BVG-Revision: Die Fachwelt nimmt Stellung
Die Teilnehmer
An unserer Umfrage zur BVG-Revision haben 458 Personen
teilgenommen. Die grosse Mehrheit ist beruflich mit der 2. Säule
verbunden. 26 Prozent arbeiten in Vorsorgeeinrichtungen, 24
Prozent in Dienstleistungsbereichen wie Beratung, Verbänden, IT,
Aufsicht etc.). Nicht weniger als 10 Prozent sind als
Stiftungsräte aktiv. Auf den Versicherungssektor entfallen
weitere 15, auf die Banken 10 Prozent. Nur knapp 6 Prozent sind
anderweitig beschäftigt, 8 Prozent sind Rentner. Gehen wir davon
aus, dass sich auch unter den Rentnern etliche früher in der BV
Beschäftigte befinden, dürfen wir davon ausgehen, dass rund 90
Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer professionell oder
als Stiftungsräte in der 2. Säule wirken. Wir haben es also mit
einem ausgesprochenen Fachpublikum zu tun.
Nach Altersgruppen gegliedert machen mit fast
zwei Dritteln die 45 bis 65-Jährigen den Hauptharst aus, weniger
als 45 Jahre alt sind 25 Prozent, älter als 65 rund 9 Prozent.
Bemerkenswert sind die vielen, teilweise sehr ausführlichen und
fachkundigen Bemerkungen Sie belegen, dass die Umfrageteilnehmer
sich intensiv mit der Materie beschäftigen.
Rentenzuschlag
Die Einstiegfrage nach dem Kompensationsmodell der
Bundesratsvorlage gibt ein unzweideutiges Bild. Fast zwei
Drittel verwerfen ihn völlig, ein Viertel ist immerhin teilweise
einverstanden, ganz dahinter mögen sich nur 13 Prozent stellen.
Bei Mitarbeitern von Pensionskassen sinkt die Zustimmungsquote
sogar auf 5 Prozent, die Ablehnung erreicht gut 80 Prozent. Am
höchsten ist die Zustimmung bei Stiftungsräten mit 17 Prozent.
Im Finanzsektor macht er bloss noch 6 Prozent aus, bei der
Assekuranz hingegen interessanterweise 12 Prozent.
In der Altersgruppe unter 45 Jahren sind 7 Prozent damit einverstanden, bei jener zwischen 45 und 65 sind es 13 Prozent.
Bemerkungen: Typische Bezeichnungen, die dem Rentenzuschlag gegeben wurden, lauten: Giesskanne, No-Go, Unfug, Versagen, systemfremd, Generationenproblem, nicht durchdacht, unlogisch, Killer der Revision, Symptombekämpfung, untragbar. Insgesamt wurden 119 Kommentare zu diesem Punkt abgegeben! (78 Meldungen)
Koordinationsabzug
Deutlich mehr Erfolg hat die vorgeschlagene Halbierung des
Koordinationsabzugs, der gesamthaft enorme 83 Prozent Zustimmung
erntet. Die Ablehnung erreicht bescheidene 6 Prozent, Skepsis
melden 12 Prozent an.
Die Zustimmung ist mit gut 78 Prozent etwas geringer bei den Mitarbeitenden von PKs, bei den Stiftungsräten erreicht sie dafür sogar 91 Prozent.
Bemerkungen: Der Koordinationsabzug gehört abgeschafft. Er passte bei Einführung des BVG, heute ist dies aber anders einzuschätzen; Besser wäre ein teilzeitbereinigter KA; Reduktion oder Abschaffung widerspricht der Koordination AHV/BV gemäss 3-Säulen-Konzept; Der Koordinationsabzug ist ein alter Zopf; Stärkung von Teilzeitpensen ist notwendig.
Beitragsskala
Ebenfalls grosse, allerdings nicht ganz so ausgeprägte
Zustimmung bei der Frage nach der Beitragsskala gemäss Vorlage.
