Besser als gar nichts / geht gar nicht!

Unsere Umfrage zur laufenden BVG-Revision bei den Empfängern des Newsletters hat zwei grundlegende Erkenntnisse gebracht: Die Unruhe bis hin zur Verzweiflung über den schleppenden und politisch dominierten Gang der BVG-Revision ist gross. So gross, dass man eigentlich bei allen vorliegenden Modellen noch etwas Positives findet und nichts ganz verwirft, wenn nur etwas geschieht; aber letztlich ist die Unruhe doch auch wieder nicht so gross, als das alles und jedes geschluckt werden würde. Es gibt offenbar Grenzen.

Werfen wir einen Blick auf die Teilnehmer und ihre Antworten und Kommentare.

Die Teilnehmer und ihr Bezug zur 2.Säule

363 Leser und Leserinnen des Newsletters haben sich an unserer Umfrage beteiligt. 31 Prozent sind in Pensionskassen tätig, 13 Prozent als Stiftungsrat, womit rund 44 Prozent unmittelbar in Pensionskassen aktiv sind. Knapp 30 Prozent sind in Beratung, IT, Aufsicht, Behörden und Verbänden etc. für die berufliche Vorsorge beschäftigt, ca. 18 Prozent bei Banken und Versicherungen. Nur gerade 5 Prozent geben an, beruflich nicht mit der beruflichen Vorsorge zu tun zu haben. Wenn wir davon ausgehen, dass die 3 Prozent teilnehmenden Rentner mehrheitlich früher auch in der beruflichen Vorsorge aktiv waren, dann ist unser Sample mit Bezug auf die 2. Säule als ausgesprochen professionell zu bezeichnen. Gegen 95 Prozent der Teilnehmer sind beruflich mit ihr verbunden. Entsprechend zu werten sind die Antworten und Kommentare.

Mit 62 Prozent gehört die Mehrheit der Altersgruppe 45 bis 65 an, 32 Prozent sind jünger als 45, älter als 65 sind 6 Prozent.

Welche Revisionsvorschläge sind bekannt?



Gefragt wurde in einer Überschau nach den vier vorliegenden Revisions-Modellen sowie der Initiative «Vorsorge JA – aber fair». Allerdings im Detail nur nach dem Sozialpartner-Kompromiss und dem Vorschlag des ASIP. Für die restlichen drei – Gewerbeverband, Verein Faire Vorsorge und die Initiative – nur nach einer allgemeinen Einschätzung.

Mit einem Bekanntheitsgrad von über 94 Prozent schwingt der Sozialpartnerkompromiss deutlich oben aus, aber auch die in den Medien bisher nur wenig diskutierten Vorschläge des Vereins «Faire Vorsorge» schaffen immerhin noch 40 Prozent. Die bei Pensionskassen Beschäftigten sowie die Stiftungsräte weisen insgesamt den höchsten Kenntnisstand aus.

Rangfolge von Zustimmung und Ablehnung

Wie fallen die Urteile zu den Vorschlägen aus? Am besten schneidet das ASIP-Modell ab. 42 Prozent stimmen ihm voll zu. Die entsprechenden Werte für die übrigen Vorschläge: Initiative 19 Prozent, Gewerbeverband 15, Kompromiss 13, «Faire Vorsorge» 9 Prozent. Das ASIP-Modell schlägt die Konkurrenz um Längen.

Die Vergleichszahlen zur Ablehnung lauten: ASIP 9 Prozent, Gewerbeverband 22, Initiative 28, Faire Vorsorge 33 und Kompromiss 35 Prozent.

Was stört am Sozialpartner-Kompromiss?



Was hat zur starken Ablehnung des Sozialpartner-Kompromiss’ geführt? Die Antwort ist wohl auch ohne Umfrage zu erraten: es ist der kollektiv finanzierte Rentenzuschlag. Er stösst tatsächlich auf massiven Widerstand. Insgesamt wird er von 86 Prozent der Teilnehmer abgelehnt. Die Unterschiede nach Alter und Beschäftigung sind gering. An zweiter Stelle der Kritikpunkte folgen die lange Übergangsfrist (15 Jahre) und die hohen Kosten.

