Wir haben auf der Homepage wie auch im Newsletter bereits ausführlich über die Herbsttagung des PK-Netz zur Altersvorsorge 2020 berichtet. Hier nun der Link zum Bericht des Netzwerkes selber mit zahlreichen Fotos. Oben abgebildet Doris Bianchi (SGB) im Streitgespräch mit Martin Kaiser (Arbeitgeber) und Moderator Jorge Serra (VPOD).
AV2020
Avenir Suisse: Neue Chance für die AV2020
Im Interview mit Swisscanto-Geschäftsführer Thomas Keller nimmt Jérôme Cosandey zur «Altersvorsorge 2020» Stellung. Es sei grundsätzlich positiv, dass der Bundesrat für die anstehende Reform die erste und die zweite Säule gemeinsam betrachte. Er gibt jedoch zu bedenken, dass damit das ganze Projekt politisch komplexer werde.
Unverständlich ist für Cosandey der Beschluss des Ständerats, die AHV per sofort auszubauen, obwohl in der zweiten Säule bereits Kompensationsmassnahmen für die Senkung des Umwandlungssatzes vorgesehen sind. Demnächst wird das neue Parlament die Vorlage beraten. Cosandey hofft, dass bei dieser Gelegenheit die Sachlichkeit in der ansonsten sehr emotional geführten Debatte wieder Oberhand gewinnt. Kurzfristig sollte der Fokus der Reformen auf der Sicherung des aktuellen Rentenniveaus liegen – mit ersten definitiven Entscheiden ist erst 2017 zu rechnen. Längerfristig wünscht sich Cosandey aber eine grundlegende Modernisierung der Altersvorsorge, die die Gegebenheiten der modernen Gesellschaft mit ihren vielfältigen Lebensläufen besser berücksichtige.
NZZ: Vorlage zur AV2020 aufteilen
Werner Enz spricht sich in der NZZ für eine Aufteilung der nach seiner Ansicht überladenen und interventionistischen Reform zur Altersvorsorge 2020 aus. Sorgen bereiten ihm insbesondere die düsteren Aussichten in der AHV, deren Reform zügig an die Hand zu nehmen sei. Das BVG können hingegen noch etwas warten. Enz schreibt u.a:
Der Ständerat hat die von ihm just vor den diesjährigen Wahlen aus dem Hut gezauberte AHV-Erhöhung um 70 Franken unter anderem damit begründet, das Rückführen des gesetzlichen Rentenumwandlungssatzes in der beruflichen Vorsorge (BVG) von 6,8 auf 6,0 Prozent für niedrige Einkommen abfedern zu wollen. De facto wäre es ein Leistungsausbau für alle, auch für viele, die den AHV-Obolus gar nicht nötig hätten. Und vor allem steht der wenig durchdachte Vorstoss in krassem Widerspruch zur Berset-Vorlage, die eine Vermischung von Reformelementen der ersten und zweiten Säule gerade nicht will. Die in den Wahlen gestärkten bürgerlichen Parteien müssen jetzt Führungsverantwortung übernehmen und diesen sozialpolitischen Querschläger entschärfen.
Es empfiehlt sich, in zwei Etappen voranzuschreiten, wobei die AHV-Reform zuerst und zügig an die Hand zu nehmen ist. Die Stabilisierung der ersten Säule ist wegen der absehbar hohen Abflüsse dringlich, eine BVG-Teilreform kann noch etwas warten. Ausserdem verdichtet sich nach der Lektüre der vor Jahresfrist präsentierten Botschaft zur Reform der «Altersvorsorge 2020» – und der Verweigerung nennenswerter Korrekturen durch Berset – der Eindruck, dass das Ganze viel zu kompliziert, zu überladen, zu interventionistisch ist. Die zum Glück zur Mehrzahl in der Nähe von Unternehmen angesiedelten Pensionskassen haben aus Eigeninitiative schon viel unternommen, um die BVG-Renten auf der Basis von realistischen Parametern zu fixieren; auch da zwingen die Demografie – und niedrige Anlageerträge – zu Anpassungen, aber die erfolgen in der Realität ohnehin. Verantwortungsvoll handelnde Stiftungsräte von Pensionskassen sorgen in ihrem Einflussbereich für Ordnung.
