Fabian Schäffer kommentiert in der NZZ die Politik der Linksparteien in Fragen der Rentenreform. Sie ist vor allem für die jüngere Generation verheerend. Das interessiert aber offenbar nicht.
Heute ist es die forciert frauenfreundliche Linke, die aus den Entscheiden der vorgestrigen Patriarchen Profit schlägt. Ungeniert setzen die Rot-Grünen und die Gewerkschaften das Rentenalter der Frauen, das mittlerweile bei 64 Jahren liegt, als politisches Pfand ein. Im Gegenzug zur sachlich völlig logischen Erhöhung auf 65 versuchen sie herauszuholen, was sie herausholen können. Zur Rechtfertigung schieben sie Themen vor, die sich beim besten Willen nicht über die AHV regeln lassen: die umstrittene Frage der Lohngleichheit und die ungleiche Verteilung der unbezahlten Arbeit (Frauen 60 Prozent, Männer 40 Prozent).
Angesichts dieser hemmungslosen Blockadepolitik ist es eine Allianz der pragmatischen Kräfte, die von der SVP bis zur GLP reicht, die eine Lösung finden muss. Vermutlich kann sie noch so grosse Kompensationen für die Frauen beschliessen – die Linke ist sowieso dagegen. Diese These hat sich am Dienstag erhärtet, als der Ständerat ein durchaus üppiges Abfederungsprogramm beschlossen hat, das von links umgehend zurückgewiesen wurde. (…)
Im Dickicht der Kompensationen sollten die lösungsorientierten Parteien das Ziel nicht aus den Augen verlieren: Entscheidend ist, dass die Reform an der Urne eine Mehrheit findet. Da ist es durchaus vernünftig, die Kompensationen höher anzusetzen, als dies manchen Bürgerlichen lieb wäre.
Denn erst wenn der unerklärliche Unterschied beim Rentenalter endlich eliminiert ist, wird sich die Politik den wahren Problemen der Altersvorsorge zuwenden. Diese liegen in der Demografie. In den letzten Jahrzehnten hat die Lebenserwartung derart stark zugenommen, dass das Rentenalter 65/64 bereits heute eine unerhörte Ungerechtigkeit gegenüber den nachfolgenden Generationen darstellt. In den nächsten Jahren müssen jüngere, zahlenmässig kleinere Jahrgänge den ausgedehnten Ruhestand der grossen Babyboomer-Generation finanzieren.
Der Ständerat hat die AHV-Revision behandelt und hat sehr grosszügige Lösungen für die von der Rentenaltererhöhung betroffenen Frauen beschlossen. Den Linksparteien, die grundsätzlich gegen die Erhöhung sind, ist das noch immer nicht ausreichend. Die NZZ schreibt zu den Beschlüssen des Ständerats:
Eine Mitte-links-Mehrheit hat für die geplanten Rentenzuschläge ein neues Modell beschlossen. Die Gewerkschaften und die linken Parteien reagierten unisono vernichtend. Travail Suisse etwa meldete, die Kompensationen seien «bescheiden».
Tatsächlich? Wenn eine Frau mit tiefem Einkommen heute ordentlich mit 64 Jahren in Rente geht, bekommt sie von der AHV im Minimum eine Rente von 1195 Franken im Monat. Nach der neuen Variante des Ständerats würde sie mit den Kompensationen für die Übergangsgeneration entgegen der gewerkschaftlichen Rhetorik nicht etwa weniger erhalten, sondern mehr: 1407 Franken, ein Plus von mehr als 200 Franken – und dies, wohlgemerkt, bei einer Pensionierung mit 64, ein Jahr vor Erreichen des neuen, ordentlichen Rentenalters.