Beifall finden hingegen der halbierte Koordinationsabzug und die sofortige Senkung des Umwandlungssatzes mit je knapp zwei Dritteln Zustimmung. Bei den Beschäftigten von Vorsorgeeinrichtungen stösst die sofortige Senkung sogar auf die Zustimmung von rund drei Vierteln der Antwortenden.

Bundesrat Berset hat durchblicken lassen, dass der Kompromiss die Grundlage für seine Vorlage bilden werde. Das kommt in der Branche offenbar nicht überall gut an. Nur gerade 28 Prozent finden ihn dafür geeignet, 45 Prozent antworten mit einem klaren Nein, ebenfalls 28 Prozent antworten mit «vielleicht».

Kommentare der Umfrage-Teilnehmer zum Sozialpartner-Kompromiss

Negativ:

– Umlageverfahren hat in der 2. Säule nichts zu suchen.
– 6.0% geht zu wenig weit.
– Vermischung 1./2. Säule, Abkehr vom Prinzip der 2. Säule, Giesskannenprinzip. Kein Anrechnungsprinzip beim Rentenzuschlag.
– Der Zuschlag ist nicht zeitlich befristet, sondern wird faktisch EWIG weiterleben. Somit ist handelt es sich nicht um eine Sanierung, sondern um einen Total-Umbau der zweiten Säule.
– Umwandlungssatz muss deutlich tiefer festgesetzt werden.
– Politische statt vorsorgetechnische Lösung, verpasste Chance. Ein verpolitisierter, im Widerspruch zum Kapitaldeckungsverfahren stehender Vorschlag, welcher administrative sehr aufwändig ist und sich einmal eingeführt, nicht mehr rückgängig machen lässt.
– Umlagevefahren in der 2. Säule – ein NoGo.
– Umlageverfahren in der BV!!!
– Diejenigen, die die Hausaufgaben gemacht haben, werden bestraft.
– Schaffung von neuen Transfers durch den Umlagebeitrag, bei nur kleiner Reduktion der bestehen Transfers.
– Die Abflachung der Sparstaffel welche ein Problem zu lösen versucht, das empirisch gar nicht existiert. Die Reduktion auf einen UWS, der immer noch viel zu hoch ist! Der Fokus auf die Bedürfnisse der Lebensversicherer (Beitrag Leistungsziel, UWS-Senkung), was den autonomen Kassen eigentlich nichts nützt, da diese ihre Hausaufgaben gemacht haben.
– Ein kollektiv finanzierter Rentenzuschlag wäre nur akzeptabel, wenn er im Anrechnungsprinzip anwendbar wäre (umhüllende Leistung >= BVG-Minimum + Rentenzuschlag).
– Die ständige Kompensiererei ist nicht zielführend und rührt aus einer wohlstandsverwöhnten, egoistischen Perspektive und Haltung..

Positive Reaktionen

– Dass es endlich einen wohl mehrheitsfähigen Vorschlag gibt. Die BVG Reform ist dringend und zwingend!
– Gemeinsame Findung einer Lösung.
– Besserstellung der tieferen Löhne.
– Es handelt sich bereits um einen abgestimmten Kompromiss, auf dem aufgebaut werden sollte.
– Solidarisch finanzierte Rentengarantie und Ende des Reformstaus.
– Kompromiss, bei dem weder das linke noch das rechte Lager zufrieden ist, was zeigt, dass vermutlich das Maximum ausgehandelt wurde von beiden Seiten.
– Erster Kompromiss Sozialpartner seit Jahrzehnten.

Modell ASIP: Was wird besonders geschätzt?



Beim ASIP finden teilweise die gleichen Punkte Zustimmung wie beim Kompromiss. Basierend auf der Gesamtheit der Teilnehmer unterstützen 76 Prozent die Senkung des Umwandlungssatzes (auf 5,8 Prozent) und die sofortige Senkung mit 75 Prozent. Eine deutlich geringere Zustimmung findet die dezentrale Finanzierung der Übergangsmassnahmen (50 Prozent), was die gut finanzierten Kassen von Solidaritätsleistungen für die armen Verwandten befreit.

