Langjährige Leser, Leserinnen, Lesende jeglicher Couleur, mit und ohne Stärnli (niemanden vergessen?) kennen das Prozedere: Während die restliche Christenheit sich dem Ritual der Fastenzeit unterwirft, bricht in Basel das Fasnachtsfieber aus. Allerdings muss dieses Jahr das Fieber in der Quarantäne auskuriert werden.

Mein Schef, seines Zeichens Geschäftsführer des Vorsorgeforums und eifriger Kommentator des Weltgeschehens, fühlt sich angesichts der virologischen Grosswetterlage und ihrer Folgen für die Fasnacht nicht in der Lage, in die Tasten zu greifen. Sein schon früherer ergangener Auftrag «Du schreibst dann an der Fasnacht den Kommentar» wurde jedenfalls nicht zurückgenommen.

Also bin ich, Schorsch mit Namen, ein weiteres Mal aufgeboten, die Marroni aus dem Feuer zu holen, während el jefe sich seiner Depression hingibt. Ausgerechnet. Ich hab doch keine Ahnung vom Umwandlungsdingsbums und bin schon mit dem Ausweis von der Aksa heillos überfordert.

Doch das Glück ist mir hold, wie allen edlen Seelen. Find ich doch im Briefkasten eine anonyme Sendung, darin die geheime Tonaufnahme einer Sitzung vom – sie glauben es nicht – vom Arbeitgeberverband. Echt. Anscheinend war das vorher schon beim Lukas Hässig und bei der Rundschau vom Esserreff, aber denen war das zu heiss. Also bring ich es. Gnadenlos. Den absehbaren Mais habe ich schon eskomptiert, wie die Finanzheinis sagen.

Hier also das Skript. Wirklich scharf.  Soviel ich verstehe: es geht um die BVG-Revision und den Sozialpartnerkompromiss, der anscheinend bös bachab geht. Eine Branche nach der anderen nimmt Reissaus. Ich kenn die Typen auf dem Band natürlich nicht. Es sind drei Stimmen. Ich bezeichne sie einfach mal als V, M und K. Los geht’s.

Aufnahme startet: Knastern, Knistern, dann die erste Stimme:

M: Wenn ich das schon höre: Allianz des vernünftigen Mittelwegs. Wer sich selbst als vernünftig verkauft, hat wohl ein Problem. Jetzt wollen alle Mitte. Was sie bringen ist aber nur Mittelmass. Bestenfalls.

K: Die verwechseln Zuschlag mit zuschlagen. Das können sie.

V: Also eines weiss ich: den nächsten Umbau gebe ich bei einer deutschen Firma in Auftrag. Die Helvetier können mich mal.

  1. Und das Geschäftsessen gibt es auch jenseits des Jordan. Zum halben Preis.
  2. Ganz klar. Und übrigens: ade Detailhandel. Jetzt wird bei Amazon bestellt.

Stimmengewirr, Poltern, Schulterklopfen. Gläser werden nachgefüllt. Nach kurzer Pause, nachdenklich:

V: Und nun auch noch die Assekuranz! Ich glaub es nicht.

M: Die Linken haben schon recht: Die gehören ganz einfach nicht in die 2. Säule. Abzocker. Gewinne auf Kosten der Versicherten. Unmoralisch ist nur der Vorname. Nur Profit und Dividende, sonst kennen die nichts.

 

K: Genau wie die Banken. Und die Chemie. Nur Profit im Kopf. Keine Solidarität. Kein Herz für die Notleidenden, die Unterprivilegierten, die Verdammten dieser Erde. Die Hochlohnbranche zeigt jetzt, wo es drauf ankommt, ihr wahres Gesicht. Und es ist hässlich.

Stimmengewirr, Stöhnen. Dann eine Stimme von draussen:

Da ist ein Anruf für V. Nehmen Sie ihn? Es scheint wichtig. Aus Bern.

V: Aus Bern? Nehm ich. Ja hallo? Ah, du bist es. Salut Alain. Wart, ich schalt das Telefon auf laut. Wir haben grad Krisensitzung. Es sind alle Copains am Tisch.

Vom Telefon. Mit franz. Accent:

Was geht hier vor? Ich glaube nicht. Incroyable. Schon klar, die Kapitalisten, alles Heuschrecken. Nicht neu. Aber jetzt auch Effdepee. Ihr habt keine Einfluss mehr. Die machen was sie wollen. La catastrophe. Und die Ümbel von die Tsefaupee. Ist jetzt auch gekippt. Mit ihr und der Pfister haben wir immer schön – wie sagt man, petit paquet – ja genau – Päckli gemacht und jetzt? Fini. Merde.

Hängt auf.

Kurzes, betretenes Schweigen. Dann:

V: Da ist jemand echt sauer. Aber der kann mich. Wer bitte hat uns den Mist aufgeschwatzt? Ich habe es gleich gewusst. Das geht in die Hosen.

K: Aber so schlecht ist das doch nicht. Ich mein das mit dem Zuschlag. Wir haben uns so viel Mühe gegeben. Das war so viel Arbeit. Diese ganze Rechnerei. Und mit den Linken hatten wir ein so nettes Verhältnis. Wir haben uns prima verstanden. Das ging viel besser als mit den elenden Gewerblern. Und hier waren nämlich auch alle dafür. Also jetzt bitte keinen Rückzieher.

V: Nur blöd, dass sogar deine Assekuranten ihr Njet publik gemacht haben. Ich komme mir von Tag zu Tag einsamer vor.

M: Und jetzt auch noch die Jungen. Die velohelmtragende Klimajugend. Die nachhaltigen Schulschwänzer. Die Hoffnung unserer alten Tage. Auch nicht lässig. Alle zusammen vereint gegen uns. Nur die Jungbolschewiken sind nicht dabei. Peinlich.

K: Träumer. Alles Träumer. Ich diagnostiziere galoppierende Wohlstandsverwahrlosung. Ich mein, was bieten sie? Eine Altersvorsorge in bio und gentechfrei. Aber was es kostet? Wie finanzieren? Keinen Schimmer.

M: Sie könnten sich betreffend Ideen für die Finanzierung ja bei der CVP bedienen. Mit Mehrwertsteuer und Nationalbankgewinnen. Fehlt nur noch das Fastenopfer.

V: Meine Herren, Schluss jetzt: Es ist zwölf. Ende der Sitzung. Ich habe in der Kronenhalle reserviert. Auf lasst uns brechen.

Stühlerutschen, Lachen, fröhliches Durcheinander. Eine Tür wird geschlossen. Dann Stille.

Ende der Aufnahme. Das war es. Zuviel versprochen?

Schorsch, Schefredaktor a.I., E-Mail

 P.S. Wie üblich gelten für den Fasnachtskommentar die folgenden Bedingungen: Reklamationen und Drohungen an die Direktion; Geldspenden und unsittliche Angebote direkt an Schorsch.