Umfrage zur BVG-Revision

Langjährige Leser, Leserinnen, Lesende jeglicher Couleur, mit und ohne Stärnli (niemanden vergessen?) kennen das Prozedere: Während die restliche Christenheit sich dem Ritual der Fastenzeit unterwirft, bricht in Basel das Fasnachtsfieber aus. Allerdings muss dieses Jahr das Fieber in der Quarantäne auskuriert werden.
Mein Schef, seines Zeichens Geschäftsführer des Vorsorgeforums und eifriger Kommentator des Weltgeschehens, fühlt sich angesichts der virologischen Grosswetterlage und ihrer Folgen für die Fasnacht nicht in der Lage, in die Tasten zu greifen. Sein schon früherer ergangener Auftrag «Du schreibst dann an der Fasnacht den Kommentar» wurde jedenfalls nicht zurückgenommen.
Also bin ich, Schorsch mit Namen, ein weiteres Mal aufgeboten, die Marroni aus dem Feuer zu holen, während el jefe sich seiner Depression hingibt. Ausgerechnet. Ich hab doch keine Ahnung vom Umwandlungsdingsbums und bin schon mit dem Ausweis von der Aksa heillos überfordert.
Doch das Glück ist mir hold, wie allen edlen Seelen. Find ich doch im Briefkasten eine anonyme Sendung, darin die geheime Tonaufnahme einer Sitzung vom – sie glauben es nicht – vom Arbeitgeberverband. Echt. Anscheinend war das vorher schon beim Lukas Hässig und bei der Rundschau vom Esserreff, aber denen war das zu heiss. Also bring ich es. Gnadenlos. Den absehbaren Mais habe ich schon eskomptiert, wie die Finanzheinis sagen.
Hier also das Skript. Wirklich scharf. Soviel ich verstehe: es geht um die BVG-Revision und den Sozialpartnerkompromiss, der anscheinend bös bachab geht. Eine Branche nach der anderen nimmt Reissaus. Ich kenn die Typen auf dem Band natürlich nicht. Es sind drei Stimmen. Ich bezeichne sie einfach mal als V, M und K. Los geht’s.
Aufnahme startet: Knastern, Knistern, dann die erste Stimme:
M: Wenn ich das schon höre: Allianz des vernünftigen Mittelwegs. Wer sich selbst als vernünftig verkauft, hat wohl ein Problem. Jetzt wollen alle Mitte. Was sie bringen ist aber nur Mittelmass. Bestenfalls.
K: Die verwechseln Zuschlag mit zuschlagen. Das können sie.
V: Also eines weiss ich: den nächsten Umbau gebe ich bei einer deutschen Firma in Auftrag. Die Helvetier können mich mal.
Stimmengewirr, Poltern, Schulterklopfen. Gläser werden nachgefüllt. Nach kurzer Pause, nachdenklich:
V: Und nun auch noch die Assekuranz! Ich glaub es nicht.
M: Die Linken haben schon recht: Die gehören ganz einfach nicht in die 2. Säule. Abzocker. Gewinne auf Kosten der Versicherten. Unmoralisch ist nur der Vorname. Nur Profit und Dividende, sonst kennen die nichts.
K: Genau wie die Banken. Und die Chemie. Nur Profit im Kopf. Keine Solidarität. Kein Herz für die Notleidenden, die Unterprivilegierten, die Verdammten dieser Erde. Die Hochlohnbranche zeigt jetzt, wo es drauf ankommt, ihr wahres Gesicht. Und es ist hässlich.
Stimmengewirr, Stöhnen. Dann eine Stimme von draussen:
Da ist ein Anruf für V. Nehmen Sie ihn? Es scheint wichtig. Aus Bern.
V: Aus Bern? Nehm ich. Ja hallo? Ah, du bist es. Salut Alain. Wart, ich schalt das Telefon auf laut. Wir haben grad Krisensitzung. Es sind alle Copains am Tisch.
Vom Telefon. Mit franz. Accent:
Was geht hier vor? Ich glaube nicht. Incroyable. Schon klar, die Kapitalisten, alles Heuschrecken. Nicht neu. Aber jetzt auch Effdepee. Ihr habt keine Einfluss mehr. Die machen was sie wollen. La catastrophe. Und die Ümbel von die Tsefaupee. Ist jetzt auch gekippt. Mit ihr und der Pfister haben wir immer schön – wie sagt man, petit paquet – ja genau – Päckli gemacht und jetzt? Fini. Merde.
Hängt auf.
Kurzes, betretenes Schweigen. Dann:
V: Da ist jemand echt sauer. Aber der kann mich. Wer bitte hat uns den Mist aufgeschwatzt? Ich habe es gleich gewusst. Das geht in die Hosen.
K: Aber so schlecht ist das doch nicht. Ich mein das mit dem Zuschlag. Wir haben uns so viel Mühe gegeben. Das war so viel Arbeit. Diese ganze Rechnerei. Und mit den Linken hatten wir ein so nettes Verhältnis. Wir haben uns prima verstanden. Das ging viel besser als mit den elenden Gewerblern. Und hier waren nämlich auch alle dafür. Also jetzt bitte keinen Rückzieher.
V: Nur blöd, dass sogar deine Assekuranten ihr Njet publik gemacht haben. Ich komme mir von Tag zu Tag einsamer vor.
M: Und jetzt auch noch die Jungen. Die velohelmtragende Klimajugend. Die nachhaltigen Schulschwänzer. Die Hoffnung unserer alten Tage. Auch nicht lässig. Alle zusammen vereint gegen uns. Nur die Jungbolschewiken sind nicht dabei. Peinlich.
K: Träumer. Alles Träumer. Ich diagnostiziere galoppierende Wohlstandsverwahrlosung. Ich mein, was bieten sie? Eine Altersvorsorge in bio und gentechfrei. Aber was es kostet? Wie finanzieren? Keinen Schimmer.
M: Sie könnten sich betreffend Ideen für die Finanzierung ja bei der CVP bedienen. Mit Mehrwertsteuer und Nationalbankgewinnen. Fehlt nur noch das Fastenopfer.
V: Meine Herren, Schluss jetzt: Es ist zwölf. Ende der Sitzung. Ich habe in der Kronenhalle reserviert. Auf lasst uns brechen.
Stühlerutschen, Lachen, fröhliches Durcheinander. Eine Tür wird geschlossen. Dann Stille.
Ende der Aufnahme. Das war es. Zuviel versprochen?
Schorsch, Schefredaktor a.I., E-Mail
P.S. Wie üblich gelten für den Fasnachtskommentar die folgenden Bedingungen: Reklamationen und Drohungen an die Direktion; Geldspenden und unsittliche Angebote direkt an Schorsch.
Sowohl beim ASIP wie auch beim VPS-Verlag standen die ersten Veranstaltungen des neuen Jahres im Zeichen der BVG-Reform. Zur Diskussion gestellt wurden die bundesrätliche Vernehmlassungsvorlage und das Konkurrenzmodell des ASIP. Der Vorschlag des Gewerbeverbands wurde zwar jeweils auch erwähnt, aber eher der Vollständigkeit halber und ohne dass ihm grosse Chancen eingeräumt wurden. Die binäre Ausgangslage war noch übersichtlich.
In der Zwischenzeit haben sich die Dinge verkompliziert. Drei Vereinigungen von Arbeitgebern – Baumeister, Detailhändler und Banken – sind mit einem eigenen Vorschlag und gegen ihren Dachverband an die Öffentlichkeit getreten. Er entspricht mit zwei Änderungen dem ASIP-Modell. Es sind dies die reduzierte Senkung des UWS auf bloss 6 statt 5,8 Prozent und die etwas flachere Staffelung der Altersguthaben mit einem Spitzensatz von 16 statt 18 Prozent. Gemäss Berechnungen der c-alm geht die Rechnung trotzdem auf wie beim ASIP, die beiden Änderungen neutralisieren sich finanzierungmässig gegenseitig.
Ebenso wie beim ASIP-Modell sollen die Ausgleichszahlungen aus den vorhandenen Rückstellungen finanziert werden, mit einer Übergangsfrist von zehn Jahren. Bemerkenswerterweise wird der ASIP in den Unterlagen nirgends namentlich erwähnt.
Getragen wird der Vorschlag vom Baumeisterverband, den Banken-Arbeitgebern und der Swiss Retail Federation. Sie treten unter dem Titel «Allianz für einen vernünftigen Mittelweg» auf, wobei ihr Modell zwischen der bundesrätliche Vernehmlassungsvorlage und dem Modell des Gewerbeverbands positioniert wird.
Nicht in der Retail Federation engagiert sind die grossen Detailhändler Migros, Coop, Denner und Manor, weshalb auch der vielleicht vermutete Link von Migros-PK Chef und ASIP-Vizepräsident Christoph Ryter zum Allianzmodell nicht besteht. Diese haben mit der IG Detailhandel ihre eigene Vereinigung. Allerdings zeigt sich Ryter erfreut über den Vorstoss, den er als Bestätigung für die Bemühungen des ASIP sieht. Kontaktiert wurde er vorgängig der Publikation des Modells aber nicht.
Ebenfalls nicht bei der Allianz engagiert ist die Chemie, die schon früh Vorbehalte gegen den Sozialpartnerkompromiss angemeldet hat. Laut Auskunft der Allianz ringt man dort noch um das offizielle Engagement. Weitere Verbände wurden angeschrieben. Möglich, dass bis Ende der Vernehmlassungsfrist die Allianz noch mit mehr Gewicht bei ihrer Stellungnahme auftreten kann.
Es ist klar, dass damit gleichzeitig die Position des Arbeitgeberverbands geschwächt wird. Die Behauptung, dass 80 Prozent der Arbeitgeber hinter dem Kompromiss stünden, wird in Frage gestellt oder zumindest relativiert. Und besonders dürfte den Arbeitgeberband getroffen haben, dass der Vorstoss der Allianz ohne Absprache und Diskussion mit den Verbandsspitzen lanciert wurde.
Hingegen haben die Banken schon früher beim ASIP vorgesprochen und die beiden Modelländerungen als «Feinschliff» vorgeschlagen, weil sie sich davon grössere politische Akzeptanz versprechen. Allerdings werden damit auch die zentralen Forderungen an die Revision – Anpassung des UWS an die versicherungstechnischen Realitäten und Verminderung der Umverteilung – nochmals stärker verfehlt. Ob das die politische Akzeptanz erhöht, ist eine offene Frage.
Damit ist neue «Gemengelage» noch nicht ausreichend beschrieben. Zwischenzeitlich haben nämlich auch die bürgerlichen Jungparteien Kund getan, dass sie an einem gemeinsamen Vorschlag arbeiten, wobei Details dazu fehlen. Dass ihnen der Rentenzuschlag nach Sozialpartnermuster missfällt, darf als gesichert gelten. Die Jusos stehen ebenfalls auf der Kritikerseite. Da sie die 2. Säule abschaffen möchten, passt ihnen sowieso keine Revision. Sie wollen nur AHV.
Von der Libera kommt der Vorschlag, einen fixen Rentenzuschlag von 200 Franken während 10 Jahren für jene Neuversicherten auszurichten, welche von der UWS-Senkung direkt betroffen sind, was sich ohne zusätzlichen Lohnabzug aus den Rückstellungen finanzieren lässt. Ausser dem Begriff Rentenzuschlag bleibt vom ursprünglichen Finanzierungsvorschlag damit aber kaum etwas. Im Übrigen findet die Libera aber Gefallen sowohl an der Beitragsstaffelung wie an der Halbierung des Koordinationsabzugs. Ob ihr Finanzierungsmodell auch funktioniert, wird bezweifelt. Unproblematisch ist es jedenfalls auch nicht.
Und wenn wir schon am Aufzählen sind: das Expertenbüro Wechsler hat vorgerechnet, dass mit einem Rentensplitting à la AHV und den damit verbundenen Einsparungen nicht nur dem aktuellen Gender-Denken entsprochen, sondern auch auf eine UWS-Senkung verzichtet werden könnte. Ohne weitere Einzahlungen in die 2. Säule würden primär Leistungsansprüche innerhalb der PKs verschoben, mit Gewinnern und Verlierern. Selbst Genderträume können keine Wunder wirken. Das Rentensplitting ist auch Teil der umfassenderen Vorschläge des Vereins Faire Vorsorge, deren Realisierungspotential im Moment aber gering ist.