Die Wirtschaftskommission des Nationalrats berichtet über die Ergebnisse ihrer Sitzung vom 7.9.21, in deren Verlauf u.a. auch eine Änderung des Kollektivanlage-Gesetzes beraten wurde. In der Mitteilung heisst es:
Die Kommission hat die Beratung der Botschaft zur Änderung des Kollektivanlagengesetzes (20.062) aufgenommen und ist mit 16 zu 8 Stimmen auf die Vorlage eingetreten. Ziel der vom Ständerat bereits beratenen Vorlage ist es, in der Schweiz eine Fondskategorie für qualifizierte Anleger zu schaffen und dadurch Geschäfte, die heute im Ausland getätigt werden, in die Schweiz zu holen.
Die Kommission ist überzeugt, dass die geplanten Anpassungen wichtig sind für den Finanzplatz Schweiz: Die Abwicklung der anvisierten Geschäfte werde dadurch beschleunigt, Anlegerschutz und Transparenz würden verbessert und die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes werde gestärkt. Die Kommission hat der Verwaltung verschiedene Aufträge erteilt und wird die Detailberatung im vierten Quartal führen.
Die Reaktion der SP (“Freiheitspartei”) ist überaus heftig. Sie erkennt eine “brandgefährliche Deregulierung” im Rahmen eines “bürgerlichen “Plünderungszugs” mit einen “unverschämten Staatsabbau”. Geht’s auch etwas leiser?
Mit der Änderung des Kollektivanlagengesetzes zur Einführung sogenannter Limited Qualified Investor Funds hat sich die Finanzlobby in der WAK-N durchgesetzt und eine brandgefährliche Deregulierung für Anlagefonds durchgepaukt. «Neu sollen qualifizierten Anlegern wie Pensionskassen hochspekulative Produkte angedreht werden können», sagt SP-Vizepräsidentin Jacqueline Badran.
«Die Bürgerlichen gefährden damit fahrlässig unser Vorsorgevermögen, denn solche Produkte können ganze Volkswirtschaften in den Abgrund reissen, wie die Subprime-Krise nach 2007 gezeigt hat.» Die SP wehrt sich deshalb dagegen, dass für Grossinvestoren jegliche Aufsicht abgeschafft werden soll. Auch qualifizierte Anleger wie Pensionskassen müssen vor Schaden bewahrt werden, die Fonds sind deshalb von der Finanzmarktaufsicht zu überwachen.
Die Mitteilung der SGK-N nach Abschluss ihrer Beratungen zur BVG-Revision lässt mindestens so viele Fragen offen wie sie beantwortet. Zu den unbeantworteten gehört jene, ob und wieweit die vorgesehenen Zuschläge durch die Rückstellungen für Pensionierungsverluste herangezogen werden können, ob also die Finanzierung dezentral oder zentral erfolgt. Die NZZ schreibt dazu:
Nach der Sitzung der zuständigen Nationalratskommission am Freitag herrscht bei einem zentralen Element der BVG-Reform Unklarheit. Es geht dabei um die Frage, wie die Zuschüsse finanziert werden, in deren Genuss ein Teil der Personen käme, die in den nächsten Jahren in Rente gehen. Die Kommission hat ihre Entscheide nicht publiziert, da sie nicht definitiv sind.
Zu hören sind zwei Interpretationen. Die eine besagt, dass betroffene Pensionskassen (PK) die Zuschüsse teilweise selber – ohne Quersubventionierung durch die Allgemeinheit – finanzieren müssen. Dazu müssten sie Rückstellungen einsetzen, die frei werden, weil dank der Reform der Umwandlungssatz sinkt. Somit wäre die umstrittene solidarische Finanzierung über alle Branchen und Firmen hinweg – die im BVG im Prinzip nicht vorgesehen ist – weniger umfangreich.
Die zweite Interpretation besagt, dass betroffene PK nicht gezwungen wären, diese Rückstellungen einzusetzen. Stattdessen würden die Zuschüsse vollständig solidarisch finanziert. Laut zuverlässigen Informationen ist diese Version korrekt, zumindest gemessen an den bisherigen Entscheiden der Kommission. Laut Involvierten könnte die bürgerliche Mehrheit dies jedoch noch korrigieren.
