen vorzöge. Demnach sprachen sich 74 Prozent der befragten Stimmbürger für eine Trennung der beiden Themen aus und nur 17 Prozent für eine Verknüpfung in einer Vorlage. (…)
Doch die Fragestellung lässt hier zu viele Interpretationen zu. Die gestellte Frage lautete so: «Würden Sie eine Rentenalter-Erhöhung ablehnen oder befürworten, wenn bei den Frauen die Nachteile, die sie auf den Arbeitsmarkt erfahren, kompensiert würden?» Selbst wenn aus dem Kontext der vorangegangenen Fragen klar gewesen sein sollte, dass es hier um eine allgemeine Erhöhung des Rentenalters geht, bleibt das Ergebnis unscharf, da der Einfluss des Hinweises auf Kompensationen für Arbeitsmarktnachteile der Frauen nicht nachvollziehbar ist.
“Die Knebelung des Stimmbürgers”
Hansueli Schöchli kommentiert in der NZZ den Steuerdeal des Parlaments nach den aktuellen Beschlüssen der WAK-N in aller wünschenswerten Deutlichkeit:
Man muss nicht ins Grundsätzliche der Demokratiepolitik abgleiten, um die Verknüpfungsvorlage höchst unappetitlich zu finden. Die profane Sachebene genügt vollauf. Die geplanten Zusatzmilliarden für die AHV dürften jenen Kurs in der Altersvorsorge zementieren, der für die Politiker am bequemsten ist: Man saniert die AHV schwergewichtig zulasten der Jüngeren und Ungeborenen.
Die Grundregel ist klar: Je mehr das System der Altersvorsorge über Zusatzeinnahmen statt über Ausgabenreduktionen saniert wird, desto mehr zahlen vor allem die Jüngeren die Zeche, da sie die geforderten Zusatzbeiträge noch weit länger berappen müssen als die Älteren.
Von den vorgesehenen zwei AHV-Zusatzmilliarden pro Jahr entfallen drei Fünftel auf die aus Sicht der Generationengerechtigkeit schlimmste Variante – die Erhöhung der Lohnbeiträge um 0,3 Prozentpunkte. Ein Zwanzigjähriger zahlt die Zusatzbeiträge noch etwa 45 Jahre lang, ein Sechzigjähriger nur noch fünf Jahre, und Rentner sind überhaupt nicht betroffen.
AHV-Deal: NR auf SR-Kurs
Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) hat mit der Detailberatung zur Steuervorlage 17 (18.031) begonnen und zu einigen zentralen Fragen Entscheidungen gefällt. Bislang folgt sie dem Ständerat in allen Punkten, so auch bei der sozialen Kompensation über die AHV als auch bei der Dividendenbesteuerung. Die Detailberatung wird an der Sitzung vom 3. September abgeschlossen. In der Mitteilung der WAK wird festgehalten:
Die WAK-N hat die Detailberatung mit der Diskussion über die Zusatzfinanzierung der AHV begonnen. Letztlich obsiegte die Lösung des Ständerats, da keine der folgenden Anträge eine Mehrheit gefunden hat: Ein Antrag, der auch von der SGK-N gestellt wurde, wollte statt der Erhöhung der Lohnbeiträge das Rentenalter der Frauen auf 65 anheben. Die Kommission lehnte dies mit 15 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung ab. Die Mehrheit ist der Meinung, dass die Frage des Rentenaltes in der kommenden AHV-Reform geregelt werden soll.
Ein weiterer Antrag wollte den Bundesbeitrag an die AHV auf 20,4% erhöhen, um dafür die Lohnbeiträge nur um 0,1% anzuheben. Er fand ebenfalls keine Mehrheit. Die FK-N beantragte, statt einer Erhöhung der Lohnbeiträge eine entsprechende Erhöhung der Mehrwertsteuer vorzusehen. Dieser Antrag war in der WAK chancenlos und wurde mit 21 zu 1 Stimmen bei 3 Enthaltungen abgelehnt, da er eine Verfassungsänderung erfordert und somit die Steuerreform verzögert hätte.
Mehrere Anträge wollten die Vorlage in einen Teil betreffend die AHV-Finanzierung und einen Steuerteil auftrennen, wobei die beiden Vorlagen juristisch miteinander verknüpft bleiben sollten. Die Kommission lehnte diese jedoch mit 15 zu 10 Stimmen ab, da eine Vorlage bedeutend transparenter sei als zwei, die nicht zwingend zusammen vors Volk kommen müssten. Das Volk sei in der Lage, diese Reform als Ganzes zu beurteilen. Für die Mehrheit der Kommission ist klar, dass es eine soziale Kompensation braucht, damit die Reform auch vor dem Volk bestehen kann. Sie lehnte daher zwei Anträge mit 15 zu 10 Stimmen ab, die gar keine soziale Kompensation vorsehen wollten.