Absehbar ist schon heute, dass es problematisch werden dürfte, die Vernehmlassungsvorlage tel quel ans Parlament weiterzureichen. Aber es ist auch schwierig, sie gemäss den schon jetzt vorgetragenen Kritiken und Alternativvorschlägen anzupassen. Die flache Beitragsskala und der halbierte Koordinationsabzug sind nur mit zeitlich nicht begrenzten Zusatzbeiträgen zu finanzieren, wie sie mit dem Rentenzuschlag und damit neuen Solidarleistungen vorgesehen sind. Diesen dürfte aber erhebliche Opposition erwachsen. Aber auch das ASIP-Modell ist umstritten. SP und FDP werden sich möglicherweise solidarisch mit den am Kompromiss beteiligten Sozialpartnern verhalten, aber das reicht nicht für dessen Durchsetzung. Aus der CVP kommen widersprüchliche Signale.
Soviel lässt sich bereits risikolos voraussagen: auch dieser neuerliche Anlauf für die unvermeidliche und letztlich bescheidene BVG-Revision wird nicht zum Sparziergang, den sich Sozialpartner und Regierung vielleicht erhofft haben. Keine erfreulichen Aussichten für die 2. Säule.
Peter Wirth, E-Mail
Update: Die Swiss Retail Federation hat uns informiert, dass Manor Mitglied der Federation und sogar ein Gründungsmitglied aus den 30er Jahren ist.
Die letzten Wochen haben vorsorgemässig nichts gebracht, das wert wäre, kommentiert zu werden. Ich benütze die Gelegenheit, ein paar Sätze in eigener Sache, also zum Vorsorgeforum, zu schreiben, dessen Newsletter Sie lesen.
Zuerst das Erfreuliche: diese Ausgabe geht an 4017 Leser. Damit haben wir jetzt die Viertausendergrenze überschritten, was in der Schweiz die Berge adelt. Vor Jahresfrist waren es noch 3920. Die Zunahme mag bescheiden sein, aber die 4 vorne macht sich einfach besser, und der Anstieg bestätigt, dass trotz zunehmender Konkurrenz – der ASIP lässt neu täglich einen extern produzierten Medienspiegel verschicken – unsere Infos und Kommentare weiterhin geschätzt und gelesen werden.
Das gilt auch für unsere Homepage, die 2019 insgesamt 255’313-mal aufgerufen wurde. Mehr als durchschnittlich 20’000 pro Monat und an jedem Arbeitstag gegen 1000-mal. Und pro Besucher wurden durchschnittlich 5 Seiten angeclickt.
Wer steht hinter dem Vorsorgeforum? Es sind primär die Fachverbände, welche in der beruflichen Vorsorge aktiv sind, also ASIP, Kammer der PK-Experten, Versicherungsverband, Bankiervereinigung, KGASt, die Fachschule für Personalvorsorge und als Sozialpartner der Arbeitgeberverband. Dazu rund 70 grosse und mittlere Vorsorgeeinrichtungen, Experten, Anlagestiftungen, Anlageberater etc. Sie finanzieren den Betrieb mit ihren Jahresbeiträgen, zusätzlich der ASIP und der Versicherungsverband auch mit Sponsorenbeiträgen.
Der Arbeitgeberverband ist Mitglied, nicht aber die Arbeitnehmerseite. Das war nicht so geplant. Doch unsere Versuche, die Gewerkschaftsseite einzubinden (es gab mehrere Anläufe), sind gescheitert. Das letzte Mal mit der Forderung des PK-Netz, der Vorstand müsste paritätisch zusammengesetzt sein, damit eine Mitgliedschaft in Frage käme. Da lag ein Missverständnis vor, das aber nicht auszuräumen war.
Zusätzlich zu den Mitgliederbeiträgen bildet die Bannerwerbung im Newsletter und auf unserer Homepage ein weiteres finanzielles Standbein. Als kleine Werbeeinblendung sei an dieser Stelle der Hinweis erlaubt, dass unsere Tarife günstig und die Streuverluste minimal sind. Wer an welcher Stelle auch immer für Werbung und Marketing zuständig ist, soll sich falls interessiert doch nach unseren Konditionen erkundigen. Ein E-Mail genügt.
Den Lesern unserer Kommentare ist hoffentlich aufgefallen, dass wir zwar eine dezidiert liberale Linie verfolgen, aber nicht gebunden sind an die spezifischen Interessen der im Forum vertretenen Branchenverbände. Die Freiheit gibt sich aus der Vielfalt der Mitglieder.
Bei der Behandlung der AV2020 haben wir – zum Kummer des Pensionskassenverbands – mit Kritik an der Vorlage und insbesondere dem «70 Franken-Zückerli» nicht zurückgehalten und wussten uns da in guter Gesellschaft des Arbeitgeberverbands. Aktuell finden wir wenig Gefallen am dem von Arbeitgeberverband und Gewerkschaften lancierten Rentenzuschlag, den nun der auch Pensionskassenverband nicht mag. Allerdings stehen wir jetzt in Opposition zur Assekuranz, dem anderen Sponsor, der in der Zuschlagsfinanzierung durchaus Vorteile sieht.
Aber die mit der Spritzkanne zu verteilenden 200 Franken sind nach unserer Meinung nicht gescheiter als die früher geplanten 70. Möglicherweise wird auch dieses Projekt scheitern. Es steht zu befürchten, dass dann jemand mit dem Vorschlag von 500 Franken Helikoptergeld auftaucht. Wie auch immer: wir bleiben dran.
Neben der laufenden Informationstätigkeit hat der Verein sich als Plattform zum Austausch über aktuelle Fragen der Altersvorsorge über den Kreis der Mitglieder-Verbände hinaus bewährt. Die Diskussionen sind jeweils intensiv, die Meinungen gehen häufig auseinander. Das ist der diskrete Charme freiheitlicher Gesinnung. Aber der Nutzen für die Teilnehmer ist jeweils beträchtlich. Bei Vernehmlassungen wird versucht, die Übereinstimmungen in den zentralen Fragen herauszuarbeiten, ohne die Differenzen zu verschweigen.
Unsere Mitgliederbasis ist schmal und sie schmilzt durch die Aufgabe der Selbständigkeit von Pensionskassen, und auch weil es nicht ganz einfach ist, die Vorteile einer Mitgliedschaft plausibel zu machen. Unsere wichtigsten Produkte – Newsletter und Homepage – sind für jedermann unentgeltlich zu benützen. Rabatte sind bei einem Gratisangebot nicht möglich. Die Teilnahme an der jährlichen Mitgliederversammlung mit prominentem Gastreferat und Mittagessen im Bellevue zu Bern gibt wohl auch nicht genügend Motivation.
Mit anderen Worten: die Mitgliedschaft im Vorsorgeforum hat auch, aber nicht nur, ideellen Charakter. Aber ohne Uneigennützigkeit der Mitglieder wäre unser Betrieb nicht möglich. Es gilt, den Gedanken einer freiheitlichen 2. Säule zu verteidigen. Er ist stärker gefährdet, als den meisten bewusst ist.
Falls Sie, geschätzter Leser, geschätzte Leserin, sich für eine Mitgliedschaft interessieren – der Jahresbeitrag liegt bei 100 Franken für natürliche und 600 Franken für juristische Personen – lassen Sie uns das wissen. Und um mit einem Zitat von Wilhelm Busch zu enden: Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es.
Peter Wirth, E-Mail
Die Übungsanlage für den neuerlichen Anlauf zu einer BVG-Revision überzeugte: Die Sozialpartner setzen sich zusammen, erarbeiten einen Vorschlag, der Bundesrat übernimmt ihn und das Parlament braucht die Vorlage bloss noch durchzuwinken. Statt dass sich Politiker mit dem Geschäft profilieren, sollen jene, die bezahlen, das Sagen haben. So müsste es sein in der 2. Säule.
Schade nur, dass der Kompromiss, der jetzt als Resultat vorliegt, einen Konstruktionsfehler aufweist. Es ist der durch die Aktiven kollektiv finanzierte Rentenzuschlag, der die Freude am Sozialpartnerprojekt verdirbt.
Obwohl von den Gewerkschaften durchgesetzt, verteidigt der Arbeitgeberverband den Zuschlag tapfer gegen alle Angriffe. Der Kompromiss sei so fein austariert, dass ihn schon die kleinste Änderung gefährde, wird gewarnt. Als ob es sich um ein Kartenhaus handle, das der kleinste Windstoss zu Fall bringt.
Die beiden Spitzen des Arbeitgeberverbands – Präsident Vogt und Direktor Müller – haben in einem NZZ-Beitrag mit dramatischer Metaphorik versucht darzustellen, wie schlimm es um die 2.Säule steht und welche Gefahr droht, wenn der Vorschlag nicht integral übernommen wird: «Das symbolische Haus der beruflichen Vorsorge ist einsturzgefährdet, wenn die unterste Etage morsch und der Baugrund nicht mehr tragfähig ist», heisst es.
Und: «Hier setzt der Sozialpartnerkompromiss an: Er sichert die Zukunftsfähigkeit aller Kassen. Fehlt diese Garantie für die ganze berufliche Vorsorge und wird der von Gewerkschaften und Arbeitgebern austarierte Kompromiss im neu zusammengesetzten Parlament aufgeschnürt, droht ein Debakel. Dann wären sämtliche Akteure in einer wackligen Bauruine gefangen und müssten um die Renten zittern.»
Davon kann natürlich keine Rede sein. Es gilt auch bei diesem Päckli nicht gleich «alles oder nüt». Zu unterscheiden sind Anpassungen der technischen Parameter wie Koordinationsabzug, Eintrittsschwelle, Beitragssätze auf der einen und die Finanzierung der Kompensationsleistungen auf der anderen Seite. Und die beiden Elemente sind von der Systematik her voneinander unabhängig. Zur Finanzierung liegen diverse Vorschläge vor und diese lassen sich mit jedem Reformvorschlag kombinieren. Das ASIP-Modell beispielsweise kommt ohne weitere Solidaritäten und Umverteilung aus.
So scheint die Angst der Arbeitgeber vor einer allfälligen «Aufschnürung» durch das Parlament nicht durch das System als vielmehr politisch bedingt zu sein. Der SGB droht wie üblich mit dem Referendum, wenn nicht alle seine Wünsche erfüllt werden, insbesondere falls der von ihm erfundene Rentenzuschlag wegfällt. Das aber sollte für den Arbeitgeberverband noch lange kein Grund zu Panik sein. Ausser es liegt dem Geschäft eine «hidden agenda» zugrunde, wie die SVP argwöhnt.
Nein, für eine simple und erst noch technisch längst nicht ausreichende Anpassung des Mindest-Umwandlungssatzes, der zudem nur für eine Minderheit der Destinatäre relevant ist, benötigen wir kein neues Umverteilungssystem von jung zu alt à la AHV. Das «symbolische Haus» der beruflichen Vorsorge lässt sich auch ohne Luxusrevision und Sozialversicherungs-Beton stabilisieren.
Peter Wirth, E-Mail
Der für November erwartete Termin zur Publikation der Vernehmlassungsvorlage für die neue BVG-Reform konnte nicht eingehalten werden. Es wird jetzt also Dezember, mindestens. Das gibt Gelegenheit, vor dem grossen Ereignis nochmals zu rekapitulieren, wo wir heute stehen.
Der Bundesrat wird sich wohl an die Vorgabe des Sozialpartner-Kompromisses halten mit den wichtigsten Elementen: Umwandlungssatz 6%, Halbierung des Koordinationsabzugs, Beitragssätze von 9% bis Alter 44, dann 14% und – als umstrittenster Teil – die Finanzierung der Ausgleichsmassnahmen für die Übergangsgeneration (15 Jahre) in Form eines Rentenzuschlags mit der Erhebung eines halben Lohnprozents von allen Erwerbstätigen.
