“Die Pensionskassen gehören abgeschafft” überschrieb in der NZZ am Sonntag Markus Städeli seinen Artikel, welchem er einen radikalen Neuanfang fordert, der letztlich auf eine “Abwicklung der bestehenden Pensionskassen” hinausläuft, allerdings “nicht sofort”, aber längerfristig wohl schon. Hanspeter Konrad, Direktor des Pensionskassenverbands , zerpflückt die Argumente für einen solchen Schritt in einer Stellungnahme des ASIP unter dem Titel “La­den­hü­ter mit reis­se­ri­scher Schlag­zei­le”.

Wich­ti­ge Ele­men­te der heu­ti­gen kol­lek­ti­ven, be­ruf­li­chen Vor­sor­ge sind die Ver­siche­rungs­pflicht, der Ver­trags­zwang und die Sa­nie­rungs­pflicht. Erst der Um­stand, dass ei­ne ein­zel­ne Per­son nicht bei je­der Bör­sen­kri­se gleich den Vor­sor­ge­trä­ger wech­seln kann, er­mög­licht es den Pen­si­ons­kas­sen, hö­he­re An­la­ge­ri­si­ken ein­zu­ge­hen. Ei­ne kol­lek­ti­ve An­la­ge­stra­te­gie ist, wie die ak­tu­el­le Si­tua­ti­on zeigt, in­di­vi­du­el­len An­la­ge­stra­te­gi­en deut­lich über­le­gen.

In den Kri­sen nach 2000 (In­ter­net-Bub­ble), in der Fi­nanz­kri­se 2007/ 2008 oder nach dem Ein­bruch vom März 2020 im Rah­men der Co­ro­na-Pan­de­mie be­tru­gen auch auf ei­nem gut di­ver­si­fi­zier­ten Vor­sor­ge­ver­mö­gen die Ver­lus­te 10 bis 20%. Beim in­di­vi­du­el­len Spa­ren wird das Fi­nanz­mark­tri­si­ko dem ein­zel­nen Ver­si­cher­ten über­tra­gen. Herrscht un­mit­tel­bar vor der Pen­sio­nie­rung ei­ne Bais­se, hat er Pech.

In der kol­lek­ti­ven Vor­sor­ge hin­ge­gen kann bei glei­chem Ren­di­te­po­ten­zi­al das Ri­si­ko auf al­le Jahr­gän­ge auf­ge­teilt wer­den. Ge­win­ne und Ver­lus­te aus den Ka­pi­tal­markt­ent­wick­lun­gen kön­nen gleich­mäs­sig auf die Ver­si­cher­ten ver­teilt wer­den. Zu­dem er­höht die­se So­li­da­ri­tät auch die Leis­tun­gen, weil mit der da­durch ge­ge­be­nen Ver­län­ge­rung des An­la­ge­ho­ri­zon­tes ganz an­ders in­ves­tiert wer­den kann. (…)

Beim schlag­wort­ar­tig skiz­zier­ten Vor­schlag in der NZZ am Sonn­tag re­du­ziert sich die Mo­ti­va­ti­on des Ar­beit­ge­bers, mehr Bei­trä­ge an ei­ne ge­setz­li­che Al­ters­vor­sor­ge zu leis­ten, als un­be­dingt not­wen­dig wä­re. Es ist zu be­fürch­ten, dass sich das Vor­sor­ge­sub­strat re­du­ziert, d.h. in der Ten­denz we­ni­ger für das Al­ter an­ge­spart wür­de.

Kol­lek­ti­vi­tät und So­li­da­ri­tät ha­ben al­so durch­aus Vor­tei­le.

Ein Ab­bau die­ser Ele­men­te zu­guns­ten von mehr Wahl­frei­heit für den Ein­zel­nen ist nicht gra­tis zu ha­ben. Bei der In­di­vi­dua­li­sie­rung steigt der Be­ra­tungs­auf­wand für die Su­che nach dem ge­eig­nets­ten Vor­sor­ge­trä­ger, die Ver­mö­gens­ver­wal­tungs­kos­ten stei­gen und we­gen der tiefe­ren Ri­si­ko­fä­hig­keit des Ein­zel­nen ver­gli­chen mit ei­nem Kol­lek­tiv dürf­ten die An­la­ge­stra­te­gi­en vor­sich­ti­ger und da­mit aber auch we­ni­ger er­trags­ori­en­tiert wer­den.

Ein in­di­vi­du­el­les Wert­schrif­ten­kon­to, für das der Ver­si­cher­te selbst ver­ant­wort­lich ist, ist kei­ne über­zeu­gen­de, im In­ter­es­se der Ver­si­cher­ten lie­gen­de Lö­sung. Viel­mehr soll­te jetzt die Ener­gie in po­li­tisch mehr­heits­fä­hi­ge Lö­sun­gen für ei­ne BVG-Re­form in­ves­tiert wer­den.

  Kommentar Konrad / Artikel NZZaS