Die NZZ geht der Befindlichkeit der Wirtschaft bezüglich der BVG-Reform nach. Gemäss Einschätzung von Hansueli Schöchli scheint sie bereit, die hohen Mehrkosten zu akzeptieren. Der Arbeitgeberverband hüllt sich in Schweigen.

Gemäss den jüngsten Rauchzeichen dürften die bürgerlichen Parteien eine solche Reform trotz erheblichen Mehrkosten am Ende schlucken. Ein grosses Fragezeichen war aber lange Zeit das Gewerbe. Der Gewerbeverband hatte sich wiederholt kritisch geäussert. In einer Referendumsabstimmung hätte eine Vorlage gegen den Widerstand der Linken und des Gewerbes wenig Chancen. Doch plötzlich sind aus dem Gewerbeverband neue Töne zu vernehmen.

Die Vorlage der Sozialkommission des Nationalrats wäre «verkraftbar», sagt Kurt Gfeller. Er ist Vizedirektor des Gewerbeverbands und zuständig für die Sozialpolitik. Die Nationalratskommission sei den Gewerbeanliegen entgegengekommen. Grund für diese Einschätzung: Die vorgesehene Halbierung des nichtversicherten Lohnteils führt bei den tieferen Einkommen zu einer kleineren Kostenerhöhung als das Modell des Ständerats, der den nichtversicherten Teil auf 15 Prozent des Lohns beschränken wollte. (…)

Die Wirtschaftsverbände wollen allem Anschein nach nicht als Totengräber der Reform dastehen. Während der Gewerbeverband nun Kompromissbereitschaft signalisiert, sagt der Dachverband der Arbeitgeber aufgrund interner Spaltungen gar nichts zu den Inhalten. Jene Branchenverbände, die sich jüngst im Arbeitgeberverband äusserten, kritisierten mehrheitlich die «zu breiten» Rentenzuschläge zulasten der Jüngeren in dem Modell, das dann die Nationalratskommission übernahm.

Doch wo innerhalb des Dachverbands die Mehrheiten liegen, ist nicht ganz klar. Dieser nahm denn auch auf Anfrage keine Stellung zu den diskutierten Varianten: «Der Arbeitgeberverband ist nach wie vor der Meinung, dass eine Reform nötig und dringlich ist. Es liegt an der Politik, eine Lösung zu finden.» (…)

Das Problem Berset
Auch mit einem bürgerlichen Schulterschluss im Parlament hätte es die Reform an der Urne nicht einfach. Die meisten Befürworter sind bestenfalls lauwarm dafür. Die bewährte linke Rhetorik «gegen Rentenabbau» ist derweil für die Älteren verfänglich und für die Jüngeren nur schwer durchschaubar.

Der Urnengang fände voraussichtlich 2024 statt. Sollte der linke Sozialminister Alain Berset dann noch im Amt sein, müsste er die Vorlage während des Abstimmungskampfs vertreten. Das wäre eine denkbar schlechte Ausgangslage für die Befürworter, gemessen an Bersets kritischen Äusserungen im Ständerat im vergangenen Dezember. Er machte damals nicht den Eindruck, als wolle er eine Reformvorlage des Parlaments im Abstimmungskampf als Sozialminister vertreten.

  NZZ