Als valable Alternative liegt das Modell des ASIP vor, das den Mindest-Umwandlungssatz auf 5,8% setzt; mit Beitragssätzen von 9% ab Alter 20 bis 34, 12% bis 44, 16% bis 54 und 18% bis 65; Koordinationsabzug von 60% des AHV-Lohnes und eine dezentrale Finanzierung der heutigen Rentenhöhe während 10 Jahren durch die einzelnen Pensionskassen. Beide Modelle sehen eine sofortige Senkung des UWS vor.
Zu favorisieren ist die bundesrätliche Lösung auf Basis des Sozialpartnervorschlags, auch wenn unsere Umfrage gezeigt hat, dass in Fachkreisen der Vorschlag des ASIP eindeutig vorgezogen wird. Um die politischen Chancen des ASIP-Modells zu verbessern wird deshalb u.a. vorgeschlagen, die Senkung des UWS auf 6% zu verringern und gleichzeitig auf die letzte Stufe der Beiträge mit einer Erhöhung von 15 auf 18% im Alter 55 zu verzichten.
Damit ergäbe sich ein konstanter Satz ab Alter 45, was angeblich die Chancen älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt verbessert, aber primär weitverbreiteten sozialpolitischen Forderungen entgegenkommt. Berechnungen haben gezeigt, dass damit die Finanzierung weiterhin stabil gehalten werden kann. Die beiden Schritte neutralisieren sich finanzierungsmässig. Der ASIP ist auf diese Vorstösse bisher nicht eingegangen, scheint aber nicht vollkommen abgeneigt, gewisse Anpassung vorzunehmen.
Erwartet wird aber auch, dass der ASIP seine eigenen Vorstellungen mit etwas mehr Verve und Nachdruck in der Öffentlichkeit vertritt. Wünschenswert dafür wären ein Präsident mit stärkerem Auftritt in der Öffentlichkeit auch auf Deutsch und eine professionelle PR-Arbeit. Das mit Blick auf die kommenden parlamentarischen Verhandlungen, welche für die Zukunft der 2. Säule von grosser Bedeutung sein dürften.
Zentraler Streitpunkt bildet zweifellos der Rentenzuschlag, ein echtes Kuckucksei, dass die Sozialpartner in ihren Vorschlag verpackt haben. Es ist nach wie vor schwer nachvollziehbar, dass die Arbeitgeber das akzeptieren konnten und entsprechend harsch ist die Kritik, wie sie in Teilen der Medien und auch den Fachkreisen laut wurde.
Sie ist allerdings nicht einhellig. Schon sind Stimmen zu hören die feststellen, dass man den «Pfad der reinen Lehre», spricht der Kapitaldeckung, schon seit geraumer Zeit vorlassen habe, und es mit anderen Worten nun auch nicht mehr darauf ankommt, auch noch diesen kollektiv finanzierten Zuschlag auf die BVG-Renten zu akzeptieren. Es gibt aber auch Kritiker, die meinen, dass damit die Gefahr einer ernsthaften Beschädigung der beruflichen Vorsorge verbunden ist. Wir teilen diese Befürchtung. Auch der ASIP lehnt den Zuschlag ab. Liegt einmal die Vorlage des Bundesrates vor, will der Verband mit einer Umfrage bei den Mitgliedern ermitteln, was deren Meinungen und Forderungen sind und dann weitersehen.
Festzustellen ist, dass einzelne Branchen nun realisieren, dass ihnen die Finanzierung eines Teils der neuen PK-Renten qua Lohnprozente finanzielle Vorteile bietet, was ihnen den vorgeschlagenen Rentenzuschlag trotz grundsätzlicher Bedenken etwas versüsst. Zu nennen sind etwa Kassen mit Leistungen nahe dem BVG-Obligatorium und auch die Sammelstiftungen der Assekuranz. Sollte der Rentenzuschlag in der geplanten Form tatsächlich realisiert werden, wäre darauf zu achten, was mit den bereits geäufneten Rückstellungen geschieht. Zu fordern ist diesbezüglich Transparenz. Benachteiligt sind natürlich grosse und gutausgebaute Kassen, die mit weitgehenden UWS-Senkungen längst auf die aktuellen Verhältnisse reagiert haben.
In diesem Zusammenhang ist der Wechsel von Martin Kaiser, einem der Architekten des Sozialpartner-Kompromisses, zur Swiss Life von einiger Bedeutung. Kaiser gehört zu den bestvernetzten Akteuren nicht nur in der beruflichen Vorsorge, sondern generell der Sozialen Sicherheit. Mit seiner langjährigen Erfahrung in wichtigen Funktionen auf kantonaler und Bundes-Ebene, dank seiner Tätigkeit beim Arbeitgeberverband bestens vertraut mit den Befindlichkeiten der diversen Branchen in Sachen Sozialpolitik, zudem ausgesprochen «dossierfest», eloquent und ausgerüstet mit einem wachen politischen Instinkt, dürfte er auch in seiner künftigen Funktion Einfluss auf den Gang der Dinge nehmen. Jedenfalls darf sein Stellungswechsel als Indiz dafür genommen werden, dass zumindest die Swiss Life mit dem Rentenzuschlag sehr einverstanden wäre.
Sollten die drei ungleichen Akteure Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Assekuranz bei der BVG-Revision am gleichen Strick ziehen, dürfte es in der Tat schwer werden, anderen Vorstellungen zum Durchbruch zu verhelfen. Bloss das Volk zu überzeugen ist dann nochmals eine ganz andere Geschichte.
Peter Wirth, E-Mail
Nach gängiger Auffassung ist der Staat um das Gemeinwohl bemüht, Unternehmen suchen den Profit. Daraus folgt: wenn es um unsere Sicherheit geht, man dem Staat vertrauen soll, während gegenüber der gewinnorientierten Wirtschaft Skepsis angezeigt ist.
Und jetzt geraten wir in einen inneren Konflikt, weil unser Vertrauen in den Staat, insbesondere was die Sicherung der Altersvorsorge betrifft, angeschlagen ist und wir geneigt sind, den Warnungen aus Kreisen der Wirtschaft – konkret: der zwei Grossbanken – eher Glauben zu schenken als den Beteuerungen unserer Regierung.
Die UBS stellt schon seit Jahren Berechnungen zur prekären Finanzierung der AHV an, die CS untersucht die sinkenden BVG-Leistungen. Die Erkenntnisse sind beiderseits beunruhigend.
Die UBS errechnet bei der AHV eine enorme Differenz zwischen den Barwerten der künftigen Beiträge und Leistungen. In ihrer Studie zur Generationenbilanz heisst es: «Der heutige Barwert der gesamten AHV-Rentenversprechen übersteigt den Barwert der zukünftigen Einnahmen der AHV um 169,2 Prozent des Schweizer Bruttoinlandprodukts (BIP). Tatsächlich verspricht die derzeitige Gesetzgebung in der Schweiz jedem heute lebenden Altersjahrgang im übrigen Lebensverlauf mehr Leistungen aus der AHV, als sie ihm im Gegenzug an Zahlungsverpflichtungen auferlegt.»
STAF und AHV21 halbieren zwar die Lücke, aber überwiegend finanzierungsseitig, was bedeutet, dass sich an der finanziellen Belastung der Jüngeren kaum etwas ändert. Und das sich in naher Zukunft massiv verschlechternde Verhältnis von Beitragszahlenden zu Leistungsempfängern wirft ernste Fragen über die künftige Finanzierbarkeit der 1. Säule auf. Die Antworten dazu bleibt uns der Bundesrat schuldig.
Die CS hat ebenfalls keine gute Kunde. Sie erwartet eine Fortsetzung der bereits seit Jahren rückläufigen Ersatzquote beim Renteneinkommen. Die Rentenbezüge aus der ersten und zweiten Säule im Verhältnis zum letzten Einkommen, sinken für Personen im mittleren Einkommenssegment von geschätzt 57% im Jahr 2010 auf rund 46% im Jahr 2025. Die Verringerung ist weitgehend Folge der rückläufigen Leistungen der 2. Säule. Angesichts der demographischen Entwicklung sind sie mit einem AHV-Ausbau nicht zu kompensieren.
Die berufliche Vorsorge leidet weniger unter der demographischen Entwicklung, aber auch sie ist davon betroffen. Der zunehmende Anteil des Rentnerkapitals am gesamten Vorsorgevermögen hat Einfluss auf das ALM und verringert generell die Risikofähigkeit der Anlagen. Für die einzelne Kasse werden Sanierungsmassnahmen umso schwieriger und schmerzhafter, je grösser der Rentneranteil an den Destinatären ist. Davon können viele Vorsorgeeinrichtungen ein Lied singen, die unter dem Zwang, die gesprochenen Renten zu erbringen, die Aktiven massiv benachteiligen müssen.
Weder auf die Problemlage bei der 1. noch bei der 2. Säule geht der Bundesrat in seinen vorliegenden oder absehbaren Reformvorlagen ein. Beide Säulen sind unterfinanziert und ausser der Erhöhung von Beiträgen, Subventionen und Steuern kommt dem Bundesrat nichts in den Sinn.
Ein unkonventioneller Vorschlag – zurückhaltend formuliert – von PK-Experte Peter Zanella sieht deshalb vor, unterfinanzierte Rentnerbestände in eine «Bad Bank» einzubringen. Mit Finanzierungsunterstützung der SNB, deren Negativzinspolitik für die Misere zumindest teilweise verantwortlich ist.
Eine Heraufsetzung des Rentenalters wäre geeignet, den Druck zu verringern und die Sicherheit des Systems zu erhöhen. Die Autoren der Studien von UBS und CS fordern deshalb fast schon händeringend eine Erhöhung. Aber über eine Angleichung der Referenzalter für beide Geschlechter auf 65 will der Bundesrat nicht hinausgehen. Doch auch dieser bescheidene Schritt wird von Links vehement bekämpft. Ohne erst einmal 65/65 durchgesetzt zu haben, ist aber eine weitere Erhöhung nicht zu machen.
Über die finanziellen und sozialen Folgen für alle Erwerbstätigen und ihre Vorsorgesicherheit machen sich die Gegner einer Erhöhung offenbar keine Gedanken. Dass sie die Folgen heutiger Versäumnisse selbst tragen müssen, scheint jenseits ihres Horizonts zu liegen. Einen Free Lunch gibt es in der Altersvorsorge so wenig wie anderswo. Irgendjemand sollte es ihnen einmal beibringen.
Peter Wirth, E-Mail
Als nach der Publikation des Sozialpartner-Modells SVP-Präsident Rösti dem Arbeitgeberverband vorwarf, ein Komplott zu schmieden mit dem Ziel, via Altersvorsorge – BVG-Revision – Rentenzuschlag die Gewerkschaften für den heiss ersehnten Rahmenvertrag zu gewinnen, nahm das der Arbeitgeberverband sehr locker. Auch die Vorwürfe des Gewerbeverbands, mit dem Rentenzuschlag würden die Grundsätze der beruflichen Vorsorge verletzt, führten kaum zu Reaktionen, desgleichen die Kritik aus Kreisen der Pensionskassen.
Nervös reagierte der Arbeitgeberverband erst, als Zweifel an den publizierten Kosten auftauchten. Und als die NZZ gar von einer teuren Luxus-Revision sprach, war es mit der Ruhe beim Arbeitgeberverband endgültig vorbei. Man warnte vor einem «Zahlenkrieg», bevor noch die Vorlage auf dem Tisch liege und klagte, das Modell würde «schlecht geredet».
Die Unruhe auf Arbeitgeberseite ist nachvollziehbar. Mit der Übernahme des von den Gewerkschaften geforderten Rentenzuschlags hat sich der Verband weit aus dem Fenster gelehnt. Und es ist nicht unbedingt die Kritik von Expertenseite die Sorgen macht, es ist wohl eher jene aus den eigenen Reihen. Den Mitgliedern zu erklären, weshalb sich ihr Verband für eine «Luxus-Revision» mit linken Vorgaben stark macht, dürfte in der Tat schwerfallen. Keine Überraschung deshalb, dass Präsident und Geschäftsleitung in den Medien intensiv für den Kompromiss weibeln und versuchen, die Vorbehalte zu entkräften.