Eine Glättung auf nur noch zwei Stufen mit 9 und 14 Prozent
finden 61 Prozent begrüssenswert, Probleme sehen 18 Prozent.
Senkung Mindest-Umwandlungssatz
Eine Minderheit von 16 Prozent erachtet die vorgeschlagene
Senkung auf 6 Prozent als richtig. 44 Prozent sind der Meinung,
er sei damit immer noch zu hoch angesetzt, aber eine stärkere
Senkung nicht durchsetzbar. Als eindeutig ungenügend erachten
ihn 40 Prozent.
ASIP-Modell
Das alternative Modell des Pensionskassenverbands findet
verbreitete, aber nicht bedingungslose Zustimmung. Voll
einverstanden sind 22 Prozent, teilweise immerhin 67 Prozent.
Abgelehnt wird es von den restlichen 10 Prozent.
Bei den in Pensionskassen Tätigen liegt die Zustimmung mit 38 Prozent deutlich höher und die vollständige Ablehnung beträgt nur gerade 5 Prozent. Stiftungsräte sind mit 21 Prozent voll dafür. Bei seinen Mitgliedern scheint der ASIP deutlich mehr Unterstützung zu erfahren als bei den übrigen Kategorien von Teilnehmern. Auffallend tief fällt die Zustimmung bei den Teilnehmern aus dem Versicherungssektor mit 7 Prozent aus, bei den Banken sind es immerhin 13 und bei den Dienstleistern 25 Prozent. Das sind erhebliche Differenzen. Es wäre von Interesse, ihnen nachzugehen.
Bemerkungen: Aus meiner Sicht der
beste Vorschlag; Mängel: UWS 5.8% überladet politisch gesehen
das Fuder; Staffelung der Altersgutschriften berücksichtigt
Benachteiligung älterer Arbeitnehmender zu wenig. Vorteil:
Beginn; Sparprozess ab Alter 20; Zu stark auf firmeneigene
Pensionskassen ausgelegt; Leider am Sozialpartnerdialog vorbei;
Gute Ansätze, aber es ist unverständlich und unverantwortlich,
dass alle Gruppierungen mit Partikularinteressen ihre eigenen
Modelle vorstellen und damit zum Totengräber einer tragfähigen
Lösung werden; Vorteile: Keine Umlagekomponente; Der
Umwandlungssatz ist zu hoch; Der ASIP sollte die Tatsachen
aufzeigen und nicht politischen Kompromisse suchen; Tragbar für
Kassen; Anrechnungsprinzip wird berücksichtigt;
Ausgleichsmassnahme ist unnötig; More of the same reicht nicht
und verschiebt die Probleme einfach kurzfristig in die Zukunft;
Politische Akzeptanz kaum zu erreichen.
ASIP: UWS-Senkung auf 5,8 Prozent
Stärker ausgeglichene Antworten gingen zum Vorschlag des ASIP
ein, den UWS auf 5,8 Prozent zu senken. 41 Prozent meinen, der
Vorschlag sei richtig, 22 Prozent wären für 6 Prozent. 36
Prozent fänden es richtig, wenn der ASIP einen tieferen Satz
fordern würde.
Bemerkungen: Die Teilnehmer wurden gebeten, den aus ihrer Sicht richtigen Satz anzugeben. Es wurden 147 Angaben gemacht. Sie reichen von unter 4 bis 7 Prozent. Mehr als 5 Prozent hat lediglich rund ein Viertel der Antwortenden angegeben. Eine relativ Mehrheit findet ein Satz von 5,0 Prozent.
ASIP: Senkung des Koordinationsabzugs auf 60 Prozent des AHV-Lohns
Lediglich 4 Prozent sind der Ansicht, eine Änderung des KA sei
nicht notwendig. Von den Senkungsalternativen schwingt die
Forderung nach Abschaffung mit 34 Prozent der Antwortenden
obenaus. Knapp zurück folgt die Lösung gemäss Bundesrat (33
Prozent), das ASIP-Modell kommt auf 23 Prozent. Wenig
Gefolgschaft findet der Vorschlag einer dynamischen Festlegung
gemäss versichertem Lohn (4 Prozent).
