imageBeim UBS-Roundtable diskutieren Veronika Weisser, Head Retirement & Pension Solutions, bei der UBS, und Jérôme Consadey, Directeur romand von Avenir Suisse, das Thema BVG-Reform. Auszüge:

Soll sich die berufliche Vorsorge an der Demografie orientieren oder am Arbeitsmarkt?
Weisser: Keine Frage – die berufliche Vorsorge muss sich am Arbeitsmarkt orientieren; sie darf nicht nur auf die Demografie ausgerichtet sein. Die Demografie ist die Herausforderung und der Arbeitsmarkt ist die Lösung für das BVG.

Warum fokussiert sich die Reformdiskussion so stark auf die demografische Entwicklung?
Cosandey: Weil sich die Demografie berechnen lässt – sie verändert sich gleichmässig und mit dem Tempo eines Gletschers. Bei der Technologie wissen wir mit Sicherheit nur, dass der nächste Umbruch kommen wird, aber wir kennen weder den Zeitpunkt, den Verlauf noch die damit einhergehenden Folgen. Verständlich, dass sich die Gesetzgeber auf das fokussieren, was eher vorauszusehen ist.

Ist es gut, dass sich eine Reform primär auf das Berechenbare abstützt?
Weisser: Den Anlass zur BVG-Reform bildet tatsächlich die Demografie. Wir erwarten, dass 2050 nur noch etwa 50 Prozent der Bevölkerung erwerbstätig sein werden. Eine Hälfte der Bevölkerung muss also mit ihrer Arbeit die andere finanzieren. Also muss das System leistungsfähiger werden, um viel mehr Leute damit finanzieren zu können. Die Frage lautet deshalb, wie diese Finanzierung erfolgen soll – die Antwort hängt ab von der Entwicklung des Arbeitsmarkts.

Cosandey: Das neue BVG darf nicht nur die heutigen Probleme lösen – es muss zwingend auf die künftigen Entwicklungen des Arbeitsmarkts ausgerichtet sein. Und da wir diese nicht im Detail kennen – nicht kennen können –, erfordert es vor allem eins: Flexibilität. Es gilt, die berufliche Vorsorge so flexibel zu konzipieren, dass sie sich auch in 20 Jahren ohne Totalrevision den geänderten Umständen anpassen lässt. Doch das Wichtigste ist Wachstum: Wir müssen wachsen und pro Kopf mehr Franken verdienen, um unsere Sozialwerke auch in Zukunft zu finanzieren.

Braucht es eine komplette Kehrtwende in der Reformdebatte: weg von der Demografie, hin zur Arbeitswelt?
Weisser: Keinesfalls, die Demografie gehört zwingend dazu; schliesslich verursacht sie die Kosten, die das BVG finanzieren muss. Wenn nur noch die Hälfte der Bevölkerung arbeitet und wir immer länger leben, dann bestimmt die Demografie den Finanzierungsbedarf. Es liegt also an der Demografie, wie viele Milliarden uns fehlen. Sie bestimmt aber nicht, wie wir die Lücken füllen – ob zum Beispiel die Kosten zu 10, 30 oder 50 Prozent mit der Mehrwertsteuer finanziert werden sollen …

Cosandey: … diese Frage ist absolut zentral für den Arbeitsmarkt. Eine zu hohe Mehrwertsteuer würgt das Wachstum ab und führt in einen Teufelskreis, der die Sozialwerke unbezahlbar macht.

Wo sehen Sie die Eckpfeiler eines flexiblen BVG?
Cosandey: Die wichtigsten für mich wären 1. kein Koordinationsabzug; 2. kein fixes Rentenalter; 3. Umwandlungssatz im Ermessen der Pensionskassen, nicht des Gesetzgebers; 4. die Möglichkeit, das eigene Guthaben im Fall eines Stellenwechsels bei der letzten Pensionskasse zu lassen – zum Beispiel bei 1e-Plänen –; und schliesslich 5. die freie Pensionskassenwahl.

Weisser: Ich möchte noch ergänzen: 6. Nachkaufmöglichkeiten auch bei der 3. Säule; 7. eine 4. Säule für die Finanzierung der eigenen Pflege im Alter (ich stelle mir ein obligatorisches Konto vor, in das alle über 50 einzahlen); 8. Trennung von Anspar- und Auszahlungsphase, um in der 2. Säule Transparenz zu schaffen; sowie 9. in der 2. Säule versichert bleiben und freiwillige Beiträge leisten können bei Erwerbsunterbrüchen wie Elternschaft, Pflege oder Ausbildung.

Cosandey: Ich kann mir auch vorstellen, während einer Übergangsperiode zweigleisig zu fahren. Die Grenze wäre zum Beispiel das Geburtsjahr 2005. Für alle früher Geborenen würde sich nichts ändern; sie unterstehen dem bisherigen BVG, das als Auslaufmodell weitergeführt wird. Für alle später Geborenen gälte das neue BVG.

  UBS Roundtable