AV2020: Bestandsaufnahme beim PK-Netz
pw. Das gewerkschaftliche PK-Netz hat für seine traditionelle Herbst-Tagung allerhand Prominenz aufgeboten. Zum Thema “Altersvorsorge 2020” traten aus dem Ständerat Paul Rechsteiner und Urs Schwaller an, Colette Nova vertrat das BSV und die Sozialpartner waren mit Doris Bianchi (SGB) und Martin Kaiser (Arbeitgeber) präsent.
Schwaller machte ein weiteres Mal klar, wie wichtig die Reform sei, liess aber auch durchblicken, dass die vom Ständerat jetzt an den Nationalrat weitergereichte Version mehr als nur eine Schwachstelle aufweist. Man habe ein Zweikammer-System, jetzt müsse sich der Nationalrat bzw. seine Kommission von Grund auf mit der Materie und den Beschlüssen des Ständerats befassen und wo nötig Aenderungen anbringen. Da sprach wohl die Hoffnung, die teilweise sträflich nachlässige Legiferierung des Ständerats werde noch korrigiert. Natürlich hat die Zeit auch eine Rolle gespielt. Die SGK hatte den Ehrgeiz, das Geschäft noch in der laufenden Legislatur ins Parlament zu bringen. Was einige Kommissionsmitgliedern möglicherweise überforderte. Schwaller liess solches jedenfalls durchblicken.
Dass die Reform des Ständerats weit hinter den tatsächlichen Bedürfnissen hinterherhinkt, ist ihm wohl ebenfalls nicht entgangen. Seine Begründung lautet, dass man die Realitäten berücksichtigen müsse, nachdem seit bald 20 Jahren keine Reform in der Sozialpolitik mehr geglückt sei. “Rechts / links” habe nie eine Rolle gespielt, betonte Schwaller, die Sache sei im Vordergrund gestanden. Das Abstimmungsergebnis in der Kommission spricht allerdings eine andere Sprache.
Aufschlussreich seine Ausführungen zum AHV-Zuschlag. “Es braucht irgendwo eine Verbesserung”, sei die Meinung in der Kommission gewesen. Man habe sie nicht in der zweiten, sondern in der ersten Säule gesucht. Also keine (Teil-) Kompensation für den tieferen Umwandlungssatz, sondern klar ein Leistungsausbau. Allerdings ein etwas windschiefer, weil er nur den Neurentnern zugute kommt und damit eine “Zweiklassen-AHV” schafft, wie vom Arbeitgeberverband kritisiert.
Die abschliessenden Auftritte von Bianchi und Kaiser zeigten dann nochmals deutlich, wie unterschiedlich die Perspektiven auf das selbe Thema sind. Doris Bianchi bezeichnete die Anhebung des Referenzalters für Frauen auf 65 Jahre als “happiger Schritt”. Betroffen seien Frauen, die heute 59 seien und damit schon voll in der Planung ihrer Pensionierung. Kein anderes europäisches Land habe eine Rentenaltererhöhung zudem in so kurzer Frist durchgeführt. Wenig sagte sie zur Anpassung des Umwandlungssatzes, ausser dass sie bezweifle, dass die Kompensation wirklich vollständig ausfallen würde und natürlich, dass davon die Versicherer profitieren. Primär betonte sie jedoch die schwierige Lage und die Belastung der Frauen, welche berücksichtigt würden müssen. Man habe die Beiträge für die 2. Säule auf breiter Front deutlich heraufgesetzt, um die Leistungen zu stabilisieren. Die geplante Erhöhung bei der AHV falle deutlich geringer aus.