Von den Mitarbeitern von Vorsorgeeinrichtungen möchten sogar 38 Prozent den KA abschaffen, während bei den Stiftungsräten die Halbierung mit 40 Prozent am meisten Stimmen erhält, vor der Abschaffung und dem ASIP-Vorschlag.
ASIP: Beitragsskala mit 9, 9, 12, 16, 18 Prozent
Wie schon bei der analogen Frage zur Beitragsskala gemäss BR
findet die stark abgeflachte und vereinfachte Skala aus dem
Sozialpartnerkompromiss weitaus die meisten Anhänger. Knapp die
Hälfte gibt ihr den Vorzug. Die ASIP-Lösung kommt auf 33,
weitere 19 Prozent denken, die letzte Stufe auf 18 Prozent im
Alter 55 sollte wegfallen.
Beitragsbeginn
Keine Diskussion gibt es in der Frage des Beitragsbeginns: 90
Prozent finden die Vorverlegung von heute 25 auf neu 20 Jahre,
wie vom ASIP vorgeschlagen, sei richtig.
ASIP: Finanzierung der Ausgleichsmassnahmen
Von den beiden Möglichkeiten der zentralen Finanzierung über den
Sifo und der dezentralen durch die einzelnen Pensionskassen (die
dritte Variante wäre der Rentenzuschlag) entfallen nicht weniger
als 60 Prozent auf die dezentrale Lösung. Je 20 Prozent votieren
auf die zentrale Lösung oder haben keine Meinung dazu.
Überraschenderweise findet die dezentrale Lösung nur bei 57
Prozent der Stiftungsräte Anklang, während gleichzeitig 73
Prozent der Mitarbeitenden von PKs für dezentral votieren.
Bemerkungen: BVG ist dezentral pro Kasse organisiert, das sollte so bleiben; Keine Solidarität zwischen Kassen, die ihre Hausaufgaben bereits gemacht haben; Ich begrüsse dezentrale Lösung, aber wohl oder übel müsste als Ergänzung auch eine zentrale Komponente dazukommen; Die BVG-Kassen wurde ja von den Linken gezwungen, die viel zu hohen UwS anzuwenden; Kassen, die bereits UWS gesenkt haben, sollten die Kompensation nicht für Dritte bezahlen; Zentrale Lösung ohne Solidarität ist vorzuziehen und fehlt; Wer seine Hausaufgaben gemacht hat, sollte nicht bestraft werden; Keine Ausgleichsmassnahmen! (37 Meldungen)
Übergangsfrist
10 Jahre müssen reichen, lauten 73 Prozent aller Antworten. Die
Pensionskässeler kommen auf 80 Prozent, nur 11 Prozent meinen,
15 Jahre seien besser. Die Stiftungsräte haben mit 20 Prozent
eine etwas höhere Präferenz für 15 Jahre.
Rentenalter
Zwar nicht Teil der BVG-Revision, aber dennoch nicht nur für die
AHV essentiell, sondern auch für die 2. Säule, ist die Frage des
Rentenalters. 35 Prozent meinen, die Angleichung auf 65/65 für
beide Geschlechter solle Teil der Revision sein. 37 Prozent
votieren für ein Rentenalter gemäss Entwicklung der
Lebenserwartung. 16 Prozent fordern ein Rentenalter 67/67.
Markante Abweichungen dazu ergeben sich bei der Gruppe der jüngeren Teilnehmer (unter 45), von denen jeder zweite ein Rentenalter nach Lebenserwartung bevorzugt, 65/65 kommt auf vergleichsweise bescheidene 23 Prozent. Mit nur 9 Prozent Anteil scheint aber eine Erhöhung auf 67/67 bei ihnen nur geringe Chancen zu haben. Bemerkenswerterweise sehen das die 45 bis 65-Jährigen etwas anders. 19 Prozent von ihnen glauben, dass 67 die Zukunft sein müsse.
