Der Bundesrat hat die Botschaft zum ersten Teil der 6. Revision der Invalidenversicherung (IV-Revision 6a) verabschiedet. Die Massnahmen erweitern und verstärken die Anstrengungen der Invalidenversicherung, Menschen mit einer Behinderung so weit als möglich in das Erwerbsleben und in die Gesellschaft einzugliedern, statt ihnen eine Rente auszurichten. Mit der Revision 6a soll das ab Ende der Zusatzfinanzierung, also ab 2018, wieder zu erwartende Defizit der IV etwa halbiert werden. Das zweite Massnahmenpaket (IV-Revision 6b), das noch 2010 vorgelegt werden soll, wird das Ziel verfolgen, das verbleibende Defizit zu eliminieren und die IV nachhaltig zu sanieren.
Sozialversicherung
IV: Erneut weniger Renten im Jahr 2009
Die Zahl der Neurenten in der Invalidenversicherung hat 2009 nochmals um rund 10% abgenommen. Die IV gewährt heute 44% weniger neue Renten als im Jahr 2003, dem Jahr mit der höchsten Anzahl Neurenten, bevor die Trendwende eingesetzt hat. Als Folge dieser Entwicklung hat auch der Rentenbestand weiter abgenommen. Im Januar 2006 wurde der Höchststand von 257’500 laufenden Renten ausgewiesen, bis Januar 2010 ging der Rentenbestand um 4.3% zurück. Trotz dieser erfreulichen Entwicklung musste die IV 2009 ein Defizit von etwa 1.1 Milliarden Franken hinnehmen, ihre Schulden bei der AHV stiegen auf rund 14 Milliarden.
Behindertenorganisationen: Fehlende Regeln für IV-Gutachten
“Die IV-Stellen müssen den Sachverhalt von Amtes wegen abklären, ohne dabei an die Anträge der Parteien gebunden zu sein. Für diese Abklärungen werden von der Invalidenversicherung jährlich tausende medizinische Gutachten in Auftrag gegeben. Davon finanzieren sich zahlreiche private Gutachterfirmen mit Auftragsvolumina von teilweise mehreren Millionen Franken jährlich. Das Bundesamt für Sozialversicherung kontrolliert diesen wachsenden Markt kaum. So fehlen insbesondere ein geregeltes Beauftragungsverfahren, ein unabhängiges Controlling und ein unabhängiges Qualitätsmanagement,” schreibt eine Vereinigung von Behindertenorganisationen.
Auch die Gerichte kontrollierten die Gutachten externer Fachspezialisten nicht detailliert, sondern erkennen ihnen vollen Beweiswert zu, solange «nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit» der Expertise sprechen. Damit komme den medizinischen Gutachten im IV-Verfahren oft entscheidende Bedeutung zu.
Die Rechtsberatungsstellen von Behindertenorganisationen werden oft mit Fragen rund um Begutachtungen konfrontiert. Eine Gruppe von Juristen von Procap, Integration Handicap, Pro Mente Sana, Schweizer Paraplegiker-Vereinigung, Behindertenforum und Schweizerischer Gehörlosenbund hat sich deshalb intensiv mit der Materie auseinandergesetzt und ein 12-seitiges Positionspapier mit konkreten Lösungsvorschlägen erarbeitet.
Das Papier der Behindertenorganisationen kommt zum Schluss: In Anbetracht der einseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit der Begutachtungsinstitute und einzelner Gutachter einerseits und der fehlenden Kontrolle andererseits ist ein faires IV-Verfahren mit den bestehenden Regeln nicht mehr garantiert. Es ist notwendig, die Begutachtung umfassender zu regeln.
Aktualisierte Broschüren zur Sozialen Sicherheit
Die Informationsstelle AHV/IV hat die Broschüren «Soziale Sicherheit in der Schweiz / Social security in Switzerland » und «Die Schweiz verlassen / Leaving Switzerland» neu aufgelegt. Die beiden Broschüren sind ausschliesslich via Internet abrufbar.
Neue Textausgaben zur AHV und IV
Die Informationsstelle AHV/IV hat die Textausgaben zur AHV und zur IV mit Stand 1. Januar 2010 neu publiziert. Die Textausgaben sind perfekte Hilfsmittel in der Ausbildung und in der Praxis für alle, die mit der 1. Säule der Alters-, Hinterlassenen und Invalidenvorsorge zu tun haben. Die Ausgaben können via Internet bestellt werden.
Beobachter: Blick hinter die Verwaltungskosten der AHV
Der Beobachter geht im Detail auf die Verwaltungskosten bei der AHV ein, welche vielfach als vorbildlich bezeichnet und als Gegenargument gegen die 2. Säule verwendet werden. Er zeigt auf, dass die von Strahm et. al. in der laufenden Abstimmungskampage ad nauseam wiederholten Zahlen und Vorwürfe jeder Grundlage entbehren. Der Beobachter schreibt: “Offiziell ist die AHV eine Musterschülerin in Sachen Effizienz. Das zumindest lässt die AHV-Statistik vermuten. Für das Jahr 2008 weist sie ihre Verwaltungs- und Durchführungskosten mit 130,8 Millionen Franken aus. (…) Pro Versicherten macht das gerade mal knapp 20 Franken im Jahr aus – das wäre wohl Weltrekord.
