Manuel Ammann, Professor an der Universität St. Gallen, spricht im Interview mit der Handelszeitung über grundlegende Reformen im Dreisäulensystem der Altersvorsorge und über die tiefen Zinsen, welche die Pensionskassen weiter ins Risiko treiben. Auszüge:
Müsste die nach dem Umlageverfahren aufgebaute AHV anstelle der zweiten Säule gestärkt werden, die unter dem aktuellen Tiefzinsniveau leidet?
Wenn die Kapitalproduktivität ab- und gleichzeitig die Arbeitsproduktivität zunimmt, verschiebt sich die Attraktivität beider Systeme hin zu einem Umlageverfahren. Allerdings würde ich nun das Kapitaldeckungsverfahren der zweiten Säule nicht abschreiben und lediglich auf eine ausgebaute AHV setzen. Die Kapitalproduktivität ist ja nicht ganz verschwunden. Auf risikoreicheren Anlagen können durchaus noch Risikoprämien verdient werden. Es gibt einfach keine risikolose Rendite mehr, mit der sich ein nominaler Mehrwert versprechen lässt.
Wegen des Reformstaus rutscht die Schweiz mit ihrer Altersvorsorge in internationalen Vergleichen nach unten. Wo braucht es Korrekturen, um wieder in eine Spitzenposition vorzurücken?
Es braucht eine nachhaltigere Ausgestaltung des Dreisäulensystems. Die Schweiz verliert gegenüber fortschrittlichen Nationen an Boden, weil grundlegende Probleme bisher nicht gelöst wurden. Ein wesentlicher Faktor ist die Demografie. Es kommen zu wenige junge Leute nach, um die steigende Lebenserwartung der älteren Generation auszugleichen. Die grossen finanziellen Umverteilungen von den Erwerbstätigen zu den Rentnern in der zweiten Säule sind systemfremd. Gleiches gilt für die Querfinanzierung vom überobligatorischen zum obligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge. Diese fundamentalen Fehlentwicklungen müssen korrigiert werden. Die Missstände sind allein mit einer «Pflästerlipolitik» nicht in den Griff zu bekommen.