Martin Kaiser sah dann die Sache weniger aus Sicht der Versicherten als der gesamtwirtschaftlichen Grosswetterlage. Der Arbeitgeberverband trete für eine Revision mit weitgehenden Kompensationen mit dem Ziel des Leistungserhalts ein. Das sei angesichts steigender Lebenswartung und rekordtiefer Renditen sowie unsicherer konjunktureller Aussichten schon sehr viel. Ein Leistungsausbau liege da nicht drin. Die AHV gehe massiven Defiziten entgegen. Akzeptiert würden das Rentenalter 65/65, der Umwandlungssatz von 6% und 0,6% MWSt-Erhöhung. Kaiser unterstrich die Forderung nach einer Stabilisierungsregel für die AHV mit Rentenalter-Komponente. Aber – so tröstete er die Genossen alsogleich – vor 2030 werde da nichts geschehen.
Zum Schluss wiederholte dann Bianchi ihre Bemerkungen zu den Sorgen und Nöten der Versicherten, welche offenbar dringend auf mehr AHV angewiesen sind. Kaiser gab zurück: “wir verschieben die strukturellen Probleme auf die jüngere Generation und tun so, als ob es den Rentnern so schlecht gehe. Die Zahlen sagen etwas anderes. Wenn wir ein Armutsproblem haben, dann bei den Alleinerziehenden. Und die wollen Sie noch weiter belasten. Die grossen Probleme kommen mit der Pflegeversicherung. Und mich würde interessieren, was Sie den Jungen sagen, die das finanzieren müssen.” Die Antwort darauf blieb aus.
NZZ: “Das Prinzip Hoffnung”
Hansueli Schöchli nimmt in der NZZ die Annahmen hinter der Altersvorsorge 2020 unter Lupe und kommt zu keinem guten Befund:
Laut einer vom Bund bestellten Analyse des Basler Wirtschaftsinstituts BAK mit sechs möglichen Wirtschaftsszenarien liegen bei einem Aktienanteil von 25% durchschnittliche Jahresrenditen für die nächsten zwei Jahrzehnte von 2% bis 3% drin. Jedes Szenario unterstellt einen deutlichen Anstieg der Renditen langfristiger Bundesobligationen (auf gut 2% bis auf über 4% nominal und auf 1% bis 2% real). Bleiben die Realzinsen noch so lange so tief, wie es die Märkte erwarten, sind auch noch schwächere Anlagerenditen denkbar.
Doch selbst im Durchschnitt der sechs BAK-Szenarien verbliebe abzüglich der Verwaltungsgebühren nur ein «technischer Zinssatz» von gut 2% (mit dem technischen Zinssatz rechnen Pensionskassen künftige Verpflichtungen auf den heutigen Wert herunter). Das ergäbe laut Experten bei weiter steigender Lebenserwartung einen mathematisch korrekten Umwandlungssatz von nur etwa 5% – womit pro 100 000 Fr. Alterskapital nur 5000 Fr. Jahresrente flössen, anstelle der 6000 Fr., welche die Politiker anstreben.
Es ist gut möglich, dass Realzinsen und Renditen in den nächsten zwanzig Jahren deutlich höher liegen, als in den obigen Szenarien unterstellt ist und als der Markt heute denkt. Auch das Gegenteil ist aber gut möglich. Das Gebot der Vorsicht ruft nach einer zurückhaltenden Prognose – da Korrekturen bei positiven Überraschungen viel einfacher sind als im umgekehrten Fall. Bundesrat und Parlament setzen jedoch auf das Prinzip Hoffnung. Das ist politisch das Bequemste. Die zu erwartenden Finanzlöcher gehen so zulasten der künftigen Generationen – welche heute an der Urne eine kleine Rolle spielen oder noch gar keine Stimme haben.