Dabei fällt auf: es ist allein der Arbeitgeberverband, der sich für das Modell in die Schanzen wirft. Die Gewerkschaftsseite hat dem Vorschlag zwar artig aber keinesfalls begeistert applaudiert, auf die Kritik bislang jedoch nicht reagiert. Sie, auf deren Mist die Idee gewachsen ist, lässt ihren Partner im Regen stehen. Was zur Frage führt, wie viel ihnen der Kompromiss überhaupt wert ist.
Mit der Publikation von zwei Artikeln in der Septemberausgabe der Schweizer Personalvorsorge hat die Diskussion eine neue Stufe erreicht. Roger Baumann und Silvan Gamper (c-alm) rechnen vor, welche Kosten der Kompromiss auslöst. Mit 3,2 Milliarden weit mehr als die Alternativvorschläge von ASIP (2,1) und Gewerbeverband (1,3 Mrd.). Auch wenn ein Fachartikel in einer Fachzeitschrift politisch kaum Wellen schlägt, so dürften doch die Gegner des Vorschlags sich die Zahlen sehr genau gemerkt haben, um sie bei Gelegenheit hervorzuholen.
Der Arbeitgeberverband kritisiert die Zahlen der c-alm vehement. Dabei geht es auch um die Frage, ob das halbe Lohnprozent für den Rentenzuschlag zu den Kosten für den Leistungsplan oder als Aufwendung für die Übergangsgeneration zu betrachten ist. Baumann und Gamper schlagen es zu den Kosten für den Leistungsplan mit der Begründung, dass nirgends von einer zeitlichen Begrenzung die Rede ist. Der Arbeitgeberverband wirft im Gegenzug c-alm vor, den Vergleich zu verfälschen, weil für ASIP und Gewerbeverband die Kosten für die Kompensation ebenfalls einbezogen werden müssten. Gute Argumente gibt es auf beiden Seiten. Falls der Bundesrat für seine Vorlage das Modell übernimmt, wird er für Klarheit sorgen müssen.
Differenzen bestehen auch bezüglich des Umfangs der Mittel, die für den Zuschlag aufgebracht werden sollen. Gemäss c-alm liegen sie bei 1,6 Mrd., was gemäss Arbeitgeber eine halbe Mrd. zu viel ist. Nochmals anderes geht Stephan Wyss (Prevanto) in seinem Kommentar in der Schweizer Personalvorsorge vor. Als Experte rechnet er mit Barwerten und kommt zum Schluss, dass sich über 15 Jahre ein Loch von 20 Mrd. auftut was von den Arbeitgebern desgleichen entschieden bestritten wird.
Eine Anfrage beim Sicherheitsfonds, der für die Umverteilung der Mittel vorgesehen ist, lässt erkennen, dass man dort die Situation entspannt angeht und fügt interessante Details an. Geschäftsführer Daniel Dürr hält fest: «Der festgelegte Beitrag von 0.5% sollte reichen, um die Rentenzuschläge erbringen zu können. Eine Beitragserhöhung ist nicht vorgesehen. Der Beitragssatz von 0.5% ist fix – eher müssen die Zuschläge angepasst werden. Die Planrechnungen sehen vor, dass für die ersten 15 Jahre die Einnahmen genügen, um die Zuschüsse auszurichten – nach 15 Jahren (das System ist nicht begrenzt) ist die Senkung des Umwandlungssatzes kompensiert. Der Bundesrat wird dann über die Höhe der Rentenzuschläge entscheiden. Diese brauchen dann nicht mehr so hoch zu sein.»
Der Sifo jedenfalls verlässt sich bei den Zahlen offenbar auf die Sozialpartner und das BSV. Eine Berechnung der Barwerte ist allerdings kaum möglich, wenn über die Höhe und Dauer der Zuschläge keine Klarheit besteht. Andererseits darf davon ausgegangen werden, dass Wyss wie auch Baumann und Gamper – alles ausgewiesene Fachleute – ihre Zahlen zweimal geprüft hatten, bevor sie das Gut zum Druck gaben. Die Diskussion ist lanciert.
Beim BSV dürfte man aktuell intensiv am Rechnen sein. Wenn, wie allgemein vermutet, die bundesrätliche Vernehmlassungsvorlage bis Ende November vorliegen soll und zudem der Bundesrat den Kompromissvorschlag in seinen Grundzügen praktisch tel quel übernimmt, dann müssen die mitgelieferten Zahlen überzeugen, ansonsten erleidet die Vorlage schon in der Vernehmlassung oder dann im Parlament Schiffbruch. Ob schlussendlich die Vorlage incl. Rentenzuschlag eine Volksabstimmung überleben würde, ist dann nochmals eine ganz andere Frage.
Wie auch immer: die Ausgangslage für die dringend benötigte Revision auf dieser Grundlage scheint problematisch. Der ASIP versucht nun, sein eigenes Modell nochmals in die Diskussion zu bringen. Wie unsere Umfrage gezeigt hat, kommt es in Fachkreisen ausgesprochen gut an, weit besser als der Kompromiss. Aber das nützt nichts, solange nicht einflussreiche und «dossierfeste» Parlamentarier dafür gewonnen werden können. Und die sind bekanntlich im Bereich 2. Säule nicht übermässig dicht gesät.
Es werden Erinnerungen wach an die Diskussion um das BVG in der Sommersession 1980, als die ständerätliche Kommission die Vorlage des Bundesrates kurzerhand über Bord warf und unter Leitung von Markus Kündig ein ganz anders geartetes Projekt entwickelte und erfolgreich durch die Klippen der parlamentarischen Beratung und der Volksabstimmung steuerte. Ob das heutige Parlament und seine Exponenten zu einem ähnlichen Kraftakt noch in der Lage wären?
Peter Wirth, E-Mail
Ratsprotokoll der SR-Sitzung vom 9.6.1980 (S. 121)
Umfrage Vorsorgeforum zu den Revisionsmodellen
Uebersicht Revisionsmodelle
Besser als gar nichts / geht gar nicht!
Unsere Umfrage zur laufenden BVG-Revision bei den Empfängern des Newsletters hat zwei grundlegende Erkenntnisse gebracht: Die Unruhe bis hin zur Verzweiflung über den schleppenden und politisch dominierten Gang der BVG-Revision ist gross. So gross, dass man eigentlich bei allen vorliegenden Modellen noch etwas Positives findet und nichts ganz verwirft, wenn nur etwas geschieht; aber letztlich ist die Unruhe doch auch wieder nicht so gross, als das alles und jedes geschluckt werden würde. Es gibt offenbar Grenzen.
Werfen wir einen Blick auf die Teilnehmer und ihre Antworten und Kommentare.
Die Teilnehmer und ihr Bezug zur 2.Säule
363 Leser und Leserinnen des Newsletters haben sich an unserer Umfrage beteiligt. 31 Prozent sind in Pensionskassen tätig, 13 Prozent als Stiftungsrat, womit rund 44 Prozent unmittelbar in Pensionskassen aktiv sind. Knapp 30 Prozent sind in Beratung, IT, Aufsicht, Behörden und Verbänden etc. für die berufliche Vorsorge beschäftigt, ca. 18 Prozent bei Banken und Versicherungen. Nur gerade 5 Prozent geben an, beruflich nicht mit der beruflichen Vorsorge zu tun zu haben. Wenn wir davon ausgehen, dass die 3 Prozent teilnehmenden Rentner mehrheitlich früher auch in der beruflichen Vorsorge aktiv waren, dann ist unser Sample mit Bezug auf die 2. Säule als ausgesprochen professionell zu bezeichnen. Gegen 95 Prozent der Teilnehmer sind beruflich mit ihr verbunden. Entsprechend zu werten sind die Antworten und Kommentare.
Mit 62 Prozent gehört die Mehrheit der Altersgruppe 45 bis 65 an, 32 Prozent sind jünger als 45, älter als 65 sind 6 Prozent.
Welche Revisionsvorschläge sind bekannt?
Gefragt wurde in einer Überschau nach den vier vorliegenden Revisions-Modellen sowie der Initiative «Vorsorge JA – aber fair». Allerdings im Detail nur nach dem Sozialpartner-Kompromiss und dem Vorschlag des ASIP. Für die restlichen drei – Gewerbeverband, Verein Faire Vorsorge und die Initiative – nur nach einer allgemeinen Einschätzung.
Mit einem Bekanntheitsgrad von über 94 Prozent schwingt der Sozialpartnerkompromiss deutlich oben aus, aber auch die in den Medien bisher nur wenig diskutierten Vorschläge des Vereins «Faire Vorsorge» schaffen immerhin noch 40 Prozent. Die bei Pensionskassen Beschäftigten sowie die Stiftungsräte weisen insgesamt den höchsten Kenntnisstand aus.
Rangfolge von Zustimmung und Ablehnung
Wie fallen die Urteile zu den Vorschlägen aus? Am besten schneidet das ASIP-Modell ab. 42 Prozent stimmen ihm voll zu. Die entsprechenden Werte für die übrigen Vorschläge: Initiative 19 Prozent, Gewerbeverband 15, Kompromiss 13, «Faire Vorsorge» 9 Prozent. Das ASIP-Modell schlägt die Konkurrenz um Längen.
Die Vergleichszahlen zur Ablehnung lauten: ASIP 9 Prozent, Gewerbeverband 22, Initiative 28, Faire Vorsorge 33 und Kompromiss 35 Prozent.
Was stört am Sozialpartner-Kompromiss?
Was hat zur starken Ablehnung des Sozialpartner-Kompromiss’ geführt? Die Antwort ist wohl auch ohne Umfrage zu erraten: es ist der kollektiv finanzierte Rentenzuschlag. Er stösst tatsächlich auf massiven Widerstand. Insgesamt wird er von 86 Prozent der Teilnehmer abgelehnt. Die Unterschiede nach Alter und Beschäftigung sind gering. An zweiter Stelle der Kritikpunkte folgen die lange Übergangsfrist (15 Jahre) und die hohen Kosten.
Beifall finden hingegen der halbierte Koordinationsabzug und die sofortige Senkung des Umwandlungssatzes mit je knapp zwei Dritteln Zustimmung. Bei den Beschäftigten von Vorsorgeeinrichtungen stösst die sofortige Senkung sogar auf die Zustimmung von rund drei Vierteln der Antwortenden.
Bundesrat Berset hat durchblicken lassen, dass der Kompromiss die Grundlage für seine Vorlage bilden werde. Das kommt in der Branche offenbar nicht überall gut an. Nur gerade 28 Prozent finden ihn dafür geeignet, 45 Prozent antworten mit einem klaren Nein, ebenfalls 28 Prozent antworten mit «vielleicht».
Kommentare der Umfrage-Teilnehmer zum Sozialpartner-Kompromiss Negativ: – Umlageverfahren hat in der 2. Säule nichts zu suchen. – Dass es endlich einen wohl mehrheitsfähigen Vorschlag gibt. Die BVG Reform ist dringend und zwingend! |
Modell ASIP: Was wird besonders geschätzt?
Beim ASIP finden teilweise die gleichen Punkte Zustimmung wie beim Kompromiss. Basierend auf der Gesamtheit der Teilnehmer unterstützen 76 Prozent die Senkung des Umwandlungssatzes (auf 5,8 Prozent) und die sofortige Senkung mit 75 Prozent. Eine deutlich geringere Zustimmung findet die dezentrale Finanzierung der Übergangsmassnahmen (50 Prozent), was die gut finanzierten Kassen von Solidaritätsleistungen für die armen Verwandten befreit.
Wie schätzen die in der PK-Verwaltung tätigen Teilnehmer den ASIP-Vorschlag ein? Nur gerade 3 Prozent lehnen ihn ab, alle übrigen sind etwa zu gleichen Teilen ganz oder zumindest teilweise einverstanden. Die UWS-Senkung auf 5,8 Prozent begrüssen 81 Prozent, die sofortige Senkung sogar 85 Prozent. Die dezentrale Durchführung der Ausgleichsmassnahmen kommt mit 56 Prozent etwas besser an als bei der Gesamtheit der Teilnehmer (50 Prozent), was nachvollziehbar ist – oder auch nicht.
