CHSS hat ein Interview mit Bundesrat Alain Berset zu allgemeinen Fragen des 3 Säulen-Systems und zur laufenden BVG-Reform geführt. Auszüge.
Ist mit dem Ja zu AHV 21 der Druck gesunken, die berufliche Vorsorge zu reformieren?
Nein – ganz im Gegenteil: Im Abstimmungskampf haben beide Seiten betont, dass die Situation der Frauen in der zweiten Säule dringend verbessert werden muss. Teilzeitarbeit und neue Arbeitsformen sind derzeit in der beruflichen Vorsorge zu wenig berücksichtigt.
Die Frauen haben viel kleinere Pensionskassenrenten. Wie wollen Sie diesen Gender-Pension-Gap schliessen?
Die Reform der beruflichen Vorsorge muss die Eintrittsschwelle und den Koordinationsabzug senken – hier ist das Parlament am Zug. Es steht in der Verantwortung, rasch einen mehrheitsfähigen Kompromiss zu finden. Gleichzeitig müssen wir die Erwerbsquote der Frauen erhöhen. Dazu muss die familienergänzende Kinderbetreuung ausgebaut werden. Auch das wurde im Abstimmungskampf von vielen Seiten betont.
Im Vordergrund der Diskussionen stand in den letzten Jahren die Finanzierung der Altersvorsorge. Inhaltliche Weiterentwicklungen gab es hingegen kaum.
Die AHV-21-Reform hat ebenfalls gewisse inhaltliche Verbesserungen gebracht, das ging im Abstimmungskampf etwas unter. Beispielsweise kann man den Zeitpunkt des Rentenantritts flexibler wählen. Ausserdem erlaubt die Reform, Rentenlücken zu schliessen. In anderen Bereichen der Sozialpolitik läuft allerdings inhaltlich tatsächlich mehr. In der IV ist Bundesrat und Parlament eine echte Weiterentwicklung für Kinder und Jugendliche sowie Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen gelungen, etwa mit der intensiveren Begleitung der Betroffenen. Auch die Erwerbsersatzordnung haben wir mit dem Vaterschafts-, Adoptions- und Betreuungsurlaub weiterentwickelt.