Vier Verbände haben in kurzen Abständen ihre Kritik an der Mitteilung 02/23 der OAK publik gemacht. Nun haben sie in einem zweiten Schritt ein gemeinsames Schreiben an die Kommission verfasst. Es wurde nicht veröffentlicht. Besonders auffallend an dem einseitigen Schreiben sind die vier Signete, welche den Briefkopf zieren. Nebeneinander aufgeführt sind jene von ASIP, inter-pension, Kammer der PK-Experten und PK-Netz. Ein geradezu historisches Schriftstück (s. Anhang).

Einen ersten Erfolg durften die vier Verbände verzeichnen: Die OAK hat darauf reagiert und ihre Antwort in einem Newsletter veröffentlicht. Der geforderte Rückzug der Mitteilung wird abgelehnt. Aber man zeigt sich gesprächsbereit und bietet einen «Austausch» an.

Die heftige Kritik an der OAK ist im grösseren Zusammenhang zu sehen. Die Reputation der Kommission bei den Adressaten ihrer Aktivitäten ist, sagen wir, «durchzogen». Und das von Anfang an, seit sie 2012 ihre Tätigkeit im Rahmen der «Strukturreform» aufgenommen hat. Das primäre Ziel «für eine einheitliche Aufsichtspraxis im System der beruflichen Vorsorge» zu sorgen, wurde zum sekundären.

Zumindest hatte die hierarchisch ins zweite Glied versetzte Direktaufsicht an dem zentralen Kontrollorgan wenig Freude und beklagte, dass heikle Fragen der Aufsichtspraxis unbeantwortet bleiben, sie aber mit endlosen administrativen Auflagen belastet würde. Vor allem die Regionalaufsichten in Basel, Luzern und St. Gallen muckten gelegentlich hörbar auf. Auch die betroffenen Branchenverbände tendierten dazu, beim Stichwort «OAK» die Augen vielsagend nach oben zu drehen.

Festzustellen ist: Ihre Weisungsbefugnis hat die Kommission eifrig ausgenützt und – folgt man den Diskussionen – nicht immer mit dem versprochenen «Augenmass». Die angestrebte Perfektionierung der beruflichen Vorsorge durch diverse Governance-Vorschriften mit Regelungen bis hin zu Vettern zweiten Grades dürften dazu nur mässig beigetragen haben.

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Besonders ins Visier der Oberaufsicht sind in den letzten Jahren die im Konkurrenzkampf stehenden Sammelstiftungen geraten, denen man offenkundig nicht so recht über den Weg traut und zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen gerne ein allzu riskantes Geschäftsgebaren unterstellt.

Dabei steht Art. 46 BVV2 im Zentrum, mit welchem sog. Leistungsverbesserungen bei nicht vollständig geäufneten Wertschwankungsreserven (Zielwert unter 75 Prozent) untersagt werden. Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass es Sache des Experten ist, in einer solchen Situation die Sammelstiftung von «Leistungsverbesserungen» abzuhalten. Aber der Bundesrat, der auch gerne ausufernde Verordnungen erlässt, erachtete es offenbar als notwendig, hier eine zusätzliche Schranke einzubauen.

Allerdings hatte er (resp. das ausführende BSV) offenbar wenig oder gar keine Ahnung, was denn nun eine «Leistungsverbesserung» genau sein soll und hat in der Verordnung nur ausgeführt, was keine Leistungsverbesserung ist. Ein Prachtexemplar schludriger Legiferierung. Dies gab wiederum der OAK willkommene Gelegenheit, auf der nächsten Stufe der Gesetzeskaskade kreativ zu werden und die fehlenden Details einzufügen. Der gewählte Weg über Anpassungen des technischen Zinses überzeugt oder auch nicht, wahrscheinlich eher nicht. Aber was soll man tun, wenn schon die Grundlagen wenig Sinn machen? (So viel Verständnis hat die OAK hier verdient.)

Aber vielleicht könnte man zumindest mit den Betroffenen reden, bevor man Vorschriften erlässt. Aber solches Verhalten ist optional und vielleicht umständlich. Also lässt man es. Dass es unter solchen atmosphärischen Bedingungen zu heftigen Reaktionen bis hin zum Aufruf zur Missachtung von Vorschriften kommt, ist hierzulande zwar selten, aber nicht unverständlich. Man hat den Eindruck, dass an der neusten Mitteilung (faktisch eine Weisung) sich viel in den letzten Jahren aufgestauter Ärger Luft gemacht hat.

Ein Blick auf die Zahlen per Ende 2022 lassen übrigens erkennen, dass die Sammelstiftungen bezüglich Deckungsgrad resp. Wertschwankungsreserven relativ gut abschneiden. Die privatrechtlichen lagen gemäss Swisscanto-Studie vermögensgewichtet bei durchschnittlich 106 Prozent, verglichen mit 108 Prozent aller vollkapitalisieren Kassen. Ob sich von daher eine Sonderbehandlung rechtfertigen lässt, wäre allenfalls zu diskutieren; offensichtlich ist es jedenfalls nicht.

Man erwartet nun mit einiger Spannung auf den angekündigten «Austausch». Ob die OAK in der jetzigen Besetzung des Sekretariats doch noch einen Rückzieher macht, scheint eher unwahrscheinlich. Aber schlicht auf «stur schalten» ist auch schwer möglich. Aber lassen wir uns überraschen.

Peter Wirth, E-Mail

Zusammenfassung der Argumentation der vier Verbände in ihrem Schreiben an die OAK:

  1. Mit der Mitteilung werden falsche Anreize bezüglich Festlegung der technischen Zinssätze und der Sollgrössen der Wertschwankungsreserven gesetzt.
  2. Die kasseninterne Festlegung der Verzinsung auf der Basis eines gewichteten Mittels der verwendeten technischen Zinssätze ist nicht sinnvoll. Gerade im aktuellen Teuerungsumfeld kann die Zeitverzögerung (Datengrundlage 2022 für Verzinsung 2024) unbeabsichtigte Effekte haben. So insbesondere:
    – Schlechterstellung von aktiven Versicherten gegenüber Rentnerinnen und Rentnern
    – Inflationsausgleich gar nicht oder nur knapp möglich
  3. Der vorgenommene Eingriff in die paritätische Führung der Vorsorgeeinrichtungen geht zu weit und ist mit Blick auf die zur Verfügung stehenden Alternativen nicht verhältnismässig.

Unterzeichnet wurde das Schreiben von Martin Roth, Laurent Schläfli, Jorge Serra, Emmanuel Vauclair, Lukas Müller-Brunner, Nico Fiore, Eliane Albisser und André Tapernoux