Hansueli Schöchli kommentiert in der NZZ die guten Resultate der OAK-Studie 2022:

Es gibt keinen Grund zum Übermut. Der Refrain von Anhängern der politischen Reformblockade in der Altersvorsorge nach dem Motto «Die Pensionskassen habe dicke Polster, also gibt es keinen Grund zur Senkung von Rentengarantien» ist heute so falsch wie während der letzten zehn Jahre. Die Pensionskassen brauchen substanzielle Reserven, damit sie nicht schon nach dem ersten Börsentaucher in einen Sanierungszwang mit zusätzlichen Lohnabzügen hineinlaufen.

Ein eisernes Gesetz der Finanzmärkte lernen KV-Lehrlinge schon im ersten Lehrjahr, doch zu viele erwachsene Politiker in Bundesbern wollen davon nichts wissen: keine Gewinnchancen ohne Risiken. Ohne Reserven müssten sich die Pensionskassen stärker auf risikoarme Anlagen beschränken, was langfristig Renditeeinbussen brächte. Damit verwandt ist der Befund, dass Rentengarantien teuer sind, weil Garantien nur mit «risikolosen» und damit praktisch ertragslosen Anlagen «sicher» erfüllbar sind.

Das erklärt die Mechanik nach dem Muster einer Wippe mit ihren zwei gegensätzlichen Enden: Je höher die Garantien für die Rentner sind, desto tiefer sind die Kapitalverzinsungen für die Erwerbstätigen. Dass jene, die am lautesten nach möglichst hohen Rentengarantien rufen, gleichzeitig auch am lautesten die oft tiefe Kapitalverzinsung für die Erwerbstätigen kritisieren, gehört zur üblichen Heuchelei im Theater der Bundespolitik.

Doch wie fast alles im Leben sind auch die Reserven eine Frage des Masses. Viele Experten erachten für Durchschnittskassen eine Grössenordnung von etwa 15 Prozent der Rentenverpflichtungen als angemessen. Das von den Kassen selbst angepeilte Polster von durchschnittlich knapp 18 Prozent erscheint jedenfalls nicht obszön. Das gesunde Branchenpolster per Ende 2021 stellte sicher, dass auch nach dem Börsentaucher der ersten vier Monate 2022 der Druck auf den Panikknopf nicht angebracht ist.

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