Positive Reaktionen auf den ASIP-Vorschlag – Einfache Umsetzbarkeit der Übergangsmassnahmen innert einer sinnvollen Frist von 10 Jahren. Kritik am ASIP-Vorschlag – Koordinationsabzug wird viel zu wenig und nur für Löhne bis ca. CHF 36’000 gesenkt. Immerhin wird er generell auf die Höhe der Eintrittsschwelle begrenzt. |
Die anderen Vorschläge
Wie kommen die beiden anderen Vorschläge und die Initiative in der Umfrage weg? Das Modell des Gewerbeverbands findet mit 23 Prozent eine relativ sachte Ablehnung, immerhin 62 Prozent sind zumindest teilweise einverstanden, 15 Prozent ganz. Die Pensionskassen-Profis reagieren ähnlich wie die Gesamtheit mit einem etwas grösseren Anteil der teilweise Einverstandenen.
Die streckenweise sehr komplexen Vorschläge des Vereins Faire Vorsorge finden bei zwei Dritteln der Antwortenden volle oder teilweise Zustimmung. Allerdings sind die auf einen radikalen Umbau ausgerichteten Ideen noch relativ wenig bekannt. Immerhin 214 der 363 Teilnehmer haben geantwortet.
Die Initiative für eine Faire Vorsorge wird von 30 Prozent abgelehnt, 19 Prozent sind mit der allgemein formulierten Vorlage einverstanden. 52 Prozent teilweise. Es dürfte vor allem die Forderung nach einer Flexibilisierung laufender Renten sein, die dem Anliegen Sympathien kostet.
Wohl nicht überraschend ist die Gruppe der jüngeren Umfrageteilnehmer (bis Alter 45) der Initiative gegenüber positiver eingestellt als die Gesamtheit. Nur 17 Prozent lehnen sie ganz ab, 21 Prozent sind ganz, 63 Prozent teilweise damit einverstanden.
Fazit
Was lässt sich schlussfolgern? Die ermittelten Daten ergeben ein relativ klares und auch plausibles Stimmungsbild. Der Kompromiss scheitert am Rentenzuschlag, auch und vor allem bei den Mitarbeitenden von Pensionskassen und den Stiftungsräten. Das war nicht unbedingt so zu erwarten, weil die Pensionskassen mit der kollektiven Finanzierung über neue Lohnprozente samt Durchführung der Massnahmen durch den Sicherheitsfonds entlastet würden. Aber geantwortet wurde wohl eher aus persönlicher als aus Kassen-Perspektive. Und aus dieser ist der Zuschlag mehrheitlich ein «no-go».
Auf der positiven Seite lässt sich feststellen, dass die Forderung nach einer Revision sehr stark ist. So stark, dass eigentlich jeder einigermassen vernünftige Vorschlag Unterstützung findet, bloss nicht mit beliebigen Nebenwirkungen.
Die optimale Revision aufgrund der Umfrage sähe auf Basis der bestehenden Modelle etwa so aus: Sofortige Senkung des Umwandlungssatzes auf (mind.) 5,8 Prozent, Halbierung des Koordinationsabzugs, Beschränkung der Altersgutschriften auf 2 Sätze, dezentrale Finanzierung der Ausgleichsmassnahmen und Beschränkung der Übergangsfrist auf höchstens zehn Jahre – und bitte alles ohne Mehrkosten.
Schlussbemerkungen Nicht weniger als 161 der 363 Teilnehmer haben die Gelegenheit ergriffen und einen persönlichen Kommentar zum Stand der Revision und der politischen Begleitmusik abgegeben. Wohl auch, um sich etwas Luft zu verschaffen. Hier eine Auswahl typischer Formulierungen. |
Drei zentrale Themen beschäftigen die Politik hierzulande: EU, Klima und Altersvorsorge. In Sachen EU wird offenbar auf einen Deus ex Machina gehofft, der das Chaos ordnet. Bei der Altersvorsorge wird halbherzig auf die allseits bekannten Probleme reagiert und auf später vertröstet. Beim Klima soll hingegen alles getan werden, damit bis in dreissig Jahren die Schweiz «klimaneutral» funktioniert. Bundesrätin Sommaruga ist offenbar zu allem entschlossen. Auf Flüge sind Zuschläge geplant, Benzin und Diesel sollen teurer und dereinst ganz verboten werden. Und auch sonst wird allerhand geplant, um die drohende Apokalypse zu vermeiden – auch wenn unser Land das weltweite Klima nicht in messbarem Umfang beeinflusst.
Anders sieht es bei der Altersvorsorge aus, wo wir die Zukunft in der Hand haben, aber äusserst bescheidene Ziele vorgeben. Bundesrat Berset hat mit seiner ambitionslosen Botschaft zur AHV21 aufgezeigt, wie er gedenkt, mit der AHV für ein knappes Jahrzehnt über die Runden zu kommen. Gerechtfertigt hat er das Vorgehen in einem Interview in der NZZaS mit den Worten: «Dank den zusätzlichen Einnahmen der Steuer- und AHV-Reform zugunsten der AHV haben wir nun genug Zeit, eine gute Diskussion zu führen». Mit den guten Diskussionen der letzten Jahre liessen sich ganze Bibliotheken füllen, die Resultate sind bescheiden. Die künftigen werden nicht anders ausfallen. Und ob wir in der Tat «genug Zeit» haben, darf bezweifelt werden.
Die Botschaft zur AHV21 nimmt epische 133 Seiten ein und behandelt im Detail Fragen wie «Renten für Pflegekinder im Ausland» (total 327) oder «Äquivalenzeinkommen der Unterstützungseinheiten von rentenauslösenden Kindern». Aber kein Wort darüber, wie der Bundesrat sich die Weiterentwicklung der AHV nach 2030 vorstellt. Der geistige Horizont reicht gerade über zehn Jahre, sozialpolitisch ein Wimpernschlag und das gewonnene Jahrzehnt kürzer als bei uns die «guten Diskussionen» bis zur stets prekären Volksabstimmung dauern. Ein Anschlussprogramm wird nicht einmal in Umrissen skizziert.
Aber nach 2030 wird es für die AHV erst richtig schwierig und wie dann die Finanzierung gesichert werden kann, bleibt ein Rätsel. Zudem handelt es sich bei der Jahreszahl um eine Schönwetterprognose. Die schon drohenden Rezessionswolken sind unübersehbar. Eventuell sind schon früher weitere Sanierungsschritte notwendig. Die Reformvorschläge der Regierung sind unter diesen Voraussetzungen ungenügend. Die Verweise auf das «politisch Machbare» können nicht als Entschuldigung durchgehen. Ein Bundesrat muss den Mut zum Unpopulären haben, wenn die Sache es verlangt. Sogar ein linker.
Während wir also beim Klima Maximalziele setzen und trotz allem Bemühen ausser guten Absichten, Wohlstandseinbussen und der Schaffung profitabler Geschäftsfelder für die boomende Nachhaltigkeitsbranche wenig ausrichten können, gehen wir bei der Altersvorsorge die Sache ausgesprochen gemütlich an. Das Ergebnis könnte indessen höchst ungemütlich ausfallen. So etwa nach dem Motto: Operation gelungen, Patient gestorben.
Peter Wirth, E-Mail
Kapitaler Irrtum
Mit einem Beitrag auf der Website «ökonomenstimme.ch» hat Ringier-Journalist und Ökonom Werner Vontobel das ebenso wichtige wie leider vernachlässigte Thema der ökonomischen Bedeutung des in der 2. Säule angesparten Vorsorgevermögens aufgegriffen. Und ist bei der Frage gelandet, was aus volkswirtschaftlicher Sicht für die Altersvorsorge zweckmässiger sei, das Umlagesystem der AHV oder die Kapitaldeckung der beruflichen Vorsorge. Titel des Beitrags: «Die fatalen Denkfehler der Pensionskassen-Lobby». Man ist als Vertreter der «Lobby» also gewarnt. Die Antwort auf die Fragestellung kann man sich vorstellen.
Der fatale Denkfehler besteht, so Vontobel, im Sparprozess zur Kapitaldeckung der Rentenansprüche, dem Kernelement der 2. Säule. Aufgezeigt wird die angebliche Untauglichkeit der Kapitalbildung als Vehikel der Altersvorsorge. Sie könne nicht funktionieren, so die Argumentation, weil für das angesparte Kapital keine Verwendung besteht. Im Inland weder bei der öffentlichen Hand noch bei der Wirtschaft, und im Ausland sei keine positive Rendite zu erzielen.
Nun könnte man empirisch argumentieren. Etwas mit dem Hinweis, dass zahlreiche Vorsorgeeinrichtungen seit 100 und mehr Jahren bestes funktionieren und dies zur nachweislichen Zufriedenheit der Destinatäre. Oder dass die Kapitalerträge im Schnitt rund 40 Prozent zum Altersguthaben beitragen, oder dass für die ersten sieben Monate des laufenden Jahres trotz aller Widrigkeiten ein fabelhaftes Rendement von 8 Prozent erzielt wurde. Dass sich die Politik zunehmend und in wenig zielführender Weise mit realitätsfremden Vorgaben einmischt, steht auf einem anderen Blatt.
Verweisen könnte man auch auf den norwegischen Staatsfonds, der einen ähnlichen Umfang hat wie das Kapital unserer 2. Säule und damit bemerkenswert gut lebt und auch im Ausland Geld verdient. Aber Vontobel geht die Sache mehr von der Theorie her an. Suchen wir also nach wissenschaftlicher Unterstützung für unsere Sache.
Eine der wenigen Studien zum Thema haben die Profes. Bütler und Jaeger an der Uni St.Gallen unter dem Titel «Die 2. Säule der schweizerischen Altersvorsorge im Wandel» im Jahr 2007 vorgelegt und sie stellen der 2. Säule ein durchaus positives Zeugnis aus. Im Summary halten die Autoren fest: «Für eine Volkswirtschaft ist eine höhere Kapitalbildung von grossem Vorteil: Dank eines grösseren Kapitalstocks sind zusätzliche Investitionen möglich, mit denen der wirtschaftliche Output gesteigert werden kann. Eine höhere Kapitalbildung bietet zudem die Chance zum Kapitalexport: Kapitalanlagen können dank des offenen Kapitalmarktes weltweit dort getätigt werden, wo sie die besten Renditen erzielen. Der Befürchtung einer Überkapitalisierung mit ungenügenden Kapitalrenditen wird damit die Grundlage entzogen.»
Vielleicht haben sich die Verhältnisse zwischenzeitlich völlig verändert. Aber dann wäre die Kritik Vontobels soweit zu relativieren, dass man feststellen müsste, dass die 2. Säule unter den aktuellen Kapitalmarktverhältnissen leidet und keine grundsätzliche Fehlkonstruktion vorliegt. Aber so argumentiert er nicht. Der Denkfehler scheint grundsätzlicher Natur.
Vontobel steht mit seiner Meinung nicht allein da. Zu verweisen wäre etwa auf ein Interview, das Prof. Ambros Lüthi von der Uni Freiburg 2003 der Handelszeitung gab und damals feststellte: «Für den Einzelnen mag es richtig sein, mehr zu sparen. Aber im Aggregat hat dies verheerende Effekte. Für die Privaten wie für die Kassen. Denn wenn zu viel Geld angelegt werden muss, sinken die Renditen, und spekulative Blasen und Crashs kommen zu Stande. Pensionskassen, die im heutigen Umfange anlegen müssen, treiben die Kurse in die Höhe. Die 2. Säule in der heutigen Form ist eine wirtschaftspolitische Zeitbombe. Zudem zieht Geld in diesen Mengen zwielichtige Gestalten an. Man müsste mal prüfen, wie viel Geld in Pensionskassen durch Frontrunning, Insidervergehen oder Unterschlagungen verloren geht.» Dem ersten Teil seiner Antwort könnte man trotz aller Übertreibungen allenfalls noch etwas Substanz abgewinnen, allerdings versinkt dann der zweite im Morast wilder Unterstellungen, so dass man auch den ersten nicht mehr ernst nehmen will.
