Es ist schon länger her, dass die berufliche Vorsorge gesetzlich verankert und das BVG für obligatorisch erklärt wurde. Genau sind es 37 Jahre und 121 Tage. Mag sein, dass ihre Grundgedanken deshalb etwas in Vergessenheit geraten sind. Weshalb wir sie pro memoria hier kurz zusammenfassen – natürlich ganz überflüssigerweise. Zu erwähnen ist, dass es sich um einen individuellen Sparprozess im Rahmen einer Pensionskasse handelt, gespiesen aus Beiträgen von Arbeitnehmer und -geber und den Erträgen aus der Anlage der Gelder.Gemeinsam und in eigener Verantwortung durch die Sozialpartner verwaltet; ergänzt mit einigen dosierten Elementen von Solidarität innerhalb des Kollektivs. Ohne staatliche Subventionen und Raubzüge auf externe Quellen.

Dazu das Kontrastprogramm der AHV, wo alles kollektiv ist, die Solidarität querbeet alles dominiert und der Einzelne so gut wie keine Freiheiten geniesst.

Es mag Geschmackssache sein, vielleicht beeinflusst durch soziale Herkunft und genetische Disposition, was man eher mag. Aber als Kombination und ergänzt mit dem individuellen Sparen haben sich diese drei Säulen als helvetisches Modell der Altersvorsorge nicht schlecht bewährt. Kein Grund, davon abzuweichen.

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Politiker haben allerdings generell eine Vorliebe für die 1. Säule, die AHV. Hier kann man heute etwas beschliessen, und schon morgen fliessen höhere Leistungen. Man vergleiche das mit der 2. Säule. Man beschliesst heute höhere Beiträge, und 40 Jahre später hat man den vollen Effekt auf die Leistungen. Das macht keine Freude.

Nun haben die Sozialpartner mit ihrem historischen «Kompromiss» etwas erfunden, was dem Subitoeffekt der AHV schon sehr nahekommt. Es kursiert unter dem Begriff «Rentenzuschlag» und kann ebenfalls über Nacht und ohne den langen Sparprozess seine volle Wirkung entfalten. Das Zauberwort lautet Umverteilung durch systemfremdes Einspeisen der Gelder aus Lohnprozenten in die 2. Säule. Von Erwerbstätigen zu Rentnern, von Jung zu alt. Et voilà, schon rauschen die Milliarden. Statt in 40 Jahren, schon morgen.

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Vielleicht haben die Erfinder mit ihrem generellen 200 Franken-Zuschlag etwas übertrieben, der Nationalrat hat das System deshalb stark redimensioniert. Und zwar so, dass selbst der ASIP es akzeptierte, dessen Mittelweg-Modell ohne kassenfremde Gelder auskommt und deshalb viel billiger und effizienter ist.

Unsere eher nach links tendierenden Medien haben allerdings gefunden, zu stark, da müsse noch «nachgebessert» werden. Und siehe da, der Ständerat hat verstanden und nachgebessert. Jetzt soll wieder mit der grossen Kelle umverteilt werden, vor allem von Jung zu Alt, nach Vorbild Sozialpartnerkompromiss. 20 Milliarden könnten es schon sein.

An die 90 Prozent der Neupensionierten sollen etwas erhalten, das weder aus Beiträgen noch aus Kapitalerträgen stammt, sondern vom Lohn der Aktiven abgezwackt wird. Und sie bekommen es ab Tag 1 der Pensionierung. Und auch dann, wenn sie von der Senkung des Umwandlungssatzes gar nicht betroffen sind, also in den Genuss einer fremdfinanzierten Zusatzleistung kommen. Das soll helfen, die Reform durch die Volksabstimmung zu schleusen. Es ist ein Verkaufsargument mit massivem Preisschild. Unehrlich und auf Kosten der Jungen. Mit dem Grundgedanken der beruflichen Vorsorge hat es nicht zu tun.

Gewerkschafter meinen, das sei den Versicherten egal. Für sie zähle allein die Höhe der Renten. Mag sein, hoffentlich stimmt es nicht. Und erst recht darf es nicht stimmen für jene, welche Verantwortung für die Altersvorsorge tragen.

Die meisten Medien – Ausnahmen NZZ und FuW – haben wohlwollend reagiert. Die Lösung soll den Frauen helfen, da verbietet sich jede Kritik. Keinerlei Wohlwollen hingegen ausgerechnet bei den Gewerkschaften mit ihrem Alleinvertretungsanspruch für Fraueninteressen. Sie bleiben stur beim Kompromiss und werden die Entscheide bekämpfen. Und für einmal teilen wir ihr Argument: was da geplant wird, ist für die junge Generation nicht akzeptabel.

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Der Nationalrat hat eine Lösung verabschiedet, die Verbesserungspotenzial aufweist. Aber diese Nachbesserung hat es ruiniert. Zu viel politischer Ehrgeiz und zu wenig Sachpolitik. Die Reform schien vor kurzem noch auf gutem Weg. Jetzt sind wir an dem Punkt angelangt, wo prominente, politisch unverdächtige Kenner der Materie die schon früher gehörte Feststellung wiederholen: Lieber keine Reform als diese.

Peter Wirth, E-Mail