Die Sache hat allerdings einen Haken: Mit der Realität haben diese Zahlen wenig zu tun. Der Grossteil der Verwaltungskosten taucht in der Rechnung gar nicht auf. Die Verwaltungskosten aller 80 Ausgleichskassen werden nirgendwo gesamthaft erfasst: Die 52 Verbands-, 26 kantonalen und die zwei Ausgleichskassen des Bundes führen alle eigene Vollkostenrechnungen. Das gilt genau gleich für die 2143 AHV-Zweigstellen in den Gemeinden. Deren Aufgaben und Finanzierung sind erst noch kantonal unterschiedlich geregelt und nur sehr beschränkt vergleichbar. Im Klartext: Was die AHV-Verwaltung uns wirklich kostet, weiss niemand. Ein Skandal.”
Und weiter: “Nur so ist es möglich, dass in der Diskussion über die Kosten von AHV und Pensionskassen jeder mehr oder weniger behaupten kann, was er will. Wie der ehemalige Preisüberwacher Rudolf Strahm, der kürzlich – ausgehend von bloss 25 Franken Kosten pro AHV-Versicherten – der zweiten Säule 30-mal höhere Pro-Kopf-Verwaltungskosten unterschob als der AHV. Abgesehen von der grossen Datenunsicherheit, sind Vergleiche der Verwaltungskosten der beiden ganz unterschiedlich funktionierenden Versicherungsmodelle grundsätzlich heikel. Klar ist nur, dass die zweite Säule von ihrem Aufbau und ihrer Ausrichtung her systembedingt teurer ist.”
AWP Soziale Sicherheit: Wohlfahrtsfonds in Gefahr
Franziska Bur Bürgin, Advokatin und dipl. Steuerexpertin, äussert sich in einem Beitrag der AWP Soziale Sicherheit Nr. 2/2010 zur anstehenden Differenzbereinigung in der Frage der AHV-Beitragspflicht von patronalen Wohlfahrtsfonds im Zuge der 11. AHV-Revision. Im Kern geht es darum, diese Fonds von den Begehrlichkeiten der AHV fernzuhalten, weil andernfalls ihr Existenz akut gefährdet wäre. Gerade im Bereich der 2. Säule haben die Wohlfahrtsfonds eine wichtige und segensreiche Wirkung. Bur Bürgin befürchtet, dass die vom Ständerat gewählte Formulierung der Verwaltung Tür und Tor öffnet, um die Befreiung zu umgehen.
Sie hält in ihrem Fazit fest: “Insofern bleibt nur zu hoffen, dass die Räte im Differenzbereinigungsverfahren wieder zur ursprünglichen Formulierung des Nationalrats zurückkehren. Andernfalls hat ein Arbeitgeber beim besten Willen keinen Anreiz mehr, freiwillige Sozialleistungen zu erbringen, und die Wohlfahrtsfonds werden in Kürze aus der Schweizer Vorsorgelandschaft verschwinden. Bei diesem Szenario werden nicht nur keine zusätzlichen Beiträge für die AHV generiert, sondern es kommen auch noch mehr Lasten auf Arbeitslosenkassen und Fürsorgestellen zu.”
SGB: “Stopp dem bürgerlichen Abbauwahn bei den Sozialversicherungen”
An der Jahresmedienkonferenz des Gewerkschaftsbundes beklagte Colette Nova, geschäftsführende Sekretärin des SGB, den “Abbauwahn” bei den Sozialversicherungen. Sie ging im Detail ein auf die Revision von AHV, AVIG und UVG. Sie ging in ihrem Referat gemäss Unterlagen nicht ein auf das BVG und den Umwandlungssatz. Weitere Themen bildeten eine Boni-Steuer sowie die öffentliche Infrastruktur. Der SGB wird am 11. Januar zum Thema Umwandlungssatz eine Pressekonferenz durchführen.
IV-Rentenbezugsquote liegt im internationalen Durchschnitt
Trotz der markanten und überdurchschnittlichen Zunahme neuer IV-Renten in den 90er Jahren bis im Jahr 2003 liegt der Anteil von IV-Rentnern/Rentnerinnen an der erwerbsfähigen Schweizer Bevölkerung im internationalen Vergleich nur im Mittelfeld. Dies zeigt eine neue Studie des Bundesamts für Sozialversicherungen. Untypisch hoch ist in der Schweiz der Anteil an neuen Renten aufgrund psychischer Erkrankungen, wobei sich andere Länder dem schweizerischen Wert allmählich annähern.
