Der Bundesrat spricht sich gegen die eidgenössische Volksinitiative «AHVplus: für eine starke AHV» aus. Er hat die entsprechende Botschaft ans Parlament verabschiedet. Der Bundesrat sieht finanziell keinen Spielraum für eine Erhöhung der AHV-Leistungen und hält an seinem mit dem Reformprojekt Altersvorsorge 2020 eingeschlagenen Weg fest.
Sozialversicherung
AHV/IV: Neuer Internet-Auftritt
Für die 1. Säule der schweizerischen Sozialversicherung wurde eine neue Internet-Seite eingerichtet, die dem Trend nach tabletgerechter Darstellung im Kinderbuchformat folgt. Alles lässt sich auch mit den Fingern bedienen. Zum Start wünschen die Verantwortlichen den Benutzern “viel Vergnügen beim Stöbern”. Neu gibt es auch einen Email-Dienst mit Aktualitäten.
UV: Neue Obergrenze für versicherten Verdienst
Der Bundesrat erhöht den Höchstbetrag des versicherten Verdienstes in der obligatorischen Unfallversicherung per 1. Januar 2016. Damit soll gewährleistet werden, dass die überwiegende Mehrheit aller versicherten Arbeitnehmer zum vollen Verdienst versichert ist. Die neue Obergrenze ist nicht nur für die Unfallversicherung, sondern auch für die Arbeitslosenversicherung und die Invalidenversicherung massgebend.
Der Höchstbetrag des versicherten Lohnes ist massgebend, um sowohl die Prämien als auch die Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung zu berechnen. Dieser Höchstbetrag wird vom Bundesrat festgesetzt. Er hat bei der Festsetzung dafür zu sorgen, dass in der Regel mindestens 92 Prozent, aber nicht mehr als 96 Prozent der versicherten Arbeitnehmer zum vollen Verdienst versichert sind.
Die letzte Anpassung erfolgte per 1. Januar 2008. Aufgrund der Lohnentwicklung ist eine erneute Anpassung nötig. Die Obergrenze wird per 1. Januar 2016 von 126‘000 Franken auf 148’200 Franken erhöht. Diese Erhöhung bewegt sich im Rahmen der letzten Anpassungen. Mit der neuen Obergrenze werden ab 1. Januar 2016 rund 95 Prozent der Versicherten zum vollen Lohn versichert sein.
Der Höchstbetrag des versicherten Lohnes in der obligatorischen Unfallversicherung ist auch für andere Sozialversicherungszweige von Bedeutung. Die Obergrenze gilt nicht nur für die Unfallversicherung, sondern ist auch massgebend für die Festsetzung der Beiträge und Leistungen der Arbeitslosenversicherung und für die Höhe des Taggeldes der Invalidenversicherung. Die Anpassung des höchstversicherten Verdienstes hat keine Änderung der aktuellen Prämien- und Beitragssätze zur Folge. Neu erfolgen jedoch entsprechende Abzüge auch auf Löhnen über 126’000 Franken.
Unsere Vorsorge in 20 Jahren
Im Austausch mit PK-Experte und Anlagespezialist Graziano Lusenti prüft der Chefredaktor der Zeitschrift „PME Magazine“, Olivier Toublan, wie sicher unser 3-Säulen-System effektiv ist und welche Pensionen die Erwerbstätigen von heute in 20 Jahren erwarten dürfen. Dabei erweist sich, dass im jetzigen Zeitpunkt die Aussichten verhältnismässig gut stehen, abgesehen von den bekannten Schwachpunkten: Umwandlungssatz, Verschiebung des flexiblen Pensionierungsalter auf 67 und darüber, Umlagerung zu Gunsten der älteren Generation, schwindende Anzahl der aktiv Versicherten, Verwendung des Sparkapitals für die Finanzierung einer Immobilie, „Verbürokratisierung“ der Vorsorge usw.