In beiden Varianten wird die Solidarität bei der gemeinsamen Finanzierung eingeschränkt, indem die Beiträge nicht auf dem ganzen Lohn erhoben werden, sondern nur auf dem Teil, der gesetzlich versichert ist. Dies schränkt die Umverteilung von «oben» nach «unten» stark ein.
Der Pensionskassenverband ASIP ist mit den Entscheiden der SGK-N zwar nicht besonders glücklich, sieht aber immerhin positive Aspekte. Der Verband schreibt in einer Mitteilung:
Mittelweg/ASIP begrüsst, dass im neuen Vorschlag der SGK-N nicht im Giesskannenprinzip Rentenzuschläge verteilt werden, sondern zielgerichtet mit Fokus auf die rund 14 Prozent aller Versicherten, die tatsächlich von einer Umwandlungssatzsenkung betroffen sind. Dadurch wird wenigstens zu Teilen verhindert, dass Neurentnerinnen und Neurentner eine unnötige Überkompensation erhalten.
Im Vergleich zum Vorschlag von Mittelweg/ASIP entstehen durch die zwar geringere, aber nach wie vor vorhandene Überkompensation jedoch Mehrkosten. Mittelweg/ASIP schlägt daher weiterhin keine pauschalen Rentenzuschläge, sondern prozentuale Zuschläge vor.
Mittelweg/ASIP lehnt ein zentrales Modell mit der Finanzierung aller Zuschüsse durch eine zentrale Stelle wie den Sicherheitsfonds weiterhin dezidiert ab. Die zentrale Finanzierung bestraft jene Vorsorgeeinrichtungen und deren Versicherte, die im Rahmen der Sozialpartnerschaft bereits Massnahmen zur nachhaltigen Sicherung der Renten getroffen haben. Zusätzlich führt dieses Modell durch erhöhte BVG-Beiträge erneut zu einer Umverteilung von der aktiven Generation hin zu den Neurentnerinnen und Neurentnern.
Bei der Finanzierung soll – wie durch die SGK ermöglicht – auf die Rückstellungen zurückgegriffen werden, die alle Pensionskassen extra für diesen Zweck bilden mussten. „Es macht keinen Sinn, neue Lohnabzüge einzufordern und somit die Lohnkosten zu verteuern, um finanzielle Mittel einzutreiben, die schon längst vorhanden sind. Versicherte und Arbeitgeber würden unnötig ein zweites Mal zur Kasse gebeten“, so ASIP-Direktor Hanspeter Konrad. Falls es Pensionskassen gibt, bei denen die heutigen Rückstellungen nicht reichen würden, wäre eine Härtefall-Lösung über den Sicherheitsfonds denkbar.
Der Arbeitgeberverband kritisiert die Entscheide der SGK-N zur BVG-Revision 21 nicht minder scharf als der Gewerkschaftsbund. Aus der Gegenrichtung sieht offenbar das Resultat eifriger Bemühungen nicht weniger katastrophal aus. Lukas Müller-Brunner hält fest:
Die zuständige Kommission des Nationalrats hat mit ihren Beschlüssen den bundesrätlichen Vorschlag zur Reform der beruflichen Vorsorge unverantwortlich zerzaust. Der Vorlage droht damit das gleiche Schicksal, wie allen Reformbemühungen der letzten zwei Jahrzehnte: Ein jämmerliches Scheitern.
Die Kommission bewirkt mit ihren Entscheidungen Rentenkürzungen, verzichtet auf Verbesserungen für Versicherte mit Vorsorgelücken – insbesondere Frauen – und ermöglicht Steuerschlupflöcher. Diese Entscheide führen zu hohen Kosten für Versicherte mit tiefen und mittleren Löhnen. Die Geringschätzung des Kompromisses durch die Kommission kommt die Versicherten und die Arbeitgeber teuer zu stehen.
