In der Schweizer Personalvorsorge 5/19 streiten sich Hanspeter Konrad (Direktor ASIP) und Christian Dreyer (Geschäftsführer CFA Switzerland) über Sinn und Zweckmässigkeit der Anlagerichtlinien gemäss BVV2 mit Kategorienbegrenzungen. Dreyer will sie durch eine generelle Prudent Investor-Regelung ersetzen, Konrad hält dagegen. Auszüge:

Können Sie skizzieren, was den Kern einer unverwässerten Prudent Investor Rule aus macht?
Dreyer: Man hat keinerlei Beschränkung der Anlagetätigkeit in Bezug auf irgendwelche Anlagevehikel. Selbstverständlich heisst dies in der Logik auch, dass irgendwelche Prozentquoten sowieso von Übel sind. Die Prudent Investor Rule beinhaltet ein starkes Prozessdenken. Angesichts der fundamentalen Unsicherheit der Kapitalmärkte kann niemand im Voraus wissen, was die richtigen Anlagevehikel sind. Aber man kann wissen, wie man sich am besten auf stellen sollte, um die Anlageziele erreichen zu können – dies mittels unternehmerischer Risikonahme und im Verständnis der Charakteristika der verschiedenen Assetklassen, also der Risiken und Renditen. Dazu gibt es akzeptierte Best Practices.

Eine absolute Offenheit des Anlageuniversums mit Fokus auf das Prozessdenken. Das klingt sehr anders, als das, was in der Schweiz verwurzelt ist.
Konrad: Wirklich? Ich glaube, bei genauer Betrachtung nicht. Unser Konzept mit BVG Art. 71 und den entsprechenden Verordnungsbestimmungen kommt dem Grundgedanken der Prudent Investor Rule doch relativ nahe. So ist darin beispielsweise die notwendige Abwägung bezüglich des Zielkonflikts zwischen Risiko und Rendite klar umrissen. Das traditionelle Diversifikationsgebot ist im Kern ebenfalls enthalten.

Und die Anlagelimiten?
Konrad: Natürlich, es gibt den Anlagekatalog mit den Prozentzahlen. Aber dank des Erweiterungsartikels besteht die Freiheit, die vorhandenen Anlageformen zu nutzen und die Limiten zu über schreiten, wenn man dies fachmännisch begründet. Vor diesem Hintergrund bin ich mir nicht sicher, ob die Diskussion um die Abschaffung der Quoten nicht ein Streit um des Kaisers Bart ist.

Sie hören es, Herr Dreyer. Die Schweiz ist gar nicht so weit weg von der Prudent Investor Rule.
Dreyer: Das ist immer die Reaktion aus der Schweizer Perspektive. Der Punkt ist grundlegend: Die Schweizer Regulierung ist hinreichend kompliziert, dass man immer wieder Möglichkeiten findet, um Teile der Prudent Investor Rule darin abzubilden. Aber dem Sinn und Geist der Prudent Investor Norm wider sprechen die BW2, solange ein Erweiterungsartikel bemüht werden muss.

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