Die Gefahr, die AHV mehr und mehr mit Steuergeldern (MSW) zu finanzieren und zu subventionieren wird kritisch bewertet. Im Text werden auf die wichtigsten Gefahren bezüglich Gleichgewicht der einzelnen Vorsorgeeinrichtungen und des Systems allgemein hingewiesen: wirtschaftliche, demographische, finanzielle, anlagetechnische, fiskalische, reglementarische Risiken. Zum Abschluss wird die Prognose gewagt, dass das jetzige System in der Lage sein wird, auch in 20 Jahren „gute und hohe“ Renten auszubezahlen.
Artikel PME Magazine
AHV: 5 Franken mehr Minimalrente
Der Bundesrat hat per 1. Januar 2015 die AHV- und IV-Renten sowie den Betrag für den Lebensbedarf bei den Ergänzungsleistungen der aktuellen Preis- und Lohnentwicklung (Mischindex) angepasst. Gleichzeitig werden die Grenzbeträge der beruflichen Vorsorge, u.a. der Koordinationsabzug, darauf abgestimmt. Angepasst werden auch die steuerbefreiten Sparbeträge in der Säule 3a. Im Rahmen der Verordnungsanpassungen befreit der Bundesrat zudem geringfügige Löhne von jungen Leuten in Privathaushalten von der Beitragspflicht.
AHV: Mehr Zuwanderung, grössere Probleme
Veronica Weisser, Oekonomin bei der UBS, legt in einem Video-Interview mit der NZZ dar, dass Zuwanderung die Probleme der AHV nicht löst. Grund dafür ist, dass die AHV-Finanzierung nicht nachhaltig ist, ganz unabhängig von der Zahl der Destinatäre und auch der Zuwanderung.
“80 ist das neue 60”
Die Schweizerinnen und Schweizer fühlen sich immer länger jung. Pensionierte befürchten jedoch einen teuerungsbedingten Kaufkraftverlust ihrer Rente, während Jahrgänge mittleren Alters die Nachhaltigkeit der AHV anzweifeln. Die Mehrheit erwartet überdies eine Anhebung des Rentenalters für beide Geschlechter. Auch sind sich die Schweizerinnen und Schweizer bewusst, welche Bedeutung der privaten Altersvorsorge zukommt. Sie nutzen deren Vorteile jedoch kaum, nicht zuletzt weil sie sich nur ungenügend informiert fühlen. Diese und weitere Erkenntnisse ergeben die neue UBS Vorsorge-Umfrage "80 ist das neue 60" sowie der neue Vorsorge-Ratgeber „100 Fragen – 100 Antworten", welche am UBS Vorsorge Forum vorgestellt worden sind.
Die zentralen Erkenntnisse der Umfrage sind:
- 42% der Befragten nehmen erst Personen über 80 Jahren als alt wahr. Dabei stehen nicht die Lebensjahre oder die Pensionierung bei der Alterswahrnehmung im Mittelpunkt, sondern der Verlust der Selbstständigkeit: Sprich, wenn jemand nicht mehr zuhause leben kann, gesundheitlich stark beeinträchtigt ist oder vergesslich wird. Mit dem Verlust der Selbstständigkeit rechnet die Mehrheit erst nach dem 80. Altersjahr.
- Bei der Wahl des Wohnorts im Alter spielen steuerliche Aspekte nur eine untergeordnete Rolle. Die grosse Mehrheit der Befragten will ihre Wohnsituation beibehalten. Insbesondere die Nähe zu öffentlichen Verkehrsmitteln und zu Familie und Freunden wird als wichtig erachtet. Vier von fünf der über 65-Jährigen sind zuversichtlich, nicht in ein Alters- oder Pflegeheim ziehen zu müssen.