Der Gewerkschaftsbund kritisiert die Entscheide der Sozialkommission zur BVG Reform 21 scharf:
Die nationalrätliche Kommission (SGK-N) droht, den austarierten BVG-Kompromiss der Sozialpartner zu versenken und will stattdessen Rentensenkungen bis zu 12 Prozent für die Erwerbstätigen sowie weitgehende Erleichterungen für Top-Verdienende. Die Chance, die Frauenrentenlücke rasch zur verringern, wird damit von der realitätsfremden Kommission vom Tisch gefegt.
Unter dem Strich bedeutet das «Modell de Courten» massive Zusatzkosten für Versicherte mit tiefen Löhnen und Normalverdiener. Nach 15 Jahren massiven Rentensenkungen und gleichzeitig stetig steigenden BVG-Beiträgen ist diese BVG Reform zum Scheitern verurteilt, wenn die Kommission nicht zum ursprünglichen Entscheid zurückkehrt.
Für Verkäuferinnen oder Krankenpflegerinnen ist der Revisionsvorschlag der Kommission fatal. Mit ihren tiefen Löhnen werden sie besonders zur Kasse gebeten. Denn sie erhalten keinen Rentenzuschlag, müssen aber dennoch für die Rentenzuschläge der anderen, nur im BVG-Obligatorium Versicherten zahlen. Denn auch weniger und normal Verdienende sind oft über dem Obligatorium versichert, werden aber von den Kompensationen ausgeschlossen.
Fabian Schär kommentiert in der NZZ den Entscheid der SGK-N zur BVG Revision 21. Die neusten Vorentscheide liessen nichts Gutes erwarten. Das Parlament sei drauf und dran, die Umverteilung in der Altersvorsorge dort auszubauen, wo sie nichts zu suchen hat: in der beruflichen Vorsorge. Das ist weder nötig noch fair.
Wenigstens hat die Mehrheit den fragwürdigen Giesskannen-Vorschlag des Bundesrats stark gestutzt. Dieser sieht noch mehr Umverteilung vor. Sogar gutsituierte Neurentner, die von der Reform gar nicht betroffen sind, würden üppige Zuschläge erhalten. An der Stossrichtung aber hat die – bürgerlich dominierte – Kommission wenig geändert.
Sie will im BVG 15 bis 20 Jahre lang einen Umverteilungskanal einrichten, der alle Firmen und Branchen umfasst. Sämtliche Erwerbstätigen im Land sollen sich an der Behebung eines Problems beteiligen, das die meisten Pensionskassen für sich bereits gelöst haben. Konkret geht es um die Umwandlungssätze, die weitherum gesunken sind. Die Versicherten mussten dabei in aller Regel schon finanzielle Opfer bringen.
Nun sollen sie noch einmal zur Kasse gebeten werden. Über ihre Pensionskassen müssten sie mithelfen, Zuschüsse an Neurentner anderer Vorsorgeeinrichtungen zu finanzieren. Davon profitieren insbesondere die Versicherten derjenigen Pensionskassen und Lebensversicherer, deren Leistungen mehr oder weniger nur das gesetzliche Minimum umfassen.
Hansueli Schöchli berichtet in der NZZ detailliert über die Entscheide der SGK-N zur BVG-Reform.
Im Parlament scheint diese Rentengiesskanne [kollektiv finanzierter Rentenzuschlag] nicht mehrheitsfähig zu sein. Die Sozialkommission des Nationalrats hat diese Woche zwar wesentliche Konzepte des Bundesratsvorschlags akzeptiert; dazu zählen etwa Änderungen bei den prozentualen Lohnabzügen verschiedener Altersgruppen (Erhöhung bei den Jüngeren, Reduktion bei den Älteren) sowie die Erhöhung des BVG-versicherten Jahreslohns (Beträge bereits ab 12’548 Franken statt erst ab 25’095 Franken).
