Die Sonntagszeitung berichtet über das dahinschwindende Interesse der Versicherer am Kollektivgeschäft mit der Vollversicherung. Im Artikel heisst es:
Nachdem Anbieter wie die Zurich schon vor einigen Jahren aus diesem Bereich ausgestiegen sind, überlegt sich eine weitere Versicherung diesen Schritt. «Helvetia prüft zurzeit verschiedene Szenarien, um ihr Geschäft mit der beruflichen Vorsorge auch in Zukunft rentabel gestalten zu können. Dabei werden alle denkbaren Varianten geprüft», sagt Donald Desax, Leiter Berufliche Vorsorge bei Helvetia. Im Klartext heisst das, dass auch ein Ausstieg ein Szenario ist. Über 10 000 Betriebe sind bei der Vollversicherung der Helvetia angeschlossen.
Das Problem: Der Umwandlungssatz, der bestimmt, wie viel des angesparten Kapitals der zweiten Säule jährlich als Rente ausbezahlt wird, ist im Obligatorium der Berufsvorsorge mit 6,8 Prozent aus Sicht der Versicherer angesichts des Tiefzinsumfelds viel zu hoch. Um das Modell der Vollversicherung zu sichern, sei die Politik gefordert, innert kürzester Zeit eine Rentenreform auf die Beine zu stellen, sagt Desax. «Die Senkung des Umwandlungssatzes ist dringend und zwingend.»
Auch bei anderen Versicherungen rumort es. Monika Behr, Leiterin des Bereichs Leben bei Allianz Suisse, musste jüngst beim Mutterkonzern in München antraben, wie es in der Branche heisst. Thema war das Geschäft mit der Berufsvorsorge. Man stehe in regelmässigem Austausch mit der Allianz-Gruppe, auch zu den Herausforderungen im Lebengeschäft nach dem Nein bei der Abstimmung zur Altersvorsorge 2020, sagt ein Allianz-Sprecher. Ein Ausstieg aus dem Vollversicherungsgeschäft sei derzeit aber kein Thema. Wie ein Broker sagt, halten gewisse Versicherungen nur an dem Geschäft fest, um Unternehmen in einem Paket gleich auch Sach- und Haftpflichtversicherungen verkaufen zu können.
Marktführerin Swiss Life will zwar nichts von einem Ausstieg wissen, doch sie lehnt immer wieder Anfragen von Unternehmen für Vollversicherungen ab. Eine Sprecherin verweist auf überhöhte Kapitalanforderungen der Regulatoren. Man zeige sich deshalb beim Neugeschäft zurückhaltend. Auch Axa ist laut eigenen Angaben selektiver bei der Annahme neuer Versicherter.
Laut Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands, sind teilautonome Versicherungen keine echte Ausweichmöglichkeit. «Viele KMU können oder wollen diese Risiken nicht selbst tragen.» Wenn die Voraussetzungen für einen Vertragsabschluss verschärft werden, habe das zur Folge, dass kleine und mittlere Unternehmen unter Umständen den Versicherer gar nicht mehr wechseln können oder dass sie beim bisherigen oder neuen Versicherer schlechtere Bedingungen hinnehmen müssen.
Falls die Zahl der Versicherungsanbieter sinkt, spitzt sich diese Lage noch zu. Ausserdem seien die Anbieter von teilautonomen Modellen zunehmend wählerisch. «Findet ein Unternehmen gar keinen Versicherer mehr, ist es gezwungen, sich der Auffangeinrichtung anzuschliessen », sagt Bigler. Sie deckt allerdings nur das Obligatorium in der Berufsvorsorge.