Mehr Gehalt ist bei den Überlegungen von SNB-GD Thomas Jordan vorauszusetzen, der die sinkenden Zinsen mit der wachsenden Sparneigung einer alternden Bevölkerung in Verbindung bringt und von den Kassen gerne ein grösseres Auslandsengagement sehen würde. Aber eine grundlegende Bestätigung für Vontobels Thesen ist von dieser Seite auch nicht zu gewinnen.
Offenbar mangels wissenschaftlicher Unterstützung für seine Thesen bezieht sich Vontobel abschliessend und etwas irritierend auf einen kürzlich in der NZZ erschienen Kommentar von Daniel Wiener, der die kapitalgedeckte Vorsorge als «das ineffizienteste Vorsorgesystem» bezeichnete, «das man sich vorstellenkann». Was oder wen den von Vontobel als «Ökonom und Investor» deklarierten Wiener veranlasst hat, seine Attacke gegen die Pensionskassen zu reiten und das hohe Lied der Linken zu deren Abschaffung zu singen, ist schleierhaft. Als Bestätigung für die Untauglichkeit der Pensionskassen für die Altersvorsorge sind seine Argumente für unseren Geschmack jedenfalls zu dürftig.
Wie bringt nun Vontobel die AHV ins Spiel? Beitragserhöhungen zur Stabilisierung der Rentenhöhe in der 2. Säule lehnt er konsequenterweise ab. Tiefere Renten würden die Nachfrage jedoch entscheidend schwächen. Er schreibt: «Der einzige logische Ausweg aus diesem Dilemma ist der Ausbau der AHV, bzw. des Umlageverfahrens. Die Pensionskassen-Lobby ist strikt dagegen. Sie will das Problem mit noch mehr Sparen lösen. Doch mit welchen volkswirtschaftlichen Argumenten? Nun, sie hat keine. Volkswirtschaftliche Argumente und Zusammenhänge sind nicht ihr Ding.»
Weshalb sind sie nicht ihr Ding? Als Beleg führt er einen Satz aus einem E-Mail an, dass wir ihm kürzlich geschickt hatten mit der Bemerkung: «Ich muss dir recht geben, volkswirtschaftliche Aspekte kommen bei uns zu kurz». Und wieso kommen sie zu kurz? Weil dazu kaum Material vorliegt und das Thema deshalb nur selten in unseren Infos auftaucht. Daraus wird bei Vontobel: «Typisch für diese Verweigerungshaltung ist etwa die Denkfigur des anonymen „3. Beitragszahlers“. Woher dessen Geld kommt, worauf er verzichten muss, interessiert nicht. Hauptsache, das Geld liegt auf dem Konto.» Allerdings wird aus einem verdrehten Zitat kein gescheites Argument.
Zu fragen wäre, ob markökonomische Forschung überhaupt Sache der Pensionskassen ist. Sie führen eine klar umschriebenen, in der Verfassung und unzähligen Gesetzen, Verordnungen und Weisungen definierten Auftrag aus. Wenn denn ein Denkfehler vorliegen sollte, so wäre er nicht bei den Pensionskassen, sondern primär beim Verfassungsgeber resp. dem Stimmbürger zu suchen. Aber dem ist schwerlich ein Vorwurf zu machen, auch wenn er keinesfalls unfehlbar ist. Aber jedenfalls hat er keine Lobby, die man attackieren könnte. (Übrigens, soweit wir sehen können, auch die 2. Säule nicht.)
Es wäre mehr als verwegen, für unsere Altersvorsorge das Heil allein bei der AHV zu suchen, wie uns Wiener und auch die Jungsozialisten überzeugen wollen und wo auch die Sympathien von Vontobel liegen. Was uns davor zurückschrecken lässt, ist ihr bereits heute schon beunruhigender Zustand, dessen Beschönigung nun wahrlich mit «fatal» zu charakterisieren wäre und der sich im kommenden Jahrzehnt noch deutlich verschlechtern wird.
Die nicht zu beeinflussenden demographischen und biometrischen Entwicklungen sind bekannt, ihre finanziellen Konsequenzen ebenfalls. Wir zitieren zur Illustration einen Passus der UBS-Studie mit dem Titel «Wer zahlt für die AHV-Sanierung?»: «Der heutige Barwert der gesamten AHV-Rentenversprechen übersteigt den Barwert der zukünftigen Einnahmen der AHV um 169,2 Prozent des Schweizer Bruttoinlandprodukts (BIP). Tatsächlich verspricht die derzeitige Gesetzgebung in der Schweiz jedem heute lebenden Altersjahrgang im übrigen Lebensverlauf mehr Leistungen aus der AHV, als sie ihm im Gegenzug an Zahlungsverpflichtungen auferlegt. Seit 2014 übersteigen die laufenden Ausgaben der AHV bereits die laufenden Einnahmen. Dieses Umlagedefizit wird von Jahr zu Jahr wachsen, weil die Zahl der Rentner deutlich ansteigt, während die Anzahl Erwerbstätiger stagniert. Unklar ist, wer die AHV-Finanzierungslücke, also das Missverhältnis zwischen künftigen Rentenansprüchen und Zahlungsverpflichtungen, finanzieren wird.» Mit «unklar» ist die Dramatik der Frage noch sehr zurückhaltenden charakterisiert. Verglichen damit sind die Anlageprobleme der Pensionskassen geradezu «Peanuts», wie man heute zu sagen pflegt.
Wenn Vontobel den Pensionskassen ein angebliches Desinteresse an volkswirtschaftlichen Zusammenhängen vorwirft, so wäre ihm wiederum Desinteresse an den Wünschen und Interessen der Versicherten anzukreiden. Diese zeigen nämlich bedeutend mehr Skepsis bezüglich der Sicherheit der 1. als der 2. Säule. Sich allein auf den sogenannten, und noch nie von jemandem unterschriebenen Generationenvertrag zu verlassen, scheint einer Mehrheit riskanter, als den linken AHV-Fans lieb ist.
Die obige Argumentation mag streckenweise anekdotisch und aus wissenschaftlicher Sicht methodisch unbefriedigend erscheinen. Unsere Leser seien versichert: für neues und aufschlussreiches Material, das mehr als Commonsense und Ideologie zum Thema bietet, sind wir jederzeit offen. Von \»Verweigerungshaltung\» kann keine Rede sein. Zumindest vorderhand sehen wir aber bei der 2. Säule keine fatalen, also schicksalsbedingen Denkfehler vorliegen, vielmehr auf Seite ihrer Fundamentalkritiker kapitale Irrtümer.
Peter Wirth, E-Mail
Zum Glück haben wir die Berge. Bei Hitzewellen, wie sie uns neuerdings heimsuchen, bieten sie die erwünschte Abkühlung, zudem eröffnen ihre Gipfel neue Perspektiven und einen erweiterten Horizont. Kein Ort also wäre besser geeignet, eine Diskussion über die Revision des BVG zu führen, so man denn die Absicht hat, die ausgefahrenen Gleise zu verlassen.
So geschehen an einem der heissesten Tage dieses Sommers auf einem Berg namens Ämpächli, der zuvor dem Schreibenden so unbekannt war wie wahrscheinlich der Mehrheit der Leser. Auf eben diesem Ämpächli, zu erreichen gottlob mit einem Seilbähnli, trafen sich Ende Juli Toni Bortoluzzi, Präsident des Vorsorgeforums, der Geschäftsführer sowie zwei weitere Herren, die nicht nur ihr Engagement für die 2. Säule entdeckten, sondern darüber hinaus offenkundig den Drang verspüren, sich für eine grundlegende Reform zu engagieren.
Dass sie gleichzeitig auch Vorschläge für einen Demographiefonds zur AHV entwickelten, nehmen wir als Hinweis auf ihren bemerkenswerten Ehrgeiz, gleich die ganze Altersvorsorge zu reformieren, konzentrieren uns aber hier auf die berufliche Vorsorge. Sie stand auf dem Ämpächli auch im Zentrum eines angeregten Gesprächs.
Dass die beiden nicht schon jahrzehntelang als «Pensionskässeler» aktiv sind, ist für das Auffinden neuer Wege bei der Altersvorsorge wohl von Vorteil. Die Habitués der Szene wissen nur allzu gut, was alles nicht möglich ist und schrecken deshalb vor kühnen, weil neuen Ideen schnell zurück. Solche Selbstbeschränkung ist unseren Gesprächspartnern fremd. Erich Wintsch, Initiant des Projekts, kommt aus der IT-Branche und ist CEO von Finaware, sein Mitstreiter Fred Siegrist ist im Finanzsektor aktiv. Gemeinsam haben sie den Verein «Faire Vorsorge» gegründet. Und was sie mit ihrem Reformvorschlag durchsetzen wollen, ist nichts weniger als eine radikale Umkehr von den zentralen Prinzipien des heutigen Systems, ohne aber seine institutionelle Struktur aufzugeben.
Was an ihrem Vorschlag zuerst auffällt, ist der nach geltenden Massstäben blasphemisch anmutende Verzicht auf den gesetzlichen Mindest-Umwandlungssatz, dem Zentralgestirn aller Versuche für eine BVG-Revision und liebstes Spielzeug der Politik, wenn es um das BVG geht. Es soll auch keine gesetzliche Mindestverzinsung samt dem dazugehörigen, jährlich stattfindenden Spektakel zur bundesrätlichen Festlegung mehr geben.
Nicht genug damit, auch der Koordinationsabzug und die Eintrittsschwelle werden gestrichen. Die Rentengarantie, der geheiligte Anspruch auf die nominell gesprochene Rente, wird ebenfalls in Frage gestellt. Garantiert wird lediglich das angesparte Kapital mit Nullverzinsung. Was bedeutet, die Rente würde als ein nach Jahren berechneter Anteil des bestehenden Altersguthabens plus dem darauf anfallenden, jeweiligen Ertrag ausbezahlt. Eine Kapitalauszahlung soll es nur noch im Umfang der Rente für eine Fünfjahresperiode geben.
Damit soll u.a. erreicht werden: Wegfall der Umverteilung und aller ungewollten Solidaritäten, Flexibilität der Renten nach Lage auf den Kapitalmärkten mit einem garantierten Sockelbetrag – sozusagen Wackelrente light, Verzicht auf eine politisch schwer durchsetzbare Erhöhung des Rentenalters, Wegfall des einmaligen und unumkehrbaren Entscheids für Rente oder Kapital, der die meisten Versicherten überfordert.
Das ist auch in der frischen Alpenluft noch schwere Kost. Und die beiden Vertreter des Vorsorgeforums gaben sich alle Mühe, sich weder von der Aussicht auf die Alpen noch ihren Meringue Glacés allzu sehr ablenken zu lassen und die Fairen Vorsorger auf die Schwachstellen ihres Konzepts festzunageln.
Wintsch und Siegrist aber haben offenbar auf alles eine Antwort. Eine als Quotient aus Altersguthaben und Anzahl Bezugsjahre definierte Rente setzt die Kenntnis der Dauer der Auszahlung voraus, die man aber nicht kennt. Das Problem wird gelöst durch die zeitliche Begrenzung der PK-Rente bis Alter 90. Die folgenden Rentenzahlungen, falls der Pensionär länger lebt, werden kollektiv finanziert durch eine Einmalprämie aller Versicherten. Das soll zwischen 1 und 1,3 Prozent des Guthabens kosten.
In Zeiten der Negativzinsen ist bekanntlich auch ein Nullzins nicht gratis zu haben. Was er resp. die Kapitalgarantie tatsächlich kostet, ist nicht ganz einfach zu bestimmen, sowenig wie der korrekte Umwandlungssatz (den es bekanntlich nicht gibt). Auf Basis der letzten 10 bis 20 Jahre sollten 1 bis 1,5 Prozent für den Kapitalschutz als Einmalprämie ausreichen, wird geschätzt. Aber diese Zahlen sind nicht abschliessend berechnet.