AV2020: Aufgehübscht in die Sackgasse
Roland Müller, Direkter des Arbeitgeberverbands, kommentiert in der Basler Zeitung die Entscheide des Ständerats zur Altersvorsorge 2020 und kommt zu keinem guten Befund. Zitate:
Das Unheil nahm bereits mit der unglücklichen, weil überladenen Mammutvorlage von Bundesrat Berset seinen Lauf: Das Kalkül, dem Parlament ein überladenes Gesamtpaket zuzuführen und zu glauben, «dieses würde es dann schon richten», droht nicht aufzugehen. Die erste grosse Reform des Innenministers steht auf Messers Schneide. Mit seinem Leistungsausbau und seiner Vermischung der ersten und zweiten Säule – mit einer AHV-Rentenerhöhung für Neurentner von 70 Franken pro Monat soll eine Rentenkürzung in der zweiten Säule mehr als kompensiert werden – wählte der Ständerat nun bereits bei der ersten Weggabelung den Weg in die Sackgasse.
Das Abstimmungsresultat in der kleinen Kammer lässt aufhorchen: 15 Parlamentarierinnen und Parlamentarier, mithin ein Drittel der kleinen Kammer, drückten ihren Unmut mit Nein- bzw. Enthaltungsstimmen aus. Auch unter den Ja-Stimmen sind viele damit zu erklären, dass das Geschäft rasch vor den Wahlen abgeschlossen und dem Nationalrat überwiesen werden kann. Also: Wer glaubt, die ständerätliche Lösung sei breit abgestützt, könnte sich vehement täuschen. Der nächstbehandelnde Nationalrat wird sich ob dieses Bärendiensts seinen eigenen Reim machen. Die kleine Kammer hat also wahrlich einen Steilpass zum Scheitern gespielt.
Kommentar Müller / Konzept Arbeitgeber zur AV2020
AHV-Zuschlag in der AV2020 nach der Wahl
CVP und SP haben dem Ständerat einen Zuschlag zur AHV als Teil des Ausgleichs für die Umwandlungssatz-Senkung untergejubelt. Nach den Wahlen sieht die Welt in Bern etwas anders aus und der Nationalrat, der im kommenden Jahr das Geschäft zu behandeln hat, dürfte die Idee wohl genauer unter die Lupe nehmen. Eine Umfrage bei den Mitgliedern des neugewählten Nationalrats zeigt, dass Skepsis herrscht und zudem eine Erhöhung des Referenzalters über 65 hinaus an Zustimmung gewonnen hat. Die Grafik stammt aus der Berner Zeitung.
Unia zur AV2020 des Ständerats
Die Unia lehnt die Reform von AHV und BVG gemäss den Beschlüssen des Ständerats ab. Auf der Website des PK-Netz heisst es:
Bei den AHV-Renten würde die Reform erstmals seit 20 Jahren eine kleine Verbesserung bringen: Neurentner/innen erhielten eine Aufstockung um 70 Franken pro Monat. Die Maximalrente für Ehepaare würde leicht erhöht.
Allerdings gilt diese Erhöhung nicht für alle. Menschen, die heute schon im Rentenalter sind, gehen leer aus.
…grosser Rentenklau andererseits
Der grosse Abbau findet bei den Frauen und bei den Pensionskassen statt. Das Frauenrentenalter würde auf 65 Jahre erhöht. Konkret heisst das, es werden Kürzungen von 1,22 Milliarden Franken jährlich auf dem Buckel der zukünftigen Rentnerinnen durchgesetzt.
Der Umwandlungssatz der zweiten Säule soll von 6,8 auf 6,0 Prozent gesenkt werden – obwohl das Volk 2010 eine weniger krasse Senkung auf 6,4 deutlich abgelehnt hat. Das bedeutet eine Rentenkürzung von 12 Prozent bei den Pensionskassen. Da die Kürzung bei unter 50-Jährigen nicht voll kompensiert wird, zahlen vor allem junge Menschen drauf.
