imageMatthias Niklowitz und Eckhard Baschek haben für die SHZ ein Interview mit Tobias Wolf, Head Advisory und Geschäftsleitungsmitglied von Mercer Schweiz, zu Stand und Entwicklungstendenzen der Pensionskassen geführt. Auszüge.

Heute gehören Arbeitsverträge und Pensionskassen praktisch zusammen. Wer an einer neuen Stelle anfängt, kommt auch automatisch in die Pensionskasse des neuen Arbeitgebers. Liesse sich das nicht entbündeln?
Tobias Wolf: Grundsätzlich ist das bisherige System in der Schweiz sehr gut eingespielt. Eine Wahlfreiheit unter den bestehenden Rahmenbedingungen hätte zur Folge, dass es zu einer Verlagerung zu den am besten aufgestellten Pensionskassen kommt. Das würde zu einer deutlichen Beschleunigung der Konsolidierung bei den Pensionskassen führen. Die strukturell und finanziell Schwächeren würden dann aus dem Markt gedrängt. Ein solcher Systemwechsel hätte in der Schweiz auch noch weitere Folgen.

Welches wären die bedeutendsten?
Nehmen wir die Solidarität: Sie könnte ausgehebelt werden, für Pensionskassen wären jüngere und gut verdienende Versicherte viel attraktiver als ältere und schlechter verdienende. Hinzu kommen weitere Veränderungen, beispielsweise bei der Anlagepolitik der Pensionskassen. Bei einer geringen Bindung der Versicherten wären Life-Cycle-Strategien sinnvoll, die den Anlagehorizont und die Risikofähigkeit der Versicherten berücksichtigen.

Das Pensionssystem und die zweite Säule sind komplex – liesse sich das nicht in zwei, drei einfachere Bereiche aufteilen?
Pensionskassen decken ja nicht nur die Altersleistungen, sondern auch weitere Risiken wie Invalidität und Todesfall ab. Es ist ein Gesamtpaket, bei dem auch die Solidarität und die Bündelung der Risiken eine wichtige Rolle spielen.

Nehmen wir die einzelnen Risiken: Die lassen sich doch separat handhaben.
Es wären separate Risiken; bei einer Trennung würden Versicherungen eine noch grössere Rolle spielen. Allerdings werden einzelne Risiken auch schon heute gerade bei kleineren und mittleren Pensionskassen rückversichert. Es stellt sich hier die Frage, ob eine konsequente Trennung messbare Vorteile mit sich bringen würde.

Ob Trennung der Risiken oder Wahlfreiheit der Kasse, was wären aus Ihrer Sicht die positiven Aspekte?
Die Versicherten würden sich in beiden Fällen mehr mit den Leistungen ihrer Vorsorgelösungen auseinandersetzen. Und diese würden in Summe auch sichtbarer und vergleichbar werden. So würden viele einen genaueren Blick auf die Anlageperformance und die Verzinsung ihrer Altersguthaben werfen. Gerade auf der Anlageseite sehen wir heute noch deutliche Ineffizienzen, die zu unzureichenden Renditen führen.

Was läge denn beispielsweise an Mehrrendite drin?
Eine durchschnittliche, mittelgrosse Kasse kommt auf eine erwartete Rendite von etwa 2 Prozent. Ein halbes bis 1 Prozent mehr wäre drin, mit ähnlichem Anlagerisiko, aber einer effizienteren Anlageallokation. Macht das Vorsorgekapital der Aktiven bei einer Kasse rund die Hälfte des Gesamtvermögens aus, könnte für sie aus der zusätzlichen Anlagerendite eine höhere Verzinsung von 1 bis 2 Prozent resultieren.

Das klingt nach wenig.
Langfristig macht sich das massiv bemerkbar. 1 Prozent Mehrverzinsung über das gesamte Erwerbsleben führt zu einer rund 20 Prozent höheren Rente. Also eine signifikante Steigerung – leider findet das heute sowohl seitens der Pensionskassen als auch seitens der Versicherten noch zu wenig Aufmerksamkeit.