- Das Vertrauen in den Staat wackelt. Je jünger die Befragten, desto weniger glauben sie, dass die staatliche Altersvorsorge AHV künftig intakt bleibt und ihren Auftrag auch für sie erfüllen können wird. Bei der Pensionskasse (2. Säule) steigt die Skepsis auch bei den älteren Generationen. Die Mehrheit der Befragten geht von einer Angleichung und Anhebung des Pensionsalters für beide Geschlechter aus.
- Die heutige Generation der Erwerbstätigen ist in Bezug auf die Kostenentwicklung im Alter pessimistischer als die heute Pensionierten. 58 Prozent der befragten Erwerbstätigen erwarten steigende Gesundheitsausgaben im Ruhestand, über 40% erwarten, mehr für Reisen sowie Freizeit und Hobbys auszugeben.
Für die Studie wurden im April 2014 in der Deutsch- und Westschweiz 1521 Personen im Alter zwischen 45 und 85 Jahren telefonisch befragt. Die Stichprobe berücksichtigte verschiedene Vermögens- und Altersklassen. Realisiert wurde die Studie von Market Intelligence UBS Schweiz in Zusammenarbeit mit UBS Pension Services.
Eingliederung ins Erwerbsleben wird gestärkt
Der Bundesrat möchte die Eingliederung ins Erwerbsleben in der IV weiter fördern. Er hat die Verordnung über die Invalidenversicherung angepasst und auf den 1.1.2015 in Kraft gesetzt. Damit können die Integrationsmassnahmen flexibler eingesetzt werden. Ausserdem wird die Beratung von Arbeitgebern und Fachpersonen in Schule und Ausbildung explizit als Aufgabe der IV-Stellen verankert. Weitere Änderungen betreffen unter anderem die Qualität von medizinischen Gutachten und die Beratung von Personen, die einen Assistenzbeitrag beantragen.
SVV: Altersvorsorgemonitor 2014
Im Auftrag des Schweizerischen Versicherungsverbandes SVV befragt das Forschungsinstitut gfs.bern seit 2011 jedes Jahr über 1200 Stimmberechtigte in der ganzen Schweiz über die Wahrnehmung, Einstellung und Forderungshaltung zum Thema Altersvorsorge. Die Ergebnisse dieser Befragungen werden jeweils in der Studie «Altersvorsorgemonitor» zusammengefasst und analysiert.
Der Altersvorsorgemonitor untersucht über mehrere Jahre folgende Schwerpunkte:
- Die Beurteilung des wirtschaftlichen Umfeldes in der Schweiz
- Die Beurteilung des Altersvorsorgesystems in der Gegenwart und in der Zukunft
- Die Beurteilung der eigenen Altersvorsorge in der Gegenwart und in der Zukunft
- Die Forderungshaltung gegenüber möglichen Problemlösungen
Die Erhebungen wurden 2014 zum vierten Mal durchgeführt. Seit 2013 wird der Altersvorsorgemonitor publiziert.
Die Einstellungen zur Altersvorsorge sind seit Jahren relativ stabil. Dennoch konnten 2014 einzelne Veränderungen wahrgenommen werden:
- Die Wahrnehmung der Wirtschaftslage hat sich erneut verbessert. Vor allem überwiegt in der Prognose der folgenden zwölf Monate die optimistische einer pessimistischen Sicht. Die wirtschaftlichen Probleme werden als weniger relevant wahrgenommen.
- Die Altersvorsorge bleibt für die Mehrheit der Pensionierten eine Erfolgsgeschichte, die auch von den jüngeren Generationen breit wahrgenommen wird. Dies prägt auch 2014 die Einstellung gegenüber der Altersvorsorge massgeblich.
- Die grosse Mehrheit überträgt diese individuellen Erfolgsgeschichten auf das ganze System: Aus Sicht der Stimmberechtigten funktioniert die heutige Altersvorsorge gut. Allerdings nimmt – trotz optimistischerer Wirtschaftslage und der letztmals beobachteten Aufbruchstimmung durch die Reformabsichten – die Kritik auf tiefem Niveau zu. Diese Kritik wird vor allem und 2014 insbesondere in der Meinungswirkung anwachsend durch die Sorge um die langfristige Finanzierung genährt.