“Die Jungen wehren sich zu Recht”– oder die Erpressung durch die Linke
“Die Rentner halten sich nicht an den Generationenvertrag von 1986, der da heisst: jeder spart für sich selber”, hält Andreas Valda im Tages-Anzeiger fest und beschreibt die aktuelle Situation zwischen Jungen und Alten anhand von vier Szenarien resp. konkreten Schicksalen. Über die individuellen Schicksale und Interessen hinaus gibt es aber auch konkrete Entwicklungen und Fakten, die sich mit politischen Schlagworten nicht aus der Welt schaffen lassen. Valda schreibt:
Beginnen wir bei der Lebenserwartung. Als das BVG 1986 obligatorisch wurde, wurden Männer mit 65 pensioniert. Sie lebten im Durchschnitt bis 81. Die Lohnbeiträge, die sie während 40 Jahren entrichteten, mussten im Schnitt 16 Jahre lang reichen. Heute werden Männer noch immer mit 65 pensioniert, sie leben aber im Schnitt bis 87. Das heisst, das gleiche Pensionsguthaben muss für 22 Jahre reichen – also rund 1,3-mal so lang –, obwohl gleich viel Lohnbeiträge abgezogen werden. Analoges gilt für die Frauen. Es ist logisch, dass diese Rechnung nicht aufgehen kann.
Und nun zur Wirtschaftsentwicklung. Als die 2. Säule obligatorisch wurde, ging man durchschnittlich von 1 bis 2 Prozent realen («echten») Lohnerhöhungen jährlich aus und einer Inflation von 2 bis 3 Prozent. In der Summe wurden deshalb jährlich 4 Prozent den BVG-Guthaben gutgeschrieben. Seit 15 Jahren aber steigen die Löhne jährlich im Schnitt um 0,7 Prozent, die Inflation beträgt 0,6 Prozent – zusammen 1,3 Prozent. Dennoch müssen Rentnern je nach Kasse 3 bis 4 Prozent gutgeschrieben werden, im Schnitt 3,16 Prozent, so steht es in der Swisscanto-Pensionskassenstudie. Die Kassen müssen zahlen, weil die aktuellen Renten sonst nicht finanziert werden könnten.
Wie viel wird umverteilt? Die Umfrage von Swisscanto für 2014 bei 440 Kassen, die 70 Prozent des Vermögens halten, zeigt Folgendes: 2,3 Millionen Arbeitnehmende teilen sich ein Vorsorgevermögen von 285 Milliarden Franken. Für dieses erhalten sie 2,55 Prozent Zins oder 7,3 Milliarden. Auf der anderen Seite die Rentner: 700’000 besitzen 274 Milliarden. Dieses Kapital wird im Schnitt zu den genannten 3,16 Prozent verzinst, sie erhalten 8,7 Milliarden – 1,4 Milliarden mehr als Aktive. So aber war es im Generationenvertrag von 1986 nicht abgemacht. Der Bundesrat machte damals klar, dass jeder für seine eigene Rente anspart. Heute aber zahlen Arbeitnehmer einen Teil der BVG-Rente, als wäre es die AHV. Nur in der AHV ist vereinbart, dass wir Angestellte monatlich die AHV-Renten finanzieren.
Schon damals sagte der Bundesrat: Wenn die Lebenserwartung oder die Wirtschaftsentwicklung aus dem Ruder laufen, muss die Rente reduziert werden. Das Parlament war 1986 noch so gescheit, dass es ihm die Kompetenz gab, im Notfall die BVG-Renten zu senken. 2004 nahm das Parlament (unter Mithilfe der Bürgerlichen) ihm diese Kompetenz weg. Jetzt ist die Rentenhöhe im Gesetz festgeschrieben. Um diese zu ändern, wird eine Art Erpressung durch die Linke und Gewerkschaften betrieben: Zahlt mehr AHV, dann senken wir euch die künftigen BVG-Renten. Andernfalls läuft halt die Umverteilung weiter. Ehrlich wäre: Wir leben länger, also arbeiten wir auch länger. Dann wäre der Generationenvertrag der 2. Säule, wie es die heutigen Rentner 1986 vereinbart haben, wieder eingehalten. Das zu diskutieren, ist keine Polemik der Jungen, sondern eine Notwendigkeit, um die zukünftigen Lasten zu klären.
