Der Tages-Anzeiger berichtet über eine von Bundesrat Berset eingeleitete Untersuchung zu den Sparvorgaben des BSV.

Die restriktive Rentenpraxis der Invalidenversicherung rückt in den Fokus. Bisher legte der für die IV zuständige Vizedirektor des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) zusammen mit den kantonalen IV-Stellen jeweils jährliche Sparziele fest. Die «Leistungsziele» sollen gewährleisten, dass die Zahl der neuen Renten und die Kosten pro Versicherten weiter sinken oder zumindest nicht wieder ansteigen.

Doch nun stellt Sozialminister Alain Berset diese von den Behindertenverbänden kritisierte Praxis seines Bundesamtes infrage. «Bundesrat Berset hat eine interne Untersuchung gegen die Aufsichtstätigkeit der IV angeordnet», sagte sein Sprecher Peter Lauener. Hauptpunkt der Untersuchung seien die Zielvorgaben für die IV.

Wie diese Zielvorgaben aussehen, zeigt ein Dokument des Bundesamtes, das der TA-Redaktion vorliegt. Auf einer Tabelle ist für jeden der 26 Kantone ein Ziel vorgegeben. Dieses lautet für die meisten IV-Stellen: «halten oder senken» der Rentenquote sowie «halten oder senken» der Kosten pro Versicherten.

Wegen dieser Sparvorgaben habe sich bei der IV eine problematische Kultur breitgemacht, kritisiert Alex Fischer vom Behindertenverband Procap. «Die IV prüft nicht mehr überall offen, auf welche Leistungen ein Versicherter Anspruch hat, sondern wie das Quotenziel erreicht wird.» Fischer sieht die Gleichbehandlung der Versicherten gefährdet. Je nachdem, was der Direktoreiner kantonalen IV-Stelle mit dem BSV aushandle, habe ein Versicherter bessere oder schlechtere Chancen auf eine Rente. Das BSV bestritt bisher einen solchen Zusammenhang. Bei den Leistungszielen für die kantonalen IV-Stellen handle es sich nicht um Sparvorgaben. «Die Ziele sind Teil des Aufsichts- und Steuerungsprozesses in der IV.»

Das BSV hält hingegen in einer schriftlichen Stellungnahme fest, dass die Leistungsziele keine Sparvorgaben seien. «Ziele sind Teil des Aufsichts- und Steuerungsprozesses in der IV. Dieser dient dazu, dass einerseits alle Versicherten die ihnen gesetzlich zustehenden Leistungen erhalten und dass andererseits die IV-Stellen keine Leistungen gewähren, auf die kein Anspruch besteht.» Der gesetzliche Leistungsanspruch sei selbstverständlich einzuhalten, so das BSV, und jeder Fall werde «ergebnisoffen» geprüft.

Doch nicht nur Berset sieht das anders, auch im Parlament regt sich Widerstand gegen die Praxis der IV. Die grüne Ständerätin Maya Graf hat einen Vorstoss eingereicht, in dem sie vom Bundesrat Antworten zu den Vorgaben für die IV-Stellen verlangt. Beim beschriebenen Quotensystem bestehe die Gefahr, dass IV-Mitarbeitende negativ beurteilt würden, wenn sie mit Rentenentscheiden bewirkten, dass die Quoten nicht eingehalten würden. «Ein solches System wäre eines Rechts- und Wohlfahrtsstaates unwürdig», sagt Maya Graf.

Laut CVP-Nationalrätin Ruth Humbel müsste sich die IV vor allem Ziele zur Integration der Versicherten in den Arbeitsmarkt geben. «Es sollte unter den IV-Stellen einen Wettbewerb geben, welche IV-Stelle die Versicherten am besten in den Arbeitsmarkt integriert. Quoten zur Zahl der neuen Renten sind ein zu wenig differenziertes Ziel.»

  Interpellation Graf