imageMichael Ferber hat für die NZZ Christoph Ryter, Direktor der Migros-Pensionskasse und Vizepräsident des ASIP, interviewt. Zur Sprache kommen das exzellente Anlagejahr 2019, die Leistungsentwicklung bei den Pensionskassen und die BVG-Revision. Auszüge:

AHV und Pensionskasse sollen zusammen 60% des letzten Einkommens nach der Pensionierung decken. Laut einer Studie des Finanzdienstleisters VZ Vermögenszentrum kommt jemand mit einem Einkommen von 100 000 Fr. heute noch auf knapp 55% seines letzten Lohns vor der Pensionierung. Im Jahr 2002 seien es noch rund 62% gewesen. Wird dieser Wert in Zukunft noch weiter sinken?
Ursprünglich ist man von der goldenen Regel ausgegangen: dass die Entwicklung bei den Löhnen identisch ist mit der bei der Verzinsung der Altersguthaben. In der Praxis war es aber so, dass die kapitalgedeckte zweite Säule mehr geleistet hat als erwartet. Die Versicherten haben von einem Realzins profitiert, denn die Verzinsung der Altersguthaben war höher als die durchschnittliche Entwicklung der Löhne. Eigentlich stehen Personen, die in einer BVG-Minimalkasse versichert sind, heute in ihrem Ansparprozess besser da, als dies ursprünglich erwartet worden war. Das ist ein Grund dafür, dass eine etwas stärkere Senkung der Umwandlungssätze verkraftet werden kann.

Aber was ist mit den jungen Menschen und jenen mittleren Alters?
Die Frage ist, ob es auch in der Zukunft möglich ist, eine solche Realverzinsung hinzubekommen oder nicht. Das ist ein wichtiger Punkt bei den Plänen für eine BVG-Reform. Der Vorschlag der beteiligten Sozialpartner, den der Bundesrat übernommen hat, sieht einen zeitlich unlimitierten Rentenzuschlag für alle vor. Alle Versicherten, also auch solche, die von einer Senkung des BVG-Mindestumwandlungssatzes nicht betroffen sind, sollen mehr Leistung erhalten. Das macht diesen Vorschlag extrem teuer. Da ist der Vorschlag des Pensionskassenverbands Asip mit einer Übergangsfrist von zehn Jahren für die kurz vor der Pension stehenden Personen sicher besser. Mit der Annahme einer Realverzinsung in den kommenden Jahren können so im BVG die ursprünglich vorgesehenen Leistungen erreicht werden. Trotz den negativen Zinsen sind die erwarteten Renditen der Pensionskassen bei einer durchschnittlichen Anlagestrategie immer noch im positiven Bereich und immer noch höher als das durchschnittliche Lohnwachstum. Das Kapitaldeckungsverfahren lohnt sich also immer noch, selbst in dieser Niedrigzinsphase. Aber es ist sonnenklar: Wir können nicht zaubern! Man kann nur das an Leistungen ausschütten, was in Form von Beiträgen und Kapitalerträgen langfristig hereinkommt.

An dem erwähnten Vorschlag der Sozialpartner für eine BVG-Reform gibt es viel Kritik. Wie schätzen Sie die Chance ein, dass er durchkommt?
Ich hoffe, dass der Vorschlag so nicht realisiert wird. Er hat zwar einige gute Elemente. Es ist wichtig, dass man etwas für Teilzeitbeschäftigte und Personen im Niedriglohnbereich macht. Da ist die vorgeschlagene Senkung des Koordinationsabzugs ein gutes Mittel. Offensichtlich ist es politisch auch erwünscht, die im BVG mit dem Alter ansteigenden Altersgutschriften etwas abzuflachen. Und es ist absolut vordringlich, dass der Mindestumwandlungssatz im BVG endlich gesenkt wird. Systematisch falsch ist es allerdings, im Kapitaldeckungsverfahren der beruflichen Vorsorge ein Umlageelement einzuführen – zumal dieses zeitlich nicht einmal ausläuft. Im Asip-Vorschlag für eine BVG-Reform gibt es auch Umlagen. Wenn man den Älteren kurz vor der Pension mehr geben will, muss das von irgendjemandem finanziert werden. Aus Sicht der MPK sollen das aber dezentral und verursachergerecht die einzelnen Kassen machen. Wir hoffen, dass die eingegebenen Stellungnahmen den Bundesrat dazu bringen, noch einmal über die Bücher zu gehen.

Meinen Sie, der Vorschlag hätte dann auch eine Chance?
Ich glaube nicht, dass der Vorschlag der Sozialpartner in seiner jetzigen Form mehrheitsfähig ist – nicht im Parlament und schon gar nicht vor dem Volk. Bei der an der Urne gescheiterten Rentenreform von Sozialminister Alain Berset haben sich viele am Zuschlag in der AHV von 70 Fr. gestört. Darum kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Zuschlag von 100 bis 200 Fr. in den nächsten fünfzehn Jahren, den der Vorschlag der Sozialpartner mit sich bringen würde, mehrheitsfähig ist. Statt die Umverteilung durch eine Senkung des Umwandlungssatzes zu reduzieren, wird eine neue Umverteilung mit dem Rentenzuschlag zulasten der Jüngsten eingeführt.