Klar ist: Die Vollversicherung erscheint zunehmend als Nischenmarkt. Derzeit sind noch rund 10 Prozent aller aktiv Versicherten in einem Vollversicherungsmodell – vor einem Jahrzehnt waren es über 25 Prozent.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Da sind einmal die im Marktvergleich eher hohen Kosten für eine Vollversicherung. In der Praxis finden sich Beispiele, dass bei einem Wechsel aus einer Vollversicherung massive Einsparungen von 50 bis 60 Prozent auf die Risikoprämie möglich sind – inklusive der Verwaltungskosten.
Zudem investieren die Lebensversicherer, welche die Kapitalien bei einer Vollversicherung garantieren, markant konservativer. Das bringt weniger Rendite. Entsprechend ist die Verzinsung bei diesem Modell in den letzten Jahren deutlich tiefer ausgefallen als bei teilautonomen Lösungen, die dafür das Anlagerisiko an den Versicherungsnehmer übertragen.
Die Aufsichtsbehörde Finma verlangt schliesslich von den Anbietern hohe Rückstellungen, um die Garantien der Vollversicherung abzusichern.
Wie rasch der Markt für Vollversicherungen weiter erodiert, hängt aus Sicht von Urs Bannwart, Director Retirement beim Beratungsunternehmen WTW Schweiz, primär von den Performances der teilautonomen Lösungen ab: «Denn in einem in Bezug auf Investments ungünstigen Marktumfeld können die Vollversicherer wieder etwas mehr glänzen.»
Bereits vor einigen Jahren haben einzelne Anbieter bei der Vollversicherung neue Tarife eingeführt, um das von den Aktionären zur Verfügung gestellte Kapital angemessen zu verzinsen.
Aus Sicht der Kunden heisst das, die Umwandlungssätze wurden nach dem sogenannten Anrechnungsprinzip im BVG-Obligatorium auf 6 Prozent und im Überobligatorium auf 4,4 Prozent gesenkt. Bei dieser Methode führt der Versicherer eine Schattenrechnung und zahlt die Rente mit dem geforderten Umwandlungssatz von 6,8 Prozent im Obligatorium.
Mit der stetigen Reduktion der Umwandlungssätze konnten die Lebensversicherer auch in grösserem Umfang ihre Reserven auflösen und damit die Verzinsung bei der Vollversicherung erhöhen. «Der Gesamtmarkt für klassische Versicherungsmodelle wie die Vollversicherung ist aufgrund regulatorischer Anforderungen, zunehmender Komplexität und gezielter Risikosteuerung leicht rückläufig», sagt Swiss-Life Sprecher Marin Good.
Entsprechend sieht man beim grössten Schweizer Lebensversicherer eine Verschiebung innerhalb des Vorsorgemarktes. Alternative Modelle gewinnen an Bedeutung, wie sich das auch am Wachstum der teilautonomen Lösungen bei Swiss Life und den anderen Lebensversicherern zeigt.
Von Anbieterseite tönt es anders. «Auch diese KMU haben Zugang zur Vollversicherung, sofern gewisse Grundvoraussetzungen erfüllt sind», erklärt Marin Good. Swiss Life prüfe jedes Kollektiv individuell und differenziert. Die Annahmequote liege bei rund 90 Prozent – im Marktvergleich ein sehr hoher Wert.
Als Vollsortimenter wolle man möglichst vielen Kunden auch bei komplexen Ausgangssituationen passende Lösungen anbieten. Beim VZ Vermögenszentrum rechnet Simon Tellenbach dennoch mit einem weiter rückläufigen Anteil der Vollversicherungslösungen: «Wird eine länger dauernde Tiefzinsphase kommen, können wird uns vorstellen, dass sich allenfalls ein weiterer Anbieter vom Vollversicherungsmodell verabschiedet.»