Beurteilung des Reformvorhabens
Insgesamt werden der Revision schlechte Noten erteilt. Drei
Viertel der Antwortenden unter 45 sind der Meinung, die
vorliegende Reformvorlage sei nicht ausreichend, von den Älteren
zwischen 45 und 65 sind es «nur» zwei Drittel. Insgesamt sind es
im Mittel 69 Prozent, welche grundsätzliche Vorbehalte haben.
Bemerkungen: Die Reform ist nicht nur "nicht ausreichend", sondern das Problem vergrössernd; Das Denkmuster der Kompensiererei ist schädlich und alles andere als nachhaltig; Umhüllungszwang zur Finanzierung der überhöhten obligatorischen Leistungen ist ungelöst; Aus meiner Sicht braucht es ein viel flexibleres Modell, was eine schrittweise Pensionierung von 60 - 70 ermöglichen soll; Unbrauchbar in der jetzigen Form. Man hat Angst, dem Volk ehrlich zu sagen, was Sache ist; Zerfall der beruflichen Vorsorge ist in vollem Gange; Das Rentenziel (60%) wird meist nicht erreicht (auch mangels Einkäufen im vorherrschenden Beitragsprimat). Folge: steigende Altersarmut; Die vom BR angedachte Revision hat keine Chance und wird scheitern; Unsägliche Ausgleichsmassnahmen zulasten der Jungen Generation, viel zu lange Übergangsfristen, zu kompliziert. (79 Meldungen)
Erfolgsaussichten der Reform
«Wir sind auf gutem Weg (mit dieser Reform), lautete eine
Antwortmöglichkeit bei der letzten Frage der Umfrage.
Wahrscheinlich wurde das nicht selten als unfreiwillige Ironie
verstanden. Nicht einmal 2 Prozent der Umfrageteilnehmer mochten
hier ihr Kreuz setzen. Immerhin denkt ein knappes Drittel, es
könnte trotz aller Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten am
Schluss noch ein Erfolg möglich sein. 63 Prozent hingegen haben
alle Hoffnung fahren lassen. Sie erwarten, dass auch dieser
neuerliche Revisionsanlauf letztlich scheitern werde. Übrigens
glaubt nicht ein einziger Teilnehmer unter 45, dass wir mit
dieser Reform, die für sie besonders wichtig ist, auf gutem Wege
seien. Das ist für den Sozialpartnerkompromiss wie auch für den
Bundesrat ein vernichtendes Verdikt.
Bemerkungen: Solidarität ist nicht (mehr) gelebt – schade; Dieses Mal muss es klappen; Früher war nur Links gegen Rechts. Jetzt kommt dazu: Rechts gegen Rechts; Besser keine Reform als eine total verkorkste wie die vom Bundesrat; Ich hoffe, dass ich mit meiner Befürchtung unrecht haben werde; Keine Mehrheit vorhanden. Entweder ist es zu wenig oder für andere zu viel; Wenn es nicht gelingt, die Kräfte zu bündeln, scheitert das Vorhaben wieder; Die Niederlande, Dänemark und Finnland können es besser; Es gibt keinen Mehrwert aus der Reform; Für ein Gros ist die Altersarmut die sichere Zukunft; Ich erhoffe mir ein Scheitern, so grauenhaft wie diese BR-Vorlage konzipiert ist; Die jüngeren werden es bezahlen; Eine Reform des BVG ohne das Rentenalter zu erhöhen und an die Lebenserwartung anzubinden, erachte ich als Verrat an der Jugend. (66 Meldungen)
Peter Wirth,
E-Mail
Detaillierte Resultate mit allen Bemerkungen der
Umfrageteilnehmer.
PS. Haben Sie Vorschläge für weitere Umfragen zu Themen der Altersvorsorge? Wir sind stets dankbar für neue Ideen.