Werner Grundlehner geht in der NZZ auf die vielfältigen und teilweise widersprüchlichen Aspekte der Vermögensanlage in der beruflichen Vorsorge ein.
April 2019
GAV im Baugewerbe mit Rentenalter 60 tritt in Kraft
Am 1. April ist der veränderte Gesamtarbeitsvertrag FAR in Kraft getreten, der eine Rente ab Alter 60 vorsieht. 2018 sind Neuverhandlungen nötig geworden. Dies, weil die Stiftung FAR, die die Rente ab 60 finanziert, vor grossen finanziellen Herausforderungen stand und Sanierungsmassnahmen nötig geworden waren. Sie umfassen etwas höheren Beiträge seitens der Arbeitnehmer und die Reduktion der Beiträge der Stiftung FAR an die berufliche Vorsorge. – Inzwischen ist der neue Gesamtarbeitsvertrag FAR von Bundesrat für allgemeinverbindlich erklärt worden.
OECD fordert höheres Rentenalter
Die OECD erachtet gemäss ihrem neuen Länderbericht zur Schweiz eine Angleichung der Rentenalter für Mann und Frau sowie eine Erhöhung im Gleichschritt mit dem Anstieg der Lebenserwartung als unumgänglich. Gleichzeitig wird auch ein Anstieg der Staatsausgaben als Folge der alternden Bevölkerung vorausgesagt. Im Bericht heisst es dazu:
Population aging and technological change will likely increase demands on public resources. Rising longevity and fewer people of working age in the total population will require adjustments to the pension system, including equalizing male and female retirement ages and subsequently raising the retirement age in tandem with life expectancy, as well as higher tax revenue.
Demands on public finances will also increase to cover aging-related health care expenses, as well as costs of continuing to upskill the population and smooth potentially more-frequent employment transitions for workers. This additional public spending would be an investment in Switzerland’s future, and by boosting future growth, would be partly self-financed.
Immergrün
In einer Zeit da es reicht, die Worte «Grün» und «Klima» auf Plakate zu schreiben, um Wahlen zu gewinnen, wird es zunehmend schwierig, sich seinen kritischen Geist zu erhalten und Fragen zu stellen. Wer möchte sich schon der klimastreikenden Jugend in den Weg stellen, die mit viel Enthusiasmus und Kapitalismuskritik unterwegs ist? Da wir uns aber das Denken nicht abgewöhnen können, wagen wir es trotzdem. Zumal die Nachhaltigkeitwelle längst auch die Vorsorgeeinrichtungen erreicht hat. Das zeigt sich auch in den Neuigkeiten der letzten Tage.
Oliver Oehri von der CSSP durfte namens und im Auftrag des ASIP in einem Videoclip über «verantwortungsbewusste Kapitalanlage» referieren. Im Vordergrund stehen dabei die ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales, Governance). Daran führt, so wird uns bewusst gemacht, kein Weg mehr vorbei. Gut für die Berater. Das hat auch die BLPK kapiert, die «Zeichen setzen» will für eine nachhaltige Anlagepolitik und dies so in einer Medienmitteilung verkündet. Die Details sollen später folgen. Der WWF verteilt derweil Noten an die Kassen nach Massgabe ihres umweltbewussten Verhaltens.
Längst ist natürlich auch die Politik aktiv. Die PKBS wurde in einem «Anzug», wie das in Basel heisst, aufgefordert, aus «fossilen Energien» auszusteigen. Befürchtet werden nicht bloss die Folgen des CO2, sondern dass die Investitionen an Wert verlieren könnten, weil sich die Welt von Oel und Gas verabschiedet. Schon etwas weiter zurück liegt der von SP und diversen Umweltverbänden geforderten Ausstieg der Pensionskassen aus «Erdöl, Gas- und Kohleinvestitionen», weil sie angeblich ein hohes wirtschaftliches Risiko bergen. Die Diskussion läuft unter dem Titel «carbon bubble». Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass auch der aus Erdöl-Gewinnen gespiesene norwegische Staatsfonds kürzlich den Ausstieg aus Anlagen in die Oel-Industrie bekanntgegeben hat.
Angesichts der zunehmend häufiger zu sichtenden Teslas auf unseren Strassen könnte man tatsächlich den Eindruck gewinnen, dass in Bälde die Tankstellen durch Ladestationen ersetzt werden und das Zeitalter von Oel und Gas sich dem Ende zuneigt.
Ein paar Zahlen dürften das Bild relativieren. Dazu seien Daten aus dem aktuellen Report des Manhatten-Instituts angeführt. Aktuell entfallen 84 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs auf Oel, Gas und Kohle. Vor 20 Jahren waren es noch 87 Prozent. Ein bescheidener Rückgang, besonders weil sich in dieser Zeitspanne der Energieverbrauch fast verdoppelt hat. Und die bescheidenen 2 Prozent welche auf Wind- und Sonnenenergie entfallen, benötigten Investitionen von mehreren Billionen Dollar.
Exxon rechnet in einer Studie mit dem Rückgang des Anteils der Kohlenwasserstoffe am Energieverbrauch bis 2040 auf 77 Prozent. Da bis dahin der Energieverbrauch weiter ansteigen wird, fällt auch der erwartete grössere Anteil von Wind und Sonne mit 5 Prozent nicht wesentlich ins Gewicht. Wasserkraft und Kernenergie dürften gemäss Studie von anteilsmässig 19 auf 18% zurückgehen. Eine unmittelbare Gefährdung der Profitabilität der Oel- und Gasindustrie ist jedenfalls nicht gegeben. Diesbezüglich scheinen die Warnungen von SP und Oeko-Verbänden voreilig.
Auch der Energiemix der Schweiz lässt realistischerweise in absehbarer Zeit keine grösseren Verschiebungen in Richtung der viel beschworenen Nachhaltigkeit erwarten, trotz hohem politischem Einsatz. Gemäss Faktenblatt des UVEK von 2017 leistet die Elektrizität hierzulande einen Beitrag von 25 Prozent, die Treibstoffe einen von 34 an die Energieversorgung. Benzin, Diesel und Kerosin weisen damit einen deutlichen grösseren Anteil auf als Elektrizität. Den Rest bilden die Erdölbrennstoffe (16 Prozent), Gas und Diverses.
Die Schweiz liegt damit bezüglich Elektrizität über dem weltweiten Durchschnitt, allerdings stammen 40 Prozent aus Kernkraftwerken, die als nicht mehr akzeptabel gelten und im Zuge der Energiewende abgeschaltet werden sollen; trotz ihrer unbestrittenen Klimaverträglichkeit. Es braucht neben Sonnenkollektoren und Windrädern also noch eine erhebliche Zunahme an Umdenken und Sparsamkeit und Flugscham, um den Verbrauch von Oel und Gas deutlich zu reduzieren.
Wer sich für nachhaltigkeitsorientiertes Investieren einsetzt, kann kaum das Ende des Erdölzeitalters als Begründung anführen. Und es kann nicht schaden, genauer hinzuhören, wenn entsprechend argumentiert wird; zumal der Mix aus Politik, Kommerz und magischem Denken unter dem Titel Nachhaltigkeit zusehends die Sicht trübt. Symbolpolitik steht nicht im Aufgabenheft der Pensionskassen.
Peter Wirth, E-Mail