- Bezüglich der zukünftigen Altersvorsorge ist man im Vergleich zu den Vorjahren zuversichtlicher, weiterhin aber weniger optimistisch als mit Blick auf die heutige Altersvorsorge. Dennoch gelten die Probleme der Altersvorsorge als lösbar. Damit traut man den geplanten Reformen augenscheinlich nach wie vor eine Problemlösung zu.
- Mehrere Lösungsansätze sind grundsätzlich akzeptiert, insbesondere auch eine Schuldenbremse für die AHV. Allerdings werden alle (erkennbaren) Leistungskürzungen für sich genommen abgelehnt; unverbindliche Vorschläge ohne weitreichende individuelle Konsequenzen für sind dagegen akzeptierter. Mehreinnahmen durch höhere Beiträge an die 1. und 2. Säule sind vor dem Hintergrund einer optimistischen Wirtschaftseinschätzung mehrheitsfähig geworden. Die Stimmberechtigten ziehen es vor, die Probleme über Mehreinnahmen statt mit weniger Ausgaben lösen zu wollen.
“Ressourcen nutzen statt Gutachten erstellen”
In den letzten Jahren hat die Zahl der psychiatrischen IV-Gutachten massiv zugenommen und den Gutachtern ein Millionengeschäft beschert. Die PKRück kritisiert diese Entwicklung seit langem und fordert, dass gemeinsam mit allen Beteiligten früh auf ein aktives Leistungsfallmanagement gesetzt wird und sich damit die Ressourcen der Betroffenen nutzen und aktivieren lassen.
Für Andreas Heimer, Mitglied der Geschäftsleitung der PKRück, zeigt die aktuelle Berichterstattung über die Zunahme an psychiatrischen IV-Gutachten vor allem eines ganz deutlich: «Es braucht eine Richtungsänderung: Statt Gutachten zu erstellen, müssen die Ressourcen der betroffenen Personen besser genutzt werden – und zwar frühzeitig.»
«Die PKRück richtet dabei ihren Fokus bereits in einer frühen Phase auf die berufliche Reintegration», betont Andreas Heimer. Gemeinsam mit ihren Partnern beurteile die PKRück jeden einzelnen Fall. Alle erkrankten Personen, bei denen entsprechende Erfolgschancen erkannt werden, erhalten ein Case Management. Bei 65 Prozent der Case Management-Fälle der PKRück handelt es sich um Personen mit psychischen Erkrankungen. Von diesen werden 60 Prozent reintegriert. «Dies gelingt, weil die betroffenen Personen von Case Managern auf ihrem Weg zurück in eine Arbeitsfähigkeit begleitet werden – mit den Ärzten und insbesondere den Psychiatern als Partner.»
Mitteilung PKRück
Tool für individuelle AHV-Prognosen
Damit sich niemand den Kopf über die Herkunft und die allfällige politische Motivation von AHV-Szenarien zerbrechen muss, stellte Avenir Suisse schon vor 3 Jahren ein Berechnungstool dazu online, mit dem sich jeder seine eigene Prognose erstellen und die entsprechenden Schlüsse daraus ziehen kann.
Dieses Tool wurde nun aktualisiert und präzisiert. Es stehen fünf volkswirtschaftliche und vier politische Einflussgrössen zur Verfügung, die man nach Belieben anpassen kann. Als Vergleichsszenario und Ausgangsbasis dient das Bevölkerungsszenario des Bundesamtes für Statistik mit einem «moderat hohen Wanderungssaldo» (A-09-2010). Die Ausgangsannahmen zu Reallohnwachstum, Inflationsrate und Anlagerendite entsprechen im Wesentlichen jenen des Bundesrates.
