imageDer Direktor des Pensionskassenverbands kritisiert die Linke: Mit Irreführung und Aussagen wider besseren Wissens gefährdet sie das Fundament der Altersvorsorge, sagt Lukas Müller-Brunner in einem Interview mit der NZZ. Auszüge:

Bestreiten Sie, dass die berufliche Vorsorge ein Imageproblem hat? Die Befürworter der 13. Rente haben stark mit den sinkenden Pensionskassenrenten argumentiert.
Beim ersten Punkt haben Sie vermutlich recht. Die Pensionskassen leisten hervorragende Arbeit, sorgen aber nicht dafür, dass die Leute das zur Kenntnis nehmen.

Dass die Altersarmut so stark abgenommen hat, ist massgeblich der beruflichen Vorsorge zu verdanken. Das müssen wir besser erklären. Aber das hat nichts mit den Behauptungen und Nebelpetarden im Abstimmungskampf zur 13. AHV-Rente zu tun.

Wie meinen Sie das?
Die Kreise, die den Ausbau der AHV wollen, haben bewusst Misstrauen gegen die Pensionskassen geschürt. Sie haben die berufliche Vorsorge schlechtgeredet, um die AHV besser aussehen zu lassen. Berechtigte Kritik ist wichtig, hier aber wurde mit pauschalen Vorwürfen Stimmung gemacht. Damit habe ich Mühe.

Alle drei Säulen unserer Vorsorge – AHV, Pensionskassen und private Vorsorge – basieren letztlich auf Vertrauen: Man zahlt heute Geld ein, in der Erwartung, morgen etwas zurückzuerhalten. Wer dieses Vertrauen beschädigt, gefährdet das Fundament der Altersvorsorge. Das ist fahrlässig.


Das sind gravierende Vorwürfe: Sie sagen, Gewerkschaften, SP und Grüne würden der Altersvorsorge schaden.

Mich irritiert vor allem das Doppelspiel der Gewerkschaften. Ihre Vertreter sitzen in den paritätisch zusammengesetzten Stiftungsräten zahlreicher Pensionskassen. Dort leisten sie grossartige Arbeit, sie tragen damit nicht nur die einzelnen Vorsorgeeinrichtungen mit, sondern das ganze System. Sobald es aber politisch wird, reden ihre Exponenten plötzlich ganz anders. Dann machen sie die berufliche Vorsorge schlecht. Das stört mich sehr.


Das ist doch normale Politik . . .

. . . das sehe ich anders: Es ist nicht normal und auch nicht legitim, Aussagen wider besseren Wissens zu machen und die Leute in die Irre zu führen. Das ist Gift für das System. Und leistet auch der Polarisierung in Politik und Gesellschaft Vorschub. Ich würde niemals die AHV schlechtreden, um etwas für die Pensionskassen herauszuholen.


Im Herbst stimmen wir über die Reform des Gesetzes über die berufliche Vorsorge (BVG) ab. Der Widerstand ist gross, die Linke ist geschlossen dagegen, Teile des Gewerbes ebenfalls. Gehen Sie davon aus, dass die Reform nach dem Ja zum Ausbau der AHV noch eine Chance hat?

Natürlich, wenn die Abstimmung über die AHV bedeutet, dass das Volk eine gute Vorsorge für alle will, wird die BVG-Reform gute Chancen haben. Sie regelt die Finanzierung des gesetzlichen Minimums, und sie bringt einen gezielten Ausbau für Personen, die Teilzeit arbeiten oder mehrere kleine Pensen haben – also vor allem für Frauen. Sie fallen im in die Jahre gekommenen BVG-Minimum, das die moderne Arbeitswelt nur noch ungenügend abbildet, oft zwischen Stuhl und Bank und erhalten deshalb im Alter keine angemessene Rente.


Ihr Verband hat die BVG-Reform lange kritisiert, unterstützt sie nun aber. Wieso?

Unsere Mitglieder haben in einer Umfrage beschlossen, die Vorlage des Parlaments mitzutragen, auch wenn einzelne Teile technisch nicht vollends überzeugen. Es ist wichtig, dass diese Reform gelingt. Es ist das dritte Mal, dass das Volk über die Reduktion des Umwandlungssatzes für das gesetzliche Minimum abstimmt.

Wir dürfen uns nichts vormachen: Dieser Schritt ist mathematisch unausweichlich. Die Zinsen sind zwar wieder besser, aber die Lebenserwartung nimmt zu. Wenn das Volk nun aber zum dritten Mal Nein sagt, sehe ich nicht, wie es weitergehen soll. Dann stellt sich die Grundsatzfrage, ob das gesetzliche Minimum im BVG überhaupt reformierbar ist.


Wäre das in der Praxis denn so schlimm? Praktisch alle Pensionskassen gehen schon heute über das gesetzliche Minimum hinaus. Sie werden weiterhin funktionieren, auch wenn die Reform scheitert.

Das stimmt, für die einzelnen Pensionskassen gäbe es keine Probleme. Aber unser Drei-Säulen-System als Ganzes würde leiden. Wenn das Gesetz für die berufliche Vorsorge ein Minimum definiert, dessen Leistungen sich mit den vorgesehenen Beiträgen niemals finanzieren lassen, ist das Traumtänzerei. Früher oder später wird uns die Realität einholen.

  NZZ