imageValentin Vogt, Präsident des Arbeitgeberverbands, erklärt in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger seine Vorbehalte gegen den in der WAK-S ausgeheckten Deal mit der Verbindung von SV17 und AHV-Finanzierung. Auszüge:

Ständeräte von SP bis SVP wollen die Reformen von Firmensteuern und AHV verknüpfen. Ihr Verband ist der einzige grosse Player, der diesen Kompromiss ablehnt. Sind Sie gern der Spielverderber?
Im Gegenteil, wir finden einen solchen Kuhhandel zwar sachlich falsch, akzeptieren ihn aber unter einer Bedingung: Wenn das Parlament unbedingt eine sachfremde Verknüpfung mit der AHV will, soll es diese weiter fassen. Die Erhöhung des Rentenalters auf 65 Jahre für Frauen und 66 Jahre für Männer gehört auch in das Paket. So hätten wir zum einen eine gute Steuerreform. Zum anderen hätten wir für die Lösung der grundlegenden Probleme der AHV einen ersten Schritt gemacht, mit dem wir etwa zehn Jahre Zeit gewinnen würden.

Aber Sie wissen genau, dass der Deal dann tot ist, weil die SP aussteigt und das Referendum ergreift.
Wir befinden uns am Anfang des parlamentarischen Prozesses. Wir wissen ja auch nicht, ob die Linke den Kuhhandel der Ständeräte am Schluss wirklich unterstützen wird. Es würde mich nicht überraschen, wenn die SP wieder einmal kippt und unter dem Druck von links aussen das Referendum unterstützt. Ein Referendum wird es mit grosser Wahrscheinlichkeit geben, wenn das Parlament zwei sachfremde und brisante Reformen verbindet.

In Ihrer Version müsste das Volk über ein Paket abstimmen, das gleichzeitig ein höheres Rentenalter und eine umstrittene Steuerreform umfasst. Das scheint auf Anhieb nicht sehr aussichtsreich.
Das werden wir sehen. Das Volk ist mündig und hat in der Vergangenheit mit viel Sachverstand abgestimmt. Immer mehr Leute verstehen, dass es gegenüber den Jungen ungerecht ist, die unumgängliche Erhöhung des Rentenalters noch länger zu verzögern. Zudem ist es für die Stimmbürger verlockend, bei zwei so schwierigen Geschäften auf einen Schlag eine längerfristige Lösung zu haben.

Die AHV würde profitieren, sie erhielte 2 Milliarden Franken im Jahr mehr.
Das ist kein Sieg für die AHV, sondern für die Linke, die weiterhin so tut, als könne man die gewaltige Herausforderung der Demografie einfach mit immer noch höheren Einnahmen lösen. Dabei können wir das heutige Rentenniveau nur halten, wenn wir in absehbarer Zukunft das Rentenalter erhöhen. Deshalb ist dieser Kuhhandel so gefährlich. Wenn die AHV jetzt 2 Milliarden zusätzlich erhält, werden auch die bürgerlichen Parteien wenig Antrieb verspüren, im Wahljahr ein höheres Rentenalter zu beschliessen.

Warum wollen Sie auch das Rentenalter der Männer erhöhen und nicht nur das der Frauen?
Damit schlagen wir zwei Fliegen auf einen Streich. Die Einsparungen für die AHV sind doppelt so gross. Und wir können uns die ganze Diskussion darüber sparen, ob es eine sogenannt soziale Kompensation braucht, wenn wir einzig das Rentenalter der Frauen erhöhen. Wenn wir beide Rentenalter parallel erhöhen, braucht es keine Kompensation. Damit entfallen je nach Variante Zusatzausgaben von 400 Millionen bis 1,1 Milliarden Franken im Jahr.

Ist es nicht ungerecht, dass Männer länger arbeiten müssen?
Es ist vor allem ungerecht, dass wir die AHV nicht strukturell sanieren und den Jungen die ganze Last aufbürden. Eine Rentenaltererhöhung für beide Geschlechter schafft keine neuen Ungerechtigkeiten. Mit Rentenalter 65/66 können wir diese fruchtlose Debatte im Moment vermeiden. In einem weiteren Schritt ab 2030 muss die Angleichung des Rentenalters aber wieder auf die politische Agenda kommen.

Die Ständeräte wollen die Lohnbeiträge für die AHV um 0,3 Prozent erhöhen. Ihr Verband lehnt dies vehement ab. Warum?
Erstens ist das ungerecht gegenüber den Erwerbstätigen. Sie sollen einmal mehr die Zeche zahlen, während die Rentner von Mehrkosten verschont werden. Zweitens werden wir die Lohnbeiträge in der 2. Säule erhöhen müssen, um das Rentenniveau der Pensionskassen halten zu können, wenn wir den Mindestumwandlungssatz senken. Das wird noch schwieriger, wenn wir die Lohnprozente jetzt schon für die AHV erhöhen. Auch sonst wird dieser Kuhhandel die Reform der 2. Säule massiv verzögern, wenn nicht verhindern.

Finden Sie, die Linke habe die Bürgerlichen über den Tisch gezogen?
Ich habe einfach zur Kenntnis genommen, was SP-Präsident Christian Levrat in Ihrer Zeitung gesagt hat: Der Vorschlag sei ein Erfolg für die SP. Ein höheres Rentenalter sei vom Tisch. Und die Bürgerlichen hätten einen hohen Preis bezahlt. Herr Levrat scheint sehr zufrieden zu sein. Wir sind es nicht.

  TA / Interview auf der Website der Arbeitgeber / Rentenalter 65/66