Wie schätzen die in der PK-Verwaltung tätigen Teilnehmer den ASIP-Vorschlag ein? Nur gerade 3 Prozent lehnen ihn ab, alle übrigen sind etwa zu gleichen Teilen ganz oder zumindest teilweise einverstanden. Die UWS-Senkung auf 5,8 Prozent begrüssen 81 Prozent, die sofortige Senkung sogar 85 Prozent. Die dezentrale Durchführung der Ausgleichsmassnahmen kommt mit 56 Prozent etwas besser an als bei der Gesamtheit der Teilnehmer (50 Prozent), was nachvollziehbar ist – oder auch nicht.

Positive Reaktionen auf den ASIP-Vorschlag

– Einfache Umsetzbarkeit der Übergangsmassnahmen innert einer sinnvollen Frist von 10 Jahren.
– Argumentation via Abweichung von goldener Regel (finde ich historisch korrekt!)
– Alterssparen ab Alter 20.
– Kein Umlageverfahren in der 2. Säule.
– Relativer Koordinationsabzug, der dadurch im unteren Lohnbereich einen Ausbau bewirkt und Teilzeitler besserstellt.
– Umfang der Finanzierung akzeptabel.
– Alterssparen ab Alter 20 Koordinationsabzug in % des AHV-pflichtigen Lohnes akzeptabel.

Kritik am ASIP-Vorschlag

– Koordinationsabzug wird viel zu wenig und nur für Löhne bis ca. CHF 36’000 gesenkt. Immerhin wird er generell auf die Höhe der Eintrittsschwelle begrenzt.
– In der ersten Stufe (20-25) AGS allenfalls etwas tiefer ansetzen.
– Leider auch mit Mehrkosten verbunden…
– Mehrheitsfähigkeit.
– Politisch keine Chance.
– Halbherzig und UWS noch immer zu hoch.
– Halbierter Koordinationsabzug wäre gut.
– Relativ teuer.
– Lösung Koordinationsabzug zu kompliziert.
 

Die anderen Vorschläge

Wie kommen die beiden anderen Vorschläge und die Initiative in der Umfrage weg? Das Modell des Gewerbeverbands findet mit 23 Prozent eine relativ sachte Ablehnung, immerhin 62 Prozent sind zumindest teilweise einverstanden, 15 Prozent ganz. Die Pensionskassen-Profis reagieren ähnlich wie die Gesamtheit mit einem etwas grösseren Anteil der teilweise Einverstandenen.

Die streckenweise sehr komplexen Vorschläge des Vereins Faire Vorsorge finden bei zwei Dritteln der Antwortenden volle oder teilweise Zustimmung. Allerdings sind die auf einen radikalen Umbau ausgerichteten Ideen noch relativ wenig bekannt. Immerhin 214 der 363 Teilnehmer haben geantwortet.

Die Initiative für eine Faire Vorsorge wird von 30 Prozent abgelehnt, 19 Prozent sind mit der allgemein formulierten Vorlage einverstanden. 52 Prozent teilweise. Es dürfte vor allem die Forderung nach einer Flexibilisierung laufender Renten sein, die dem Anliegen Sympathien kostet.

Wohl nicht überraschend ist die Gruppe der jüngeren Umfrageteilnehmer (bis Alter 45) der Initiative gegenüber positiver eingestellt als die Gesamtheit. Nur 17 Prozent lehnen sie ganz ab, 21 Prozent sind ganz, 63 Prozent teilweise damit einverstanden.

Fazit

Was lässt sich schlussfolgern? Die ermittelten Daten ergeben ein relativ klares und auch plausibles Stimmungsbild. Der Kompromiss scheitert am Rentenzuschlag, auch und vor allem bei den Mitarbeitenden von Pensionskassen und den Stiftungsräten. Das war nicht unbedingt so zu erwarten, weil die Pensionskassen mit der kollektiven Finanzierung über neue Lohnprozente samt Durchführung der Massnahmen durch den Sicherheitsfonds entlastet würden. Aber geantwortet wurde wohl eher aus persönlicher als aus Kassen-Perspektive. Und aus dieser ist der Zuschlag mehrheitlich ein «no-go».