Doch bei der zentralen Kontroverse über das Ausmass der «Kompensationen» für die Senkung des Umwandlungssatzes folgte die Kommission der Regierung nicht. Sie unterstützte mit 14 zu 10 Stimmen einen Antrag von Thomas de Courten (svp, Basel-Landschaft), der an einen Vorschlag des Schweizerischen Versicherungsverbands angelehnt war.
Gemäss dem obsiegenden Antrag sollen nur Neurentner mit relativ wenig überobligatorischem Alterskapital einen Rentenzuschlag erhalten; typischerweise trifft dies auf Versicherte in Tieflohnsektoren zu. Zudem sind die Zuschläge auf 15 Übergangsjahrgänge begrenzt. Diese Zuschläge betragen 2400 Franken pro Jahr für die ersten fünf Übergangsjahrgänge, 1800 Franken für die nächsten fünf Jahrgänge und 1200 Franken für die folgenden fünf Jahrgänge.
In der ersten Runde hat sich Bundesrat Alain Berset bei der Pensionskassen-Reform knapp durchgesetzt. Doch nun könnte der Wind drehen. Dem Vernehmen nach hat ein bürgerliches Gegenmodell gute Chancen, schreibt der Blick. Entscheiden wird die SGK am Freitag.
Paukenschlag in der nationalrätlichen Sozialkommission: Der Sozialpartner-Kompromiss für die Pensionskassen-Reform fliegt wohl vom Tisch. Vor der Sommerpause hatte sich das vom Bundesrat unterstützte Modell, das Arbeitgeberverband und Gewerkschaften gemeinsam erarbeitet hatten, hauchdünn durchgesetzt.
Dem Vernehmen nach zeichnet sich nun in der zweiten Runde eine Mehrheit für ein Gegenmodell von SVP-Nationalrat Thomas de Courten (55, BL) ab. Dieses wurde im Vorfeld von einem bürgerlichen Stosstrupp – er nennt sich Gruppe Emch – abgesprochen.
Er will die Rentenlücke, die durch die Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent entsteht, für eine Übergangsgeneration zwar wie der Bundesrat mit einem Rentenzuschlag von 100 bis 200 Franken vermindern. Allerdings zeitlich befristet und nur noch für eine deutliche Minderheit der Versicherten. Viele müssten eine massive Rentenkürzung hinnehmen.
Ein entscheidender Unterschied ist auch die Finanzierung. Sieht der Sozialpartner-Kompromiss eine solidarische Finanzierung über 0,5 Prozent auf den AHV-Lohn vor, will de Courten die Rückstellungen der Pensionskassen anzapfen. Und wo das Geld nicht reicht, soll der Sicherheitsfonds einspringen.
Keine Chance hat in dieser Auseinandersetzung ein von GLP-Nationalrätin Melanie Mettler (43, BE) eingebrachtes Konzept, das als Brückenschlag gedacht war.
Damit die AHV-Reform 2023 endlich in Kraft treten kann, soll sie im September unter Hochdruck bereinigt werden. Am Dienstag hat der Schlussspurt begonnen – mit einem suboptimalen Start. Der Knackpunkt sind die Kompensationen für die Frauen. Fabian Schäfer schreibt in der NZZ dazu:
Vom Zieljahr 2021 haben sich Bundesrat und Parlament schon lange verabschiedet. Inzwischen ist auch eine Umsetzung auf 2022 nicht mehr möglich. In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob es wenigstens für 2023 reicht. Die Allianz von SVP, FDP, Mitte und GLP, die bei diesem Geschäft den Ton angibt, hat sich vorgenommen, die umkämpfte Vorlage in der Septembersession zu bereinigen und zu verabschieden.
Falls dies misslingt – und das wäre keine Überraschung –, besteht die Gefahr, dass die Vorlage erst 2024 in Kraft treten kann. Dies hat vorab zwei Gründe: Es gilt, die hunderttägige Referendumsfrist abzuwarten, wobei bereits feststeht, dass die Linke die Reform wegen der Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre bekämpfen wird. Zudem braucht die Verwaltung Vorlaufzeit, um die Verordnungen sowie die technische Umsetzung vorzubereiten. Deshalb soll die Volksabstimmung nach Plan im Juni 2022 stattfinden.