Das Excel-Programm, das bei Avenir Suisse heruntergeladen werden kann, erlaubt die beliebige Anpassung der genannten Parameter (Einflussgrössen), die resultierende Grafik veranschaulicht die Konsequenzen.
Es zeigt sich, dass der Einfluss der wirtschaftlichen Grössen relativ gering ist. Wirklich “einschenken” würden die Erhöhung des Beitrags- oder des Mehrwertsteuersatzes auf jeweils rund 11 Prozent sowie die Kopplung des Rentenalters an die Lebenserwartung. Alles höchst unbeliebt.
Mitteilung Avenir Suisse / Download Excel-File
Arbeitgeber: EL und Kapitalbezug
Die Ergänzungsleistungen (EL) haben sich als bedarfsorientierte Ergänzung von AHV und IV zur Existenzsicherung bewährt. Trotzdem besteht Reformbedarf. Das hat der Bundesrat mit seinem Bericht vom vergangenen November gut dokumentiert. Mit seinen Richtungsentscheiden für eine Revision löste er Ende Juni aber eine emotionale Debatte über den Kapitalbezug aus. Doch dieses Randproblem lenkt nur vom wirklichen Problem ab – schreibt Martin Kaiser vom Arbeitgeberverband in einem Beitrag der Schweizer Arbeitgeberzeitung.
Der Tages-Anzeiger hat auf der Basis des Artikels Kaiser ebenfalls einen Beitrag zum Thema publiziert. Zentrale Schlussfolgerung: es ist nicht der Kapitalbezug in der 2. Säule, es sind die Heim- und Pflegekosten, welche die Finanzen der EL aus dem Lot bringen. Hier sollte laut Kaiser auch angesetzt werden.
Artikel Kaiser / Artikel Tages-Anzeiger
IV: Eingliederung unter den Erwartungen
Der erste Teil der 6. IV-Revision (6a) ist 2012 in Kraft getreten. Ziel der Reform war es, IV-Rentner und -Rentnerinnen wieder in das Erwerbsleben zu integrieren oder ihre Arbeitskapazitäten zu erhöhen. Wie nun eine erste Zwischenbilanz für die Jahre 2012 und 2013 zeigt, hat die Reform 6a die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Die Entlastung sei deutlich geringer als erwartet, schreibt das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) in einer Medienmitteilung. Die Verantwortlichen waren in der Botschaft davon ausgegangen, dass ab 2012 innerhalb von sechs Jahren eine Reduktion des Bestandes um 12 500 gewichtete Renten möglich sei.
In der Praxis konnten allerdings bisher nicht die anteilsmässig 4500, sondern nur gerade 500 gewichtete Renten reduziert werden. Dazu wurden rund 80’000 Dossiers näher untersucht, deren Überprüfung weitgehend abgeschlossen sei. Wie das BSV schreibt, sei das Potenzial hier deutlich überschätzt worden. Ein wichtiger Grund sei, dass häufig Begleiterkrankungen vorliegen. Oft würden zudem bei der medizinischen Neubeurteilung auch neue Diagnosen gestellt oder eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes geltend gemacht. Zu hoch waren die Annahmen auch bei der Wiedereingliederung: statt der für 2012 und 2013 anvisierten 4363 gewichteten Renten konnten nur deren 2776 effektiv reduziert werden.
NZZ / Mitteilung BSV / Faktenblatt
BaZ: “Millionengeschäft mit IV-Gutachten”
Hat die Invalidenversicherung Zweifel an den Angaben eines Gesuchstellers oder eines Arztes, überweist sie den Fall zur Überprüfung an eine anerkannte Medizinische Abklärungsstelle (Medas). Dort werden die Angaben zu Symptomen, Krankheit und Erwerbsfähigkeit nochmals überprüft. Rund jeder zehnte Fall landet bei einem privaten Gutachter. Fast immer kommt dabei nicht das vom Gesuchsteller gewünschte Ergebnis heraus. Eine Studie des Universitätsspitals Basel, für die 3463 IV-Gesuche untersucht wurden, zeigt: Im Schnitt werden Gesuchsteller von privaten Gutachtern um rund 30 Prozent arbeitsfähiger eingeschätzt als von den behandelnden Ärzten.