Auf der positiven Seite lässt sich feststellen, dass die Forderung nach einer Revision sehr stark ist. So stark, dass eigentlich jeder einigermassen vernünftige Vorschlag Unterstützung findet, bloss nicht mit beliebigen Nebenwirkungen.

Die optimale Revision aufgrund der Umfrage sähe auf Basis der bestehenden Modelle etwa so aus: Sofortige Senkung des Umwandlungssatzes auf (mind.) 5,8 Prozent, Halbierung des Koordinationsabzugs, Beschränkung der Altersgutschriften auf 2 Sätze, dezentrale Finanzierung der Ausgleichsmassnahmen und Beschränkung der Übergangsfrist auf höchstens zehn Jahre – und bitte alles ohne Mehrkosten.

Schlussbemerkungen

Nicht weniger als 161 der 363 Teilnehmer haben die Gelegenheit ergriffen und einen persönlichen Kommentar zum Stand der Revision und der politischen Begleitmusik abgegeben. Wohl auch, um sich etwas Luft zu verschaffen. Hier eine Auswahl typischer Formulierungen.

– Es brauch eine mutige und radikale Revision, um auf der Basis der heute bekannten Grundlage das BVG in eine neue, sicherer und stabile Zukunft zu bringen.
– Erschreckend ist, dass von Links bis Rechts behauptet wird, eine Erhöhung des RA sei chancenlos. Wenn das jeder behauptet, dann ist es leider so.
– Zu viele Fragen offen, zu wenig durchdacht und Vorschlag der Sozialpartner zielt auf Einheitskasse.
– Wir können nicht nachvollziehen wie der Arbeitgeberverband dazu JA sagen konnte!
– Die Politik zeigt sich unfähig, die zweite Säule zu reformieren. Typisches Problem des Moral Hazard.
– Es dauert alles viel zu lange…. Dabei drängt die Zeit und es müssten eigentlich Sofort-Massnahmen ergriffen werden.
– Die Diskussion lässt jeden mutigen Entscheid vermissen. Eine Senkung des Umwandlungssatzes ist zwingend.
– Unglaublich ideologisch und sachlogisch katastrophal. Das sind Wohlstandserscheinungen auf sehr hohem Niveau.
– Die Unfähigkeit der Politiker und Verbände einen Konsens zu finden, bezahlen die Versicherten, indem sie die Verrentungsverluste übernehmen und man ihnen das überobligatorsiches AGH mit der Schatten-Altersrente verrechnet.
– Junge müssen bezahlen und wissen es nicht.
– Wir hinterlassen unseren Kindern kaum lösbare sozialpolitische Verantwortungen, wenn das Thema nicht nachhaltig gelöst wird.
– ASIP-Vorschlag bringt mit kleinsten Eingriffen den grössten Nutzen. Systemfremde und zentrale Ausgleichszahlungen bringen Bürokratiemonster.
– So wird die 2. Säule «an die Wand gefahren». Mit den Vorschlägen der Sozialpartner und der passiven Haltung des ASIP werden wir in absehbarer Zeit nur noch eine 1. und eine 3. Säule haben!
– Peinlich und einzig auf die am nächste zu pensionierende Generation ausgerichtet. Leistungserhalt kann nicht wirklich zu fairen Lösungen führen.
– Es fehlt immer noch Blick aufs große Ganze: komplette Entkoppelung von der Politik und Ausrichtung an der Lebenserwartung sowie Flexibilisierung.
– Die bisherige Diskussion dreht sich zu oft und sehr um irgendwelche Kompensationen, was dem System nichts bringt. Solche Gedanken sind nicht zielführend und rühren aus einer wohlstandsverwöhnten, egoistischen Perspektive und Haltung.
– Der perfekte Kompromiss gibt es noch nicht.
– Wieso nicht einfach den Mechanismus, der schon einmal funktioniert hat (7.2 –> 6.8), weiterführen: UWS-Senkung von 0.1% pro Jahr, ohne Ausgleich, über 10 Jahre. – Planbar, erreicht Ziele.