AV2020: ASIP begrüsst den Kompromiss
Der Pensionskassenverband hält in einer Stellungnahme zu den Beschlüssen des Ständerats betreffend die Altersvorsorge 2020 fest:
Der Schweizerische Pensionskassenverband ASIP begrüsst es, dass der Ständerat das Reformpaket „Altersvorsorge 2020“ grossmehrheitlich gutgeheissen hat . “ Je länger wir zuwarten, umso rascher, und damit schmerzvoller müssten die dann beschlossenen Massnahmen umgesetzt werden “ , so ASIP – Direktor Hanspeter Konrad. Er vergleicht dies mit einer Kurvenfahrt – je später man zu lenken beginnt, desto heftig er das Lenkmanöver.
Im Vordergrund steht für den ASIP die ganzheitliche Sicherung der Altersvorsorge im Bereich der 1. und 2. Säule ohne Leistungsreduktionen. Dazu gehört u.a. die Anpassung des Mindest-Umwandlungssatzes an die erfreulicherweise weiterhin steigende Lebenserwartung und an die negative Entwicklung der Kapitalmärkte. Griffige flankierende Massnahmen im Sinne des Ständerates tragen zur Aufrechterhaltung des Leistungsniveaus bei. Zudem begrüsst der ASIP das gemeinsame Referenzalter 65 für Männer und Frauen.
Der Ständerat hat eine gute Basis für die Beratungen im Zweitrat geschaffen. Mehreren Empfehlungen des ASIP wurde damit Rechnung getragen. Zu beachten ist, dass der Reformvorschlag auch in der später folgenden Volksabstimmung zu bestehen hat. Ein leichter Ausbau der Leistungen der 1. Säule – wie vom Ständerat beschlossen – kann bei der Suche nach einem für viele Seiten akzeptablen Kompromiss helfen. Aus Umfragen ist bekannt, dass die Bevölkerung eher bereit ist, höhere Kosten zu tragen als reduzierte Leistungen zu akzeptieren. Die unbestritten notwendigen Reformen zur langfristigen Sicherung der Altersvorsorge im Allgemeinen und der 2. Säule im Speziellen dürfen nicht Opfer ideologischer Auseinandersetzungen werden. Alle Akteure müssen im Rahmen dieses Prozesses ihren Beitrag für eine erfolgreiche Reform leisten.
AV2020: AHV-Zuschlag bringt den Ärmsten nichts
Daniel Friedli untersucht in der NZZ, welche Auswirkungen der vom SR beschlossene AHV-Zuschlag für die Rentner hat. Er schreibt:
Das Bundesamt für Sozialversicherungen geht davon aus, dass allein durch den Rentenzuschlag 120 Millionen Franken weniger via Ergänzungsleistungen ausbezahlt werden. Und es schätzt weiter, dass im Referenzjahr 2030 rund 185’000 Rentner den beschriebenen Effekt zu spüren bekommen ihnen bleibt also trotz Rentenzuschlag letztlich nicht mehr im Portemonnaie.
Schlimmer noch: Einem Teil der Betroffenen drohen dadurch sogar finanzielle Ausfälle. Denn auf dem geplanten Rentenzuschlag werden die Pensionäre Steuern bezahlen müssen, derweil die Ergänzungsleistungen steuerfrei sind. Und verliert jemand seinen Anspruch auf Ergänzungsleistungen, muss er zum Beispiel wieder selber Radio- und TV-Gebühren bezahlen oder für seine Zahnarztkosten aufkommen. Als EL-Bezüger ist er davon befreit.