Keine Mehrheit für Revision des ALVG
Beitragssatzerhöhungen auf der einen und Leistungskürzungen auf der anderen Seite führten am Schluss der Detailberatung der WAK des Nationalrats zur Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes dazu, dass die Vorlage in der Gesamtabstimmung keine Mehrheit mehr fand.
CHSS 5/09: Generationenbeziehungen und Generationenpolitik
Die Zeitschrift “Soziale Sicherheit” CHSS Nr. 5/2009 behandelt schwerpunktmässig das Thema “Von Generationenbeziehungen zur Generationenpolitik”, angesichts der vielfältigen und engagiert diskutierten Beziehungen mit ihren sozialen und finanziellen Verflechtungen von grosser Aktualität. Yves Rossier, Direktor des BSV, geht in einem Kommentar “Störende Realität” auf die Ergebnisse der Studie Wanner ein, welche im Auftrag des BSV die wirtschaftliche Situation von Ruheständlern analysierte. Die Studie, welche die gute finanzielle Situation der Älteren dokumentierte, ist teilweise auf heftige Kritik gestossen.
Rossier führt sie hingegen zu folgenden Überlegungen: “Wäre es vor dem Hintergrund der demografischen Alterung in der Schweiz nicht sinnvoll, zur Finanzierung der AHV den Beitrag der 55- bis 75-Jährigen, welche die wirtschaftlich stärkste Gruppe bilden, zu erhöhen? Für eine Sozialversicherung, die zu drei Vierteln über die Arbeitsbesteuerung finanziert wird, kommt dieser Vorschlag einem Paradigmawechsel gleich. Unsere Gesellschaft kann es sich aber nicht leisten, auf eine solche Revolution zu verzichten: Ein Umverteilungssystem, in dem die wirtschaftlich schwächste Bevölkerungsgruppe höhere Beiträge leisten muss, um die Einkommenshöhe der zahlenmässig steigenden und finanziell stärksten Gruppe zu erhalten, wäre ethisch nicht vertretbar. Schlimmer noch, ein solches System wäre langfristig zum Scheitern verurteilt.”
Avenir Suisse: Schrittweise Erhöhung des Rentenalters
Die Denkfabrik Avenir Suisse fordert, das Rentenalter «schrittchenweise» an die Lebenserwartung der Pensionierten anzupassen. Damit würde das Rentenalter 67 im Jahr 2026 wirksam werden. Damit soll verhindert werden, dass die AHV das Schicksal der IV erleidet. In ihrer neuen Publikation «Die AHV – eine Vorsorge mit Alterungsblindheit» macht Avenir Suisse Vorschläge, wie die AHV gezielt an die demografische Entwicklung angepasst werden kann. Bei einer Anpassung auf 2011 würde das Rentenalter demnach gemäss Avenir Suisse auf 65 Jahre und 1,5 Monate steigen und im folgenden Jahr auf 65 Jahre und drei Monate. Gleichzeitig will Avenir Suisse auch das Bedürfnis nach einer Flexibilisierung des Rentenalters ernst nehmen. Hier schlägt sie vor, dass pro Jahrgang ein Renteneintrittsalter bestimmt werden soll, ab dem man Anrecht auf eine volle Rente hat. Lässt man sich vor diesem aufgrund der Lebenserwartung definierten Alter pensionieren, wird die Rente gekürzt, arbeitet man länger, steigt sie.
Nationale Internetplattform zu Beruf und Familie
Eine neue Internetplattform bietet erstmals einen Überblick über die kantonalen und kommunalen Politiken im Bereich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Diese Plattform auf www.berufundfamilie.admin.ch wurde am in Bern von den Direktoren des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) und des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV), Jean-Daniel Gerber und Yves Rossier, vorgestellt.
Die Lage auf dem Arbeitsmarkt im August 2009
Gemäss den Erhebungen des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO waren Ende August 2009 150’831 Arbeitslose bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) eingeschrieben, 5’467 mehr als im Vormonat. Die Arbeitslosenquote stieg damit von 3,7% im Juli 2009 auf 3,8% im Berichtsmonat. Gegenüber dem Vorjahresmonat erhöhte sich die Arbeitslosigkeit um 56’792 Personen (+60,4%).
Gleichstellung von Frau und Mann: Die Schweiz im internationalen Vergleich
Lösungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie werden unter anderem in der Arbeitsteilung zwischen Partner und Partnerin gesucht und zeigen sich anschaulich an den Erwerbsmodellen in Paarhaushalten. Die Schweiz, Österreich, Deutschland, die Niederlande und Belgien zeichnen sich durch einen hohen Anteil an Paarhaushalten aus, in denen der Mann Vollzeit und die Frau Teilzeit arbeitet und einen relativ tiefen Anteil mit zwei Vollzeit erwerbstätigen Partnern. Die Lebenssituation von Paaren verändert sich grundlegend sobald Kinder im Haushalt leben. Dies sind einige Ergebnisse einer vom Bundesamt für Statistik (BFS) publizierten Studie zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Schweiz und weiteren europäischen Ländern.