Die US-Ratingagenturen Morningstar und MSCI bestimmen weltweit, welche Unternehmen als «nachhaltig» gelten – und welche nicht. Ihre Bewertungen tragen das Kürzel ESG. Es steht für Environmental, Social, Governance. Für viele Anlegerinnen und Investoren sind sie das moralische Navi im Finanzdschungel.
Eine internationale Recherche wirft nun Fragen auf, ob man sich auf diese Bewertungen noch verlassen kann: Die beiden Marktgiganten, die gemeinsam laut Schätzungen über 80 Prozent des globalen ESG-Ratingmarkts kontrollieren, blenden künftig nämlich gewisse Menschenrechtsverletzungen im Nahostkonflikt aus ihren Berichten aus.
Unternehmen, die beispielsweise an der Zerstörung palästinensischer Häuser beteiligt sind oder am Bau von illegalen israelischen Siedlungen, erhalten so keine negativen ESG-Bewertungen mehr. Auch mögliche Verbindungen von Unternehmen zur Hamas fallen damit weg.
Das stellt Banken, Vermögensverwalter und Pensionsfonds, die sozial bewusste Investitionen treffen wollen, vor Herausforderungen – auch in der Schweiz. Denn sie stützen ihre Nachhaltigkeitsstrategien bei Investitionen unter anderem auf diese Bewertungen ab. Betroffen sind beispielsweise die Migros-Pensionskasse oder die Grossbank UBS. Und damit auch die Menschen, die dort ihre Pensionskassen-Gelder haben. (…)
Schweizer Unternehmen schweigen sich hingegen zum Rückzug der Ratingagenturen aus. Dazu gehört auch die mit Abstand grösste Vermögensverwalterin UBS. Dies, obwohl sie ESG-Daten von Sustainalytics und MSCI in ihre Anlageentscheidungen einbezieht und rund 5,4 Billionen Franken verwaltet.
Die Migros-Pensionskasse (MPK) schreibt, dass sie weiterhin auf ESG-Ratings von MSCI setze, die systematisch in die Gewichtung ihrer Anlagen einflössen. Zwar seien die ESG-Ratings nicht unkritisch zu sehen, doch «mit rund 7000 Investments haben wir nicht die Kapazität, jedes Rating im Einzelfall zu überprüfen», so Geschäftsleiter Christoph Ryter.
Die Migros-Pensionskasse sei zudem Mitglied des Schweizer Vereins für verantwortungsbewusste Kapitalanlagen (SVVK-ASIR). Dieser überprüft als Dienstleistung die Investitionen seiner Mitglieder auf mögliche Verstösse gegen internationale Normen, führt im Auftrag der Mitglieder Dialoge mit betroffenen Unternehmen und spricht bei Bedarf Ausschlussempfehlungen aus.
Die Pensionskasse des Bundes Publica teilt mit, dass eine Anfrage an Morningstar zu deren Bewertungskriterien derzeit noch ausstehend sei.
TA