Hansueli Schöchli kommentiert in der NZZ die Zustimmung einer knappen Mehrheit der SGK-N zur bundesrätlichen Vorlage für die BVG-Revision:
Das Ja der Linken ist verständlich: Der Bundesratsvorschlag erhöht die versteckte Umverteilung in der Altersvorsorge von oben nach unten (was die Linke besonders mag) und von Jüngeren zu Älteren (was die meisten Politiker mögen). Die Bürgerlichen sagen zwar, dass sie keine systemfremde Umverteilung in der beruflichen Vorsorge wollten, doch einige Exponenten haben offenbar Angst vor der eigenen Courage bekommen. Eine Rolle spielten die Furcht vor einem Scheitern einer weniger luxuriösen Vorlage an der Urne, der Einfluss einzelner grosser Lebensversicherungen (die nach erfolgter Reform hohe Rückstellungen auflösen könnten) und Zweifel am diskutierten Alternativmodell. (…)
Nicht jede Kasse hat sicher genug Rückstellungen. Der Pensionskassenverband spricht von «wenigen Ausnahmen». Wer wegen einer wohl kleinen Minderheit eine generelle neue Quersubventionierung zwischen Branchen und Betrieben einführen will, schiesst mit Kanonen auf Spatzen. Viel logischer und fairer erscheint es, wenn Kassen, die ihre Hausaufgaben versäumt haben, allfällige Rentenzuschläge direkt mit Zusatzbeiträgen finanzieren müssen. Und wer dies nicht will, sondern eine neue Quersubventionierung vorzieht, muss deswegen noch lange nicht das ganze Bundesratsmodell mit dem teuren Zuschlag für alle Rentner kaufen.
Fabian Schäfer kommentiert in der NZZ kritisch die Beschlüsse der SGK-N zur BVG-Revision 21. Der im Vorfeld der Beratungen heftig umstrittene, kollektiv mit neuen Lohnprozenten zu finanzierende Rentenzuschlag – eine Erfindung der Sozialpartner – findet auch dank FDP-Sukkurs mit 12:11 Stimmen bei 2 Enthaltungen Zustimmung. Schäfer schreibt:
Die bürgerlichen Parteien inklusive GLP haben sich im Vorfeld gegen den bundesrätlichen Rentenzuschlag ausgesprochen. Wie kann es sein, dass dieser nun trotzdem eine Mehrheit findet? Dass SP und Grüne geschlossen für diese Variante stimmen, war klar. Hinzu kamen in der Kommission je zwei Stimmen von der GLP und – besonders erstaunlich – von der FDP. Nebst den Freisinnigen ist auch die Mitte gespalten, aus ihren Reihen stammen die Enthaltungen.
FDP-Nationalrat Philippe Nantermod bestätigt auf Anfrage, dass er das Bundesratsmodell unterstützt hat. Er sieht im Rentenzuschlag eine gute Möglichkeit, um die Vorlage mehrheitsfähig zu machen. Nantermod bezweifelt zudem, dass das Gegenmodell so viel günstiger wäre. Und er betont, auch er wolle die Vorlage des Bundesrats nicht tel quel unterstützen, sondern verlange Korrekturen. Eine Option könnte eine Begrenzung des Rentenzuschlags auf beispielsweise 15 oder 20 Jahre sein.
Die Diskussionen in der Kommission sind noch nicht beendet. Dass auf der Basis einer derart knappen Mehrheit bei einem solch unpopulären Thema eine Reform gelingen kann, ist zumindest fraglich. Die bisherigen Beschlüsse der Kommission sind provisorischer Natur, im August wird dazu eine Art zweite Lesung stattfinden. Dass der Entscheid doch noch auf das Gegenmodell aus der Wirtschaft fällt, ist denkbar.
Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) hat die BVG-Reform in einer ersten Lesung durchberaten. Sie blieb mit ihren provisorischen, teilweise knappen Beschlüssen mehrheitlich nahe beim Kompromiss der Sozialpartner und damit beim Entwurf des Bundesrates. Über ihre definitiven Anträge wird die Kommission nach der Sommerpause beschliessen. Mehrheitlich sprach sie sich dabei für folgende Eckwerte aus:
Versichert sind wie bisher Arbeitnehmende mit einem Jahreslohn von mehr als 21’510 Franken (Eintrittsschwelle). Die Pflicht soll neu auch für Angestellte gelten, welche nur mit mehreren Jobs auf 21’510 Franken kommen.
Der Mindestumwandlungssatz soll von 6,8 auf 6,0 Prozent sinken. Zum Ausgleich soll ein Rentenzuschlag ausgerichtet werden, der mit zusätzlich 0,5 Lohnprozent solidarisch finanziert wird. Für die ersten fünf Jahrgänge, die vom tieferen Mindestumwandlungssatz betroffen sind, soll der Zuschlag 200 Franken pro Monat betragen, für die nächsten fünf Jahrgänge 150 Franken und für weitere fünf Jahrgänge 100 Franken. Für spätere Jahrgänge soll der Bundesrat den Rentenzuschlag je nach vorhandenen Mitteln bestimmen.
Das Sparen fürs Alter soll gestärkt werden. Es soll bereits mit 21 statt 25 Jahren beginnen. Zudem soll der Koordinationsabzug halbiert und die Pensionskassenbeiträge somit auf einem grösseren Teil des Lohns erhoben werden, nämlich auf dem Teil zwischen 12 548 und 86 040 Franken. Die Pensionskassenbeiträge (Altersgutschriften) sollen für 21- bis 44-jährige Angestellte 9 Prozent des koordinierten Lohns betragen, für über 45-Jährige 14 Prozent.
Der Blick berichtet über die laufende Behandlung der BVG-Reform 21 in der SGK. Dabei steht nicht der Umwandlungssatz, sondern die sog. Rentenlücke im Fokus. Ruedi Studer listet die diversen Vorschläge und Forderungen von links und rechts dazu auf. In den meisten Fällen geht es um Änderungen beim koordinierten Lohn in Form einer Verminderung des Abzugs, seiner gänzlichen Abschaffung oder der Flexibilisierung entsprechend dem Beschäftigungsgrad.
GLP-Nationalrätin Melanie Mettler (43, BE) ist das aber nicht genug. Sie fordert die Streichung des Koordinationsabzugs. «Damit werden gleich verschiedene Probleme gelöst», ist sie überzeugt. Nicht nur Tieflöhner könnten sich so eine bessere Rente aufbauen, sondern auch Personen mit verschiedenen Jobs. Denn kommt der Koordinationsabzug bei jedem Arbeitgeber zum Zug, sinkt die versicherte Lohnsumme frappant. (…)
Auch aus dem Freisinn kommt Support für diese Idee: «Wir haben versprochen, etwas für tiefe Einkommen und Teilzeitarbeitende zu machen. Da ist die Abschaffung des Koordinationsabzugs die beste Lösung», sagt FDP-Nationalrätin Regine Sauter (55, ZH).
Ein anderer Lösungsansatz liegt mit einem prozentualen Abzug auf die jeweiligen Einkommen auf dem Tisch. SVP-Nationalrat Thomas de Courten (54, BL) will den Koordinationsabzug bei 60 Prozent des Einkommens ansetzen, begrenzt auf maximal 21’300 Franken. Er setzt dabei auf das Modell des Pensionskassenverbands Asip, womit sich die Rentensituation im Vergleich zum Bundesratsmodell aber verschlechtern würde.
Mitte-Nationalrat Benjamin Roduit (58, VS) hingegen schlägt einen Abzug von 40 Prozent vor. Einkommen bis etwa 40’000 Franken kämen damit besser weg als im Bundesratsvorschlag, darüber liegende schlechter.