Praktisch alle Industrienationen sehen sich mit den Herausforderungen der demografischen Alterung und einem anhaltenden Niedrigzinsumfeld konfrontiert. Beide Faktoren erschweren massiv die Finanzierbarkeit der Altersvorsorge. Wo steht die Schweiz im internationalen Vergleich? Was können wir aus den Erfahrungen anderer Länder lernen?

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Diesen Fragen widmete sich eine Tagung des I.VW-HSG gemeinsam mit dem St. Galler WDA Forum am 27. August in Bern. Im Rahmen von sechs Referaten und einem Expertenpanel wurden folgende Kernresultate herausgearbeitet. Monika Queisser (Head of Social Policy Division, OECD Paris) stellte die jüngste Ausgabe der OECD-Serie «Renten auf einen Blick» vor. Schweizer Arbeitnehmer arbeiten demnach sehr oft bis zum gesetzlichen Rentenalter, wobei die Arbeitsmarktbeteiligung älterer Arbeitnehmer seit 1991 gestiegen ist. Dr. Renate Finke (Senior Pension Analyst, Allianz SE) ging auf die Resultate des «2014 Pension Sustainability Index» der Allianz ein. Im Länderranking steht die Schweiz mit Platz 7 gut dar. Ein besonderer Vorteil der Schweiz besteht dabei in der ausgewogenen Balance zwischen umlagefinanzierter staatlicher Rente und kapitalgedeckten, privaten Renten.

Stefan Loacker (CEO, Helvetia Gruppe) zeigte auf, von welchen Reformerfolgen im Ausland die Schweiz lernen sollte. Ein Vorschlag ist die Einführung automatischer Stabilisatoren, etwa eine schrittweise Anpassung des Regelrentenalters an die Entwicklung der Lebenserwartung. Auch empfiehlt er die sachliche Festlegung der technischen Parameter durch eine Expertengruppe. Ivo Furrer (CEO Schweiz, Swiss Life) besprach die Rolle und Bedeutung der Lebensversicherer im Schweizer Vorsorgesystem. Ein besonderes Augenmerk legt er auf die politisch-regulatorischer Herausforderungen sowie auf Veränderungen im Kundenverhalten.

Markus Hübscher (CEO, Pensionskasse SBB) erläutert am Beispiel der Pensionskasse der SBB die aktuellen Probleme der beruflichen Vorsorge. Den geringen Anlagerenditen stehen hohe Garantien gegenüber, welche substanzielle Umverteilungsprozesse von Jungen zu Älteren auslösen. Die PK SBB schätzt, dass seit 2007 pro Jahr rund 300 Mio. Franken von den aktiven Versicherten an die Rentner umverteilt wurden. Für Heinz Zimmermann (Professor für Finanzmarkttheorie, Universität Basel) ist gerade wegen der starken kapitalgedeckten Komponente die Schweiz reformbedürftig: Denn Kapitalmärkte sind höchst ungeeignet, sozialpolitische Anliegen umzusetzen. Sozialpolitische Anliegen sind auf Sicherheit angewiesen, während der Kapitalmarkt das Eingehen von Risiken mit sich bringt. Laut Zimmermann sollte die Existenzsicherung vollständig umlagefinanziert oder durch öffentliche Verschuldung finanziert werden. Das darüber hinausgehende Vorsorgemotiv (Lebensstandardsicherung) ist vollständig zu liberalisieren. Damit würde das komplizierte BVG-System vereinfacht und die persönliche Verantwortung gestärkt.

Zusammenfassend herrschte Einigkeit unter den Experten, dass die Schweiz ein leistungsfähiges Altersvorsorgesystem hat. Trotz der guten Ausgangslage herrscht auch weitgehend Einigkeit, dass Reformbedarf besteht. Es gibt viele gute Reformvorschläge, aber deren Umsetzung wird als sehr schwierig erachtet. Alle Reformen der Altersvorsorge in den letzten 10 Jahren sind gescheitert. Vor dem Hintergrund der demografischen Alterung und dem Niedrigzinsumfeld kann die Schweiz sich aber nicht weitere 10 Jahre ohne Reformen leisten. Insofern bleibt zu hoffen, dass der Weg hin zu einer Altersvorsorgereform 2020 gefunden wird.

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