Die untersuchten Daten stammen aus dem Ärztlichen Begutachtungsinstitut Basel (ABI), das zu den privat geführten Medas-Stellen gehört. Neu ist der Nachweis, sagt ABI-Leiter Simon Lauper, dass behandelnde Ärzte faktisch deckungsgleiche Arbeitsunfähigkeiten attestierten, wie ihre Patienten ihnen dies vorgäben. Die Untersuchung mache deutlich, dass die Nähe der Behandler zu den eigenen Patienten eine objektive Einschätzung erschwere.
Generationenvertrag und – ungerechtigkeit
Avenir Suisse hat zum ebenso komplexen wie grenzenlosen Thema der Beziehungen zwischen den Generationen eine ausführliche und mit vielen Daten und Grafiken ausgestatte Studie erstellt. Autor ist Jérôme Cosandey, Gastbeitäge steuerten Martin Eling, François Höpflinger und Pasqualina Perrig bei. Unter dem Titel “Generationen-Ungerechtigkeit überwinden” wird gezeigt, welche Belastungen auf die aktive Generation angesichts der demographischen Entwicklung zukommen resp. heute schon bestehen und wie darauf reagiert werden kann.
Der als Ausdruck der Solidarität gelobte “Generationenvertrag” gerät ins Zwielicht angesichts der Tatsache, dass Beiträge und Leistungen für den Einzelnen je nach seiner Zugehörigkeit zu den “Jungen” resp. den “Alten” zunehmend auseinander laufen. Das Problem lässt sich nicht mit einer einfachen Lösung aus der Welt schaffen, es ist vielmehr ein ganzer Strauss höchst unterschiedlicher Ansätze notwendig, um wieder ein Gleichgewicht resp. mehr Gerechtigkeit herzustellen. Dazu unterscheidet Cosandey den politischen vom privaten Generationenvertrag, zwischen denen zahlreiche Wechselwirkungen bestehen.
Besondere Aufmerksamkeit dürfte der Vorschlag finden, zur Finanzierung der rasch wachsenden Pflegekosten im Alter eine kapitalgedeckte, obligatorische Versicherung einzurichten, die für die Versicherten individuelle Guthaben ansammelt, welche für die Pflegekosten im Alter herangezogen werden können. Die Höhe der Beiträge richtet sich nach den durchschnittlichen, ermittelten Kosten pro Pflegebedürftigen. Werden die Mittel nicht benötigt, können Sie vererbt werden. Reichen die Mittel nicht aus, sollen wie bis anhin Gelder der EL resp. Sozialhilfe herangezogen werden.
Das Fazit, wie von Cosandey an einem Medienanlass präsentiert:
- Es geht um viel mehr als nur um die Finanzierung der Altersvorsorge
Der Generationenvertrag umfasst nicht einfach «Jung» und «Alt», sondern gleich vier Generationen in wechselnden Abhängigkeiten. - Die Alterspyramide wird zunehmend eine Alterspflaume
Babyboomer werden heute pensioniert und in 20 Jahren zum Teil pflegebedürftig. Es fehlen finanzielle und menschliche Ressourcen für sie. - Ein Massnahmenbouquet im privaten und öffentlichen Umfeld ist nötig
Nur ein breiter, flexibler Ansatz erlaubt eine kontinuierliche Anpassung an neue demografische, soziale und wirtschaftliche Entwicklungen. - Aktuelle Finanzierung der Alterspflege setzt Fehlanreize
Ein obligatorisches Vorsparen würde die Leistung der Familienmitglieder besser honorieren und jüngere Generationen entlasten.
Avenir Suisse und Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2014, 230 Seiten, 38 Fr.