Im Ständerat waren diese Effekte diese Woche kaum ein Thema. Nur FDP-Vertreter wie Felix Gutzwiller und Karin Keller-Sutter kritisierten, der AHV-Zuschlag sei eine «Giesskanne», von der mitunter eigentlich die Falschen profitierten. Gutzwiller plädiert dafür, einen Ausgleichsmechanismus zu finden, der gezielter jenen nützt, die auch darauf angewiesen sind.
Sozialkitsch als Wahlfänger
Christian Levrat hat auf der Website der SP die Wahlambitionen seiner Partei mit der anstehenden Reform von AHV und BVG offen gelegt. Im Originalton heisst es:
Dank der SP hat der Ständerat eine Erhöhung der AHV-Renten beschlossen. Das ist ein historischer Erfolg, und den gilt es zu verteidigen. FDP und SVP sehen die Sache ganz anders. Sie haben die ganze Woche verbissen für eine Rentenkürzung gekämpft. Im Gegensatz zur SP und zum Bundesrat sind sie der Meinung, die Renten wären zu hoch. Anders ist nicht zu erklären, warum sie den Umwandlungssatz in der 2. Säule und damit die PK-Rente senken wollen – ohne Kompensation!
pw. Abgesehen davon, dass die Sache mit der Kompensation eine glatte Lüge ist, verschweigt Levrat wohlweislich, wer das AHV-Geschenk finanziert und dass es als Kompensation gänzlich ungeeignet ist. Wir wissen, es ist Wahlkampf, aber welche geistigen Abgründe können damit gerechtfertigt werden?
AV2020: Hilfe für die Falschen
Jérôme Cosandey von Avenir Suisse unternimmt einen neuen, ebenso heroischen wie absehbar erfolglosen Versuch, die Zusammenhänge zwischen der Höhe des Umwandlungssatzes und der Höhe der Altersleistung über die gängige, in den Medien so beliebte Milchmädchenrechnung von UWS-Prozenten je 100’000 Franken hinaus zu differenzieren; zudem zeigt er auf, dass der geplante AHV-Zuschlag nicht zweckmässig ist. Er schreibt:
Man könnte meinen, die Botschaft sei endlich angekommen: Massgebend für die Rentenhöhe in der beruflichen Vorsorge ist nicht die Höhe des Umwandlungssatzes selber, sondern die Höhe des angesparten Kapitals zum Pensionierungszeitpunkt multipliziert mit dem gültigen Umwandlungssatz. Wird die Senkung des Umwandlungssatzes durch eine äquivalente Erhöhung des Sparkapitals kompensiert, so bleibt die Rente konstant. Doch seit der Beratung der Vorsorgereform durch den Ständerat Mitte September scheint diese Formel vergessen worden zu sein. Immer wieder ist Medienberichten zu entnehmen, dass aufgrund der vorgeschlagenen Senkung des Umwandlungssatzes die Renten der beruflichen Vorsorge gekürzt werden. Anschliessend wird im gleichen Atemzug für eine Kompensation in der ersten Säule plädiert. Aufgrund dieser Fehldiagnose wird die falsche Medizin verabreicht. (…)
Letztlich sind es nur ca. 48% der AHV-Pflichtigen, die eventuell von einer Senkung des Umwandlungssatzes nach 2033 tangiert werden. Eventuell, denn wie Auswertungen des Bundesamts für Statistik für 2010 zeigen, bezieht nur die Hälfte der BVG-Versicherten ihre 2. Säule in Rentenform. 34% der Versicherten entscheiden sich für den Kapitalbezug, weitere 16% für eine Mischform aus Kapital und Rente. Wer das Kapital bezieht, nimmt sein ganzes Geld mit. Für ihn spielt die Höhe des Umwandlungssatzes keine Rolle.