Wie steht es mit der Hinterlassenenrente? Wie ist deren Höhe zu berechnen? Antwort: gar nicht. Sie wird kurzerhand abgeschafft. Die zeitgeistige ergo gendergerechte Problemlösung besteht darin, den PK-Anspruch gleich wie bei Scheidung in zwei gleiche Leistungsansprüche umzuwandeln. Das tönt im Jahre des Frauenstreiks gut, dürfte aber nicht in jedem Falle einfach zu akzeptieren sein.
Einiges haben sich die Erfinder zu den Themen Vererbung der Ansprüche, Kinder- und Waisenrenten, die Verwendung der als «Dividende» bezeichneten Kapitalerträge (Auszahlung oder Wiederanlage) sowie die Festlegung der Altersgutschriften ausgedacht. Letztere sollen laut Plan auf 12 Prozent für die ganze Beitragsdauer fixiert werden, wobei der Anteil des Arbeitgebers zwischen 9 Prozentpunkten zu Beginn der Versicherung im Alter 18 und noch 3 Prozent für die über 60-jährigen variiert, was als Beispiel für die Aufteilung zu verstehen ist. Welche aber als Prinzip die angebliche Benachteiligung älterer Arbeitnehmer aufgrund der heute höheren PK-Beiträge praktisch in ihr Gegenteil verkehrt.
Weil es keinen Koordinationsabzug mehr gibt, sollte auch der ansonsten schwierige Übergang von der heutigen Skala der Altersgutschriften zum Einheitssatz machbar sein. Fünf, sechs Jahre sollten reichen, wird uns gesagt, um bestehende Beitragslücken zu füllen. Allerdings kostet der Verzicht auf den KA, und das nicht zu knapp. Die Rechnungen dazu sind in den Unterlagen des Vereins zu finden.
Damit sind nur die wichtigsten Elemente des Projekts skizziert. Im Arbeitspapier des Vereins gibt es zusätzliche Kapitel mit den Überschriften «Katalog weiterer möglicher Reformelemente», «Wünschbar, da ebenfalls vorteilhaft» oder «Zurückstellen für später». Man darf feststellen, an Ideen mangelt es nicht.
Kommt das System ohne Erhöhung des Rentenalters aus, was ja vielfach als Voraussetzung für die Stabilisierung der Altersvorsorge angesichts steigender Lebenserwartung gesehen wird? Der Punkt liegt unserem Präsidenten am Herzen und wurde auch an dieser Stelle x-fach betont. Allerdings wird durch die simple Rentenberechnung ohne Kapitalerträge das Problem elegant umgangen. In der Tat ist das Altersguthaben in jedem Zeitpunkt so hoch wie es nun einmal ist und mit dem gesetzten Endalter 90 ist die Basisrente eindeutig zu bestimmen. Das geht mit Alter 40 so gut wie mit 70. Die Finanzierung ist in jedem Moment gesichert.
Bei der AHV ist es nun wiederum eine andere Geschichte und primär deren Problem, wie es sich angesichts des massiven Widerstands gegen jegliche Rentenalter-Erhöhung zeigt. Ausser man holt sich das Geld bei der SNB, wo es davon reichlich gibt.
Nun mag man natürlich die politische Machbarkeit einer so tiefgreifenden Reform anzweifeln. Aber es sind bekanntlich schon weit bescheidenere Vorhaben gescheitert, incl. eine Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6,4 Prozent, aus heutiger Sicht Peanuts, damals aber Anlass zu Empörungsorgien auf Gewerkschaftsseite (siehe Rentenklau). Also könnte man es zur Abwechslung einmal mit einer richtigen Revision versuchen. Einzelne Teile, so wird uns versichert, könnten modular und in Einzelschritten umgesetzt werden. Der Politiker am Tisch hat aufgrund langer Erfahrung seine Zweifel. Aber technisch durchführbar scheint das Projekt. Und Vorteile gegenüber dem Status Quo lassen sich für beide Seiten der Sozialpartner ausmachen.
Jedenfalls verlässt das Quartett am frühen Abend guter Stimmung das Ämpächli. Man hat sich intensiv ausgetauscht, beidseits (hoffentlich) etwas gelernt. Nach all den eher bescheidenen bis ängstlichen Revisionsansätzen ein erfrischend neues Konzept. Höhenluft tut eben gut.
Peter Wirth, E-Mail
PS 1. Eine ausführliche Darstellung des Modells plus eine Zusammenfassung ist zu finden auf unserer Übersichtsseite über die vorliegenden Reformvorschläge unter BVG-Reform 2022. Die Homepage des Vereins Faire Vorsorge findet sich hier.
PS 2. Einen Schritt in Richtung der Vorschläge des Vereins «Faire Vorsorge» macht die Vita Invest, die in ihrer Sammelstiftung ebenfalls eine Sockelrente auf Basis einer garantieren Null-Verzinsung des Altersguthabens einführen wird. Allerdings will (und kann sie wohl auch nicht) auf die Festlegung eines Umwandlungssatzes verzichten, der aber mit 3,7 Prozent sehr vorsichtig ausfällt.
Zumindest was die Altersvorsorge betrifft, ist das von den Medien gefürchtete Sommerloch frühzeitig zugeschüttet worden. Verantwortlich dafür sind die Sozialpartner (oder drei Viertel von ihnen) mit der Idee eines Rentenzuschlags für die Opfer der Umwandlungssatz-Senkung. Ein dreiteiliges Intermezzo in den Medien brachte etwas Unterhaltung, aber wenig Klärendes zum Thema.
Die Auseinandersetzung um den Kompromiss brachte SVP-Präsident Rösti in einem TA-Interview auf eine neue Ebene mit dem Vorwurf, es handle sich dabei um ein Komplott von Gewerkschaften und Arbeitgeberverband. Unter Komplott wird gemäss Wörterbuch die «Verabredung zu einem Verbrechen oder einer moralisch verwerflichen Handlung» verstanden. Passt wohl nicht ganz auf unseren «Sozialpartner-Kompromiss», auch wenn man gehörige Bedenken dagegen ins Feld führen kann.
Aber der Schuss hat getroffen und Valentin Vogt, Präsident des Arbeitgeberverbands, hat sich in einem von Fabian Schäfer sehr offensiv geführten Interview in der NZZ weidlich Mühe gegeben – oder geben müssen, um die Einführung eines neuen, mit Lohnprozenten finanzierten Umverteilungsmechanismus zu rechtfertigen und Rösti damit zu widerlegen.
Allerdings musste Vogt dafür so häufig den Begriff «Kompromiss», oder sogar «ausgewogener Kompromiss» verwenden, dass der Leser misstrauisch werden musste. Ziehen wir nochmals unser Wörterbuch heran, so finden wir als Begriffserklärung für Kompromiss «Einigung durch gegenseitige Zugeständnisse». Und das trifft den Sachverhalt möglicherweise so wenig wie Komplott.
In der Tat fällt es schwer, für das sehr weitgehende Zugeständnis der Arbeitgeber Gleichwertiges auf Gewerkschaftsseite auszumachen. Die Unia resp. deren Spitzen mögen wenig von Pensionskassen halten, aber die Mitglieder des VPOD würden zweifellos auf die Barrikaden gehen, wollte ihnen jemand die Pensionskassen wegnehmen. Sie sind deshalb auch für die überfällige Revision zu haben. Aber diese Karte haben anscheinend die Arbeitgeber nicht gespielt.
Und weshalb es für die Durchsetzung einer unumgänglichen Anpassung der technischen Parameter überhaupt Zugeständnisse und Kompromisse braucht, ist auch nicht klar. Die Gewerkschaften lassen sich dafür bezahlen, dass man bei Regen den Schirm aufspannt.
Dass Rösti deshalb hinter dem «Kompromiss» eine «hidden agenda» witterte, ist keine Überraschung und die Replik von Vogt auf den Vorwurf wiewohl heftig, auffallend vage und pauschal. Zu fragen wäre, wieviel liegt den Arbeitgebern wirklich an der 2. Säule, einmal abgesehen von den üblichen Beteuerungen und Sonntagsreden? Ganz oben auf der Prioritätenliste steht sie wohl nicht. Da ist derzeit eher das heiss ersehnte Rahmenabkommen mit der EU zu finden, von dem wiederum die SVP gar nichts hält.
Auch die aus der FDP-Küche stammende Übergangsrente könnte den Verdacht stärken, dass die Arbeitgeberseite sich derzeit nur deshalb so auffallend sozial gibt und hehre Grundsätze über Bord wirft, weil sie sich dafür eine Gegenleistung erhofft, die mit einem Umwandlungssatz von 6 Prozent doch sehr mager ausfallen würde. Womit anstatt von «Kompromiss» wohl eher von einem «Deal» zu sprechen wäre, dessen Kleingedrucktes der Öffentlichkeit vorenthalten wird. Womit wiederum Rösti bestätigt würde, auch ohne Komplott.
Allerdings wäre dieser Deal mit jeder Mange von Imponderabilien besetzt und müsste erst von einem absehbar nach links gerückten Parlament abgesegnet werden, das sich nicht an irgendwelche Absprachen zwischen den Sozialpartnern zu halten braucht.
Die Duplik auf Vogts Replik kam im dritten Akt schliesslich von SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi, der wie schon Parteikollege Rösti in der Wortwahl ebenfalls etwas daneben griff mit dem Vorwurf, Vogt habe seiner Partei «das Messer in den Rücken» gestossen. Immerhin erspart er uns mit seiner blutigen Metapher einen erneuten Griff ins Wörterbuch. Sie ist relativ leicht verständlich. Die Formulierung verrät den Hang zum Dramatischen, doch dürfte sie beim Beschuldigten kaum schlaflosen Nächte ausgelöst haben; höchstens vielleicht den Gedanken «schön wär’s».
Zusammenfassend müssen wir feststellen: die politische Polemik bewegt sich dieser Tage in der Schweiz generell auf bescheidenem Niveau, was für das Publikum höchst bedauerlich ist. Sie kommt stets entweder moralisierend, empört oder weinerlich daher. Treffsicherer Witz und Schlagfertigkeit sind nicht gerade die Stärken unserer classe politique. But that’s another story.
Peter Wirth, E-Mail
PS. Nachdem das Fed eine Zinssenkung angekündigt hat und von Mme Lagarde eine eher lockere Hand bei der Euro-Steuerung zu erwarten ist, könnte sich die Drohung der Nationalbank, notfalls den Negativzins noch zu senken (oder zu erhöhen?), bewahrheiten. Was u.a. die Frage aufwirft, was denn mit ihren hunderten von Milliarden bereits angehäuften und noch weiter ansteigenden Währungsreserven Gescheites anzufangen wäre. PK-Experte Martin Wechsler hat die Idee lanciert, sie teilweise für die AHV-Sanierung einzusetzen, ohne sie ganz dem Einfluss der SNB zu entziehen. Gegen solche und ähnliche Ideen wehrt man sich bei der Nationalbank stets mit Händen und Füssen, aber nachdem die internationale Währungspolitik längst alle einst geltenden Grundsätze über Bord geworfen hat, gibt es keinen Anlass mehr, dass sich die SNB als geldpolitischer Musterknabe aufführt, zum Schaden der Sparer und der Altersvorsorge. Der Vorschlag verdient eine vertiefte Prüfung. Das Thema der SNB-Reserven und ihre Verwendung gehört auf die politische Agenda.
Die Sozialpartner haben es in der Tat und gegen alle Erwartung geschafft, wie vom Bundesrat gewünscht gemeinsam Vorschläge zur BVG-Revision vorzulegen. Mit dem Schönheitsfehler, dass der Gewerbeverband ausgeschert und die Einstimmigkeit zum qualifizierten ¾-Mehr geschrumpft ist. Sie haben die Regierung inständig gebeten, ihr Revisions-Modell für die Vernehmlassungsvorlage exakt zu übernehmen. Angeblich wird diese das auch tun.
Kernstück der BVG-Revision bildet die Senkung des Mindest-Umwandlungssatzes samt zugehörigen Ausgleichsmassnahmen für eine längere Übergangsfrist. Einige sind sich beide Seiten – Arbeitnehmer und -geber incl. Gewerbeverband – dass die Senkung nicht über 6 Prozent hinausgehen soll, obwohl 5 Prozent richtig wären. Das Sozialpartnerprojekt sieht zum Erhalt des Leistungsziels u.a. die Halbierung des Koordinationsabzugs und eine Erhöhung des Sparziels mit neu lediglich zwei Beitragssätzen vor.
