Der für November erwartete Termin zur Publikation der Vernehmlassungsvorlage für die neue BVG-Reform konnte nicht eingehalten werden. Es wird jetzt also Dezember, mindestens. Das gibt Gelegenheit, vor dem grossen Ereignis nochmals zu rekapitulieren, wo wir heute stehen.

Der Bundesrat wird sich wohl an die Vorgabe des Sozialpartner-Kompromisses halten mit den wichtigsten Elementen: Umwandlungssatz 6%, Halbierung des Koordinationsabzugs, Beitragssätze von 9% bis Alter 44, dann 14% und – als umstrittenster Teil – die Finanzierung der Ausgleichsmassnahmen für die Übergangsgeneration (15 Jahre) in Form eines Rentenzuschlags mit der Erhebung eines halben Lohnprozents von allen Erwerbstätigen.

Als valable Alternative liegt das Modell des ASIP vor, das den Mindest-Umwandlungssatz auf 5,8% setzt; mit Beitragssätzen von 9% ab Alter 20 bis 34, 12% bis 44, 16% bis 54 und 18% bis 65; Koordinationsabzug von 60% des AHV-Lohnes und eine dezentrale Finanzierung der heutigen Rentenhöhe während 10 Jahren durch die einzelnen Pensionskassen. Beide Modelle sehen eine sofortige Senkung des UWS vor.

Zu favorisieren ist die bundesrätliche Lösung auf Basis des Sozialpartnervorschlags, auch wenn unsere Umfrage gezeigt hat, dass in Fachkreisen der Vorschlag des ASIP eindeutig vorgezogen wird. Um die politischen Chancen des ASIP-Modells zu verbessern wird deshalb u.a. vorgeschlagen, die Senkung des UWS auf 6% zu verringern und gleichzeitig auf die letzte Stufe der Beiträge mit einer Erhöhung von 15 auf 18% im Alter 55 zu verzichten.

Damit ergäbe sich ein konstanter Satz ab Alter 45, was angeblich die Chancen älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt verbessert, aber primär weitverbreiteten sozialpolitischen Forderungen entgegenkommt. Berechnungen haben gezeigt, dass damit die Finanzierung weiterhin stabil gehalten werden kann. Die beiden Schritte neutralisieren sich finanzierungsmässig. Der ASIP ist auf diese Vorstösse bisher nicht eingegangen, scheint aber nicht vollkommen abgeneigt, gewisse Anpassung vorzunehmen.

Erwartet wird aber auch, dass der ASIP seine eigenen Vorstellungen mit etwas mehr Verve und Nachdruck in der Öffentlichkeit vertritt. Wünschenswert dafür wären ein Präsident mit stärkerem Auftritt in der Öffentlichkeit auch auf Deutsch und eine professionelle PR-Arbeit. Das mit Blick auf die kommenden parlamentarischen Verhandlungen, welche für die Zukunft der 2. Säule von grosser  Bedeutung sein dürften.

Zentraler Streitpunkt bildet zweifellos der Rentenzuschlag, ein echtes Kuckucksei, dass die Sozialpartner in ihren Vorschlag verpackt haben. Es ist nach wie vor schwer nachvollziehbar, dass die Arbeitgeber das akzeptieren konnten und entsprechend harsch ist die Kritik, wie sie in Teilen der Medien und auch den Fachkreisen laut wurde.

Sie ist allerdings nicht einhellig. Schon sind Stimmen zu hören die feststellen, dass man den «Pfad der reinen Lehre», spricht der Kapitaldeckung, schon seit geraumer Zeit vorlassen habe, und es mit anderen Worten nun auch nicht mehr darauf ankommt, auch noch diesen kollektiv finanzierten Zuschlag auf die BVG-Renten zu akzeptieren. Es gibt aber auch Kritiker, die meinen, dass damit die Gefahr einer ernsthaften Beschädigung der beruflichen Vorsorge verbunden ist. Wir teilen diese Befürchtung. Auch der ASIP lehnt den Zuschlag ab. Liegt einmal die Vorlage des Bundesrates vor, will der Verband mit einer Umfrage bei den Mitgliedern ermitteln, was deren Meinungen und Forderungen sind und dann weitersehen.

Festzustellen ist, dass einzelne Branchen nun realisieren, dass ihnen die Finanzierung eines Teils der neuen PK-Renten qua Lohnprozente finanzielle Vorteile bietet, was ihnen den vorgeschlagenen Rentenzuschlag trotz grundsätzlicher Bedenken etwas versüsst. Zu nennen sind etwa Kassen mit Leistungen nahe dem BVG-Obligatorium und auch die Sammelstiftungen der Assekuranz. Sollte der Rentenzuschlag in der geplanten Form tatsächlich realisiert werden, wäre darauf zu achten, was mit den bereits geäufneten Rückstellungen geschieht. Zu fordern ist diesbezüglich Transparenz. Benachteiligt sind natürlich grosse und gutausgebaute Kassen, die mit weitgehenden UWS-Senkungen längst auf die aktuellen Verhältnisse reagiert haben.

In diesem Zusammenhang ist der Wechsel von Martin Kaiser, einem der Architekten des Sozialpartner-Kompromisses, zur Swiss Life von einiger Bedeutung. Kaiser gehört zu den bestvernetzten Akteuren nicht nur in der beruflichen Vorsorge, sondern generell der Sozialen Sicherheit. Mit seiner langjährigen Erfahrung in wichtigen Funktionen auf kantonaler und Bundes-Ebene, dank seiner Tätigkeit beim Arbeitgeberverband bestens vertraut mit den Befindlichkeiten der diversen Branchen in Sachen Sozialpolitik, zudem ausgesprochen «dossierfest», eloquent und ausgerüstet mit einem wachen politischen Instinkt, dürfte er auch in seiner künftigen Funktion Einfluss auf den Gang der Dinge nehmen. Jedenfalls darf sein Stellungswechsel als Indiz dafür genommen werden, dass zumindest die Swiss Life mit dem Rentenzuschlag sehr einverstanden wäre.

Sollten die drei ungleichen Akteure Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Assekuranz bei der BVG-Revision am gleichen Strick ziehen, dürfte es in der Tat schwer werden, anderen Vorstellungen zum Durchbruch zu verhelfen. Bloss das Volk zu überzeugen ist dann nochmals eine ganz andere Geschichte.

Peter Wirth, E-Mail