imageDie Handelszeitung hat Martin Neff, Chefökonom von Raiffeisen, zur Situation auf dem Immobilien- und Hypothekenmarkt befragt. Raiffeisen ist Nr. 1 bei Hypotheken für selbstgenutztes Wohneigentum. Neff hält die Warnungen zur SNB für massiv übertrieben. Auszüge:

Die SNB sieht Risiken auf dem Immobilienmarkt. Sie schätzen die Lage anders ein.
Martin Neff. Ja. Wir können gerne das Rad einige Jahre zurückdrehen. Die SNB warnt seit 2011 vor Risiken im Immobilienmarkt. Die Situation sei hochgradig gefährlich. Fast sieben Jahre später stelle ich fest: Es ist nichts passiert – es ist keine Blase geplatzt. Aus den Gründen, die wir schon immer genannt haben: Im Eigenheimmarkt haben wir Selbstnutzer und keine Spekulanten, die kurzfristige Profite suchen. Auch der Mehrfamilienhausmarkt wird nicht von Spekulanten angetrieben: Kein institutioneller Investor kauft eine Renditeliegenschaft, um sie zwei Jahre später mit deutlich höheren Preisen wieder zu veräussern.

Die SNB erkennt steigende Anzeichen für Ausfallrisiken.
Wo die SNB diese Anzeichen sieht, ist mir ein Rätsel.  Sie begründet die Ausfallrisiken mit Leerständen. Nach meinen Schätzungen haben wir in der Schweiz derzeit eine Leerstandsquote von 1,8 bis 2,0 Prozent. Das tönt nach viel. Aber es gibt viele Investoren, die gewisse Leerstände einkalkulieren. In einer neuen Überbauung haben sie eine Leerstandsquote von zwischen 10 und 15 Prozent, das ist heute normal.

Werden viele Hypothekarschuldner in die Bredouille geraten, falls die Zinsen steigen?
Die SNB spricht seit 2012 von steigenden Zinsen. Seitdem sind die kurzfristigen Zinsen nicht gestiegen, im Gegenteil. Die SNB weiss am besten, wann die Zinsen steigen. Wenn ich die SNB- und EZB-Vertreter beim Wort nehme, bleiben die Zinsen bis zum nächsten Sommer tief. Es ist völlig offen, ob es dann noch ein starkes Potential für steigende Zinsen geben wird. Der Konjunkturzyklus ist mittlerweile fortgeschritten. Die Inflation müsste sprunghaft steigen – und dass glaubt niemand.

Die SNB sieht aber auch Risiken, sollten die Zinsen tief bleiben: Gewisse Banken könnten Hypotheken zu freizügig vergeben.
Die SNB gibt uns Banken fast gratis Geld und bestraft uns mit Negativzinsen, wenn wir das Geld nicht anlegen. Sie vermittelt uns Banken damit die Botschaft, das Geld in den Kreditkreislauf zu pumpen. Gleichzeitig hebt sie aber den Zeigfinger und warnt uns vor Risiken. Das verstehen sehr viele Leute nicht. Das ist so, wie wenn ich meinem Sohn ein schnelles Velo schenke, und ihm sage, er benötige dennoch keinen Helm – er solle einfach vorsichtig fahren.

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