Zudem sind gemäss Bundesamt für Sozialversicherung sechs von sieben Versicherten in sogenannten umhüllenden Pensionskassen versichert, vier von sieben sogar in stark umhüllenden Kassen. Diese Kassen bieten Leistungen, die über die gesetzlichen Minima hinausgehen. Dank einer Mischrechnung können diese Vorsorgeeinrichtungen bereits heute einen tieferen Umwandlungssatz auf die gesamten Altersvermögen anwenden. Gemäss Swisscanto beträgt 2015 der durchschnittliche Wert 6,34%. In diesen Kassen wurde die Reduktion des Umwandlungssatzes teilweise bereits vorweggenommen und finanziert. Die Senkung des Mindestumwandlungssatzes hätte dort wenig bis keine Auswirkung. Am Schluss sind es weniger als 15% der AHV-Pflichtigen, die ab 2033 potentiell von einer Reduktion des Umwandlungssatzes tangiert sind.
Statt nur für diese 15% der aktiven Bevölkerung und erst ab 2033, erhöht man nun für alle und ab sofort die AHV – auch für den Staranwalt, für den Herzchirurgen oder die Tochter des Milliardärs. Ein effizienter, schonender Umgang mit finanziellen Ressourcen ist das nicht. Viel mehr hat man das Gefühl, dass man den ganzen Garten mit dem Feuerwehrschlauch flutet, um einzelnen «Margritli» Wasser zu geben.
AV2020: Reaktionen
Arbeitgeber
Der Ständerat hat es verpasst, das heutige Rentenniveau langfristig zu sichern. Stattdessen will er einen realitätsfremden Leistungsausbau in der AHV. Damit hat er das ursprüngliche Reformziel aus den Augen verloren. Arbeitgeberverband und economiesuisse lehnen die vom Ständerat verabschiedete Vorlage ab. Sie fordern eine für Wirtschaft und Gesellschaft tragbare Reform, die sich den demografischen Realitäten stellt. Nur so lassen sich die heutigen Renten sichern.
Gewerkschaftsbund
Erstmals seit 20 Jahren sollen die AHV-Renten wieder deutlich verbessert werden. Mit diesem Beschluss hat der Ständerat die Vorschläge des Bundesrats zur Altersvorsorge in einem entscheidenden Punkt verbessert. Denn die Reform darf der Bevölkerung nicht nur Opfer abverlangen. Sie muss auch sozialen Fortschritt bringen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist auf anständige Renten der AHV und der Pensionskassen angewiesen. Nur wenn für sie die Bilanz in der Endabrechnung stimmt, kann die Vorlage an der Urne bestehen. An diesem Grundsatz wird sich auch der Nationalrat orientieren müssen, wenn die Reform nicht erneut scheitern soll. Dies gilt umso mehr, als die mit den Beschlüssen des Ständerats verbundenen Einschnitte nach wie vor enorm sind.
Gewerbeverband
Der Schweizerische Gewerbeverband sgv zeigt sich enttäuscht über die Beschlüsse des Ständerats zur Reform der Altersvorsorge. Der faule Kompromiss, den CVP und Linke ausgeheckt haben, führt unserer Wirtschaft schweren Schaden zu. Der sgv erwartet vom Nationalrat eine markante Kurskorrektur. Bleibt diese aus, wird der sgv gezwungen sein, die Erhöhung der Mehrwertsteuersätze in der obligatorischen Volksabstimmung mit allen Mitteln zu bekämpfen.
Gewerbeverband /Arbeitgeber / SGB
AV2020: “Sieg der Rentner”
Die ersten Stimmen und Kritiken zu den Entscheiden des Ständerates – nicht zuletzt der Jungen – legen die Problematik des eingeschlagenen Weges offen. Auf Kosten der Jungen und der werktätigen Familien will man die Rentner von aller Unbill der Zeitläufte abschotten und ihnen ja nichts zumuten, dass politischen Unmut heraufbeschwören könnte. Mutlos und opportunistisch.