Wäre es dabei geblieben, hätte man mit zu Recht von einem «Kompromiss» sprechen können. Aber die Gewerkschafter waren damit nicht zufrieden zu stellen. Sie zwangen dem Arbeitgeberverband den in der eigenen Küche vorpräparierten Rentenzuschlag als neues und systemfremdes Umverteilungsprojekt auf.
Bemerkenswert die Reaktion in der NZZ, die das Projekt samt Zuschlag in diversen Beiträgen als «nicht akzeptabel» und «absurd» bezeichnete. «Auf die Idee muss man erst noch kommen» hat Fabian Schäfer geschrieben. Die gleiche Formulierung hatten wir schon im ersten Entwurf zu diesem Kommentar. Sie passt zum Konzept der beruflichen Vorsorge wie die legendäre Faust aufs Auge, und es ist im Grunde peinlich, dass zur Finanzierung des Leistungserhalts im Obligatorium auf eine solche Massnahme zurückgegriffen werden soll. Ein «Zustupf», finanziert mit Lohnprozenten in Höhe von 0,5 von allen Erwerbstätigen, der via Sicherheitsfonds den Neurentnern der Übergangsgeneration mit der Spritzkanne zugeteilt wird. Das heisst z.B., dass die jungen Bäcker, Elektrikerinnen und Sanitär-Installateure den Pensionisten im Finanzsektor unter die Arme greifen dürfen, obwohl selbige von der UWS-Senkung gar nicht betroffen sind. Ob sie jemals von ähnlicher Grosszügigkeit werden profitieren können, ist eher unsicher und schon gar nicht garantiert. Geht alles unter dem Titel soziale Gerechtigkeit mit Patent SGB.
Die Fairness gebietet, neben der Soll- auch die Habenseite des Deals (aus Arbeitgebersicht) anzusehen. Da wäre an erster Stelle zu nennen das seltene, implizit abgegebene Bekenntnis der Gewerkschaftsseite zur 2. Säule, womit gleichzeitig eine Verteidigungslinie aufgezogen wird gegen die absehbaren Attacken der antikapitalistischen Jungsozialisten mit ihrem wachsenden Einfluss in der SP. Keine weitere Diskussion ist mehr nötig, um die Senkung auf immerhin 6 Prozent zu rechtfertigen, obwohl die Linke im Parlament absehbar mit endlosen Zusatzforderungen aufwarten wird. Als positiv werden auf Arbeitgeberseite auch der Ausbau der beruflichen Vorsorge aufgrund des massiv tieferen KA hervorgehoben, was Teilzeitlern entgegenkommt, sowie die vereinfachte Beitragsstruktur, die älteren Arbeitnehmern auf dem Arbeitsmarkt vielleicht etwas nützt. Der Umverteilungseffekt durch das halbe Lohnprozent für den Rentenzuschlag wird auf 400 Mio. veranschlagt, was unter Solidaritätsleistung abgebucht werden soll und möglicherweise das Karma der Beitragsleistenden etwas verbessert. Netto, so der SAV, sei der Handel akzeptabel, eine andere Lösung mit linker Beteiligung nicht absehbar und für die Existenz der 2. Säule das Modell somit schlicht unverzichtbar, also quasi alternativlos. Das Ganze gelte für die 15-jährige Übergangsfrist, dann werde man weitersehen.
Dass die 2. Säule die überfällige Revision aber auch aus eigener Kraft stemmen kann und ohne Griff in die Lohntüte der Erwerbstätigen, zeigt etwa das ASIP-Modell, das erst noch mit einer Senkung des UWS auf 5,8 Prozent ausgestattet ist und ohne neue Solidaritäten auskommt.
Dass der neue Lohnabzug jemals wieder abgeschafft werden wird, glaubt nun aber wirklich kein Mensch. Irgendeinen Zweck wird man für die Gelder in 15 Jahren ohne jeden Zweifel problemlos finden. Nicht einmal der Arbeitgeberverband setzt darauf, der mit den Vorteilen dieser Lösung für die Tieflohnbranchen im Gewerbe wirbt. Dass jetzt ausgerechnet die Gewerbler keine Freude an dem Geschenk haben, nimmt dem Vorschlag einiges von seinem Glanz und gibt beim SAV Anlass zu allerhand unfreundlichen Kommentaren gegenüber den Kollegen in Bern. Allerdings hätte ein zentralisierter Ausgleich wie bei der AV2020 selig die ähnliche Wirkung, ganz ohne Lohnabzugsumverteilung, was die Gewerbler durchaus begriffen und ihn deshalb auch in ihr System eingebaut haben.
Wie gut ist das Alternativmodell des Gewerbeverbands? Es kommt ohne Rentenzuschlag aus und ist deshalb schon um einiges sympathischer. Zentral sind die deutlich höheren Beitragssätze. Am Koordinationsabzug will der sgv nicht schrauben, weil er keine Ausdehnung der 2. Säule will. An der optimistisch veranschlagten Übergangsfrist von 10 Jahren zweifelt aber offenbar auch der sgv, der als Option sicherheitshalber eine Ausdehnung auf 15 oder gar 20 Jahre ins Auge fasst. Aber wenigstens hält man sich an der Schwarztorstrasse an die elementaren Grundsätze der Ordnungspolitik. Was die Kosten die beiden Modelle betrifft, wirft die eine der jeweils anderen Seite vor, ihr Vorschlag sei eine Milliarde teurer. Da dieser Aspekt naturgemäss mit erheblichen Unsicherheiten behaftet und schwer nachprüfbar ist, verzichten wir an dieser Stelle auf eine Wertung.
Am Ursprung des heutigen Revisions-Schlamassels steht der Unsinn, den Umwandlungssatz im Gesetz zu verankern. Eine versicherungstechnische Grösse im Gesetz? Der Bundesrat hat die heisse Kartoffel ans Parlament und in letzter Konsequenz ans Volk abgegeben. Nur leider zu dumm, dass man mit der Versicherungsmathematik keine Spielchen treiben kann, ohne dass sich das umgehend rächt. Konsequenz ist die Unterfinanzierung der 2. Säule, die zusammen mit der unantastbaren Rentengarantie zur heutigen Umverteilung geführt hat. Und es ist nicht erkennbar, wie wir aus der selbst geschaffenen Sackgasse je wieder hinausfinden sollen. Ausser wir geraten in nicht allzu ferner Zukunft in eine massive Inflation, in deren Gefolge den Rentnern die heute überhöhten Renten qua Geldentwertung schlicht und einfach wieder abgezwackt werden. Übrigens auch den linken und rechten «Wackelrenten»-Gegnern.
Über den Tag hinausgedacht, drängt sich der Verdacht auf, dass bei einer allfälligen Abstimmung dieser Rentenzuschlag sich wieder als genau der Stolperstein erweisen könnte, wie schon das 70 Franken «Zückerli» bei der AV2020. Ein geschickt argumentierender Politiker in der Arena, zunehmend kritische Kommentare in den Medien und im Gefolge ein mehr oder weniger knappes Volks-Nein, und wir warten weitere x Jahre bis zur Revision. Und den Erfindern des Zuschlags wäre das erst noch egal.
Peter Wirth, E-Mail
PS. Sie finden eine Übersicht über die diversen Reformprojekte unter Themen/BVG-Revision 2022 auf unserer Website.
Unter all den Daten, welche die neueste Umfrage der Swisscanto wiederum hervorbrachte, dürften jene auf Seite 26 der Studie am meisten zu reden und schreiben geben. Die dazu gehörige Grafik zeigt die Entwicklung des ermittelten Leistungsziels seit 2009. Nach einem stabilen Verlauf bis 2013 ist seither eine stetige Abnahme zu registrieren.
Zusammen mit der AHV wird gemäss informeller Vorgabe eine Ersatzquote von 60 Prozent des letzten Bruttolohnes angestrebt, wovon 34 Prozentpunkte auf die 2. Säule entfallen. Bis 2013 wurden gemäss Swisscanto stets Werte in der Grössenordnung von gesamthaft 80 Prozent ermittelt, dann setzte ein steter Rückgang auf aktuell noch 69 Prozent ein.
Die Zahlen sind aufgrund unterschiedlicher Fragestellung ab 2015 nicht über die ganze Periode voll vergleichbar, der festzustellende Trend ist aber eindeutig. Während die AHV-Leistung stets auf unveränderter Höhe verblieb, ergibt sich aus der Summe der beiden Säulen ein jährlicher Rückgang um ein bis zwei Prozentpunkte. Dieser ist allein auf die Entwicklung in der beruflichen Vorsorge zurückzuführen.
An der Präsentation der Daten wagte Reto Siegrist, Geschäftsführer der Swisscanto, die Voraussage, dass absehbar bis in drei Jahren die angestrebten 60 Prozent unterschritten würden, ausgehend vom Durchschnitt (Median) über alle Pensionskassen. Am besten stehen die Versicherten der öffentlich-rechtlichen Kassen da, für welche der Satz noch bei 74 Prozent liegt, verglichen mit 67 Prozent bei den privatrechtlichen Kassen. Schon nahe bei den 60 Prozent befindet sich das Segment der Sammel- und Gemeinschaftsstiftungen, für welche bloss noch 64 Prozent erreicht werden.
Die Ermittlung der Daten ist nicht ganz einfach. Um zu konkreten und vergleichbaren Zahlen zu kommen, wurde nach dem Leistungsziel bei einem Einkommen von 80’000 Franken gefragt. Damit befindet man sich im Rahmen des BVG-Obligatoriums. Die Rentenhöhe berechnet sich auf Basis der reglementarischen Vorgaben, womit nicht in jedem Falle alle Elemente für die konkrete Rentenhöhe erfasst werden.
Auch wenn weitere Vorbehalte ins Feld geführt werden, bleibt doch die unbestreitbare Erkenntnis, dass das Leistungsniveau in der beruflichen Vorsorge seit ein paar Jahren in einem erheblichen Ausmass zurückgeht.
Ablesbar ist die Entwicklung an der seit über einem Jahrzehnt festzustellenden Senkung der technischen Zinsen und Umwandlungssätze. Der ermittelte technische Zins der privaten Kassen ging im genannten Zeitraum von 3,5 auf 1,9 Prozent zurück. Ohne Ausgleichsmassnahmen der Kassen wäre die Leistungsminderung noch grösser ausgefallen. Zu nennen ist vor allem die Erhöhung der Beiträge, welche heute im Schnitt weit über dem im BVG festgelegten Mindest-Sparziel liegen. Der zusätzliche Aufwand reichte aber nicht aus, um den Effekt des tieferen Zinses resp. Umwandlungssatzes auszugleichen.
Das heisst nicht, dass die 2. Säule «wankt» oder «schwächelt». Es bedeutet aber, dass zur Stabilisierung des Rentenniveaus erhebliche Anstrengungen notwendig sind. Swisscanto schlägt dazu eine ganze Reihe von Massnahmen vor. Alle laufen letztlich darauf hinaus, dass mehr angespart oder länger gearbeitet werden muss, soll der Trend gestoppt werden. Das mag schmerzhaft sein, aber es ist sinnlos, die Augen vor der Realität zu verschliessen.
Die AHV bleibt von der Entwicklung nicht verschont. Wie in zwei Jahrzehnten ihre Leistungen angesichts des massiven Rückgangs der Anzahl Beitragszahler pro Rentner finanziert werden sollen, steht in den Sternen geschrieben. Gleichzeitig fordern die Gewerkschaften eine 13. Rente und wollen damit als Baby Boomer nochmals einen tiefen Griff in die klamme Kasse tun, während die linken Jungparteien mit besorgtem Blick auf ihre Work-Life-Balance einen heiligen Eid geschworen haben, nie, aber auch gar nie ein höheres Rentenalter zu akzeptieren. Mit anderen Worten, wir stehen in der Schweiz vor interessanten sozialpolitischen Experimenten. Bonne chance.
Peter Wirth, E-Mail